Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2012, Az. V ZR 7/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1856

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
7/12
Verkündet am:

26. Oktober 2012

Lesniak

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 47
a)
Zwei gegen denselben Beschluss der Wohnungseigentümer gerichtete Anfech-tungsklagen müssen zwingend -
gegebenenfalls auch noch in der Berufungs-instanz oder instanzenübergreifend -
zur gemeinsamen Verhandlung und [X.] verbunden werden.

b)
Unterbleibt die Verbindung, so kann jeder Kläger auch in dem Parallelverfahren Rechtsmittel gegen ein die Klage abweisendes Urteil einlegen; wird die Entschei-dung in einem der Verfahren rechtskräftig, hat dies die Unzulässigkeit der zweiten Klage zur Folge.

[X.], Urteil vom 26. Oktober 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
26. Oktober 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann,
[X.]
[X.], die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland und [X.] Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird -
unter Zurückweisung des [X.] Rechtsmittels -
das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 14. Dezember 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich des [X.] zurückgewiesen worden ist, der auf Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Zustimmung zu einem Beschluss ge-richtet ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]en bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Ei-gentümerversammlung am 26. Januar 2009 lehnten die Wohnungseigentümer 1
-
3
-
mehrheitlich
einen Beschluss ab, wonach die für den Austausch von Fenstern entstehenden Kosten jeweils den Wohnungseigentümern auferlegt werden soll-ten, deren Sondereigentumseinheiten die Fenster zuzuordnen waren. Gegen diesen ablehnenden Beschluss wendet sich der Kläger mit der Beschlussmän-gelklage und beantragt ferner, die Beklagten zur Zustimmung zu einem ent-sprechenden Beschluss zu verurteilen.

In einem Parallelverfahren hatten andere Wohnungseigentümer densel-ben Beschluss angefochten. Diese Klage wies das Amtsgericht mit Urteil vom 13. August 2009 ab. Nachdem die Berufung der Kläger in jenem Verfahren er-folglos war, wurde das Urteil rechtskräftig.

In dem hiesigen Rechtsstreit hat das Amtsgericht die Klage ebenfalls mit Urteil vom 13. August 2009 abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos gewesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt er seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig, weil ihr die Rechts-kraft des in dem Parallelverfahren ergangenen Urteils vom 13. August 2009 entgegenstehe. Der Streitgegenstand sei identisch. Die Rechtskraft erstrecke sich auf den Kläger, der in dem Parallelverfahren Beklagter gewesen sei. Dass die in § 47 [X.] vorgesehene Verbindung der Verfahren unterblieben sei, [X.] dem Eintritt der Rechtskraft nicht entgegen. Dem Kläger sei es möglich ge-2
3
4
-
4
-
wesen, den Klägern in dem Parallelverfahren als Nebenintervenient beizutre-ten, um seine Argumente zu Gehör zu bringen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.
1. Im Hinblick auf den Antrag, den Beschluss vom 26. Januar 2009 für nichtig, hilfsweise für ungültig zu erklären, sieht das Berufungsgericht die Klage zu Recht als unzulässig an. Einer Sachentscheidung steht die Rechtskraft des in dem Parallelverfahren ergangenen Urteils entgegen.
a) Beide Verfahren wurden zwischen denselben [X.]en geführt, wenn auch in unterschiedlichen [X.]n. Weil der Kläger in dem
Parallelverfahren auf der Seite der übrigen Wohnungseigentümer Beklagter war, ist in subjektiver Hinsicht [X.] eingetreten (§ 325 Abs. 1 ZPO). Das gilt auch in materieller Hinsicht, weil der Streitgegenstand identisch ist (§
322 Abs. 1 ZPO).
b) Dem Einwand der Rechtskraft steht nicht entgegen, dass die Klage in dem Parallelverfahren nicht auf die Nichtigkeit des Beschlusses gestützt war. Denn Nichtigkeits-
und Anfechtungsklage haben denselben Streitgegenstand, was der Gesetzgeber in den gesetzlichen Regelungen der §§
46 Abs. 2, 47 Satz 1 und 48 Abs. 4 [X.] zum Ausdruck gebracht hat (Senat, Urteil vom 2.
Oktober 2009

[X.], [X.]Z 182, 307 Rn. 20 ff.; Urteil vom 20. Mai 2011

[X.], NJW-RR 2011, 1232 Rn. 9 jeweils mwN). Aus diesem Grund sind
im Rahmen der Anfechtungsklage auch Gründe für die Nichtigkeit von Amts wegen zu prüfen. Ob einzelne Gründe, die zur Nichtigkeit oder zur 5
6
7
8
-
5
-
Anfechtbarkeit führen könnten, tatsächlich geltend gemacht und geprüft worden sind, ist für den Eintritt der Rechtskraft unerheblich.
c) Entgegen der Ansicht des [X.] führt die unterbliebene Verbindung der Verfahren nicht zu einem anderen Ergebnis.
aa) Richtig ist allerdings, dass die Verbindung zwingend erforderlich war. Sie hätte auch noch in zweiter Instanz ([X.] in [X.], [X.], 11. Aufl., §
47 Rn. 8; Suilmann in [X.], [X.], 3. Aufl., §
47 Rn. 8; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 47 [X.] Rn. 3) und sogar instanzenübergreifend erfolgen müssen (so zu Recht [X.], aaO; [X.]/[X.], [X.], § 47
Rn. 3). Weil sie rechtsfehlerhaft unterblieb, ist die Beschlussmängelklage in dem Parallelverfahren möglicherweise anders geführt worden, als es der Kläger für richtig hält. [X.] hätte er dies allein dadurch verhindern können, dass er die von Amts wegen vorzunehmende Verbindung anregte. Denn ein [X.]wechsel in dem Parallelverfahren wäre nur im allseitigen Einverständnis zulässig gewesen (so zu Recht [X.] in [X.], [X.], 11. Aufl., §
46 Rn. 65). Auch hätte er in jenem Verfahren nicht

wie das Berufungsgericht gemeint hat

auf der [X.]eite als Nebenintervenient beitreten können. §
66
Abs. 1 ZPO setzt nämlich voraus, dass der Rechtsstreit zwischen anderen [X.]en geführt wird. Daran fehlt es hier, weil der Kläger in dem Parallelverfahren Beklagter war. Nur dann, wenn die Verbindung erfolgt ist, sieht § 47 Satz 2 [X.] vor, dass die Kläger der selbständigen Verfahren fortan als Streitgenossen anzusehen sind, um auf diese Weise den durch die Verbindung erforderlichen Wechsel der [X.] in dem jeweils anderen Prozess zu bewirken (BT-Drucks. 16/887, [X.]). Soweit sich dem Senatsurteil vom 27. März 2009 entnehmen lässt, dass eine streitgenössische Nebenintervention einzelner 9
10
-
6
-
beklagter Wohnungseigentümer auf der [X.]eite möglich sei (V
ZR 196/08, [X.], 2132 Rn.
21
a.E.), hält der Senat daran nicht fest.
[X.]) Die unterbliebene Verbindung rechtfertigt jedoch keine Durchbrechung der Rechtskraft.
(1) Eine Durchbrechung der Rechtskraft kommt

abgesehen von dem Sonderfall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung

nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in Betracht. Dass der Kläger an das Ergebnis des [X.] gebunden ist, ist im Interesse der Rechtssicherheit nach einhelliger Meinung jedenfalls dann hinzunehmen, wenn

wie hier

in dem Parallelverfahren eine Sachprüfung stattgefunden hat (BayObLG, [X.], 604; [X.], [X.], 396; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 47 [X.] Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., §
47 Rn. 3; Suilmann in
[X.], [X.], 3. Aufl., § 47 Rn. 10; [X.]/[X.], [X.], §
47 Rn. 11 f.).
(2) Für eine Ausnahme besteht kein Anlass, weil der Kläger

wenngleich als Beklagter

[X.] des [X.] war. Aus diesem Grund ist sein Verfahrensgrundrecht auf Wahrung rechtlichen Gehörs nicht verletzt worden;
müssen, wie das Parallelverfahren rechtskräftig wurde. Der Kläger hätte auch noch in zweiter Instanz die Verbindung der Verfahren anregen können. Auch hätte ihm offen gestanden, selbst in dem Parallelverfahren Berufung einzulegen und zugleich die Verbindung mit dem von ihm geführten Verfahren anzuregen, um den Eintritt der Rechtskraft zu verhindern (vgl. [X.]/[X.]/Abramenko, [X.], 3. Aufl., § 47 Rn. 8). Entgegen der Auffassung der Revision wäre er trotz seines Obsiegens in dem 11
12
13
-
7
-
Parallelverfahren beschwert gewesen. Er hätte nämlich so gestellt werden müssen, als wäre das Verfahren ordnungsgemäß geführt worden; wäre die Verbindung verfahrensfehlerfrei in erster Instanz erfolgt, hätte er die [X.] gewechselt und wäre aus diesem Grund bereits in erster Instanz unterlegene [X.] gewesen.
2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht dagegen, die Rechtskraft des in dem Parallelverfahren ergangenen Urteils vom 13. August 2009 erstrecke sich auch auf den Antrag, mit dem der Kläger die Beklagten zur Zustimmung zu der begehrten Beschlussfassung verurteilen lassen will.
a) Ein entsprechender Antrag ist in dem Parallelverfahren nicht gestellt worden; dort ist nur der [X.] angefochten worden. Weil es sich um
unterschiedliche Anträge mit unterschiedlicher Zielrichtung handelt, fehlt es an der Identität des [X.]. Der infolge der rechtskräftigen Entscheidung in dem Parallelverfahren bestandskräftige [X.] vom 26. Januar 2009 entfaltet keine Sperrwirkung für eine erneute Beschlussfassung über den gleichen Gegenstand (Senat, Beschluss vom 19.
September 2002

[X.], [X.]Z 152, 46, 51). Demzufolge schließt das rechtskräftige Urteil in dem [X.] eine spätere [X.] nicht aus.
b) Insoweit erweist sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561).
Allerdings ist der derzeit auf Zustimmung zu einem bestimmten Beschluss
gerichtete Antrag unzulässig. Denn ein einzelner Wohnungseigentümer muss seinen Anspruch gemäß § 21 Abs. 4 [X.] grundsätzlich im Wege der [X.] gemäß § 21 Abs. 8 [X.]
14
15
16
17
-
8
-
verfolgen und den Antrag auf abändernde Beschlussfassung durch gerichtliche Entscheidung richten (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010

[X.], [X.]Z 184, 88 Rn. 21; Urteil vom 11. Juni 2010

[X.], [X.]Z 186, 34 Rn. 12). Da dieser Punkt in den Tatsacheninstanzen keine Rolle gespielt hat, eine Umdeutung des Klageantrags aber nicht in Betracht kommt (vgl. Senat, Beschluss vom 25. September 2003

[X.], [X.]Z 156, 192, 204 f.; Urteil vom 11. Juni 2010

[X.], [X.]Z 186, 34 Rn. 12),
muss die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, seinen Antrag anzupassen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Wohnungseigentümer können gemäß §
16 Abs. 4 [X.] mit qualifizierter Mehrheit beschließen, dass die Kosten für einen Fensteraustausch abweichend von dem gesetzlichen Maßstab des §
16 Abs.
2 [X.] jeweils von den Wohnungseigentümern zu tragen sind, deren Sondereigentum die Fenster zuzuordnen sind ([X.] in [X.], [X.], 11. Aufl., § 16 Rn. 125 mwN; [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 16 Rn. 64; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 16 Rn. 62). Das setzt allerdings voraus, dass sie nur
einen Einzelfall, also die Kosten für eine bestimmte Maßnahme regeln; unzulässig wäre eine abstrakte Kostenregelung für künftige Maßnahmen (BT-Drucks. 16/887, [X.]; [X.] in [X.], aaO, Rn. 116), die demzufolge auch ein einzelner Wohnungseigentümer nicht gemäß § 16 Abs. 4 [X.] beanspruchen kann. Eine generelle Kostenregelung könnte er nur gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 [X.] herbeiführen. Das Berufungsgericht wird zunächst 18
19
-
9
-
überprüfen müssen, wie das Begehren des [X.]

das er gegebenenfalls klarstellen kann

zu verstehen ist (vgl. § 139 Abs.
1 Satz
2 ZPO).
Sofern eine Einzelfallregelung Klageziel ist, setzt nach der Rechtsprechung des Senats auch der Anspruch gemäß §
16 Abs. 4 [X.] voraus, dass die Voraussetzungen von §
10 Abs. 2 Satz 3 [X.] gegeben sind. Es reicht nicht aus, dass die beanspruchte Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht; vielmehr ist erforderlich, dass ein Festhalten an dem gesetzlichen Kostenverteilungsmaßstab aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint (Senat, Urteil vom 15. Januar 2010

[X.], [X.]Z 184, 88 Rn. 27 ff.). Die danach erforderliche Abwägung hat das Berufungsgericht anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
Stresemann

[X.]

Brückner

Weinland

Kazele
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
30 C 570/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.12.2011 -
2 S 59/09 [X.] -

20

Meta

V ZR 7/12

26.10.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2012, Az. V ZR 7/12 (REWIS RS 2012, 1856)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1856

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 7/12 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumsverfahren: Verbindung von zwei gegen denselben Beschluss gerichteten Anfechtungsklagen; Rechtskraft im Parallelverfahren


V ZR 26/14 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentum: Kompetenz der Eigentümer zur Beschlussfassung über die Aufbringung von Vorschüssen zur Beauftragung eines Rechtsanwalts …


V ZR 43/22 (Bundesgerichtshof)

Anfechtung von Beschlüssen einer Eigentümerversammlung: Voraussetzungen einer beschränkten Zulassung der Revision; Wahrung der Klagefrist


V ZR 238/11 (Bundesgerichtshof)

(Wohnungseigentum: Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer für den Einbau eines landesrechtlich vorgeschriebenen Rauchwarnmelders)


V ZR 175/10 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentumsverfahren: Rechtsmittelbeschwer bei Abweisung des Hauptantrags auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses und erfolgreichem Hilfsantrag …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 7/12

V ZR 175/10

V ZR 114/09

V ZR 174/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.