Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2012, Az. I ZB 95/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9555

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Gegenstand

Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungspflicht: Aufnahme der Ordnungsmittelandrohung in einen Prozessvergleich


Leitsatz

Die der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO vorausgehende Androhung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO kann nicht wirksam in einen Prozessvergleich aufgenommen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO feststellt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 10. November 2010 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien schlossen am 7. September 2004 vor dem [X.] einen [X.]. In diesem verpflichtete sich die Schuldnerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, mit der Unterzeichnung eines [X.] gehe die Kundin keine Vertragsbindung ein.

2

Mit Beschluss vom 24. November 2009 hat das [X.] gegen die Schuldnerin wegen Zuwiderhandlungen gegen das im Vergleich vereinbarte Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 €, ersatzweise für je 200 € einen Tag Ordnungshaft, festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht den Ordnungsmittelbeschluss aufgehoben ([X.], [X.] 2011, 244). Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

3

II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Ordnungsmittel habe nicht festgesetzt werden dürfen, weil die vorausgehende Androhung im Sinne des § 890 Abs. 2 ZPO gefehlt habe. Diese könne in einen [X.] nicht wirksam aufgenommen werden. Vielmehr müsse das Gericht das Ordnungsmittel androhen.

5

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

6

a) Nach der Vorschrift des § 890 Abs. 2 ZPO muss der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie nicht in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten ist, auf Antrag vom Prozessgericht des ersten Rechtszugs erlassen wird. Die Androhung soll dem Schuldner die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot deutlich vor Augen führen und ihn dadurch anhalten, die [X.] zu befolgen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.], [X.]Z 156, 335, 340 f. - [X.]; KG, [X.] 1983, 781, 783).

7

b) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine entsprechende Androhung nicht wirksam in einem [X.] erfolgen kann (ebenso [X.], 413, 415; [X.], [X.], 447; [X.], [X.], 119; KG, [X.] 1983, 781, 783 und NJW-RR 1987, 507; [X.], NJW-RR 2006, 1441; [X.], [X.]. 2007, 707; MünchKomm.ZPO/[X.], 3. Aufl., § 890 Rn. 25; Musielak/[X.], ZPO, 9. Aufl., § 890 Rn. 7; [X.]/Pukall, ZPO, 4. Aufl., § 890 Rn. 11; [X.]/[X.]/[X.], Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890 Rn. 16; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 890 Rn. 93; [X.] in [X.]/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 6.3; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 383; [X.], [X.]rechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., [X.]. 57 Rn. 25; [X.], [X.] 1967, 134; [X.], Zivilprozessrecht - Vollstreckungsverfahren, 1975, § 95 I 2; [X.], [X.], 1971, Rn. 112; [X.], NJW 1969, 23, 24; Schlosser, JZ 1972, 639).

8

aa) Die Bestimmung des § 890 Abs. 2 ZPO sieht die Androhung der Ordnungsmittel ausschließlich durch den [X.] vor. Davon macht das Gesetz für die in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten [X.]e keine Ausnahme. Sie ist auch nicht aus prozessökonomischen Gründen geboten. Dem steht der Zweck der [X.] nach § 890 Abs. 2 ZPO entgegen, von Seiten des Gerichts auf den Schuldner einzuwirken, das Unterlassungsgebot zu beachten.

9

Der Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes rechtfertigt ebenfalls kein Absehen vom Erfordernis einer richterlichen [X.]. Allerdings kann das Gericht auf Antrag des Gläubigers die [X.] bereits im Urteil aussprechen, während bei der Androhung von [X.] durch besonderen Beschluss die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 750 Abs. 1 ZPO vorliegen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 29. September 1978 - [X.], [X.] 1979, 121, 122 = WRP 1978, 883 - Verjährungsunterbrechung; Beschluss vom 22. Januar 2009 - [X.], [X.]Z 180, 72 Rn. 14). Dadurch entsteht für die [X.] bis zur Zustellung des Beschlusses mit der [X.] aber keine Rechtsschutzlücke. Die Parteien können im [X.] eine Vertragsstrafe vereinbaren, so dass der Schuldner das Unterlassungsgebot bereits mit Abschluss des [X.]s beachten muss, wenn er die Vertragsstrafe nicht verwirken will.

Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist im vorliegenden Fall auch nicht deshalb eine andere Beurteilung geboten, weil dem [X.] in anderen Verfahren ergangene Unterlassungsurteile mit [X.]en vorausgegangen sind, deren Verbote in den [X.] aufgenommen worden sind. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung ausschließlich aus dem [X.]. Für die Frage, ob die Voraussetzungen für die Festsetzung von [X.] nach § 890 Abs. 1 ZPO vorliegen, ist danach nur auf diesen Vollstreckungstitel abzustellen.

Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, das Beschwerdegericht habe die Frage nicht offenlassen dürfen, ob auch bei einem nach § 278 Abs. 6 ZPO vom Gericht festgestellten Vergleich, der mit einer [X.] versehen sei, eine gesonderte Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO erforderlich sei.

Nach der Vorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO können seit dem 1. September 2004 [X.]e auch dadurch zustande kommen, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts annehmen und das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss feststellt. Die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 ([X.] I S. 1887) eingeführte und mit Wirkung ab 1. September 2004 neu gefasste Bestimmung des § 278 Abs. 6 ZPO sieht für gerichtliche Vergleiche die Möglichkeit einer erleichterten Protokollierung vor, die den Beteiligten den Abschluss eines [X.]s in einem Gerichtstermin erspart (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 30. Juni 2004, BT-Drucks. 15/3482, [X.]). Ein auf diese Weise abgeschlossener Vergleich entspricht in seinen Wirkungen einem in einer mündlichen Verhandlung abgeschlossenen [X.] (vgl. auch [X.], Urteil vom 23. November 2006 - 6 [X.], [X.], 1831 Rn. 32 bis 36). Weitergehende Wirkungen hat ein nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommener Vergleich nicht. Der Beschluss nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO ersetzt daher nicht die [X.]. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass bei der Androhung von [X.] durch besonderen Beschluss die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen müssen, was zum [X.]punkt der Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht der Fall ist.

bb) Mit dem Abschluss des [X.]s hat die Schuldnerin auch nicht wirksam auf die Androhung von [X.] nach § 890 Abs. 2 ZPO verzichtet. Die Bestimmungen des [X.] sind grundsätzlich zwingendes Recht. Das schließt zwar nicht aus, dass die Parteien vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen treffen können (vgl. [X.], Urteil vom 2. April 1991 - [X.], NJW 1991, 2295, 2296). Die Vollstreckung erweiternde Vereinbarungen zu Lasten des Schuldners oder ein Verzicht auf den Schuldner schützende [X.] sind aber - jedenfalls im Voraus - regelmäßig unzulässig (vgl. [X.], 181, 183; KG, NJW 1960, 682; [X.], NJW 1971, 50; Musielak/[X.] aaO Vorbem. § 704 Rn. 17; [X.]/Stöber, ZPO, 29. Aufl., Vor § 704 Rn. 26; [X.], Rpfleger 2010, 456, 463). Dies gilt auch für einen im Voraus erklärten Verzicht auf die Androhung von [X.] im Sinne des § 890 Abs. 2 ZPO. Die Vorschrift ist zwingendes Recht zum Schutz des Schuldners.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm                             Pokrant                             Büscher

                       Schaffert                              Koch

Meta

I ZB 95/10

02.02.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 10. November 2010, Az: 6 W 8/10

§ 278 Abs 6 S 2 ZPO, § 890 Abs 1 ZPO, § 890 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.02.2012, Az. I ZB 95/10 (REWIS RS 2012, 9555)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9555

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Referenzen
Wird zitiert von

I ZB 3/12

I ZB 95/10

22 S 17.2080

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