Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2017, Az. XI ZR 716/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9424

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[X.]:[X.]:BGH:2017:2006[X.]XIZR716.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XI ZR 716/16
Verkündet am:

20.
Juni 2017

Herrwerth,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat gemäß §
128 Abs.
2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 2.
Mai 2017 eingereicht werden konnten,
durch die Richter Dr.
Joeres,
Dr.
Grüneberg
und
Maihold
sowie die Richterinnen Dr.
[X.] und
Dr.
Derstadt
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 17.
Zivilsenats des [X.] vom 8.
November 2016 aufgehoben und das Urteil des [X.]s [X.] -
Zivilkammer
VII -
vom 9.
Oktober 2015 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Kläger begehren die Feststellung des [X.] ihres [X.].
Am 16.
April 1991 schlossen die Kläger mit der Beklagten einen Bau-sparvertrag (Vertragsnummer: 2

) über
eine Bausparsumme von 23.000
DM (= 11.759,71

Allgemeinen Bausparbedingungen (im Folgenden: [X.]) heißt es auszugsweise wie folgt:
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-
"§ 1 Vertragszweck
Zweck des [X.] ist die Erlangung eines unkündbaren, in der Regel zweit-stellig zu sichernden [X.] (Bauspardarlehen) aufgrund planmäßiger Spar-

§ 5 Sparzahlungen
(1) Der monatliche Bausparbeitrag beträgt 4,17 vom Tausend der Bausparsumme (Re-gelsparbeitrag). Er ist bis zur ersten Auszahlung aus der zugeteilten Bausparsumme am [X.] kostenfrei an die Bausparkasse zu entrichten.

(3) Ist der Bausparer unter Anrechnung von Sonderzahlungen mit mehr als 12 Regel-sparbeiträgen rückständig und hat er der schriftlichen Aufforderung der Bausparkasse, nicht geleistete [X.] zu entrichten, länger als zwei Monate nach Zugang der Aufforderung nicht entsprochen, so kann die Bausparkasse den Bausparvertrag kündi-

(4

§ 6 Verzinsung des Bausparguthabens
(1)
Das Bausparguthaben wird mit 2,5 vom Hundert jährlich verzinst.

§ 14 Vertragsfortsetzung
(1) Nimmt der Bausparer die Zuteilung nicht an oder gibt er die Annahmeerklärung nicht fristgemäß ab oder wird die Annahme der Zuteilung widerrufen, so wird der Vertrag fortgesetzt.

Der Bausparvertrag war am 15.
April 2002 erstmalig zuteilungsreif. Ein Bauspardarlehen nahmen die Kläger nicht in Anspruch. Mit Schreiben vom 16.
Februar 2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des [X.] zum 20.
August 2015 unter Berufung auf §
489 Abs.
1 Nr.
2 BGB. Zum Zeit-punkt der Kündigung belief sich das Bausparguthaben der Kläger auf 9.726,79

Die Kläger
sind der Ansicht, dass die Kündigung unwirksam sei, weil der Beklagten kein Kündigungsrecht zugestanden habe. Das [X.] hat an-3
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-
tragsgemäß festgestellt, dass der Bausparvertrag mit der Beklagten fortbeste-he. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer

vom Berufungsgericht zugelassenen

Revision begehrt die [X.] die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ([X.], Urteil vom 8.
November 2016

17
[X.], juris) im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung des Bausparvertrags sei unwirksam, weil der Beklagten kein Kündigungsrecht zugestanden habe.
Auf
das Vertragsverhältnis finde gemäß Art.
229 §
5 Satz
2 EGBGB seit dem 1.
Januar 2003 das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung des [X.] vom 26.
November 2001 Anwendung. Ein Kündigungsrecht ergebe sich weder aus §
488 Abs.
3 BGB oder aus §
489 Abs.
1 Nr.
2 BGB noch aus §
490 Abs.
3, §
314 BGB oder aus §
490 Abs.
3, §
313 Abs.
3 BGB.

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-
Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung gemäß §
488 Abs.
3 BGB seien nicht gegeben, weil dies nach herrschender Meinung eine vollständige Ansparung der Bausparsumme voraussetze, die vorliegend nicht gegeben sei.
Die Kündigung könne auch nicht auf §
489 Abs.
1 Nr.
2 BGB gestützt werden, weil es jedenfalls an der Voraussetzung des vollständigen Empfangs des Darlehens fehle. Das im Rahmen der Ansparphase vom Bausparer ge-währte Darlehen weise die Besonderheit auf, dass für die Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt und auch der Zeitpunkt des vollständigen Empfangs nicht festgelegt sei. Vollständig empfangen sei das Darlehen daher erst mit der letz-ten vertragsgemäßen Teilzahlung. Der erstmalige Eintritt der Zuteilungsreife sei hierfür ohne Bedeutung. Denn wenn der Bausparer die Zuteilung des Bauspar-vertrages nicht annehme, werde der Vertrag gemäß §
14 Abs.
1 [X.] in das Sparstadium zurückversetzt. Eine weitere Besparung sei nur über die [X.] hinaus unzulässig. Auch aus der Vereinbarung eines Mindestspargut-habens für die Zuteilung folge keine Begrenzung des [X.],
da der Bausparer unabhängig von dem Erreichen der Zuteilungsreife zur Fort-führung des Vertrages bis zur vollständigen Ansparung der Bausparsumme be-rechtigt sei.
Eine entsprechende Anwendung von §
489 Abs.
1 Nr.
2 BGB zu Gunsten der Beklagten komme nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen [X.] in Bezug auf die von gewöhnlichen Darlehensverträgen abweichen-den Bausparverträge fehle.
Die Beklagte könne die Kündigung auch nicht auf §
490 Abs.
3, §
314 Abs.
1 BGB stützen; denn die Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens stelle kein vertragswidriges Verhalten des [X.] dar.
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Schließlich ergebe sich ein Recht zur Kündigung auch nicht aus §
490 Abs.
3, §
313 Abs.
3 Satz
2 BGB. Selbst wenn die Kläger ihre Absicht zur Inan-spruchnahme eines Bauspardarlehens aufgegeben hätten, wäre die [X.] des Vertrags nicht entfallen. Denn die [X.] sähen gerade für den Fall der Nichtinanspruchnahme eines Bauspardarlehens eine Fortsetzung des [X.] vor und träfen damit eine verbindliche
Regelung. Selbst wenn das Gleichgewicht zwischen Bauspareinlagen und Bauspardarlehen mit der Folge dauerhaft gestört wäre, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen nicht mehr erfül-len könnte, führte dies nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Denn die Beklagte habe das entsprechende vertragsspezifische Risiko übernommen, weil es ihr oblegen hätte, von der bestehenden Möglichkeit Gebrauch zu ma-chen, das Risiko der Zinsentwicklung durch eine geeignete Vertragsgestaltung anders zu gewichten.

II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in [X.] Punkten nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte den mit den Klägern geschlossenen Bausparvertrag gemäß §
489 Abs.
1 Nr.
3 BGB in der vom 1.
Januar 2002 bis zum 10.
Juni 2010 gel-tenden Fassung (nunmehr §
489 Abs.
1 Nr.
2 BGB) wirksam gekündigt.
1. Auf den am 16.
April 1991 abgeschlossenen Bausparvertrag findet

wovon im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgegangen ist

Darlehens-recht Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 21.
Februar 2017

XI
ZR 185/16, [X.], 616 Rn.
20
ff., zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). In zeitlicher Hinsicht ist

soweit für die Entscheidung von Bedeutung

gemäß Art.
229 §
5 Satz
2 EGBGB, Art.
229 §
22 Abs.
2 und 3 EGBGB und Art.
229 §
38 Abs.
1 13
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-
7
-
und 2 EGBGB das Darlehensrecht der §§
488
ff. BGB in der bis zum 10.
Juni 2010 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 21.
Februar 2017 aaO Rn.
18
f.).
2. Demgegenüber hält die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die [X.] den Bausparvertrag nicht gemäß §
489 Abs.
1 Nr.
3 [X.] habe kündi-gen können, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 21.
Februar 2017 (XI
ZR 185/16, [X.], 616 Rn.
34
ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, steht auch einer Bausparkasse das Kündigungsrecht aus §
489 Abs.
1 Nr.
3 [X.] zu.
b) Die Voraussetzungen dieses Kündigungsrechts liegen vor.
aa) Das der Bausparkasse gewährte Darlehen weist einen festen Zins-satz auf, weil bereits bei Vertragsschluss der [X.] für die Dauer der Ansparphase in Höhe von 2,5%
p.a. fest vereinbart worden ist (§
6 Abs.
1 [X.]).
bb) Entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts ist auch die weitere Vo-raussetzung des §
489 Abs.
1 Nr.
3 [X.], der Ablauf von zehn Jahren nach
dem vollständigen Empfang des Darlehens, erfüllt, weil der Bausparvertrag der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung im Februar 2015 seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif war, nachdem die erstmalige Zuteilungsreife am 15.
April 2002 eingetreten war.
Wie der Senat
in seinem Urteil vom 21.
Februar 2017 näher dargelegt hat (XI
ZR 185/16, [X.], 616 Rn.
71
ff.), ist im Regelfall mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen. Denn unter Berücksichtigung des vorliegend auch in §
1 [X.] zum 16
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8
-
Ausdruck kommenden Zwecks eines [X.] hat der Bausparer zu diesem Zeitpunkt der Bausparkasse das zur Erlangung eines Anspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens gerichtete Zweckdarlehen vollständig ge-währt (vgl. Senatsurteil aaO Rn.
79).
Eine vom Regelfall abweichende Modifikation des Vertragszwecks, etwa in Gestalt eines zeitlich
begrenzten Verzichts auf das zugeteilte [X.] unter Gewährung eines Zinsbonus nach Ablauf einer bestimmten Treuezeit (vgl. Senatsurteil vom 21.
Februar 2017

XI
ZR 185/16, [X.], 616 Rn.
81), haben die Parteien nicht vereinbart.
cc) Die Kündigung ist mit Schreiben vom 16.
Februar 2015 mit Wirkung zum 20.
August 2015 erklärt worden, so dass auch die sechsmonatige [X.] des §
489 Abs.
1 Nr.
3 [X.] gewahrt ist.
dd) Die Kündigung des [X.] gilt auch nicht gemäß §
489 Abs.
3 [X.] als nicht erfolgt. Da die Parteien gerade um die Wirksamkeit der Kündigung streiten, können sich die Kläger auf diese Vorschrift nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf Grund eines widersprüchli-chen Verhaltens nicht berufen (Senatsurteil vom 21.
Februar 2017

XI
ZR 185/16, [X.], 616 Rn.
89).
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-
9
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III.
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur End-entscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§
563 Abs.
3 ZPO). Dies führt

unter Abänderung des Urteils des [X.]s

zur Abweisung der Klage.

Joeres

Grüneberg

Maihold

[X.]

Derstadt

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.10.2015 -
7 [X.]/15 -

[X.], Entscheidung vom 08.11.2016 -
17 [X.] -

25

Meta

XI ZR 716/16

20.06.2017

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2017, Az. XI ZR 716/16 (REWIS RS 2017, 9424)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9424

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Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse: Zulässigkeit der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung; …


XI ZR 185/16 (Bundesgerichtshof)


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