Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2015, Az. XII ZB 424/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 13832

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Gegenstand

Beschwerde in familiengerichtlichen Verfahren: Formwahrende Übermittlung der Beschwerdeschrift als PDF-Datei mit auch eingescannter Unterschrift im Anhang zu einer elektronischen Nachricht


Leitsatz

Eine Beschwerdeschrift ist in schriftlicher Form eingereicht, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Beschwerdeschrift enthaltenden PDF-Datei vorliegt. Ist die Datei durch Einscannen eines von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt, ist auch dem Unterschriftserfordernis des § 64 Abs. 2 Satz 4 genügt (im Anschluss an BGH Beschluss vom 15. Juli 2008, X ZB 8/08, NJW 2008, 2649).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des 13. Zivilsenats - [X.] - des [X.] in [X.] vom 8. August 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 3.000 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 3 (im Folgenden: Mutter) wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist.

2

Der Beschluss des Amtsgerichts, mit dem der Mutter die elterliche Sorge für ihr Kind entzogen und das Jugendamt zum Vormund des Kindes bestellt worden war, wurde ihr am 31. Mai 2014 zugestellt. Mit elektronischem, auf den 4. Juni 2014 datierten Dokument, das am 25. Juni 2014 auf dem elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach des Amtsgerichts eingegangen ist, hat die Mutter Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Der [X.] war nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Vielmehr wurde der [X.] mitsamt Anlagen eingescannt und als [X.] elektronisch an das Amtsgericht versandt.

3

Das [X.] hat die Beschwerde verworfen; hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Mutter.

II.

4

Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

5

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine Beschwerde zwar auch auf elektronischem Wege bei Gericht eingelegt werden könne, sie aber in diesem Fall mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein müsse. Daran fehle es hier, denn die Beschwerdeschrift sei lediglich als elektronisches PDF-Dokument übermittelt worden, das zwar unterzeichnet, aber nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen gewesen sei. Die einfache Unterschrift unter dem elektronisch übermittelten Dokument reiche nicht aus. Die Beschwerde sei daher mangels formgerechter Einlegung unwirksam und deshalb als unzulässig zu verwerfen. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen in die versäumte Beschwerdefrist komme nicht in Betracht, denn die Mutter sei nicht ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, die betreffende Frist einzuhalten.

6

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. Zwar ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass die mittels Datei übersandte Beschwerdeschrift nicht den Anforderungen an ein elektronisches Dokument gerecht wird. Jedoch hat sich das Beschwerdegericht nicht die Frage vorgelegt, ob der ausweislich des Eingangsstempel am 25. Juni 2014 im Geschäftsgang des Amtsgerichts eingegangene Ausdruck der [X.] mit dem unterzeichneten [X.] die am 30. Juni 2014 abgelaufene Frist zur Einlegung der Beschwerde gewahrt hat.

7

a) Grundsätzlich sieht § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG die Einlegung der Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle vor. Die Beschwerde ist gemäß § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten eigenhändig zu unterzeichnen. Das Erfordernis der Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen unautorisierten Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. [X.] [X.]Z 75, 340 = NJW 1980, 172, 174 und [X.], 160 = NJW 2000, 2340, 2341).

8

aa) Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 FamFG können die Beteiligten Anträge und Erklärungen auch als elektronisches Dokument übermitteln. Über § 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG gelten für das elektronische Dokument § 130 a Abs. 1 und 3 ZPO sowie § 298 ZPO entsprechend. Anstelle der vom Urheber unterzeichneten Urkunde besteht das elektronische Dokument aus der in der elektronischen Datei enthaltenen Datenfolge selbst. An die Stelle der Unterschrift tritt demgemäß die qualifizierte elektronische Signatur (§ 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG i.V.m. § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO). Bei der qualifizierten elektronischen Signatur handelt es sich um eine elektronische Signatur nach § 2 Nr. 1 Signaturgesetz ([X.]), die zusätzlich die Voraussetzungen der fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 2 [X.] erfüllen und weiter auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt worden sein muss ([X.], 75 = NJW 2010, 2134 Rn. 12 ff.; [X.], 209 = NJW 2013, 2034 Rn. 9). Bestimmende Schriftsätze müssen grundsätzlich entweder mit einer Unterschrift oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO versehen werden ([X.], 75 = NJW 2010, 2134 Rn. 15 ff.).

9

bb) Zu den schriftlichen, nicht den elektronischen Dokumenten zählen diejenigen, die im Wege eines Telegramms, mittels Fernschreiben oder per Telefax übermittelt werden (vgl. zu den Ausnahmen vom [X.] insoweit jeweils die Nachweise bei [X.] [X.], 160 = NJW 2000, 2340, 2341). Für die Übermittlung einer Berufungsbegründung durch [X.] hat der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des [X.] entschieden, dass in Prozessen mit Anwaltszwang bestimmende Schriftsätze [X.] durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden können ([X.] [X.], 160 = NJW 2000, 2340 f.). Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit eines elektronisch übermittelten Schriftsatzes ist allein die auf Veranlassung des Absenders beim Gericht erstellte körperliche Urkunde. Die vorübergehende Speicherung tritt aber nicht an die Stelle der Schriftform. Statt der handschriftlichen Unterschrift auf der Urkunde genügt bei der elektronischen Übermittlungsform die Wiedergabe der Unterschrift in der bei Gericht erstellten Kopie. Der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und Verlässlichkeit der Eingabe sicherzustellen, kann auch im Fall einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden.

Wird eine im Original eigenhändig unterzeichnete Berufungsbegründung eingescannt und im Anhang einer Email als [X.] nach vorheriger Rücksprache mit der Geschäftsstellenbeamtin an die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts geschickt, genügt nach der Rechtsprechung des [X.]gerichtshofs der Ausdruck einer auf diesem Weg übermittelten Datei der Schriftform. Denn der Ausdruck verkörpert die Berufungsbegründung in einem Schriftstück und schließt mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten ab. Dass die Unterschrift nur in Kopie wiedergegeben ist, ist entsprechend § 130 Nr. 6 Alt. 2 ZPO unschädlich, weil der im Original unterzeichnete Schriftsatz elektronisch übermittelt und von der Geschäftsstelle entgegengenommen worden ist ([X.] Beschluss vom 15. Juli 2008 - [X.]/08 - NJW 2008, 2649 Rn. 13; ebenso [X.], 983 Rn. 12; vgl. auch [X.] Beschluss vom 16. August 2012 - L 3 R 801/11 - juris Rn. 39).

b) Nach diesen Maßstäben ist das [X.] zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Übersendung der [X.] mit der eingescannten Beschwerdeschrift den Anforderungen an ein elektronisches Dokument nach § 14 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 130 a Abs. 1 ZPO nicht genügt, weil es an der hierfür erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur fehlt.

Indes hat sich das Beschwerdegericht nicht mit der Tatsache befasst, dass sich in den Akten eine ausgedruckte und mit der Unterschrift der Mutter versehene Beschwerdeschrift befindet, die ausweislich des [X.] am 25. Juni 2014 zu den Akten gelangt ist. Dieser Fall ist mit dem bereits vom [X.]gerichtshof entschiedenen Fall ([X.] Beschluss vom 15. Juli 2008 - [X.]/08 - NJW 2008, 2649) vergleichbar. Die Mutter hat ihre Beschwerdeschrift eingescannt und als [X.] an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Amtsgerichts übermittelt, wo der Schriftsatz ausgedruckt und zur Akte genommen wurde. Das Beschwerdegericht hat allerdings offen gelassen, ob die Mutter das Original des [X.]es vor dem Einscannen handschriftlich unterzeichnet oder es lediglich mit ihrer eingescannten bzw. hineinkopierten Unterschrift versehen hat. Hierauf kommt es aber maßgeblich an.

Von dem grundsätzlichen Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift sind Ausnahmen bislang stets nur dann zugelassen worden, wenn eine Unterschrift auf Grund der technischen Besonderheiten des Übermittlungswegs nicht möglich war ([X.] Beschluss vom 10. Oktober 2006 - [X.] - NJW 2006, 3784 Rn. 8). Zu diesen Ausnahmen gehört etwa die Möglichkeit, verfahrensbestimmende Schriftsätze per [X.] zu übermitteln. Da hier ein Ausdruck des Schriftsatzes im Verantwortungsbereich des Absenders nicht gefertigt wird, weil die im Computer erstellte Datei unmittelbar aus dem Computer an das Faxgerät des Gerichts übermittelt wird, und der Schriftsatz erstmals bei Gericht die Papierform erhält, scheidet eine eigenhändige Unterschrift aus technischen Gründen aus. Anders verhält es sich aber, wenn der bestimmende Schriftsatz mittels eines normalen Telefaxgeräts übermittelt wird, weil dann der ausgedruckt vorliegende, per Fax zu übermittelnde Schriftsatz von dem Absender ohne weiteres unterschrieben werden kann. Mangels technischer Notwendigkeit genügt daher eine eingescannte Unterschrift nicht den Formerfordernissen des § 130 Nr. 6 ZPO (bzw. § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG), wenn der Schriftsatz mit Hilfe des normalen Faxgeräts und nicht unmittelbar aus dem Computer versandt wird ([X.] Beschluss vom 10. Oktober 2006 - [X.] - NJW 2006, 3784 Rn. 9).

Diese unterschiedlichen Anforderungen an die Unterschrift bei Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes per [X.] einerseits und herkömmlichen Telefax andererseits verstoßen nach der Rechtsprechung des [X.]verfassungsgerichts nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Der Umstand, dass die Rechtsprechung dem technischen Fortschritt Rechnung trage und Ausnahmen von dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift zulasse, zwinge nicht dazu, diese noch auf weitere Fälle zu erstrecken ([X.] NJW 2007, 3117, 3118). Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift auf dem Original eines bestimmenden Schriftsatzes stelle am wirkungsvollsten sicher, dass der Berechtigte das Schreiben autorisiert habe. Bei der eingescannten oder hineinkopierten Unterschrift sei dies nicht in gleicher Weise gegeben. Die in Dateiform gespeicherte Unterschrift könne dem Ausdruck vielmehr von jeder Person beigefügt werden, ohne dass diese Person im Nachhinein erkennbar sei ([X.] NJW 2007, 3117, 3118).

Aus denselben Gründen wird die Einreichung eines mit einem Faksimile-Stempel versehenen Schriftsatzes als dem eigenhändigen Unterschrifterfordernis nicht genügend angesehen ([X.] NJW 2009, 3596 Rn. 18). Ist es aber unzulässig, einen bestimmenden Schriftsatz mit einer Faksimile-Unterschrift über ein herkömmliches Faxgerät zu versenden, kann es ebenso wenig zulässig sein, denselben Schriftsatz mittels eines Scanners einzulesen und über den Computer zu versenden. In beiden Fällen fehlt es an der technischen Notwendigkeit, eine Faksimile-Unterschrift genügen zu lassen ([X.] Beschluss vom 15. Juli 2008 - [X.]/08 - NJW 2008, 2649 Rn. 19).

Für den Fall, dass die Mutter den [X.] im Original unterschrieben und den Schriftsatz mit ihrer eigenhändig geleisteten Unterschrift insgesamt eingescannt und verschickt hat, wäre dem [X.] genüge getan. Die Mutter hätte dann die Beschwerdefrist eingehalten. Für den Fall, dass sie das Original der Beschwerdeschrift lediglich mit einer eingescannten oder hineinkopierten Unterschrift versehen hat, wäre die Beschwerde dagegen nicht wirksam eingelegt. Mangels entsprechender Feststellungen ist zugunsten der Mutter im Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass sie den [X.] im Original unterschrieben hat.

3. Die Sache ist deswegen gemäß § 74 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 FamFG aufzuheben und an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil es an den erforderlichen Feststellungen fehlt.

Dose                                Schilling                   Günter

            Nedden-Boeger                        Botur

Meta

XII ZB 424/14

18.03.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 8. August 2014, Az: 13 UF 202/14, Beschluss

§ 14 Abs 2 FamFG, § 64 Abs 2 S 4 FamFG, § 130a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2015, Az. XII ZB 424/14 (REWIS RS 2015, 13832)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1527 REWIS RS 2015, 13832

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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