Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2016, Az. VI ZR 367/15

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16267

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:160216UVIZR367.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

16. Februar 2016

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs.
1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 [X.], § 1004 Abs.
1 Satz 2; KUG § 22, § 23
1.
Die Frage, ob in dem Online-Archiv einer Tageszeitung nicht mehr aktuelle Beiträge (Altmeldungen) zum Abruf bereitgehalten werden dürfen, in denen über den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit einem -
später nach § 170 Abs. 2 [X.] eingestellten
-
Ermittlungsverfahren berichtet und in de-nen der Beschuldigte -
durch Namen und/oder Bild
-
identifizierbar bezeich-net wird, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeits-rechts des Beschuldigten mit dem Recht der Presse auf Meinungs-
und [X.]freiheit zu entscheiden.
2.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Berichterstattung ist im Rahmen der Abwägung von erheblicher
Bedeutung, ob sie ursprünglich zu-lässig war. Ist dies nicht der Fall, ist das Bereithalten der Beiträge zum Abruf in einem Online-Archiv grundsätzlich unzulässig, soweit der Beschuldigte weiterhin identifizierbar bezeichnet bzw. dargestellt ist.
[X.], Urteil vom 16. Februar 2016 -
VI [X.] -
O[X.]

[X.]

-

2

-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
16. Februar
2016
durch den Vorsitzenden [X.],
[X.] Wellner
und
Stöhr
und
[X.]innen
von Pentz
und Müller

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]
wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 12. Mai 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der
Kläger, ein deutschlandweit bekannter Fußballprofi,
nimmt die Be-klagte
in Anspruch, es zu unterlassen, fünf Beiträge in deren Online-Archiv zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise über ihn berichtet wird. Zudem verlangt er Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Die Beiträge berichten über ein Ermittlungsverfahren, das Anfang des Jahres
2012 gegen den Kläger wegen des
Verdachts des sexuellen Miss-brauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet worden war. Hintergrund war die Strafanzeige einer jungen Frau, die behauptete, nach einer Feier im 1
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-

Haus des [X.] von einem oder mehreren Männern mit sogenannten K.O.-Tropfen betäubt und anschließend missbraucht worden zu sein.
Im April 2012 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ge-gen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 [X.] ein.
Im Zeitraum von Januar bis April 2012 berichtete die [X.] -
wie auch weitere Nachrichtenportale
-
auf
ihrem [X.] mit insgesamt sechs Arti-keln über das
Ermittlungsverfahren
unter namentlicher Nennung des [X.]. Fünf
Artikel, von denen vier mit einem Lichtbild des [X.] versehen sind,
sind derzeit -
jeweils mit Datumsangabe gekennzeichnet
-
noch im Online-Archiv der [X.]n abrufbar und durch eine gezielte Suche zum Ermittlungsverfahren über Suchmaschinen auffindbar.
Die Artikel vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 befassen sich mit der Einleitung bzw. dem Fortgang des Ermittlungsverfahrens, zwei Artikel vom 27. April 2012 mit dessen [X.].
Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens ergänzte die [X.] die Artikel vom 23.
Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 um eine Fußzeile mit folgendem Inhalt:
"Anmerkung der Redaktion: Bei dem Artikel handelt es sich um eine Ar-chivberichterstattung vom

[Name des [X.]]
wurde im April 2012 eingestellt."
Auf eine außergerichtliche Aufforderung des [X.], alle das Ermitt-lungsverfahren betreffenden Artikel aus dem [X.] zu löschen, teilte die [X.] mit, die geforderte Löschung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorzunehmen. Sie löschte jedoch lediglich einen Artikel vom 21. Januar 2012, in dem erstmalig über den Sachverhalt berichtet worden war. Auf eine erneute 3
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-

4

-

Aufforderung des [X.] unter konkreter Nennung aller weiteren Artikel ver-weigerte die [X.] deren Löschung. Auf die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung reagierte die [X.] nicht.
Das [X.] hat es der
[X.]n
antragsgemäß verboten,
die fünf verbliebenen Beiträge online zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierba-rer Weise durch namentliche Nennung und/oder Bildnisveröffentlichung über den Kläger berichtet wird.
Auf die Berufung der [X.]n hat das [X.] das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung
weiter.

Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen,
dass dem Kläger gegen die [X.] kein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB ana-log i.V.m. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zustehe, weil die weitere Bereithaltung der ihn identifizierenden Berichte im Online-Archiv nicht rechtswidrig in sein allgemei-nes Persönlichkeitsrecht eingreife.
Allerdings stelle das Bereithalten der Berichte im [X.] einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] dar, weil hiermit sein angebli-ches
Fehlverhalten öffentlich gemacht und seine Person in den Augen der [X.] -
auch bei einer bloßen Verdachtsberichterstattung
-
negativ qualifi-ziert werde.
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-

Die notwendige Abwägung des Rechts des [X.] auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung
seines Privatlebens mit dem Recht
der [X.]n auf Meinungs-
und Medienfreiheit führe im Streitfall jedoch zu
dem Ergebnis, dass
der Kläger die weitere Vorhaltung der Berichterstattung im Online-Archiv der [X.]n zu dulden habe.
Bei der beanstandeten
Berichterstattung der [X.]n handele es sich um wahre Tatsachenbehauptungen in Form
der Verdachtsberichterstattung. Diese sei ursprünglich angesichts der Schwere des in Rede stehenden Delikts und der Prominenz des [X.] zulässig gewesen, da die [X.] in allen fünf angegriffenen Beiträgen in ausgewogener Art und Weise über den Tatvorwurf und den Gang
des Verfahrens berichtet habe. Bei der Abwägung der gegensei-tigen Interessen könne nicht festgestellt werden, dass dem Kläger trotz der [X.] des
Ermittlungsverfahrens durch die fortwährende Bereithaltung der Berichterstattung eine besondere Stigmatisierung oder Ausgrenzung drohe. Alle fünf Beiträge entsprächen auch heute noch der Wahrheit und seien angesichts des Nachtrags über die Einstellung des
Ermittlungsverfahrens weder unvoll-ständig noch spiegelten sie den Anschein einer nicht bestehenden Aktualität vor. Zwar habe der Kläger ein Interesse daran, mit dem Vorwurf einer Sexual-straftat, dem in der Öffentlichkeit ein besonders hohes Unwerturteil beigemes-sen
werde, nicht mehr konfrontiert zu werden. Allerdings berichte die [X.] in den angegriffenen Beiträgen nicht in einer Art und Weise, durch die der durchschnittliche Rezipient von einer Schuld oder Strafbarkeit des [X.] aus-gehe, sondern stelle lediglich einen früher gegen diesen bestehenden Verdacht dar. Außerdem bestehe aufgrund der Art des Delikts, der Beteiligten sowie der
Tatumstände ein hohes öffentliches Informationsinteresse. Zudem gehe
von den Beiträgen der [X.]n auch keine erhebliche Breitenwirkung aus, da [X.] nur bei einer gezielten Suche zu finden seien. Um die durch eine Verdachts-berichterstattung hervorgerufene Störung abzustellen, sei ein Nachtrag geeig-10
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-

6

-

net, erforderlich, aber im Hinblick auf den Schutz der Pressefreiheit auch aus-reichend.

B.
Die Revision ist zulässig. Angegriffen ist entgegen der Ansicht der Revi-sionserwiderung nach wie vor allein das Bereithalten der
den Kläger identifizie-renden
Altmeldungen in dem Online-Archiv der
[X.]n.

C.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung
nicht stand.
Die Feststellungen
des Berufungsgerichts
tragen die Annahme, das wei-tere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Wort-
und Bildbeiträge sei rechtmäßig, nicht.

I.
Wortberichterstattung:
1. Das
Berufungsgericht
hat
zu Recht angenommen, dass das Bereithal-ten der angegriffenen Wortbeiträge
zum Abruf im [X.] einen Eingriff in
den Schutzbereich des
allgemeinen
Persönlichkeitsrechts
des [X.] darstellt. Denn die Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes, weil sie sein mögliches 12
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-

Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen
der [X.] negativ qualifiziert (Senatsurteile
vom 7. Dezember 1999 -
VI [X.], [X.]Z 143, 199, 202 f. [X.]; vom 18. November 2014 -
VI [X.], [X.]Z 203, 239 Rn.
31; vom 30. Oktober 2012 -
VI [X.], [X.], 50 Rn. 9 [X.]). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in [X.], [X.] oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn -
wie im Streitfall
-
den Beschuldigten identifizierende Inhalte lediglich auf einer passiven Darstel-lungsplattform im [X.] zum Abruf bereitgehalten werden. Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten [X.]nutzer zugänglich (Senatsur-teile vom 15. Dezember 2009 -
VI [X.], [X.]Z 183, 353 Rn. 10
[X.]; vom
8.
Mai 2012 -
VI [X.], AfP
2012, 372
Rn. 34
[X.]; vom 30.
Oktober 2012 -
VI [X.], aaO; vom 13.
November 2012 -
VI [X.], [X.], 54 Rn. 8).
An dem Eingriff in den Schutzbereich des
allgemeinen
Persönlichkeits-rechts
des [X.] vermag auch die Tatsache
nichts
zu ändern, dass
mit den Beiträgen vom 27. April 2012 über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet wurde und in der Fußzeile zu den
Beiträgen
vom 23.
Januar 2012, 26.
Januar 2012 und 11. Februar 2012 auf die Einstellung hingewiesen wurde. Denn alleine der Umstand, dass über vergangene Ermittlungen gegen den Klä-ger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen berichtet wird, birgt die Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Ein-leitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und trotz der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom Schuldvor-wurf "etwas hängenbleibt"
(Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 -
VI [X.], aaO, 203; vom 30.
Oktober 2012 -
VI [X.], aaO
Rn. 14; jeweils
[X.]).
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-

8

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Entgegen der Auffassung der Revision ist zwar
nicht die absolut ge-schützte Intimsphäre des [X.]
betroffen. Denn sexueller Missbrauch wider-standsunfähiger Personen, um den es in dem Ermittlungsverfahren ging,
ist in
§
179 StGB
unter Strafe gestellt. Wäre eine Sexualstraftat begangen worden, fiele sie
nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung
(vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 -
VI [X.], [X.]Z 199, 237 Rn. 17; vom 19. März 2013 -
VI [X.], [X.], 250 Rn.
21 ff.
[X.]; [X.], [X.], 365 Rn. 26).
Das Bereithalten
von Berich-ten, die den
Verdacht zum Gegenstand haben, der Kläger habe nach Einsatz von K.O.-Tropfen eine schwere Sexualstraftat begangen, stellt aber einen schwerwiegenden Eingriff in dessen persönliche Ehre dar (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 -
VI [X.], [X.]Z 132, 13, 24).
2. Ebenfalls zutreffend hat es das Berufungsgericht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung
des Rechts des [X.] auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art.
1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 [X.] verankerten Recht der [X.]n auf Meinungs-
und Medienfrei-heit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen
Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der [X.] interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 -
VI [X.], aaO
Rn.
22; vom 30. Oktober 2012 -
VI [X.], aaO Rn. 10; vom 15. Dezember 2009 -
VI [X.], aaO Rn. 11;
jeweils [X.]).
17
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9

-

3. Ein solches Überwiegen hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfeh-lerhaft
verneint.
a) Im Rahmen der Abwägung
ist von erheblicher
Bedeutung,
ob die [X.] in den angegriffenen Beiträgen
im Zeitpunkt ihrer erstma-ligen [X.] zulässig waren (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2009 -
VI [X.], aaO 2. Leitsatz
u. Rn. 18). Da Gegenstand der [X.] nicht nur das Ermittlungsverfahren, sondern auch
der von der [X.] als "Anfangsverdacht" bezeichnete Verdacht ist, der namentlich benannte Kläger habe eine 21jährige Frau anlässlich einer Feier in seinem Haus betäubt und sexuell missbraucht oder Beihilfe hierzu geleistet, müssen die Vorausset-zungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung erfüllt
sein (Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 -
VI [X.], aaO, 203). Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht dies angenommen hat.
Sie ist mit diesem Einwand nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Klä-ger in den Vorinstanzen die Unzulässigkeit
der ursprünglichen Verdachtsbe-richterstattung für nicht streiterheblich gehalten
hat. Denn dabei handelt es sich um eine rechtliche Vorfrage, deren Beantwortung für die Beurteilung des streit-gegenständlichen Unterlassungsanspruchs unabdingbar ist. Sie ist
daher von den Gerichten auch dann zu prüfen, wenn die Parteien diese Frage für uner-heblich halten; sollte hierzu weiterer Tatsachenvortrag der Parteien erforderlich sein, ist darauf gemäß § 139 Abs. 2 ZPO hinzuweisen. Dementsprechend ha-ben sich die Vorinstanzen zu Recht -
wenn auch nicht umfassend
-
mit der [X.] befasst, ob die Berichterstattung im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentli-chung zulässig war.
aa)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des [X.] darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt un-19
20
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22
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-

geklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Re-cherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfäl-tigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklä-rungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Pri-vatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des [X.] herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 -
VI [X.], aaO,
23 f. [X.]; vom 7. [X.] -
VI [X.], aaO, 203 f. [X.]; vom 22. April 2008 -
VI
ZR 83/07, [X.]Z 176, 175 Rn. 35 [X.]; vom 17. Dezember 2013 -
VI
[X.], aaO Rn. 26 [X.]; vom 18. November 2014 -
VI [X.], aaO Rn. 15).

Diese Grundsätze gelten
auch für die Berichterstattung über Ermittlungs-verfahren
unter namentlicher Nennung des Beschuldigten. In diesem [X.] steht lediglich fest, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet [X.], in der Regel
ist
aber nicht geklärt, ob der Beschuldigte die
ihm zur Last ge-legte Straftat begangen hat.
Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der [X.], Verfehlungen -
auch konkreter Personen
-
aufzuzeigen (Senatsurteile vom 30.
Oktober 2012 -
VI [X.], aaO
Rn. 12; vom 13. November 2012 -
VI [X.], aaO Rn. 11; [X.], [X.], 143 Rn.
39; jeweils [X.]).
Dies gilt
auch für die Berichterstattung über eine Straftat, da diese zum Zeitgeschehen gehört und die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der [X.] ein anzuerken-nendes Interesse
der Öffentlichkeit
an näherer Information über Tat und Täter 23
-

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-

begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 -
VI [X.], aaO, 204; vom 15.
Dezember 2009 -
VI [X.], aaO Rn. 14; vom 7. Juni 2011 -
VI
[X.], [X.]Z 190, 52 Rn. 19; vom 30. Oktober 2012 -
VI [X.], aaO Rn. 13; [X.], [X.], 46 Rn. 11; [X.], 365 Rn. 18; [X.], [X.], 294 Rn. 96; jeweils [X.]). Besteht
allerdings
-
wie im Ermittlungsverfah-ren
-
erst der Verdacht einer Straftat, so sind
die Medien
bei besonderer
Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorge-hen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 -
VI [X.], aaO, 24; vom 7. Dezember 1999 -
VI [X.], aaO, 203; vom 17.
Dezember 2013 -
VI [X.], aaO Rn. 28 [X.]). Dabei ist im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 [X.] anerkannte Un-schuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt
und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des [X.] oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (Se-natsurteile vom 7. Dezember 1999
-
VI [X.], aaO,
203;
vom 30.
Oktober 2012 -
VI [X.], aaO Rn. 14; jeweils [X.]; vgl. auch [X.], [X.], 46 Rn. 15).
Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an [X.], die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlich-keitswert" verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Be-troffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfe-nen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der [X.] regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung
durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteile 24
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-

vom 7. Dezember 1999 -
VI [X.], aaO, 203 f. [X.]; vom 17. Dezember 2013 -
VI [X.], aaO
Rn. 26; vom 18. November 2014 -
VI [X.], aaO Rn. 16 [X.]; vgl. auch [X.]K 9, 317, 322).
bb) Im Streitfall tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts dessen Annahme, die [X.] habe die Erfordernisse einer zulässigen Verdachtsbe-richterstattung eingehalten, nicht. Über den Umstand hinaus, dass gegen den Kläger aufgrund einer Anzeige ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet worden war, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Vorliegen von Beweis-tatsachen getroffen, die für den Wahrheitsgehalt dieses Verdachts gesprochen haben.

(1) Die bloße Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als solche genügt jedenfalls nicht für die Annahme des Vorliegens eines [X.] an [X.] ([X.] in [X.]/[X.], Presserecht, 5.
Aufl., § 19 Rn. 36; [X.], Medienrecht, Rn. 272; [X.]/
[X.], § 823 BGB Rn. 244 (Stand: 01.11.2015); [X.]/[X.]/[X.], 2.
Aufl., 33. Abschnitt Rn. 59; [X.], NJW 2013, 728, 730; [X.], [X.] 2014, 381, 382 [X.]. 14). Die
Staatsanwaltschaft
hat
schon beim Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufzunehmen (vgl. § 152 Abs.
2, §
160 Abs. 1 [X.]). Dafür ist bereits ausreichend, dass aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung die bloße Möglichkeit einer ver-folgbaren Straftat gegeben ist ([X.], Urteil vom 21.
April 1988
-
III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97; [X.]K 3, 55, 61; jeweils [X.]). Die Schwelle für die Annahme eines Anfangsverdachts liegt damit niedrig (vgl. [X.], NJW 2002, 1411, 1412); es genügen schon entferntere [X.] ([X.], NJW 1994, 783; NJW 1994, 783, 784), die eine geringe, wenngleich nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer ver-25
26
-

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-

folgbaren Straftat begründen (Beulke in [X.], [X.], 26. Aufl., §
152 Rn. 23).
So müssen die Ermittlungsbehörden auch auf völlig [X.], unter Umständen wider besseres Wissen in [X.] erstattete Strafanzeigen hin tätig werden ([X.], aaO).
(2) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts
lässt sich
nichts [X.] herleiten.
Ihnen ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass -
wie die Revisionserwiderung geltend gemacht hat
-
die angegriffenen Beiträge auf den Kläger identifizierenden amtlichen Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft beruhen.
Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 -
VI [X.], aaO Rn.
30; vom 11. Dezember 2012 -
VI [X.], [X.], 57 Rn. 30; [X.], [X.], 365 Rn. 35; jeweils [X.]). Dies beruht auf der Erwägung, dass [X.] in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen,
ob die Presse über amtli-che Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzu-nehmen haben (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 -
VI [X.], aaO; vom 11. Dezember 2012 -
VI [X.], aaO; [X.], [X.], 365 Rn. 35; jeweils [X.]). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzan-spruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlich-keitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (Senatsurteil vom 17. Dezember 2013 -
VI [X.], aaO [X.]; vgl. auch [X.], Urteile vom 17. März 1994 -
III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951 ff.; vom 23. Oktober 2003 -
III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697). Daher ist regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass eine unmittelbar an die Grund-27
28
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rechte gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die [X.] die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungs-verfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht be-reits einigermaßen erhärtet hat ([X.], [X.], 365 Rn. 35). Auch das [X.] die Medien allerdings nicht von der Aufgabe der Abwägung und Prüfung, ob im Übrigen nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung eine Na-mensnennung des Betroffenen gerechtfertigt ist (Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Aufl., Rn. 64; [X.]/[X.], Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 208 f.; [X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., 33. Abschnitt Rn.
60; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., 39. Abschnitt Rn. 55).
Im Streitfall ist
schon nicht festgestellt, ob und wann die [X.]
die
Öffentlichkeit
unter Namensnennung
über das gegen den Kläger ge-führte Ermittlungsverfahren
unterrichtete. Dies
ergibt sich
entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
nicht
bereits
hinreichend klar
aus den angefochtenen Meldungen.
So ist aus dem Bericht vom 23.
Januar 2012 nicht erkennbar, von wem die Information stammte, dass die Staatsanwaltschaft nunmehr auch ge-gen den Kläger ermittelte. Soweit in den Meldungen vom 23. Januar 2012 und vom 11. Februar 2012 von Erklärungen der Staatsanwaltschaft die Rede ist, ist denkbar, dass sich diese
auf das Ermittlungsverfahren gegen namentlich nicht genannte Teilnehmer der Feier
bezogen.
b) Kann
mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zum Vorliegen eines Mindestbestandes an [X.]
nicht
von der Zulässigkeit der ur-sprünglichen Berichterstattung über den Verdacht, der Kläger habe eine [X.] Sexualstraftat begangen,
ausgegangen werden, so kann derzeit auch nicht beurteilt werden, ob das
weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Wortbeiträge
zum Abruf aus dem Online-Archiv einen rechtswidrigen Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht darstellt.

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15

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aa)
Für den Fall, dass -
wie von der Revision geltend gemacht
-
die
Wortberichte
ursprünglich unzulässig gewesen sein sollten, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr Bereithalten
in dem Online-
Archiv der [X.]n unzulässig ist, soweit sie den Kläger weiterhin identifizieren.
(1) Eine abweichende Beurteilung wäre vorliegend nicht deshalb gebo-ten, weil die Berichte vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 um den Zusatz in der Fußzeile
ergänzt wurden, dass
es sich um eine "Ar-chivberichterstattung"
handelt und
das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger im April 2012 eingestellt wurde. So, wie schon mit den Berichten über die [X.] des Ermittlungsverfahrens vom 27. April 2012 zwangsläufig auch der dem Verfahren ursprünglich zugrunde liegende
Verdacht transportiert und [X.] wurde,
ist durch die nachträglich
eingefügte Fußzeile
bei den Berichten über die Einleitung und den Fortgang des Ermittlungsverfahrens dieser [X.] nicht ausgeräumt
worden. Denn beim Leser kann der Eindruck entstehen, dass der Kläger trotz der Verfahrenseinstellung "in Wahrheit" Täter der ihm vor-geworfenen Tat ist und lediglich die Strafverfolgung -
zum Beispiel mangels ausreichender Beweise, wie in den Berichten vom 27. April 2012 erwähnt
-
nicht fortgeführt wurde (vgl. [X.], [X.], 46 Rn. 15). Es ist aber gerade die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 [X.], die nicht für, sondern ge-gen die Abrufbarkeit jedenfalls einer unzulässigen Berichterstattung
in
Online-Archiven
spricht. Sollte
es nämlich schon anfangs an einem Mindestbestand an [X.] als Voraussetzung für eine zulässige Berichterstattung
gefehlt haben und
ist das Ermittlungsverfahren
sodann
mangels ausreichender Be-weisgrundlage eingestellt worden, so gäbe
es keinen anerkennenswerten Grund für die fortdauernde Abrufbarkeit
der Berichte
im [X.]. Eine [X.] des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 [X.] dient
-
anders als eine Einstellung nach § 153a [X.] (vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 -
VI [X.], aaO Rn. 25 [X.])
-
auch der Rehabilitation des Betroffenen
([X.], Beschluss 31
32
-

16

-

vom 26. Juni 1990 -
5 AR ([X.]) 8/90, [X.]St 37, 79, 83); dieser Zweck wird
durch die
weitere
Abrufbarkeit einer identifizierenden Verdachtsberichterstat-tung
konterkariert. Ein
anerkennenswertes
Öffentlichkeitsinteresse, das bei Un-zulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung
schon von Anfang an
als sehr gering eingeschätzt werden müsste, besteht demgegenüber
im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 [X.] in noch geringerem Maße
(vgl. [X.]/[X.], Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 211; [X.], [X.], Rn. 107, 272; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., 39. Abschnitt Rn.
92; KG, NJW 1989, 397, 398; vgl. auch [X.]/[X.], Das Recht der Wort-
und Bildberichterstattung, 5. Aufl., [X.]. 10 Rn. 167; [X.] in [X.]/[X.], Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 37). Im Übrigen geht
aus dem
von der [X.]n eingefügten
Zusatz in der Fußzeile nicht hervor, dass das [X.] mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde.
(2) Die Entscheidung des [X.] vom 16. Juli 2013 (abgedruckt in [X.], 517)
steht
der Beurteilung, von Anfang an unzulässige Berichte dürften grundsätzlich auch nicht als [X.] im Online-Archiv bereitgehalten werden,
nicht entgegen. Der Gerichtshof hat es in dem dort zugrunde liegenden Fall für den Schutz des Einzelnen ge-mäß Art. 8 [X.] nicht für zwingend geboten gehalten, dass
das nationale Ge-richt für rechtswidrige, in einem Online-Archiv
zugreifbare Artikel die
Löschung
anordnet.
Hierzu führt die Entscheidung aus, dass eine
geltend gemachte [X.]. 8 [X.] geschützten Rechte (Achtung des Privatlebens)
durch geeignete Maßnahmen nach nationalem Recht behoben werden sollte (aaO Rn. 66). Den
Vertragsstaaten
komme
aber
ein weiter
Einschätzungsspiel-raum bei der Bestimmung der Maßnahmen zu, um die Einhaltung der [X.] unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Ressourcen der [X.] und des Einzelnen zu gewährleisten (aaO
Rn. 55). Wie sich aus dem von der Revisionserwiderung zitierten Urteil des [X.] vom 33
-

17

-

10.
März 2009 in dem Verfahren [X.]. v. The [X.]
([X.]. 3003/03 und [X.]. 23676/03,
Rn. 45)
ergibt, ist der staatli-che Ermessenspielraum bei der Abwägung zwischen den betroffenen [X.] noch größer, wenn es nicht um aktuelle Berichterstattung geht, sondern um [X.] über vergangene Ereignisse. Entscheidend ist, dass der Staat bzw. das nationale Gericht seine Verpflichtung erfüllt, den Umständen des jeweiligen Falles entsprechend einen Ausgleich zwischen den von Art. 10 [X.] gewährten Rechten einerseits und den von Art. 8 [X.] gewährten Rechten andererseits zu schaffen ([X.], abgedruckt in [X.], 517 Rn.
68). Dem trägt der oben genannte Grundsatz Rechnung. Hier kommt hinzu, dass der Kläger ohnehin nicht die
vollständige Löschung der Beiträge aus dem [X.] verlangt.
bb) Für den Fall, dass
-
wie von der Revisionserwiderung geltend ge-macht
-
die Wortberichterstattung
ursprünglich
zulässig gewesen sein sollte, könnte für die auch dann gebotene
umfassende Abwägung
der Grundrechtspo-sitionen unter anderem von Bedeutung
sein, welches Gewicht den Tatsachen zukam, die
anfangs für eine
Beteiligung des [X.] an einer
Straftat sprachen.

II.
Bildberichterstattung:

Mit dem von dem Antrag des [X.] erfassten
und im erstinstanzlichen Urteil ausgesprochenen Verbot, den Kläger identifizierend
darstellende
Bildnis-se
in den angegriffenen Beiträgen online zum Abruf bereitzuhalten, hat sich das Berufungsgericht bislang nicht gesondert befasst. Auch insoweit tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts die Abweisung der Klage nicht.
34
35
36
-

18

-

1. Als Teil der Artikel vom 23. Januar, 26. Januar und 11. Februar 2012 und des zweiten Artikels vom 27. April 2012
dürfen die den Kläger zeigenden Bilder mangels dessen Einwilligung (§ 22 Satz 1 KUG) nur dann zum Abruf im [X.] bereitgehalten werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und durch die Verbreitung be-rechtigte Interessen des Abgebildeten
nicht
verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Anderenfalls steht dem Kläger ein Anspruch auf Unterlassung erneuter Verbrei-tung der in den Artikeln enthaltenen Bilder entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m.
§§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu (vgl. Senatsurteil
vom 9. Februar 2010 -
VI [X.]/08,
[X.], 162
Rn.
31
f. [X.]).
Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S. von

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.]
einerseits
und den Rechten der Presse aus
Art. 5 Abs. 1 GG,
Art. 10 Abs. 1 [X.] andererseits. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlich-keit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen, wobei dieser Begriff alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse umfasst. Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der [X.] in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Bei der Gewichtung der kollidierenden Interessen
kommt dem
Anlass und dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Be-rücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist. [X.] ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informa-tionsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie -
ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis
-
le-37
38
-

19

-

diglich die Neugier der Leser befriedigen
(Senatsurteile vom
9. Februar 2010 -
VI [X.]/08, aaO Rn. 33 ff.;
vom 7. Juni 2011 -
VI [X.], [X.]Z 190, 52 Rn. 17 ff.; vom 8. März 2012 -
VI [X.]/12,
[X.], 399
Rn. 12 f.; jeweils
[X.]). Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist darüber hinaus zu beachten, dass eine solche [X.] in das Recht des Abgebildeten
auf Schutz seiner Persönlichkeit ein-greift, weil sie sein angebliches
Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und sei-ne Person in den Augen der Adressaten
von vornherein
negativ qualifiziert
(vgl. Senatsurteile
vom
9. Februar 2010 -
VI [X.]/08, aaO Rn. 34; vom 7. Juni 2011 -
VI [X.],
aaO
Rn. 19 ff.). Insbesondere ist auch in diesem Zusam-menhang
im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfah-rens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt
und dass der Eindruck, der [X.] sei ein Straftäter, selbst bei einer späteren Einstellung des [X.] nicht beseitigt wird.
Ob im Einzelfall dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit oder dem Informationsinteresse Vorrang gebührt, hängt unter anderem von dem [X.] ab, dem der Beschuldigte ausgesetzt
war und gegebenenfalls noch ist
(vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2011 -
VI [X.], aaO Rn. 25).

2. Ob nach diesen Grundsätzen das Bereithalten der Fotos des [X.] als Teil der Berichterstattung zum Abruf im [X.] zu beanstanden ist, kann ohne weitere Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Durch
Anlass
und Gegenstand
der Berichterstattung werden die den
Kläger
in seinem Beruf
als Fußballspieler zeigenden Bilder mit dem Verdacht, eine schwere Sexual-straftat begangen zu haben, in unmittelbare Verbindung gebracht. Ob dies be-rechtigte Interessen des [X.] verletzte bzw. verletzt, hängt unter anderem
davon ab, ob und in welchem Umfang
-
jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Meldung erstmals "in das Netz" gestellt wurde,
-
Tatsachen vorlagen, die den 39
-

20

-

Tatvorwurf stützten. Im Grundsatz kann auch bei der Bildberichterstattung da-von ausgegangen werden, dass eine von Anfang an unzulässige Meldung auch nicht als Altmeldung im Online-Archiv zum Abruf bereitgehalten werden darf.

D.
Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und
die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
562 Abs.
1, §
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
Das Berufungsgericht wird -
erforderlichen-falls nach ergänzendem Vortrag der Parteien
-
die notwendigen
Feststellungen nachzuholen haben.
Galke
Wellner
Stöhr

von Pentz
Müller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.12.2014 -
28 [X.]/14 -

O[X.], Entscheidung vom 12.05.2015 -
15 [X.] -

40

Meta

VI ZR 367/15

16.02.2016

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2016, Az. VI ZR 367/15 (REWIS RS 2016, 16267)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16267

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 330/11 (Bundesgerichtshof)


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Persönlichkeitsrechtsverletzung: Anspruch auf Löschung einer selbst erwirkten Gegendarstellung aus dem Online-Archiv eines Presseorgans


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