Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2013, Az. 4 StR 121/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5639

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Verfahrensrüge wegen fehlendem Negativattest über Verständigungsgespräche


Tenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung einer weiteren Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. November 2012 wird als unbegründet verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachbeschwerde und mit Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

1. Das Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten zur Anbringung einer weiteren Verfahrensrüge („fehlendes Negativattest gemäß § 273 Abs. 1a Satz 3 [X.]“) ist unzulässig.

3

Das Gesetz räumt die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur für den Fall ein, dass eine Frist versäumt worden ist (§ 44 Satz 1 [X.]). Eine Fristversäumung liegt nicht vor, weil die Revision des Angeklagten von seinem Verteidiger mit der Sachrüge und mehreren Verfahrensrügen fristgerecht begründet worden ist (st. Rspr., vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. Februar 1951 – 1 StR 5/51, [X.]St 1, 44; vom 27. März 2008 – 3 StR 6/08, [X.], 394; vom 11. Mai 2010 – 4 [X.], Rn. 1; vom 28. Dezember 2011 – 2 [X.], Rn. 2).

4

Ob hier im Hinblick auf das Urteil des [X.] vom 19. März 2013 zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des [X.] ([X.], NJW 2013, 1058 ff.) eine besondere Verfahrenslage gegeben ist, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung zur Nachholung einer Verfahrensrüge in Betracht kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. September 1993 – 5 [X.], [X.], 347, zur Wiedereinsetzung bei Änderung der Rechtsprechung), bedarf keiner Entscheidung. Denn das Wiedereinsetzungsgesuch entspricht nicht den Anforderungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.], die auch bei der Nachholung von Verfahrensrügen zu beachten sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Mai 2008 – 3 [X.], [X.], 282, 283, und vom 27. August 2008 – 2 [X.], [X.], 173 f.; [X.], [X.], 55. Aufl., § 44 Rn. 7a). Danach ist der Antrag binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Damit die Einhaltung der Wochenfrist überprüft werden kann, bedarf es zur formgerechten Anbringung eines [X.] in den Fällen, in denen dies nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, der Mitteilung, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4. August 2008 – 2 [X.], Rn. 3; vom 11. Mai 2011 – 2 [X.], Rn. 3; vom 8. Dezember 2011 – 4 [X.], [X.], 276, 277). Der Antrag des Verteidigers auf Wiedereinsetzung vom 24. April 2013 verhält sich indes nicht dazu, wann der Angeklagte, dessen Kenntnis für den Fristbeginn entscheidend ist, über das verfassungsgerichtliche Urteil und die mögliche Rüge des fehlenden Negativattestes (§ 273 Abs. 1a Satz 3 [X.]) unterrichtet wurde. Entsprechende Angaben waren vorliegend auch nicht entbehrlich. Da dem Verteidiger nach seinem Vortrag die Entscheidung des [X.] vom 19. März 2013 frühzeitig bekannt war und Gründe, die einer zeitnahen Unterrichtung des Angeklagten und fristgerechten Antragstellung entgegenstanden, nicht ersichtlich sind, bestand im Hinblick auf den erheblichen Zeitablauf bis zur Einreichung des [X.] Anlass, auch dazu vorzutragen, wann der Angeklagte über die neue Rechtslage in Kenntnis gesetzt wurde.

5

2. Auch bei Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bliebe die Rüge ohne Erfolg; denn sie wäre unbegründet. Aus dem [X.] ergibt sich, dass [X.] zu keinem Zeitpunkt stattgefunden haben (Schriftsatz vom 24. April 2013, [X.] f.). Es kann somit sicher ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf eine gesetzwidrige „informelle“ Absprache oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgeht ([X.], NJW 2013, 1058, 1067).

6

3. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]).

7

Zu der Verfahrensrüge, die Angaben des Polizeibeamten [X.]über die körperliche Reaktion des Angeklagten nach Konfrontation mit dem Tod des Unfallopfers seien unter Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 Satz 2 [X.] verwertet worden, bemerkt der [X.] ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:

8

Nach den Feststellungen des [X.]s erlitt der Angeklagte einen „Zusammenbruch“, als der ermittelnde Polizeibeamte ihn an seinem Arbeitsplatz „mit dem Tod     [X.] konfrontierte“ ([X.]). Die körperliche Reaktion des Angeklagten, der die Strafkammer indizielle Bedeutung beigemessen hat, erfolgte somit im unmittelbaren Zusammenhang mit der Eröffnung des [X.] nach § 163a Abs. 4 Satz 1 [X.] und vor der Einlassung des Angeklagten zur Sache. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch keine Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 Satz 2 [X.] (vgl. HK-[X.]-Ahlbrecht, 5. Aufl., § 136 Rn. 16; [X.], [X.], 55. Aufl., § 136 Rn. 6).

Mutzbauer                        [X.]Franke

                    Quentin                                [X.]

Meta

4 StR 121/13

22.05.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Passau, 23. November 2012, Az: Ks 313 Js 13048/11

§ 273 Abs 1a S 3 StPO, § 257c StPO, § 344 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2013, Az. 4 StR 121/13 (REWIS RS 2013, 5639)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5639

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