Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.11.2021, Az. 26 W (pat) 29/20

26. Senat | REWIS RS 2021, 1273

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Shindy/Shindy/Shindy (Unternehmenskennzeichen)" –  keine Verwechslungsgefahr – unähnliche Waren und Dienstleistungen – keine Branchennähe - kein Bekanntheitsschutz


Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 9. November 2021 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

[X.]

3

ist am 7. September 2018 angemeldet und am 18. Oktober 2018 unter der Nummer 30 2018 226 680 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen worden für Waren der

4

[X.]: Aromastoffe für Tabak; [X.]; Behälter für Raucherartikel, Humidore; Feuerzeuge für Raucher; Liquide für elektronische Zigaretten; Raucherartikel; Streichhölzer; Tabak und Tabakwaren, einschließlich Tabakersatzstoffe; [X.]; Tabakerzeugnisse; Verdampfer für den persönlichen Gebrauch und elektronische Zigaretten sowie Aromastoffe und Lösungen hierfür; Wasserpfeifentabak; Zigaretten, Zigarren, Zigarillos und andere gebrauchsfertige [X.]; [X.]; [X.]; Zigarettenpapiere; [X.]; Zigarrenfilter; Zigarrenkisten [mit Humidor]; Zigarrenkisten mit Humidor; Zigarrenschneider; Zigarrenspitzen.

5

Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 23. November 2018 veröffentlicht worden ist, hat der Beschwerdeführer Widerspruch erhoben aus

6

1. der Wortmarke

7

[X.]

8

die am 24. Oktober 2012 angemeldet und am 6. Mai 2013 unter der Nummer 30 2012 055 457 in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden ist für Waren und Dienstleistungen der

9

[X.]: Schallplatten, Musikkassetten, Compact Discs, [X.], digitale Kompaktkassetten, [X.], Hörbücher und andere Tonträger; Videokassetten, Videobänder, DVDs, Bildplatten, [X.], [X.], [X.], [X.] und andere Bildtonträger; CD-ROM, CD-ROM-XA, [X.], [X.] und andere multimediale Datenträger; elektronische Publikationen (herunterladbar), [X.] (herunterladbar); [X.], Filme [belichtet];

Klasse 16: Aufkleber, Stickers [[X.]]; Bilder, Bücher, Kalender, Schreibwaren, Poster, Plakate, Postkarten, Packpapier; Verpackungsmaterial aus Papier, Karton und Kunststoff (soweit in Klasse 16 enthalten); Druckereierzeugnisse;

[X.]: T-Shirts, Sweatshirts, Hemden, Pullover, Westen, Jacken, Mäntel, Mützen, Schals, Kappen, Hosen und andere Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen, Schuhe, Sportschuhe;

Klasse 38: Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, Hörfunksendungen, Kabelfernsehsendungen, Teleshoppingsendungen und Rundfunksendungen über drahtlose oder drahtgebundene Telekommunikationsnetze sowie im [X.]; Ton- und Bildübertragung per Satelliten oder im [X.]; Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Bereitstellen des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im [X.], insbesondere im Zusammenhang mit Musik, Kunst und Kultur; Bereitstellen des Zugriffs auf und Übermitteln von Musik und Informationen über Musik im [X.]; Bereitstellung von [X.], Plattformen, [X.], [X.] und elektronischen Foren im [X.], insbesondere im Zusammenhang mit Musik, Kunst und Kultur; elektronische Nachrichtenübermittlung, E-Mail-Dienste, Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer, Sammeln und Liefern von Nachrichten (Presseagenturen); Übermittlung von Nachrichten; Übermittlung von Daten über Telekommunikationsnetze; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an [X.]-Adressen (Web-Messaging);

[X.]: Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Unterhaltung; Organisation, und Durchführung von sowie Ticketvorverkauf für Konzert-, Show-, Musik- und Live-Veranstaltungen, auch zur Aufzeichnung oder Live-Übertragung im Rundfunk, [X.] oder Fernsehen; Vorführung und Aufzeichnung von Musikdarbietungen; Filmproduktion (auch in Studios); Videoproduktion; Montage [Bearbeitung] von [X.]; Betrieb eines Tonstudios; Komponieren von Musik; Dienstleistung eines Musikverlages, nämlich [X.] und Herausgabe von Verlagsdruckerzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke); Publikation von elektronischen Büchern, [X.]schriften und Newslettern im [X.]; [X.] von Büchern;

2. dem Unternehmenskennzeichen

[X.]

unter Angabe des [X.]rangs 1. Januar 2013. Zum Gegenstand dieses Kennzeichenrechts führt der Widersprechende aus, dass er ein unter dem Künstlernamen „[X.]“ bekannter Rapper sei. Da er im geschäftlichen Verkehr unter diesem Namen auftrete, genieße sein Künstlername Schutz gemäß § 5 Abs. 2 [X.]. Von 2006 bis 2012 habe er unter seinem Künstlernamen an vier Musikalben mitgewirkt und ein 2012 veröffentlichter Song von ihm habe vom 26. Juni bis 5. Juli 2012 Platz 29 der [X.] [X.] erreicht. Von Juli 2013 bis November 2016 seien fünf Studioalben von ihm veröffentlicht worden, von denen vier Platz 1 und eines Platz 6 der [X.] [X.] belegt hätten. Von dreien dieser Alben habe er jeweils mehr als 100.000 Stück verkauft, weshalb er den [X.] der Musikindustrie erhalten habe. Bereits 2013 hätten ihn die Leser des Branchenportals „hiphop.de“ zum „Besten Newcomer National“ gewählt. Sein 2016 mit einem Co-Autoren im [X.] veröffentlichtes Buch „[X.]“ habe Rang 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste (Ausgabe 21/2016) belegt. Seine im Januar 2019 veröffentlichte Single sei in demselben Monat eine Woche lang auf Platz 1 der [X.] Single-Charts gelandet. Gleichzeitig habe er beim Musikstreaming-Dienst [X.] über ca. 1,3 Mio. monatliche Hörer gehabt. Seine 10 erfolgreichsten Titel seien dort [X.] gehört worden. Daher gehöre er spätestens seit 2013 zur Speerspitze der [X.] Rapper, dessen Name bei den beteiligten Verkehrskreisen, den [X.]enten [X.] Rap-Musik, Verkehrsgeltung erlangt habe. Seine Chartplatzierungen und [X.]en reichten aus, um einen Zuordnungsgrad von 20 % bis 25 % anzunehmen.

Mit Beschluss vom 20. Januar 2020 hat die Markenstelle für [X.] des [X.] beide Widersprüche zurückgewiesen. Eine Verwechslungsgefahr mit der [X.] hat sie trotz Markenidentität und unterstellter höchstmöglicher Kennzeichnungskraft wegen Unähnlichkeit der [X.] und -dienstleistungen verneint. Zwischen den angegriffenen Tabakwaren und Raucherartikeln der [X.] und den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Ton- und Bildmedien der [X.], den Druckereierzeugnissen der Klasse 16, den Bekleidungswaren der [X.], den Telekommunikationsdiensten der Klasse 38 sowie den Unterhaltungs- und Verlagsdienstleistungen der [X.] lägen nach Produzenten, Händlern und Leistungserbringern sowie Art, Zweckbestimmung und Eigenart als konkurrierende oder ergänzende Produkte keinerlei Gemeinsamkeiten vor. Auch wenn es Rapper gebe, die Shisha-Tabak vertrieben, seien dies seltene Ausnahmefälle. Mangels Bekanntheit der älteren Marke scheide auch ein Sonderschutz gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] aus. Selbst wenn man sich auf Musikdarbietungen der [X.] beschränke, müsse zwischen einer nicht unbeachtlichen künstlerischen Leistung des Widersprechenden und einer wirtschaftlichen Potenz, die es rechtfertigen würde, der Widerspruchsmarke den Status einer bekannten Marke im Inland zuzuerkennen, unterschieden werden. Der Widersprechende bewege sich auf dem ganz engen Marktsegment der Rap- und Hip-Hop-Musik, während die [X.] auch [X.] ansprächen, denen die Musik des Widersprechenden vielfach unbekannt sei. Zudem habe der Widersprechende laut einem Wikipedia-Artikel in den letzten Jahren vor allem durch Konflikte mit anderen Musikern und einer strafrechtlichen Verurteilung im Jahr 2016 Schlagzeilen gemacht. Die dadurch erreichte Publizität sei der älteren Marke eher abträglich.

Zwar sei an der originär unterscheidungskräftigen Bezeichnung „[X.]“ jedenfalls für „Musikdarbietungen“ ein Unternehmenskennzeichen entstanden. Dieses verschaffe dem Widersprechenden jedoch kein Verbietungsrecht gegen Waren der [X.], da insoweit keine [X.] gegeben sei. Eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung liege aus den gleichen bei der identischen [X.] ausgeführten Gründen nicht vor.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Er ist der Ansicht, seine Marke verfüge für Artikel der Musikbranche wie Tonträger, Merchandise in Form von Bekleidung, Downloads und Streams über eine hohe Kennzeichnungskraft. In diese Waren reihten sich Tabakwaren aus Sicht der [X.]enten [X.] Rap-Musik nahtlos ein, so dass aufgrund Markenidentität eine Verwechslungsgefahr bestehe. Das [X.] habe ebenfalls eine Verwechslungsgefahr zwischen Bekleidungsherstellern und [X.] angenommen (Urt. v. 2. Oktober 1980, - 6 U 3738/79 – [X.]). Die Widerspruchsmarke sei zudem im Inland für Musikdarbietungen und Tonträger bekannt. Sie stehe ausschließlich für [X.] Rap-Musik, also eine spezielle, klar abgegrenzte [X.], so dass nur die Fans dieser Musik, nicht aber Mainstream-Musikkonsumenten angesprochen würden. Der Widersprechende zähle zu den wenigen „Goldrappern“ und gelte als Ikone im Rap-Bereich, so dass seine Marke jedem Rap-Fan bekannt sei. Die von der Markenstelle angeführten negativen Schlagzeilen hätten der Bekanntheit seiner Marke ebenso wenig geschadet wie der Dieselskandal der Bekanntheit der Marke „VW“.

Bei seinem Unternehmenskennzeichen habe die Markenstelle zu Unrecht die [X.] verneint. Für deren Beurteilung komme es in erster Linie auf die Produktbereiche und Arbeitsgebiete an, die nach der Verkehrsauffassung typisch für die sich gegenüberstehenden Unternehmen seien, wobei auch naheliegende Ausweitungen der Tätigkeitsbereiche einzubeziehen seien ([X.], 484 – [X.]). Im Einzelfall könnten auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten zu berücksichtigen sein ([X.], 831 – [X.]). Er sei als Rapper, Produzent und Autor typischerweise auf dem Gebiet der Auswertung von Tonaufnahmen und Live-Darbietungen sowie im Rahmen von [X.] tätig. Tabakerzeugnisse, -ersatz und -zubehör seien typische Merchandise-Artikel von Rappern. Zum Nachweis legt der Widersprechende [X.]seiten mit Berichten, Werbung und Angeboten von 19 [X.]n [X.] zu Shishas, Shishatabak, [X.]n, Feuerzeugen und ähnlichen Raucherartikeln vor und regt die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Daraus, dass der Inhaber der angegriffenen Marke, der als ehemaliger Manager eines bekannten Rappers ebenfalls im [X.] tätig sei, weitere Marken mit den Namen anderer Rapper für Waren der [X.] angemeldet habe, könne gefolgert werden, dass dieser sich auf das Tabakgeschäft mit Namen von Rappern spezialisieren wolle. Insofern bestehe Branchenidentität, jedenfalls aber hohe Ähnlichkeit zwischen den Tätigkeitsbereichen der Verfahrensbeteiligten. In dem inzwischen vom Widersprechenden vor dem [X.] gegen die angegriffene Marke eingeleiteten [X.] wegen Bösgläubigkeit habe der Inhaber der jüngeren Marke selbst vorgetragen, dass er einen Geschäftsbetrieb im Musikbereich unterhalte und in dem im Genre „Rap-Musik“ verbundenen Bereich des Tabakvertriebs tätig sei. Vorliegend stünden sich ein bisher ausschließlich für Rapper tätiger und öffentlich bekannter Musikmanager und ein bekannter Rapmusiker gegenüber, die beide keine [X.] seien. Beide wären aber im Falle der Nutzung für Tabakwaren weiterhin Teil der Musikbranche, weshalb es sich um eine naheliegende Ausweitung ihrer Tätigkeit handeln würde, weil diverse Rapper auf diesem Gebiet tätig und Merchandise-Artikel jeder Art für die Musikbranche und die Musiker typisch seien. Mancher Musiker erziele mit [X.] einen höheren Umsatz als mit seiner Musik, so dass nicht nur von einem Nebenerwerb auszugehen sei, was durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgewiesen werden könne. Jedenfalls komme eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne in Betracht, weil der Verkehr dem Irrtum unterliege, der Inhaber der angegriffenen Marke unterhalte (lizenz-)vertragliche Beziehungen mit dem Widersprechenden.

Der Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 20. Februar 2020 aufzuheben und das [X.] anzuweisen, die angegriffene Marke wegen der Widersprüche aus der Marke 30 2012 055 457 und dem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ zu löschen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, die Tätigkeitsfelder der Kollisionsmarken unterschieden sich diametral voneinander, weil die Widerspruchsmarke ausschließlich dem Vertrieb von Musik und zugehörigem [X.] diene, während mit der angegriffenen Marke [X.]e angeboten werden sollen. Er sei zwar seit langer [X.] im [X.] als Manager tätig, aber zu keinem [X.]punkt selbst musikalisch in Erscheinung getreten. Bei der weit überwiegenden Anzahl der vom Widersprechenden genannten [X.] würden [X.]e ausschließlich als [X.]-Artikel in streng limitierten Sammlerboxen aus Anlass einer neuen [X.] vertrieben. Bis auf wenige Ausnahmen würden sie nicht regelmäßig feilgeboten, so dass weder eine Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit noch eine [X.] vorlägen.

Die Verfahrensbeteiligten sind mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Juni 2021 darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

A. Widerspruch aus der Marke „[X.]“ (30 2018 226 680)

1. Zwischen den identischen Vergleichsmarken besteht auch bei unterstellter überdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen absoluter Unähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Art und Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ([X.] GRUR-RR 2009, 356 [X.]. 65 – [X.]/[X.] [[X.]/[X.]]; [X.] GRUR 2021, 724 [X.]. 36 – [X.]/PURE [X.]; [X.], 176, 177 [X.]. 16 – [X.]/[X.]).

Das stärkste Gewicht kommt im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke der regelmäßigen betrieblichen Herkunft, also dem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich für die Qualität der Waren und/oder Dienstleistungen zu, während der regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsstätte ein geringeres Gewicht zugemessen wird. Erforderlich im Sinne einer funktionellen Ergänzung von Waren und Dienstleistungen ist ein enger Zusammenhang in dem Sinne, dass die Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist ([X.], 488 [X.]. 16 – [X.]/[X.] m. w. N.; BPatG 26 W (pat) 18/14 – [X.]/CADA).

Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen sind für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden ([X.], 79 [X.]. 11 – [X.]/[X.]; [X.], 544, 546 – [X.]). Im Vergleich zwischen Waren und Dienstleistungen ist zu berücksichtigen, dass Dienstleistungen generell weder mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln noch mit den durch sie erzielten Ergebnissen, soweit sie Waren hervorbringen, ohne weiteres als ähnlich anzusehen sind. Besondere Umstände können jedoch die Feststellung der Ähnlichkeit nahelegen, wenn beim angesprochenen Verkehr der Eindruck entsteht, Ware und Dienstleistung unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens (vgl. [X.], 586 [X.]. 22 – [X.]). Dies kann der Fall sein, wenn sich das Dienstleistungsunternehmen selbständig auch mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb der Ware befasst oder der Warenhersteller oder -vertreiber sich auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigt (vgl. [X.], 1145 [X.]. 35 – [X.]; BPatG 27 W (pat) 506/17 – [X.] professional/KODi).

Von einer absoluten Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (st. Rspr.: [X.] [X.]/PURE [X.]; a. a. [X.]. 17 – [X.]/[X.]). Eine absolute Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden (st. Rspr.; vgl. nur [X.] [X.]. 2009, [X.]. [X.] [X.]/[X.] [[X.] [X.]]; [X.] GRUR a. a. [X.]. 10 – [X.]/[X.] m. w. N.).

b) Unter Anwendung der obigen Grundsätze weisen die für die angegriffene Marke eingetragenen Tabak- und Raucherprodukte der [X.] keine Ähnlichkeit mit den Widerspruchswaren und -dienstleistungen der Klassen 9, 16, 25, 38 und 41 auf.

aa) Die [X.] und -dienstleistungen verfügen schon hinsichtlich ihrer stofflichen Beschaffenheit sowie ihrer Produktionsweise über keine Gemeinsamkeiten.

Die angegriffenen Rauchwaren der [X.] enthalten Tabak, Liquids und/oder Aromen und das von der jüngeren Marke beanspruchte [X.] besteht aus Holz, hitzebeständigen und feuerfesten Kunststoffen, Metallen oder Glas, während die für die Widerspruchsmarke geschützten Waren der Klassen 9 und 25 aus gänzlich anders verarbeiteten Kunst- und Faserstoffen hergestellt werden. Auch „[X.]; Zigarettenpapiere“ unterscheiden sich in der stofflichen Grundlage ganz erheblich von [X.], Verpackungsmaterial aus Papier und Karton sowie Druckereierzeugnissen der Klasse 16, für die die ältere Marke geschützt ist. Denn das Zigaretten(hülsen)papier ist im Gegensatz zum herkömmlichen Papier ein Spezialpapier. Es hat einen Füllstoffanteil von ca. 30 % Kalziumkarbonat, um es glimmfähig zu machen. Durch den Zusatz von Brandsalzen, meistens Alkalisalzen organischer Säuren wird die Brennbarkeit des Papiers der des Tabaks angeglichen, so dass beide etwa gleich schnell abbrennen. Ferner verfügt es über eine hohe Porosität und ist wesentlich dünner als Schreibpapier (https://de.wikipedia.org/wiki/Zigarettenpapier). Die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke sind sogar unkörperlich.

bb) Die Kollisionswaren und -dienstleistungen haben auch in Bezug auf ihren Verwendungszweck keine Berührungspunkte.

Während die Tabak- und Rauchwaren der jüngeren Marke unmittelbar sowie deren Zubehör mittelbar dem Raucher- und Dampfergenuss durch Inhalieren dienen, bezwecken die [X.] der [X.], die in [X.] für die ältere Marke registrierten Bild-, Ton- und Datenträger und die Druckereierzeugnisse der Klasse 16 die Unterhaltung der [X.]enten. Dies gilt auch für einen Großteil der in Klasse 38 für die Widerspruchsmarke geschützten Dienste, während die übrigen Dienstleistungen in dieser Klasse Daten übertragen und zugänglich machen. Auch die Papier-, Schreib- und Verpackungswaren der Klasse 16 und die Bekleidungsstücke der [X.] erfüllen andere Verwendungszwecke als die in [X.] angegriffenen Genussmittel.

cc) Diese Unterschiede setzen sich bei der Nutzung fort.

Die Waren der angegriffenen Marke werden inhalierend konsumiert oder unterstützen diesen [X.], während alle für die ältere Marke geschützten Waren und Dienstleistungen auf völlig andere Weise genutzt werden. Die Widerspruchsprodukte der [X.] und die meisten [X.] der Klassen 38 und 41 werden angehört und/oder angeschaut. Die Widerspruchswaren der Klasse 16 werden ebenfalls angesehen und/oder gelesen sowie zum Schreiben oder zum Verpacken verwendet. Die Widerspruchsprodukte der [X.] werden am Körper getragen.

dd) Die Vertriebswege sind ebenfalls verschieden.

Der angegriffene [X.] wird in Tabakgeschäften, Kiosken und Tankstellen vertrieben. Die Widerspruchswaren der [X.] finden sich im Musik- und (Unterhaltungs-)Elektronikhandel, die Widerspruchsprodukte der Klasse 16 im [X.] sowie in Buchhandlungen. Soweit die vorgenannten [X.] auch in Kaufhäusern und Supermärkten, also in größeren Verkaufsstätten mit umfangreichen Sortimenten verkauft werden, sind sie dort nur in räumlich getrennten Abteilungen erhältlich. Auch die [X.] der Klassen 38 und 41 werden nicht zusammen mit [X.]artikeln angeboten.

ee) Anhaltspunkte dafür, dass es sich um miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen handelt, sind nicht gegeben. Zwar können Raucherartikel beispielsweise beim Hören oder Komponieren von Musik, beim Ansehen von Filmen, beim Lesen, beim Tragen von Kleidung oder bei der Nutzung des [X.]s konsumiert werden, aber der Genuss von Tabak oder anderen [X.] ist dafür weder unentbehrlich noch wichtig.

ff) Hinreichende Berührungspunkte fehlen vor allem auch in Bezug auf die regelmäßige betriebliche Herkunft der zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen. Sie stammen im Allgemeinen nicht aus denselben Herkunftsstätten und werden nicht unter der Qualitätskontrolle eines Unternehmens erzeugt.

aaa) Die angegriffenen Aromastoffe für Tabak, die Tabakwaren und die übrigen [X.] der [X.] werden im Wesentlichen von Tabakherstellern, insbesondere von der klassischen Tabakindustrie und deren Zulieferern sowie von Aroma- und Liquidherstellern produziert. Auch die Zubehörwaren, die entweder entzündlich, wie z. B. Feuerzeuge, Streichhölzer, [X.] und Zigarettenpapiere, oder feuerfest sind, wie z. B. [X.] und [X.], sowie die [X.] werden von entsprechend spezialisierten Herstellern produziert. Keiner der vorgenannten Produzenten stellt die für die Widerspruchsmarke geschützten Ton-, Bild- und Datenträger sowie [X.] der [X.], Papier-, Schreibwaren, Verpackungsmaterial und Druckereierzeugnisse der Klasse 16 oder Bekleidung, Kopfbedeckungen und Schuhe der [X.] her, was schon aufgrund der völlig anderen Art und Konsistenz der Waren und den dafür erforderlichen abweichenden Produktionsprozessen auf der Hand liegt.

(1) Die für die angegriffene Marke eingetragenen [X.] der [X.] und die für die Widerspruchsmarke registrierten Produkte der [X.] aus der Bekleidungsbranche stammen im Allgemeinen nicht aus denselben Herkunftsstätten und werden auch nicht unter der Qualitätskontrolle eines Unternehmens erzeugt. Auch im Vertrieb kommen sich diese Waren nicht so nahe, dass der angesprochene Verkehr auf dieselbe Herkunft schließen würde ([X.] (pat) 71/08 – Camper/[X.]). Soweit das [X.] ([X.]. 1981, 180 [X.]. 39 – [X.]) angenommen hat, der angesprochene Verkehr wisse, dass [X.] seit längerer [X.] nicht nur Tabakwaren, sondern auch Bekleidung entgeltlich vertreiben, wird dafür kein Nachweis angeführt. Das [X.] hat vielmehr nur erklärt, dass ihm dies bekannt sei.

(2) Soweit das [X.] dabei bekannte Zigarettenmarken, wie z. B. „Marlboro“ und „[X.]“, im Blick gehabt haben sollte, die in den 1970er und 1980er Jahren auch Bekleidung unter ihrem Markennamen angeboten haben (https://de.wikipedia.org/wiki/Marlboro_(Zigarettenmarke); https://de.wikipedia.org/wiki/[X.]_(Zigarettenmarke)), hat es sich schon damals wie heute um Bekleidung in Lizenz dieser Zigarettenhersteller gehandelt.

(2.1) Nach der Rechtsprechung des [X.] lässt sich aber allein aus der Erteilung von Lizenzen für andere als diejenigen Waren, für die der Markenschutz gilt, kein Anhaltspunkt für eine [X.] ableiten. Eine solche Praxis beruht auf der Erfahrung, dass sich die positiven Assoziationen, die bekannte, als exklusiv geltende Marken erwecken, auch für völlig andere Produkte nutzbar machen lassen. Diese [X.] steht zwar durchaus unter dem Schutz des Markenrechts, das die Wertschätzung und die Unterscheidungskraft bekannter Marken auch außerhalb der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit vor einer Ausnutzung oder Beeinträchtigung schützt. Der [X.]sbereich bleibt aber durch die Erteilung von Vermarktungsrechten zum Zwecke der Verkaufsförderung grundsätzlich unberührt ([X.] GRUR 2021, 724 [X.]. 48 – [X.]/PURE [X.]; [X.], 594, 596 [X.]. 47 – [X.]; [X.], 941 [X.]. 14 – [X.] [X.]). Dies schließt es allerdings nicht aus, dass bei funktionsverwandten Produkten, bei denen im Falle einer Lizenzierung der Verkehr nicht nur von einem Imagetransfer, sondern auch von einem Know-how-Transfer ausgeht, die [X.] einen Faktor darstellt, der im Grenzbereich für die [X.] beziehungsweise bei gegebener [X.] für die Verwechslungsgefahr sprechen kann ([X.] a. a. [X.]. 49 – [X.]/PURE [X.]; a. a. O. – [X.] [X.]). Es kommt daher darauf an, ob der Verkehr im Falle einer Lizenzierung der für bestimmte Waren (hier: Bekleidung) geschützten Widerspruchsmarke zur markenmäßigen Verwendung für andere Waren (hier: [X.]) von einem Know-how-Transfer ausgeht.

(2.2) Das ist hier nicht der Fall. Der Verkehr geht nicht von einem Technologietransfer vom Bekleidungshersteller auf den [X.] aus. Eine Tätigkeit als Produzent von Bekleidung, Kopfbedeckungen und Schuhen qualifiziert nicht zur Herstellung oder zur Kontrolle der Produktion von Tabakwaren und Raucherartikeln. Die [X.] sind weder funktionsverwandt, noch lässt sich das bei der Produktion von Bekleidungswaren erworbene Know-how auf die Herstellung von Tabakwaren und Raucherartikeln übertragen. Ein Ausnahmefall, in dem der Verkehr bei funktionsverwandten Produkten nicht nur von einem Image-, sondern auch von einem Know-how-Transfer ausgeht, liegt hier nicht vor.

bbb) Erst recht stimmen die Hersteller von Tabakwaren und [X.] nicht mit den [X.] der für die Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistungen der Klassen 38 und 41 überein. Dazu wäre erforderlich, dass sich das Dienstleistungsunternehmen selbständig auch mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb der Tabak- und [X.] befasst oder der Tabak- und [X.]hersteller oder -vertreiber sich auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigt (vgl. [X.], 1145 [X.]. 35 – [X.]). Hieran fehlt es, weil Telekommunikationsanbieter und Unterhaltungs- und Verlagsdienstleister keine Tabak- oder [X.] produzieren.

(1) Der Senat hat nicht feststellen können, dass der Verkehr zum maßgeblichen Kollisionszeitpunkt, dem Tag der Anmeldung der angegriffenen Marke am 7. September 2018, bereits davon ausgegangen ist, dass Musiker bzw. Unterhaltungskünstler in gewerblichem Umfang selbst oder durch eigene Unternehmen Tabakerzeugnisse herstellen, d. h. Tabake und/oder andere Rohstoffe erwerben, diese mischen bzw. verfeinern, sie ggf. mit Glyzerin, Aromen und anderen Zusatzstoffen versetzen und die so gewonnenen Produkte auf eigenes unternehmerisches Risiko vermarkten.

(1.1) Fast alle der vom Widersprechenden als Anlage [X.] eingereichten Belege über den Verkauf von Tabakwaren oder -zubehör durch 19 [X.] Rapper sind entweder nicht datiert oder stammen aus einer [X.] nach dem 7. September 2018. Nur ein einziger Nachweis dürfte sich auf den [X.]raum vor der Anmeldung der jüngeren Marke beziehen, nämlich die von dem Rapper [X.] 2018 herausgegebene limitierte Box mit zwei [X.], einer Gürteltasche, einem Poster, einem Sticker-Set und einem „Sturmfeuerzeug“. Abgesehen davon, dass dieser Rapper nicht einmal den Eindruck erweckt, er habe dieses als Zugabe zu seinen Musik-[X.] dienende Feuerzeug in gewerblichem Umfang selbst hergestellt oder durch ein eigenes Unternehmen produzieren lassen, reicht ein einziger Beleg nicht aus, um ein entsprechendes Verkehrsverständnis zu begründen.

(1.2) Soweit das vom Widersprechenden vorgelegte Online-Magazin „[X.]“ unter der Überschrift „Rapper im [X.]“ ([X.], Anlage [X.]) am 1. September 2017 darüber berichtet hat, dass immer mehr Rapper eigene Tabakmarken auf den Markt bringen, haben die angesprochenen Verkehrskreise dies ebenfalls nicht als ernsthaften Hinweis auf die betriebliche Herkunft aus einem eigenen gewerblichen Tabakherstellungsbetrieb des jeweiligen Rappers aufgefasst. Dagegen spricht auch die Anlage [X.] des Widersprechenden, aus der hervorgeht, dass in den entsprechenden Online-Shops regelmäßig angegeben wird, dass der jeweilige Tabak „in Zusammenarbeit“ oder „in Kooperation“ mit dem jeweiligen Rapper entstanden oder kreiert worden sei, wie z. B. „Essah Tabak … ist in Zusammenarbeit mit dem Rapper [X.] entstanden. …“, „[X.] … In Zusammenarbeit mit dem [X.] Rapper [X.] kreiert. …“, F**ker Tobacco … entstand in Kooperation mit dem bekannten Rapper [X.]. …“. Diese Umschreibungen deuten nur auf eine Zusammenarbeit zwischen dem eigentlichen industriellen [X.] und dem prominenten Künstler aus der Musikszene hin. Sie identifizieren nur den betreffenden Künstler mit dem [X.] und schaffen so einen Kaufanreiz bei seinen Fans.

(2) Auch der vom Widersprechenden vorgetragene Umstand, dass es sich bei Tabak- und [X.] um typische [X.]artikel von Rappern handele, kann eine [X.] nicht begründen.

(2.1) Insoweit gilt, wie bereits bei den Widerspruchswaren der [X.] erörtert, dass die Praxis, Marken über ihr ursprüngliches Einsatzgebiet hinaus im Wege des [X.]s auch branchenübergreifend zu vermarkten und zu diesem Zweck entsprechende Lizenzen zu erteilen, grundsätzlich nicht geeignet ist, eine Ähnlichkeit der hiervon betroffenen Waren oder Dienstleistungen zu begründen ([X.] a. a. [X.]. 48 – [X.]/PURE [X.]; a. a. O. – [X.]; a. a. O. – [X.] [X.]).

(2.2) Auch hier fehlt es an dem erforderlichen Know-how-Transfer aus Sicht des angesprochenen Publikums. Denn es geht im Falle einer solchen Lizenzierung nicht von einem Technologietransfer vom [X.] auf den [X.] aus. Eine Tätigkeit als Rap-Musiker qualifiziert nicht zur Herstellung oder zur Kontrolle der Produktion von Tabakwaren und Raucherartikeln. Letztere sind mit Musikdarbietungen bzw. [X.] weder funktionsverwandt, noch lässt sich das bei der Komposition und Darbietung von Rap-Musik erworbene Know-how auf die Herstellung von Tabakwaren und Raucherartikeln übertragen. Ein Ausnahmefall, in dem der Verkehr nicht nur von einem Image-, sondern auch von einem Know-how-Transfer ausgeht, ist hier nicht gegeben. Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Behauptung des Widersprechenden, Tabakerzeugnisse, -ersatz und -zubehör seien typische Merchandise-Artikel von Rappern, mit denen sie einen höheren Umsatz als mit ihrer Musik erzielten, konnte daher abgesehen werden.

c) Die festgestellte absolute Unähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen kann selbst bei der vorliegenden Markenidentität nicht durch eine unterstellte erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden.

2. Der Löschungsgrund des Sonderschutzes einer bekannten Marke liegt ebenfalls nicht vor.

a) Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 erfolgt ist, kann der Bekanntheitsschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden (§ 158 Abs. 2 und 3 [X.]). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] kann eine Marke bei unähnlichen Waren und Dienstleistungen gelöscht werden, wenn sie mit einer prioritätsälteren, im Inland bekannten Marke identisch oder ähnlich ist, und ihre Benutzung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

b) Bei der Widerspruchsmarke „[X.]“ handelt es sich aber schon nicht um eine im Inland bekannte Marke im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.].

aa) Eine Marke ist bekannt im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.], wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind ([X.] [X.], 1158 [X.]. 24 – Pago/Tirolmilch; [X.] [X.], 1114 [X.]. 10 – [X.]). Erforderlich ist eine Bekanntheit als Kennzeichnungsmittel für bestimmte Waren oder Dienstleistungen ([X.] [X.]; [X.] [X.], 235, 238 – [X.]). Maßgeblich sind bei der Prüfung dieser Voraussetzungen alle relevanten Umstände des Falles, also insbesondere der Marktanteil der älteren Marke, die Intensität, die geographische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat ([X.] [X.]. 2000, 73 [X.]. 23 ff. – [X.]; [X.] GRUR 2017, 75 [X.]. 37 – [X.]; a. a. O. – [X.]; [X.], 1214 [X.]. 20; GRUR 2014, 378 [X.]. 22 – [X.]). Die Bekanntheit muss bereits zum Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke bestanden haben ([X.] GRUR a. a. [X.]. 13 f. – SIERRA ANTIGUO, GRUR 2020, 870 [X.]. 22 – [X.]/[X.]) und im Entscheidungszeitpunkt noch fortbestehen ([X.] [X.]/[X.]; [X.], 1058 [X.]. 14 – KNEIPP).

bb) Die behauptete Bekanntheit der älteren Marke in der [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] für die Dienstleistungen „Unterhaltung; Vorführung von Musikdarbietungen“ der [X.] zum Kollisionszeitpunkt hat der Widersprechende weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht.

aaa) Er hat zwar nachgewiesen, dass von ihm vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke im [X.]raum von Juli 2013 bis November 2016 fünf Studioalben mit [X.] Rap-Musik veröffentlicht worden sind, von denen vier Platz 1 und eines Platz 6 der [X.] [X.] belegt haben, dass er für drei Alben aufgrund des Verkaufs von jeweils mehr als 100.000 Stück den [X.] der Musikindustrie erhalten hat, dass ihn die Leser des Branchenportals „hiphop.de“ 2013 zum „Besten Newcomer National“ gewählt haben und sein 2016 mit einem Co-Autoren im [X.] veröffentlichtes Buch „[X.]“ Rang 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste (Ausgabe 21/2016) belegt hat. Auch wenn diese Entwicklung von der Presse bis Oktober 2016 begleitet worden ist, hat er sich jedoch in dem kleinen Marktsegment von Rap- bzw. Hip-Hop-Musik bewegt, das 2013 nur einen Anteil von 3,5 % und 2016 nur einen Anteil von 9,8 % am Gesamtumsatz der [X.] Musikindustrie innehatte (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1188602/umfrage/anteil-von-hip-hop-am-umsatz-der-musikindustrie/), so dass er weitere Tatsachen hätte vortragen müssen, aus denen sich ergibt, warum er trotz des noch geringeren Marktanteils seiner speziellen Musikrichtung, nämlich der [X.]n Rap- bzw. Hip-Hop-Musik, eine bundesweite Bekanntheit bei den breiten angesprochenen inländischen Verkehrskreisen erlangt haben will, an die sich die [X.] „Unterhaltung; Vorführung von Musikdarbietungen“ der [X.] richten. Da die Musik des Widersprechenden einem bedeutenden Teil des (Gesamt-)Publikums bekannt sein muss, hätte er beispielsweise darlegen und glaubhaft machen müssen, welche Werbemaßnahmen in welcher Höhe er zur bundesweiten Förderung seiner Marke bzw. Popularität getätigt hat und aufgrund welcher Umstände, wie z. B. Konzerte, Auftritte, [X.] etc., gerade seine Rap-Musik auf dem großen Markt der Unterhaltungsmusik in den Vordergrund des Bewusstseins des allgemeinen inländischen Publikums gerückt sein soll. Selbst wenn sein Künstlername Ende 2016 eine Verkehrsgeltung von 20 % bis 25 % bei den [X.]enten [X.] Rap-Musik erreicht haben sollte, was der Widersprechende nur behauptet und nicht belegt hat, würde dies für eine Bekanntheit im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht ausreichen.

bbb) Aber selbst wenn eine solche Bekanntheit Ende 2016 unterstellt würde, könnte nicht davon ausgegangen werden, dass diese bis zum maßgeblichen Kollisionszeitpunkt, dem 7. September 2018, weiterbestanden hat. Denn das letzte Album ist im November 2016 erschienen und der Widersprechende ist in den zwei Jahren danach nicht mehr als Musiker tätig gewesen. In einem Online-Hip-Hop-Magazin (Anlage [X.]) ist von seinem „Comeback nach rund zwei Jahren Rap-Abstinenz“ die Rede. Im schnelllebigen Geschäft der Unterhaltungsmusik führt eine zweijährige Marktabwesenheit zu einem derart erheblichen Bekanntheitsverlust, dass im Kollisionszeitpunkt keine bekannte Marke im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] mehr vorgelegen hat.

cc) Erst recht kann nicht von einer Bekanntheit der älteren Marke für die Dienstleistungen „Unterhaltung; Vorführung von Musikdarbietungen“ der [X.] im Entscheidungszeitpunkt November 2021 ausgegangen werden. Denn die letzte Single des Widersprechenden ist im Januar 2019 veröffentlicht worden. Auch wenn sie in demselben Monat eine Woche lang auf Platz 1 der [X.] Single-Charts gelandet ist und der Widersprechende im Januar 2019 beim Musikstreaming-Dienst [X.] über ca. 1,3 Mio. monatliche Hörer verfügt hat, fehlen jegliche Angaben für die [X.] danach und den gegenwärtigen [X.]punkt.

B. Widerspruch aus dem Unternehmenskennzeichen „[X.]

1. Der Widerspruch ist zulässig.

Die obligatorischen Angaben, die nach § 65 Abs. 1 Nr. 4 [X.] [X.] m. § 30 Abs. 1 Satz 2 [X.] zur Identifizierung des geltend gemachten [X.]s, insbesondere dessen Art, Wiedergabe, Form, [X.]rang, Gegenstand und Inhaber innerhalb der Widerspruchsfrist verlangt werden, sind im [X.] vom 22. Januar 2019 und der beigefügten [X.] enthalten, die beide am 23. Januar 2019 beim [X.] eingegangen sind. Zwar hat der Widersprechende im Formular als „Gegenstand des Kennzeichenrechts“ bzw. als „Geschäftsbereich des Unternehmenskennzeichens“ missverständlich „Künstlername“ angegeben, aber der beigefügten Begründung ist deutlich zu entnehmen, dass es um die Darbietung [X.] Rap-Musik geht, was zur formalen Identifizierung des [X.] genügt. Der Widersprechende hat ferner in der [X.] das Vorliegen eines hohen Bekanntheitsgrades seines Unternehmenskennzeichens „[X.]“ geltend gemacht. Auch die weiteren Form- und Fristerfordernisse des Widerspruchs sind erfüllt.

2. Der Widerspruch hat aber keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus dem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ nach §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 4, [X.]. [X.] m. §§ 12, 5 Abs. 2 Satz 1, 12, 15 Abs. 4 [X.] m. Abs. 2 [X.] liegen wegen [X.] nicht vor.

a) Ein Löschungsanspruch besteht, wenn ein anderer vor dem für den [X.]rang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 [X.] erworben hat und diese ihn berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der [X.] zu untersagen (BPatG 29 W (pat) 25/13 – ned tax/NeD Tax/NeD Tax Kanzlei [X.]; 26 W (pat) 2/14 – [X.]/[X.]). Das ältere Kennzeichenrecht muss wirksam entstanden sein, zum Kollisionszeitpunkt, also im [X.]punkt der Anmeldung der angegriffenen Marke, noch bestanden haben und im [X.]punkt der Entscheidung über den Widerspruch noch fortbestehen (BPatG 30 W (pat) 26/12 – eSPIRIT/E-SPIRIT/e-Spirit).

b) Ungeachtet des im patentgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes obliegt es in Fällen, in denen ein Widerspruch aus einem nicht registrierten, sondern durch Benutzung entstandenen Recht erhoben wurde, dem Widersprechenden, die Voraussetzungen für das Bestehen des älteren Rechts, seinen [X.]rang und seine Inhaberschaft an diesem Recht darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen. Soweit vorgetragene Tatsachen nicht liquide sind, sind diese also durch die in den §§ 371 ff. ZPO vorgesehenen Beweismittel zu belegen (vgl. BPatG 25 W (pat) 94/14 – [X.]/[X.]; 29 W (pat) 25/13 – ned tax/NeD Tax/NeD Tax Kanzlei [X.]; 24 W (pat) 25/14 – [X.]; 26 W (pat) 88/13 – [X.]/[X.] am Stadtrand Dirk [X.]).

c) Nach § 5 Abs. 1 [X.] werden als geschäftliche Bezeichnungen auch Unternehmenskennzeichen geschützt. Das sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden (§ 5 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Bei der Bezeichnung „[X.]“ handelt es sich um ein Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, das im Verkehr der namensmäßigen Individualisierung der Geschäftstätigkeit des Widersprechenden dient.

d) Der innerhalb der Widerspruchsfrist angegebene und belegte Unternehmensgegenstand betrifft das Geschäftsfeld „Darbietung [X.] Rap-Musik“. Die eigene Produktion und der eigene Vertrieb von Tonträgern sind weder im [X.] noch in der beigefügten Begründung behauptet worden. Die Nennung der Studioalben und der 2019 veröffentlichten Single reicht dafür allein nicht aus. Die Co-Autorenschaft bei einem einzigen Buch kann ebenfalls nicht als eigener Unternehmensgegenstand angesehen werden, zumal es sich um die Autobiographie und damit um die Selbstdarstellung des Widersprechenden als Rap-Musiker handelt, die in erster Linie der werbenden Unterstützung des Geschäftsfeldes „Darbietung [X.] Rap-Musik“ dient.

e) Das Unternehmenskennzeichen „[X.]“ verfügt über originäre Unterscheidungskraft.

aa) [X.] ist eine geschäftliche Bezeichnung allgemein dann, wenn der Verkehr sie als namensmäßigen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen versteht, wobei es genügt, dass sich ein ausschließlich unternehmensbeschreibender Sinngehalt nicht feststellen lässt ([X.] GRUR-RR 2010, 205 [X.]. 22 – [X.]; [X.], 1108 [X.]. 32 – [X.] III).

bb) Das Wort „[X.]“ wird als Name bzw. [X.] aufgefasst und trifft über die Darbietung von Rap-Musik keine beschreibende Aussage. Es ist aus Sicht der angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise daher geeignet, sich namensmäßig von anderen Unternehmen zu unterscheiden.

f) Dieses originär unterscheidungskräftige Unternehmenskennzeichen ist spätestens am 1. Januar 2013 durch Benutzungsaufnahme entstanden.

aa) Das [X.] entsteht im Falle einer originär kennzeichnungskräftigen Bezeichnung durch ihre tatsächliche namensmäßige und nach außen in Erscheinung tretende Benutzung, die auf den Beginn einer dauerhaften wirtschaftlichen Betätigung schließen lässt, ohne dass es schon ein bestimmtes Maß an Anerkennung im Verkehr gefunden haben muss ([X.] [X.], 1066 [X.]. 23 – [X.]; GRUR 2013, 1150 [X.]. [X.]; [X.], 1099 [X.]. 16, 36 – afilias.de; [X.], 903, 905 – GARONOR).

bb) Da der Widersprechende bereits von 2006 bis 2012 mit [X.] Rap-Musik nach außen in Erscheinung getreten ist, weil er in diesem [X.]raum unter seinem Künstlernamen an vier Musikalben mitgewirkt und ein 2012 veröffentlichter Song vom 26. Juni bis 5. Juli 2012 Platz 29 der [X.] [X.] erreicht hat, ist davon auszugehen, dass das [X.] mit der originär kennzeichnungskräftigen Bezeichnung „[X.]“ spätestens am 1. Januar 2013 entstanden ist. Der [X.]punkt der Benutzungsaufnahme bestimmt zugleich den [X.]rang des Rechts (§ 6 Abs. 3 [X.]). Der Umstand, dass es sich in erster Linie um eine künstlerische Tätigkeit handelt, hindert nicht das Entstehen eines Unternehmenskennzeichens, da künstlerische Tätigkeit im Regelfall wie auch im vorliegenden Fall geschäftlicher Natur ist (vgl. Hacker in: [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 14 [X.]. 60; [X.], [X.] 2007, 135, 136).

g) Dieses Unternehmenskennzeichen hat auch am Anmeldetag der angegriffenen Marke, dem 7. September 2018, noch bestanden.

aa) Wie die Firma sind auch die anderen Unternehmenskennzeichen in Entstehung und Fortbestand an ein konkretes lebendes Unternehmen gebunden (Akzessorietätsprinzip: [X.] [X.], 967 – [X.]; [X.] [X.], 972 – [X.]; [X.], 419, 420 – [X.]). Die prioritätswahrende Erhaltung des Kennzeichenschutzes nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] setzt daher grundsätzlich die Fortbenutzung des Kennzeichens für das Unternehmen oder den Geschäftsbetrieb voraus, für den der Schutz begründet worden ist. Der Schutz endet mit der endgültigen Aufgabe des [X.] bzw. mit der endgültigen Aufgabe des Geschäftsbetriebs ([X.] GRUR 2013, 1150 [X.]. 29 [X.]; GRUR 2005, 871, 872 – Seicom; [X.], 1066 [X.]. 22 – [X.]; [X.], 749, 752 – L'Orange; GRUR 1985, 567 – [X.]; [X.], 419, 420 – [X.]; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 8, 10 – [X.]; [X.], 80, 81 – Mannesmann).

bb) Gerade bei Künstlern kann eine zweijährige kreative Pause ohne weitere Umstände nicht schon als eine endgültige Aufgabe des Geschäftsbetriebs angesehen werden. Dafür spricht auch die im Januar 2019 veröffentlichte Single, die eine Woche lang auf Platz 1 der [X.] Single-Charts gelandet ist.

h) Der Widersprechende hat das Unternehmenskennzeichen zudem bundesweit im Sinne von § 12 [X.] benutzt. Der räumliche Schutzbereich einer von Hause aus unterscheidungskräftigen Bezeichnung gemäß § 5 Abs. 2 [X.] erfasst regelmäßig das gesamte Bundesgebiet.

i) Auch wenn der Widersprechende weder dargelegt noch nachgewiesen hat, dass er nach 2019 noch auf seinem Geschäftsfeld tätig gewesen ist, wird zu seinen Gunsten unterstellt, dass sein Unternehmenskennzeichen noch im gegenwärtigen [X.]punkt der Entscheidung über den Widerspruch fortbesteht.

j) Der Widersprechende hat aber trotz seines besseren Rechts keinen bundesweiten Unterlassungsanspruch gegen den Inhaber der angegriffenen Marke gemäß § 15 Abs. 4 [X.], weil die erforderliche unmittelbare Verwechslungsgefahr nach § 15 Abs. 2 [X.] wegen fehlender [X.] zwischen den angegriffenen Tabak- und [X.] und der unter dem [X.] erbrachten „Darbietung [X.] Rap-Musik“ zu verneinen ist.

aa) Für die Beurteilung der [X.] kommt es in erster Linie auf die Produktbereiche und Arbeitsgebiete an, die nach der Verkehrsauffassung typisch für die sich gegenüberstehenden Unternehmen sind. Anhaltspunkte für eine [X.] können ausreichend sachliche Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein. In die Beurteilung einzubeziehen sind naheliegende und nicht nur theoretische Ausweitungen der Tätigkeitsbereiche der Parteien ([X.], 484 [X.]. 73 – [X.]). Im Einzelfall können auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten zu berücksichtigen sein. Von einer Unähnlichkeit der Branchen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Kennzeichen die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Tätigkeitsfelder von vornherein ausgeschlossen ist. Dabei kann eine (absolute) Branchenunähnlichkeit auch bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft des prioritätsälteren Unternehmenskennzeichens ausgeglichen werden ([X.], 831 [X.]. 23 – [X.]). Bei gegebener Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit nach markenrechtlichen Grundsätzen als dem sachlich engeren Kriterium kann regelmäßig auch von [X.] ausgegangen werden (BPatG 30 W (pat) 26/12 – eSPIRIT/E-SPIRIT/e-Spirit).

bb) Wie bereits bei der älteren [X.] des Widersprechenden ausgeführt, weisen die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren des [X.] keine markenrechtliche Ähnlichkeit mit „Musikdarbietungen“ auf.

cc) Allerdings geht der Begriff der [X.] über den der markenrechtlichen Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit hinaus, so dass eine zur Verwechslungsgefahr führende [X.] auch zwischen Unternehmen bestehen kann, deren Waren bzw. Dienstleistungen nicht ähnlich sind ([X.] [X.], 937 [X.]. 38 – [X.]). Das Kriterium der gemeinsamen betrieblichen Herkunft tritt bei der [X.] hinter der Vermutung geschäftlicher Zusammenhänge zurück.

aaa) Der Verkehr ist zum Kollisionszeitpunkt jedoch nicht davon ausgegangen, dass Rap-Musiker zugleich wirtschaftlich selbständig [X.] produzieren bzw. ernsthaft ins Geschäft für [X.] eingestiegen sind. Es ist im September 2018 auch nicht üblich gewesen, dass Unternehmen der Tabakindustrie zugleich Musikdarbietungen erbringen. Abgesehen davon, dass der Widersprechende nicht nachgewiesen hat, dass vor dem maßgeblichen Anmeldetag Rap-Musiker [X.] selbst hergestellt und vertrieben haben, wäre selbst durch den Umstand, dass vereinzelte Rap-Musiker Shisha-Tabak oder [X.] selbst produzieren und veräußern, noch keine Branchenübung begründet worden.

bbb) Wie bereits bei der älteren [X.] erörtert, hat der Verkehr im September 2018 auch nicht den Eindruck gewonnen, dass sich [X.] als Lizenzgeber aktiv mit eigenem Know-How an der Entwicklung und Herstellung von [X.] als [X.]-Artikel beteiligen. Denn eine Tätigkeit als Rap-Musiker vermittelt nicht die notwendigen Fachkenntnisse, um Tabakwaren und Raucherartikel herzustellen oder deren Produktion zu kontrollieren. Aus den vom Widersprechenden vorgelegten Unterlagen (Anlagen [X.], [X.] und [X.]) ergibt sich vielmehr, dass [X.] mit ihrer Musik und ihrem Image die [X.]enten von [X.] ansprechen, selbst gerne [X.] konsumieren und deswegen als Werbebotschafter und [X.]-Lizenzgeber tätig sind. Diese auf der [X.]entenebene liegenden Bezugspunkte vermögen jedoch keine [X.] zu begründen. Zwischen industrieller [X.]herstellung und künstlerisch-kreativer Tätigkeit besteht eine derartige [X.], dass eine Vermutung geschäftlicher Zusammenhänge ausscheidet.

dd) Damit ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu verneinen.

k) Im Rahmen einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne müssen die Geschäftsbereiche der Unternehmen für die Annahme einer [X.] nur gewisse Berührungspunkte aufweisen, die zu einer irrtümlichen Annahme vertraglicher, organisatorischer oder sonstiger wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den konkurrierenden Unternehmen führen ([X.], 831 [X.]. 23 – [X.]; [X.], 484 [X.]. 52, 79 – Metrobus). Hierfür reicht es nach der bisherigen Rechtsprechung bereits aus, wenn das Publikum zu der Annahme gelangen kann, das eine Unternehmen benutze das Kennzeichen des anderen als dessen Lizenznehmer ([X.] GRUR 1986, 402, 403 f. – [X.]; GRUR 1999, 582, 582 – Max).

aa) Es kann dahinstehen, ob diese sehr ausdehnende Interpretation der [X.] im Hinblick auf die abweichende Rechtsprechung zum Markenrecht, bei der eine branchenübergreifende [X.] ohne Know-How-Transfer nicht ausreicht, eine Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit zu begründen (aktuell: [X.] GRUR 2021, 724 – [X.]/PURE [X.]), beibehalten werden kann, weil die bisherige Rechtsprechung eine derartige [X.] für die Annahme einer [X.] nur dann ausreichen lässt, wenn eine stark erhöhte Bekanntheit des vermeintlich lizenzierten Unternehmenskennzeichens vorliegt ([X.] a. a. [X.] – [X.]). Daran fehlt es hier.

bb) Denn wie bereits bei der [X.] des Widersprechenden ausgeführt worden ist, hat eine solche stark erhöhte Bekanntheit des identischen Unternehmenskennzeichens weder zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke noch zum Entscheidungszeitpunkt vorgelegen.

Nach alledem ist eine Verwechslungsgefahr wegen Branchenunähnlichkeit ausgeschlossen.

l) Ein Unterlassungsanspruch kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Sonderschutzes einer bekannten geschäftlichen Bezeichnung aus § 15 Abs. 4 [X.] m. Abs. 3 [X.] hergeleitet werden.

aa) Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren, im Inland bekannten geschäftlichen Bezeichnung zu löschen, wenn zwar keine Verwechslungsgefahr besteht, ihre Benutzung aber geeignet ist, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.

bb) Vorliegend hat es sowohl zum Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke als auch zum Entscheidungszeitpunkt an einem im Inland bekannten Unternehmenskennzeichen für die Darbietung [X.] Rap-Musik gefehlt, wie bereits bei der identischen [X.] des Widersprechenden eingehend erörtert worden ist.

III.

Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.], da [X.] für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

Meta

26 W (pat) 29/20

09.11.2021

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 5 Abs 2 MarkenG, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 9 Abs 1 Nr 3 MarkenG, § 12 MarkenG, § 15 Abs 4 MarkenG, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 42 Abs 2 Nr 4 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.11.2021, Az. 26 W (pat) 29/20 (REWIS RS 2021, 1273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1273

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