Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.05.2022, Az. AnwZ (Brfg) 21/21

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2022, 4678

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Gegenstand

Widerruf der Syndikusrechtsanwaltszulassung: Bindungswirkung eines Zulassungsbescheides für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung


Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 4. März 2021 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2019 in der Fassung des [X.] vom 12. Februar 2020 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

1

Der Beigeladene, der am 7. November 2017 einen [X.] mit der [X.] (im Folgenden: H-GmbH) geschlossen hatte, beantragte bei der [X.] am 6. Dezember 2017 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, welche ihm mit Bescheid vom 13. November 2019 erteilt wurde. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung des [X.] an. Am 28. Januar 2020 wurde dem Beigeladenen die Zulassungsurkunde zugestellt.

2

Mit Schreiben vom 31. Januar 2020 verzichtete der Beigeladene auf seine Rechte aus der Zulassung „mit Ablauf des 31.1.2020“, da er zum 1. Februar 2020 in ein Anstellungsverhältnis mit einer anderen GmbH wechseln wollte. Daraufhin widerrief die Beklagte die Zulassung mit Bescheid vom 12. Februar 2020 „zum 03.02.2020“ (Tag des Eingangs der Verzichtserklärung bei der [X.]).

3

Gesellschafter der H-GmbH waren die [X.].       GmbH (mit einem Gesellschaftsanteil von 90,31 %) und die vom Beigeladenen zu 100 % gehaltene [X.] (mit einem Gesellschaftsanteil von 9,69 %). Mit Beschluss vom 14. Januar 2018 hatten die Gesellschafter ihre Einwilligung zum Abschluss eines auf denselben Tag datierten [X.] zum [X.] vom 7. November 2017 erteilt. Mit dieser Änderung, die rückwirkend zum 7. November 2017 gelten sollte, wurde eine Bestimmung eingefügt, wonach der Geschäftsführer keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten unterliegt, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung beeinträchtigen. Zudem wurde festgelegt, dass dem Geschäftsführer gegenüber keine Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestehen und er fachlich eigenverantwortlich arbeitet.

4

Die Klägerin, Trägerin der Rentenversicherung, ist der Auffassung, der Beklagte habe nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden dürfen. Sie hat gegen den Bescheid vom 13. November 2019, ihr zugestellt am 10. Februar 2020, am 6. März 2020 Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der [X.] vom 13. November 2019 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid rechtswidrig war. Die Beklagte hat beantragt, die Klage als unzulässig zu verwerfen.

5

Der [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Er ist der Ansicht, dass die Klägerin nicht klagebefugt sei, da sich der Zulassungsbescheid bereits durch die Verzichtserklärung des Beigeladenen, spätestens aber durch den Widerruf der [X.] erledigt habe. Daher habe es bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung an der durch § 46a Abs. 2 Satz 4 [X.] angeordneten Bindungswirkung des [X.] gefehlt.

6

Gegen die Verwerfung der Klage als unzulässig wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung. Durch den Widerrufsbescheid vom 12. Februar 2020 sei weder die Klagebefugnis noch das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 13. November 2019 entfallen. Der Zulassungsbescheid erledige sich nicht bereits durch eine Verzichtserklärung, sondern erst durch den Widerrufsbescheid der Rechtsanwaltskammer. Die Zulassung könne entsprechend § 49 Abs. 1 und 2 VwVfG nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, so dass auch die Regelungswirkung des Verwaltungsakts nur für die Zukunft entfalle, aber für die Vergangenheit weiterbestehe. Wenn der streitgegenständliche Bescheid bestandskräftig würde, würde der Beigeladene gemäß § 46a Abs. 4 Nr. 2 [X.] rückwirkend zum 6. Dezember 2017 Mitglied der [X.]. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] wäre er - auf der Grundlage des [X.] in der Gestalt des [X.] - ab dem 6. Dezember 2017 bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses am 31. Januar 2020 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.

7

Die Anfechtungsklage sei auch begründet. Als Geschäftsführer im Sinne des § 6 GmbHG habe der Beigeladene kein Arbeitsverhältnis mit der H-GmbH gehabt. Aus dem Wortlaut des § 46 [X.] und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe sich, dass eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt grundsätzlich nur für Tätigkeiten erteilt werden könne, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt würden.

8

Es könne zudem nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene im Sinne des § 46 Abs. 3 und 4 [X.] fachlich unabhängig tätig gewesen sei und die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt vertraglich und tatsächlich gewährleistet gewesen sei. Denn dafür müsse nicht nur der [X.], sondern auch der Gesellschaftsvertrag der GmbH eine Regelung zur [X.] bei anwaltlichen Tätigkeiten enthalten.

9

Es stehe auch nicht fest, dass die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 [X.] bezeichneten Tätigkeiten und Merkmale das Anstellungsverhältnis des Beigeladenen geprägt hätten. Dafür müsse die anwaltliche Tätigkeit mindestens 65 % der Gesamttätigkeit ausmachen. Nach Angaben von [X.](Vertreter des [X.] der H-GmbH und Geschäftsführer der H-GmbH) hätten anwaltliche Tätigkeiten „jedenfalls mehr als 60 % der Gesamtarbeitszeit“ ausgemacht. Der Beigeladene habe als Geschäftsführer der H-GmbH und diverser Tochterunternehmen kraft Gesetzes jedoch viele Aufgaben wahrzunehmen, die keinen juristischen Bezug hätten, zumindest aber keinen Anlass für eine anwaltliche Betätigung geboten hätten. Zwei Veröffentlichungen im [X.] ließen deutlich erkennen, dass der Beigeladene in erster Linie unternehmerisch tätig gewesen sei. Es fehle daher an einer hinreichend konkreten Beschreibung der Gesamttätigkeit, aus der sich nachvollziehbar ergebe, wie sich die anwaltlichen und nichtanwaltlichen Tätigkeiten prozentual verteilt hätten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des [X.]s [X.] vom 4. März 2021 - [X.] 2/20 - den Bescheid der Rechtsanwaltskammer [X.] vom 13. November 2019 aufzuheben.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des [X.]s [X.] vom 4. März 2021 ([X.] 2/20) zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Nach Ansicht der [X.] fehlt der Klägerin für die Klage das Rechtsschutzbedürfnis. Mit dem [X.] habe sich der Zulassungsbescheid auf andere Weise im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt und sei damit unwirksam geworden. Der Zulassungsbescheid könne daher nicht mehr in Bestandskraft erwachsen, so dass auch die in § 46a Abs. 2 Satz 4 [X.] geregelte Bindungswirkung nicht eintreten könne.

Die Klage sei zudem unbegründet. Der Beigeladene habe sich in einem Arbeitsverhältnis mit der H-GmbH befunden. Der [X.] enthalte alle wesentlichen Bestandteile eines typischen Arbeitsvertrags und sei unbefristet und somit nicht unter der Bedingung, dass der Beigeladene Geschäftsführer bleibe, abgeschlossen worden.

Die fachliche Unabhängigkeit sei gewährleistet. Mit dem Beschluss vom 14. Januar 2018 zur Änderungsvereinbarung des [X.]s hätten sich die Gesellschafter der H-GmbH hinsichtlich der fachlichen [X.] des Beigeladenen gebunden und damit die Regelung in § 37 Abs. 1 GmbHG abbedungen.

Das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen sei durch syndikusanwaltliche Aufgaben geprägt gewesen. Der Tätigkeitsbeschreibung seien nur solche zu entnehmen; [X.]        habe bekräftigt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen allein im anwaltlichen Bereich liege. Die Beklagte gehe davon aus, dass jedenfalls 60 % der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit für eine Prägung des Arbeitsverhältnisses genügten, und habe auf dieser Grundlage ergänzend um Einreichung einer Erklärung zur konkreten zeitlichen Einbindung der organschaftlichen Tätigkeiten gebeten. Die Bestätigung von [X.] , wonach die syndikusanwaltlichen Tätigkeiten jedenfalls mehr als 60 % der Gesamtarbeitszeit ausmachten, bezeichne bei objektiver Betrachtung einen Rahmen von 61 % bis 100 %.

Ergänzend wird auf das Urteil des [X.]s, die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die aufgrund der Zulassung durch den Senat nach § 112e Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen gemäß § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 und 6 VwGO zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der [X.] hat die Klage rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen. In der Sache ist der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2019 aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

1. Die Klage ist zulässig. Weder durch den Verzicht des Beigeladenen noch durch den Widerruf der Beklagten hat sich der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2019 vollumfänglich erledigt. Sowohl die Klagebefugnis als auch das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin bestehen daher weiterhin.

Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Bereits aus der Wendung „solange und soweit“ ergibt sich, dass in sachlicher und zeitlicher Hinsicht Einschränkungen möglich sind (vgl. [X.]/[X.]/[X.], Verwaltungsrecht, Stand: August 2021, § 43 VwVfG Rn. 95 und 131). Gemäß § 46b Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. und 2 [X.] können sowohl die Rücknahme als auch der Widerruf der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen (vgl. [X.]/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 14 Rn. 6), was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Zulassung für die Vergangenheit weiterhin rechtswirksam ist. Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, NVwZ 2009, 122 Rn. 13; vgl. [X.]/[X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl., § 113 Rn. 250).

a) Dass sich der Zulassungsbescheid nicht bereits durch die Verzichtserklärung des Beigeladenen erledigt hat, ergibt sich daraus, dass die Zulassung gemäß § 46b Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. 2 Nr. 4 [X.] zu widerrufen ist, wenn der Syndikusrechtsanwalt auf die Rechte aus der Zulassung der Rechtsanwaltskammer gegenüber schriftlich verzichtet hat.

Dies zeigt, dass erst durch den Widerruf die Rechtswirkungen der Zulassung enden sollten (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 2016 - [X.] ([X.]) 56/15, NJW-RR 2017, 249 Rn. 26 f.; BVerwG, [X.], 785 Rn. 18; BVerwG, NVwZ 2012, 1547 Rn. 19; vgl. auch BT-Drucks. 3/120, [X.]). Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich dem Urteil des Senats vom 20. Juni 2016 ([X.] ([X.]) 56/15, aaO), nichts Anderes entnehmen. Soweit der Senat davon ausging, dass sich die Befugnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung bereits dann erledigt, wenn der Rechtsanwalt auf sie verzichtet, und es daher eines Widerrufs der Rechtsanwaltskammer nicht bedarf, hat er dies ausdrücklich darauf gestützt, dass § 43c Abs. 4 Satz 2 [X.] keine dem § 14 Abs. 2 Nr. 4 [X.] entsprechende Regelung enthält (Senat, Urteil vom 20. Juni 2016 - [X.] ([X.]) 56/15, aaO Rn. 13 und 26 f.).

Im Übrigen wollte der Beigeladene im Hinblick auf seine Geschäftsführertätigkeit bei der H-GmbH nicht mit Wirkung für die Vergangenheit für die Zulassung verzichten, weil er ausdrücklich erklärte, dass sein Verzicht erst mit der Beendigung seiner Tätigkeit bei dieser GmbH wirksam sein sollte. Der Verzicht könnte daher nur zu einer Erledigung ab diesem Zeitpunkt führen.

b) Auch durch den Widerruf der Beklagten hat sich die Zulassung nicht im Hinblick auf das Beschäftigungsverhältnis des [X.] bei der H-GmbH erledigt. Der Widerruf sollte seinem Inhalt nach nur dazu führen, dass die Wirkungen der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ab dem 3. Februar 2020 - und somit jedenfalls nach Beendigung der Tätigkeit des Beigeladenen für die H-GmbH - nicht mehr bestehen sollten.

In Bezug auf die Klägerin käme dem Verwaltungsakt, wenn er bestandskräftig würde, noch eine Bindungswirkung für den Zeitraum vom 6. Dezember 2017 bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses des Beigeladenen am 31. Januar 2020 zu. Die - separat zu beantragende und zu erteilende - Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 [X.] durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gilt immer nur für eine bestimmte Tätigkeit. Die Befreiung für diese Tätigkeit erlischt ipso iure unabhängig vom Fortbestand einer diesbezüglichen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt mit der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses (vgl. Senat, Urteil vom 30. März 2020 - [X.] ([X.]) 49/19, NJW 2020, 2190 Rn. 17). Der Zulassungsbescheid stellte mit seiner Bestandskraft für diesen Zeitraum die Rechtsgrundlage für die von der Klägerin vorzunehmende Befreiung des Beigeladenen von der Rentenversicherungspflicht dar. Die Klägerin als Trägerin der Sozialversicherung ist daher insoweit beschwert, als die getroffene Zulassungsentscheidung im Umfang der Bindungswirkung unmittelbar Auswirkungen auf die Befreiungsentscheidung und damit die Rentenversicherungspflicht hätte (vgl. BT-Drucks. 18/5201, S. 34).

2. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, so dass er aufzuheben ist (§ 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 [X.] auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 [X.] erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 [X.] vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 [X.] entspricht.

Unabhängig von der vom Senat bislang nicht entschiedenen Frage, ob die Zulassung des Beigeladenen bereits deshalb zu versagen wäre, weil sein Anstellungsverhältnis als GmbH-Geschäftsführer kein Arbeitsvertrag, sondern ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des [X.] gerichteter freier Dienstvertrag war (vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. Dezember 2020 - [X.] ([X.]) 17/20, NJW 2021, 629 Rn. 8), kann die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt nicht erfolgen, weil die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen entgegen § 46 Abs. 4 Satz 2 [X.] vertraglich nicht gewährleistet war.

Als Geschäftsführer einer GmbH hat der Beigeladene gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Danach hat er grundsätzlich Weisungen der Gesellschafterversammlung - sei es im Einzelfall oder als allgemeine Richtlinie - zu jeder Geschäftsführerangelegenheit zu befolgen, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält (vgl. Senat, Urteil vom 7. Dezember 2020 - [X.] ([X.]) 17/20, NJW 2021, 629 Rn. 11 mwN und Beschluss vom 25. Oktober 2021 - [X.] ([X.]) 37/20, [X.], 106 Rn. 19). Ein nur dienstvertraglich vereinbartes Weisungsverbot reicht hingegen nicht aus (vgl. ausführlich hierzu Senat, Urteil vom 7. Dezember 2020, aaO Rn. 12 ff.).

a) Bereits aus diesem Grund genügen die in den [X.] durch Änderungsvertrag vom 14. Januar 2018 eingefügten Regelungen nicht, um die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen zu gewährleisten. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Anordnung der rückwirkenden Geltung dieser Regelungen dem Erfordernis in § 46 Abs. 4 Satz 2 [X.] entsprach, die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten.

b) Dass der Gesellschaftsvertrag der H-GmbH eine Aufhebung der gesellschafts- bzw. organrechtlichen Weisungsunterworfenheit des Beigeladenen oder eine sonstige Regelung zur Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit enthielt, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich eine solche Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit des Beigeladenen auch nicht daraus, dass die Gesellschafter dem Änderungsvertrag zum [X.] zugestimmt haben.

Aus dem Umstand, dass die Gesellschafter einen solchen Beschluss gefasst haben, kann dies nicht hergeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist das zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrags eines Geschäftsführers allein befugte Organ einer GmbH bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmungen die Gesellschafterversammlung (sog. Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG; [X.], Urteil vom 14. Mai 2019 - [X.]/17, [X.]Z 222, 32 Rn. 18 mwN). Schon aus diesem Grund mussten die Gesellschafter einen Beschluss über den Änderungsvertrag fassen.

Auch dem Beschluss selbst sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass mit ihm auch der Gesellschaftsvertrag geändert werden sollte. Als Überschrift des [X.] war fettgedruckt angegeben „Abschluss des [X.] zum Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 07.11.2017 mit [dem Beigeladenen]“. Der Beschlusstext beschäftigt sich nur mit dem Inhalt und der Unterzeichnung des [X.]. Zudem verzichteten die Gesellschafter auf „sämtliche gesetzlichen und/oder gesellschaftsvertraglichen Form- und Fristerfordernisse hinsichtlich der Einberufung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung“, was ebenfalls darauf hindeutet, dass der Beschluss nur dazu diente, die Änderung des [X.] durchführen zu können.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Grupp     

      

Paul     

      

Ettl   

      

Schmittmann     

      

Niggemeyer-Müller     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 21/21

13.05.2022

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 8. Oktober 2021, Az: AnwZ (Brfg) 21/21, Beschluss

§ 46 BRAO, § 6 Abs 1 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.05.2022, Az. AnwZ (Brfg) 21/21 (REWIS RS 2022, 4678)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4678

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