Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2016, Az. 2 StR 487/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 14517

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Gegenstand

Fehlerhafte Gesamtstrafenbildung: Zäsurwirkung nicht einbeziehungsfähiger Straftaten; Beachtung des Verschlechterungsverbots; Nachholung der Festsetzung der Einzelstrafe durch das Revisionsgericht


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2015 dahin geändert, dass dieser Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in jeweils fünf Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des [X.] vom 10. März 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt ist.

2. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über eine Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Strafen zur Bewährung sowie über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in jeweils fünf Fällen (Fälle II. 4-8 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafen von dreimal einem Jahr und zweimal einem Jahr und drei Monaten) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 18 der Urteilsgründe; Freiheitsstrafe von zwei Jahren) unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen aus einem Strafbefehl vom 10. März 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus dem [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Bildung der Gesamtstrafe ist rechtsfehlerhaft. Die Tat im Fall II. 18 der Urteilsgründe wurde am 22. Oktober 2014 und damit erst nach dem Erlass des Strafbefehls durch das [X.] am 10. März 2014 begangen. Aufgrund der damit eingetretenen Zäsurwirkung wäre aus den für die Fälle II. 4 bis 8 der Urteilsgründe verhängten [X.]n unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden sowie gesondert für den Fall II. 18 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verhängen gewesen.

3

2. Der Angeklagte ist durch die Verhängung nur einer Gesamtfreiheitsstrafe beschwert, weil bei Beachtung der Zäsurwirkung eine Gesamt- und eine Einzelfreiheitsstrafe hätten gebildet werden können, deren Höhen - anders als die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren - noch eine Strafaussetzung zur Bewährung ermöglicht hätten (vgl. [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Geldstrafe 3).

4

3. Wegen des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 StPO) darf die Summe der beiden zu bildenden Strafen die vom [X.] rechtsfehlerhaft verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren nicht überschreiten (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2012 - 3 [X.], [X.], 6). Da die für den Fall II. 18 der Urteilsgründe verhängte [X.] zwei Jahre beträgt, ist aus den für die Fälle II. 4-8 der Urteilsgründe verhängten [X.]n unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe von höchstens einem Jahr zu verhängen. Dem steht nicht entgegen, dass die der neu zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe zugrunde zu legende [X.] bereits ein Jahr und drei Monate (Fälle II. 5 und 7 der Urteilsgründe) beträgt. Denn die Regelung des § 54 StGB, wonach die Gesamtstrafe in einer Erhöhung der [X.] schwersten [X.], der [X.], zu bestehen hat, könnte hier nur unter Benachteiligung des Beschwerdeführers eingehalten werden. Sie hat deshalb zurückzutreten hinter dem Grundsatz, dass die Rechtsstellung eines Angeklagten, der durch einen nur von ihm angefochtenen Strafausspruch einen über das in §§ 53 bis 55 StGB vorgesehene Maß - infolge fehlerhafter Anwendung dieser Vorschriften - hinausgehenden Vorteil erlangt hat, durch eine neuerliche Gesamtstrafenbildung nicht mehr beeinträchtigt werden darf. Das Verbot der reformatio in peius geht insoweit dem sachlichen Recht vor ([X.], Urteil vom 3. November 1955 - 3 StR 369/55, [X.]St 8, 203, 205; [X.], in: [X.] Kommentar zum StGB, 12. Aufl. § 55 Rn. 44).

5

Die nach alledem hinter der [X.] gemäß § 54 StGB zurückbleibende, nach § 358 Abs. 2 StPO höchstmögliche Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst verhängen. Der neue Tatrichter wird nach alledem nur noch zu entscheiden haben, ob - was angesichts des [X.] des Angeklagten [X.]allerdings nicht nahe liegt - eine Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der Freiheitsstrafen von einem Jahr und von zwei Jahren in Betracht kommt.

Fischer                           Appl                           Eschelbach

                    Ott                            Zeng

Meta

2 StR 487/15

15.03.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 25. Juni 2015, Az: 64 KLs 3/15

§ 54 StGB, § 55 Abs 1 StGB, § 354 Abs 1 StPO, § 358 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2016, Az. 2 StR 487/15 (REWIS RS 2016, 14517)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14517

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