Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.2011, Az. 3 StR 315/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1298

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Gegenstand

Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln: Grenzwert für eine nicht geringe Menge bei Methamphetaminracemat


Leitsatz

Für Methamphetaminracemat - (RS)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan - beginnt die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei 10 g der wirkungsbestimmenden Base.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. März 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

3

1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

a) Der an der Chemie interessierte Angeklagte betrieb ab 1995 ein häusliches Labor und forschte dort unter anderem an (legalen) Amphetaminderivaten. In einem später eingestellten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Zuwiderhandlung gegen das [X.] stellte die Staatsanwaltschaft im November 1999 die Laboreinrichtung kurzzeitig sicher. Nach anschließender Pfändung durch einen privaten Gläubiger nahm der Angeklagte sie 2001 wieder in Besitz und lagerte sie zunächst im Hause seiner Eltern ein.

5

Nach einem Umzug im Jahre 2009 beschloss der Angeklagte, der sich zwischenzeitlich einer operativen Behandlung wegen eines Prostatakarzinoms unterzogen und als Dauerfolge u.a. eine erektile Dysfunktion davongetragen hatte, sein Labor wieder aufzubauen. Beim Sichten der eingelagerten Bestände fiel ihm ein Glaskolben mit einer kristallinen Substanz auf, deren Herkunft das [X.] nicht hat klären können. Nach seinen früheren Forschungen hielt es der Angeklagte zumindest für möglich, dass es sich dabei um [X.] handelte. Er erwärmte eine Probe, inhalierte diese und empfand die Wirkung wie erhofft als "angenehm, blutdruck- und sinnsteigernd und vor allem … erektionsfördernd". Für den beabsichtigten weiteren [X.] verpackte er die Substanz in Klemmtüten, die er - nebst der Erwärmung dienender Folienstreifen - versteckt in seinem Schlafzimmer verwahrte. Bei einer Durchsuchung am 13. Mai 2009 fanden sich dort neun Klemmtüten, die insgesamt 915,8 g [X.]-Gemisch mit einem Reinheitsgrad von 99,5 % enthielten. Die Base bestand stereochemisch aus [X.] - ([X.])[X.] - mit gleichen Anteilen der Enantiomere des [X.], also des "rechtsdrehenden" (2S)-N-Methyl-1-phenylpropan-2-amin (auch d-Methamphetamin; gemäß [X.] II zu § 1 BtMG: Methamphetamin), und des "linksdrehenden" (R)-(methyl)(1-phenylpropan-2-yl)[X.] (auch l-Methamphetamin; gemäß [X.] II zu § 1 BtMG: Levmethamphetamin).

6

b) Das [X.] hat das Gewicht des in dem Gemisch enthaltenen Hydrochlorid-Salzes mit 911 g und die Menge der Base hiernach mit 731,96 g errechnet (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 [X.], [X.]St 53, 89, 90). Den Grenzwert der nicht geringen Menge der Base im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hat es, beraten durch den Sachverständigen Dr.      D.      , Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie beim [X.], wie bei (2S)-Methamphetamin (vgl. hierzu [X.] aaO) mit 5 g angenommen. Im Hinblick auf das besondere Gefährdungspotential aller drei der in [X.] zu § 1 Abs. 1 BtMG als verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig aufgeführten stereochemischen Erscheinungsformen sei es nicht angezeigt, das [X.] wegen seines [X.] insoweit anders zu behandeln, zumal die Stoffe nicht auf getrennten Märkten gehandelt würden. Zwar liege die Wirksamkeit von Levmethamphetamin unter der von (2S)-Methamphetamin, was damit zu erklären sei, dass letzteres in höherem Maße geeignet sei, an die maßgeblichen Rezeptoren im Gehirn anzudocken und damit das Zentralnervensystem zu beeinflussen. Jedoch könne Levmethamphetamin leichter über Rezeptoren etwa in Herz und Nieren aufgenommen werden und wirke damit stärker auf das [X.] Nervensystem. Im Vergleich zum (2S)-Methamphetamin liege der Wirkungsgrad des Racemats damit jedenfalls bei "deutlich mehr als 50 %". Letztlich sei dieser Unterschied zu vernachlässigen, denn bei rechtsmissbräuchlichem [X.] werde in allen Fällen die therapeutisch wirksame Dosis um ein Vielfaches und die Grenze zur Risikodosis bei weitem überschritten.

7

c) Davon ausgehend hat das [X.] bei der Bemessung der Strafe zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass das in seinem Besitz befindliche Gemisch den Grenzwert der nicht geringen Menge "um das 146,329-fache" überschritten habe.

8

2. Der Senat ermittelt den Grenzwert der nicht geringen Menge von [X.] - anders als das [X.] - mit 10 g der wirkungsbestimmenden Base. Nach Anhörung der Sachverständigen Dr. D.       und Prof. Dr.        Da.    , [X.] im [X.], kann der Senat keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse feststellen, die es rechtfertigen, den Grenzwert für dieses Amphetaminderivat zu Lasten des Angeklagten anders zu beurteilen als für den Grundstoff Amphetamin. Im Einzelnen:

9

a) Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen gegen den methodischen Ansatz des [X.]s, den Grenzwert der nicht geringen Menge von [X.] ungeachtet im Raum stehender Unterschiede im Wirkungsgrad deshalb an den für (2S)-Methamphetamin anzugleichen, weil bei rechtsmissbräuchlichem [X.] ohnehin stets die Grenze zur Risikodosis überschritten werde. Zu Ende gedacht würde dies die Bedeutung des [X.] für die Bemessung des [X.] der Tat relativieren, denn die präzise Ermittlung eines Vielfachen der nicht geringen Menge hätte vor einem Hintergrund möglicher nicht unerheblicher Unterschiede im Wirkungsgrad der einzelnen Substanzen nur noch eine begrenzte Aussagekraft.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 2. November 2010 - 1 [X.], NJW 2011, 1462, 1464 f.) ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels vielmehr stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen [X.]einheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten [X.]enten, das zu bemessen ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials. Lassen sich auch zum [X.]verhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen ([X.], Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, [X.]St 51, 318, 321 ff.). Nicht zu verkennen ist, dass sich - etwa wegen des Fehlens getrennter Märkte - ein praktisches Bedürfnis ergeben kann, zwei oder mehrere Substanzen mit gleicher Wirkungsweise, aber unterschiedlicher Wirkungsintensität einheitlich zu behandeln. Dem müsste indes dadurch Rechnung getragen werden, dass insgesamt der Wert für diejenige Erscheinungsform zugrunde gelegt wird, welche die geringste Wirkungsintensität aufweist (vgl. zu den Amphetaminderivaten [X.], MDMA und MDE [X.], Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, [X.]St 42, 255, 267 f.).

b) Nach diesen Maßstäben hat der [X.] den Grenzwert der nicht geringen Menge für Amphetamin mit 10 g [X.] bestimmt (Urteil vom 11. April 1985 - 1 [X.], [X.]St 33, 169; vgl. auch Urteil vom 1. September 1987 - 1 [X.], [X.]St 35, 43, 48). Amphetamin ist nach [X.] [X.] zu § 1 Abs. 1 BtMG das Racemat (RS)-1-phenylpropan-2-yl[X.], bestehend aus dem "rechtsdrehenden" Dexamphetamin [(S)-1-phenylpropan-2-yl[X.]; [X.] [X.] zu § 1 Abs. 1 BtMG] und dem "linksdrehenden" Levamphetamin [(R)-1-phenylpropan-2-yl[X.]; [X.] II zu § 1 Abs. 1 BtMG]. Im Einzelnen hat sich der [X.] davon leiten lassen, dass die hohe Dosis für den nicht Amphetamingewohnten bei 50 mg anzunehmen sei, indes Toleranzentwicklung und der Wunsch, stärkere Effekte zu erleben, zu immer stärkeren Dosen führten. Bei intravenöser Verabreichung könnten so Einzeldosen von 160 mg bis zu zehnmal täglich oder von 1.000 mg in Abständen von wenigen Stunden erreicht werden. Bei oraler Einnahme könne es zu Einzeldosen von 200 mg Amphetamin und mehr kommen. Der Missbrauch führe zu psychischer, wenn auch nicht zu körperlicher Abhängigkeit. Er könne indes nicht nur psychische, sondern auch schwerwiegende physische Folgeschäden nach sich ziehen. Zu beobachten seien überwache Zustände, ängstliche Getriebenheit, Aggressivität, Depressionen, illusionäre Verkennungen, Störungen des Urteilsvermögens, [X.], Hyperthermie, Kreislaufkollaps oder Herzversagen sowie Gehirnschädigungen. Persönlichkeitsveränderungen gingen mit beruflichem und sozialem Abstieg einher. "[X.]" träten nicht nur als Folge eines chronischen Missbrauchs, sondern auch als akutes Vergiftungssymptom auf. Als psychisches Stimulans erweise sich Amphetamin häufig als Schrittmacher für eine Polytoxikomanie. Die Gefahr einer Wiederaufnahme der Missbrauchsgewohnheiten nach einer Entzugsperiode sei hoch. Todesfälle seien andererseits eher selten. In Abwägung dieser Umstände hat der [X.] die nicht geringe Menge schließlich beim 200-fachen der Einzeldosis von 50 mg als erreicht angesehen (vgl. Urteil vom 1. September 1987 - 1 [X.], [X.]St 35, 43, 48).

c) Für (2S)-Methamphetamin hat der [X.] den Grenzwert der nicht geringen Menge mit 5 g Methamphetamin-Base festgelegt (Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 [X.], [X.]St 53, 89). Ausgehend von einer Wirkungsweise sowie von physischen und psychischen Missbrauchsfolgen, die denen des Amphetamins ähneln, hat er für ausschlaggebend erachtet, dass die pharmakodynamische Wirkung von (2S)-Methamphetamin bei oraler Aufnahme etwa eineinhalb- bis zweimal so stark sei wie die von Amphetamin; in der [X.]form des Rauchens - die bei Amphetamin nicht möglich sei - wirke es mindestens doppelt so stark und vor allem erheblich schneller, weil aufgrund höherer [X.]pophilie die Blut-Hirn-Schranke schneller überwunden werde. Auch gelange beim Rauchen das gesamte aufgenommene Rauschgift unmittelbar zum Gehirn, während beim oralen [X.] mehrere Stunden bis zur vollständigen Resorption im Körper vergehen könnten. Für diese gefährlichste und heute gängigste [X.]form sei daher eine Gleichsetzung in der Wirkung mit "Crack" (Kokain-Base) gerechtfertigt; sie falle für die Festlegung des Grenzwerts erheblich ins Gewicht. Zu demselben Ergebnis führe es, wenn man die nicht geringe Menge - wie bei Amphetamin - beim 200-fachen einer [X.]einheit als erreicht annehme, denn für den an Methamphetamin nicht Gewohnten sei eine Einzeldosis von 25 mg bereits sehr hoch.

d) Der Senat gelangt jedenfalls für das hier in Frage stehende [X.] wie beim Amphetamin-Racemat (Amphetamin) zu einem Grenzwert der nicht geringen Menge von 10 g Base. Nach gegenwärtigem Forschungsstand finden sich keine Belege dafür, dass die Wirkungsintensität und die Gefährlichkeit dieser Substanz signifikant höher liegen als beim Ausgangsstoff Amphetamin.

aa) Wie schon in den oben genannten Urteilen des [X.]s beschrieben, sind sich Amphetamin und dessen methyliertes Derivat in ihrer Wirkung weitestgehend ähnlich. Unter anderem in [X.] werden beide Stoffe medizinisch zur Behandlung von Narkolepsie, Aufmerksamkeitsdefiziten, Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und Adipositas eingesetzt. Wegen ihrer stimmungsanhebenden, das Selbstvertrauen, die Konzentrationsfähigkeit, die Energie und die Wachheit steigernden Wirkung werden sie nicht selten missbräuchlich verwendet. Dauerkonsum und Überdosierung können dabei zu Verwirrung, Aggressivität, paranoiden Halluzinationen und Panikzuständen führen. In unmittelbarem Zusammenhang mit der durch eine Dauerstimulation hervorgerufenen körperlichen Erschöpfung ist auch mit [X.] bis hin zu lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen zu rechnen. Namentlich Methamphetamin gilt - bei einer geschätzten Jahresproduktion von 290 Tonnen - als die weltweit zweitpopulärste illegale Droge nach Cannabis, wenngleich es in [X.] neben Amphetamin bislang nur eine untergeordnete Rolle spielt. Trotz der hohen Zahl der [X.]enten dieser Droge sind indes Todesfälle weltweit eher selten zu beobachten.

bb) Zu folgen ist dem [X.] insoweit, als unterschiedliche Grenzwerte für (2S)- und ([X.] auch bei Betrachtung der konkreten Wirkintensität nicht gerechtfertigt erscheinen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Da.   dargelegt hat, erbrachten Tierversuche den Nachweis, dass Methamphetamin nach der körperlichen Aufnahme größtenteils zu Amphetamin metabolisiert, welches dann insbesondere im frontalen [X.] kumuliert. Danach ist zu vermuten, dass bei chronischem Missbrauch von Methamphetamin die Gesamtwirkung ohnehin wesentlich von der zentralen Wirkung des im Zen-tralnervensystem angereicherten Amphetamins bestimmt wird. Zwar dürfte, wie ebenfalls aus Tierversuchen abzuleiten ist, die Toxizität des ([X.]s nur etwa 30 bis 50 % derjenigen des (2S)-[X.] betragen. Eine Studie an [X.]enten (Mendelson J. et al., [X.], [X.] 80:403-420; 2006) zeigt jedoch auf, dass gleiche Dosen des Racemats und des (2S)-[X.] insbesondere in Bezug auf das Herzkreislaufsystem vergleichbare pharmakodynamische Wirkungen hervorrufen; die entsprechende Dosis des ([X.] blieb demgegenüber wirkungslos. Als Ursache wird vermutet, dass das im Racemat vorhandene (R)-Methamphetamin die beschriebene Metabolisierung des Anteils an (2S)-Methamphetamin in (S)-Amphetamin fördert.

cc) Indes sieht der Senat nach Anhörung der Sachverständigen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es rechtfertigen könnten, den Grenzwert der nicht geringen Menge jedenfalls bei ([X.] niedriger anzusetzen als bei (RS)-Amphetamin.

(1) Für die Gleichbehandlung von Amphetamin und Methamphetamin spricht zunächst die in [X.] zu beobachtende weitgehend unterschiedslose medizinische Applikation beider Wirkstoffe. Unabhängig davon, ob Amphetamin oder Methamphetamin zur Anwendung kommt, beträgt die übliche Dosis 5 mg alle 4 bis 6 Stunden. Die Dosierung für die Langzeitbehandlung von Kindern mit ADHS ab 6 Jahren wird für Methamphetamin (Desoxyn®) mit 20 bis 25 mg pro Tag und für Amphetamin ([X.]®) mit maximal 30 mg pro Tag empfohlen.

(2) Unter Berücksichtigung des meist erheblich geringeren Körpergewichts von Kindern ergeben sich hieraus zugleich Bedenken dagegen, 20 bis 30 mg Methamphetamin im Falle missbräuchlicher Einnahme der Substanz bereits als eine die Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge maßgeblich beeinflussende hohe Dosis anzusehen. Der Wirkstoffgehalt der in [X.] bislang sichergestellten illegalen [X.] beträgt demgegenüber durchschnittlich 25 bis 60 mg; in dieser Bandbreite bewegen sich nach bisherigen Erkenntnissen auch die Dosen, die schon [X.] zum Erreichen des gewünschten Rauschzustandes einnehmen. In der medizinischen Fachliteratur werden Mengen zwischen 5 und 30 mg als niedrige, auch für die klinische Erprobung der Substanz am Menschen verwendete Dosen bezeichnet (Cruickshank et [X.], [X.], [X.] 104:1085-1099, 1088; 2009). [X.] et al. ([X.] in [X.], [X.], 1847-1855, 1848 f; 2008) berichten über eine klinische Untersuchung der Wirkung von Methamphetamin auf den Menschen, bei der Einzeldosen von bis zu 50 mg/70 kg Körpergewicht verabreicht wurden; die aus Sicherheitsgründen festgelegte Höchstdosis betrug 60 mg.

(3) Auch sonst finden sich in der Fachliteratur keine Belege dafür, dass Methamphetamin im Vergleich zu Amphetamin einen höheren Wirkungsgrad und eine erhöhte Gefährlichkeit aufweist.

Die Überlegung, Methamphetamin verfüge auf Grund der veränderten chemischen Strukturen über eine verbesserte [X.]pophilie mit der Folge gesteigerter Bioverfügbarkeit und Wirkung, erweist sich letztlich nicht als tragfähig. Zwar stimmten beide vom Senat angehörten Sachverständigen darin überein, dass die weitere Methylgruppe des [X.] dessen gegenüber Amphetamin gesteigerte [X.]pophilie aus organisch-chemischer Sicht geradezu aufdrängt. Die Aussagekraft der von Prof. Dr. Da.   benannten experimentellen Studien, welche diese auf theoretischen Grundannahmen beruhende Erwartung nicht bestätigten, sondern für beide Substanzen ein annähernd gleiches Verteilungsvolumen - ca. 3,7 bis 4 l/kg - ergaben ([X.] et al., Pharmacokinetiks of Methamphetamine self-administered to human subjects by smoking S-(+)-methamphetamine hydrochloride, Drug Metabolism Disposition 21:717-723; 1993; de la Torre et al., [X.], [X.] 43:157-185; 2004), hat indes auch der Sachverständige Dr. D.      , der den Wirkungsgrad von Methamphetamin bis zu zweimal höher einschätzt, nicht in Frage gestellt.

Ebenso wenig lässt sich eine erhöhte Gefährlichkeit von Methamphetamin überzeugend mit der bei dieser Substanz verbreiteten [X.]form des Rauchens begründen. Im Vergleich zur oralen Aufnahme kommt es hier - wie bei der intravenösen Applikation - zwar zu einem bis zu zehnfach schnelleren Wirkungseintritt, jedoch liegt die dadurch erreichbare maximale Wirkstoffkonzentration im Körper durchschnittlich um etwa die Hälfte niedriger (Cruickshank et [X.] aaO 1087). Gleichermaßen kann die Bioverfügbarkeit von Methamphetamin beim Rauchen belastbar lediglich mit 67 % der vom [X.]enten verwendeten Dosis angenommen werden; dieser Wert entspricht im Wesentlichen dem bei der oralen Aufnahme erzielten und liegt deutlich unter dem bei [X.] erreichbaren Wert (Cruickshank et [X.] aaO; [X.] et al., [X.] in [X.], [X.], 1847-1855, 1848; 2008). Im Übrigen dürfte auch die Annahme, bei Amphetamin scheide eine solche die Anflutung beschleunigende - und damit möglicherweise das Suchtverhalten beeinflussende - [X.]form mangels genügender Flüchtigkeit des Stoffes aus, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. Jedenfalls bei [X.] steht die Höhe des Siedepunkts dem Rauchen nicht entgegen (vgl. [X.]). Aber auch beim Rauchen von Gemischen des Sulfatsalzes wurden im Kondensat teils nicht unerhebliche [X.] nachgewiesen ([X.] et [X.], [X.], [X.] 78:200-210; 2011).

Schließlich ergeben sich auch Bedenken, die durch die einzelnen [X.]formen von Methamphetamin einerseits und Kokain andererseits erzielbaren Anflutungseffekte gleichzusetzen. Nach der Untersuchung von [X.] et al. (aaO 1847, 1850 f.) erreichen bei [X.] (der jedenfalls in [X.] weitaus häufigsten [X.]form), intravenöser Verabreichung und Inhalieren (Rauchen) von Methamphetamin gleichermaßen sowohl die kardiovaskulären Wirkungen als auch das subjektive Rauschempfinden durchschnittlich innerhalb von 15 Minuten ihren Höhepunkt. Dies entspricht im Wesentlichen auch den Werten, welche die Studie von [X.] ([X.] 48:1724-1732, 1729; 2007) zur Auswirkung intravenös verabreichten d- und l-[X.] auf das Verhalten von Primaten ermittelt hat. Die von [X.] darüber hinaus angestellten vergleichenden Untersuchungen mit Kokain ergaben demgegenüber einen Durchschnittswert von 4 Minuten (aaO 1729 f.).

(4) Der Senat sieht sich bei seinem Ergebnis im Einklang auch mit der Rechtslage in der [X.]. Die Untergrenze der die einzelnen Begehungsweisen des unerlaubten Umgangs mit Suchtstoffen jeweils qualifizierenden tatbezogenen Menge, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (§§ 28b, 31b [X.]), wird dort für Amphetamin und seine Derivate ohne weitere Differenzierung ebenfalls einheitlich bestimmt und bei 10 g der Reinsubstanz angesetzt (Anhang 3 zur ÖStSuchtgift-Grenzmengenverordnung; vgl. auch Oberster Gerichtshof, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 13 Os 126/95 unter Verweis auf das Gutachten des [X.] vom 10. Mai 1985 [abgedruckt in [X.]/[X.]tzka, Suchtgiftgesetz, 2. Aufl., [X.] ff.]).

In der [X.] wird zwar bei der Bestimmung der Menge, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann (Art. 19 Ziff. 2 Buchst. a [X.]), nunmehr für Methamphetamin mit 12 g [X.] (= 9,68 g Base) ein noch schärferer Grenzwert vorgeschlagen als für Kokain (18 g; Stellungnahme der [X.]erischen Gesellschaft für Rechtsmedizin vom Juni 2010 zur Gefährlichkeit von Methamphetamin). Dieser Vorschlag orientiert sich aber im Wesentlichen nur am Urteil des ([X.]) [X.]s vom 3. Dezember 2008 (2 [X.], [X.]St 53, 89) und an der darin mitgeteilten Auffassung der angehörten Gutachter. Weiterreichende Forschungsergebnisse liegen ihm nicht zugrunde.

(5) Die vom Sachverständigen Dr. D.      im Weiteren als Beleg für eine bessere Bioverfügbarkeit von Methamphetamin herangezogenen Veröffentlichungen sind für die zu treffende Entscheidung nicht ergiebig. [X.] (in: [X.], Amphetamine and its Analogs, 1994, [X.]) greift zwar die These auf, Methamphetamin weise fast die zweifache Potenz von Amphetamin auf, lässt aber wiederum nicht erkennen, worauf diese Annahme beruht. Die Abhandlung von [X.] et al. ([X.] 69: 187-192; 2010) enthält keine aussagekräftigen Hinweise auf eine höhere Bioverfügbarkeit von Methamphetamin im Vergleich zu Amphetamin, sondern befasst sich in erster [X.]nie mit den Metaboliten, die in Abhängigkeit von der jeweiligen stereochemischen Beschaffenheit des verabreichten [X.] beim Abbau typischerweise entstehen. Im Übrigen haben weder [X.] et al. noch [X.] in ihren oben angesprochenen Studien Vergleiche zwischen Methamphetamin und Amphetamin angestellt.

3. Ob danach für (2S)-Methamphetamin weiterhin der Auffassung gefolgt werden kann, es wirke bis zu zweimal stärker als Amphetamin ([X.], Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 [X.], [X.]St 53, 89), kann offen bleiben, denn der Senat hat nur über den Grenzwert bei ([X.] zu entscheiden.

[X.]

                            [X.]Menges

Meta

3 StR 315/10

17.11.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Verden, 18. März 2010, Az: 1 KLs 17/09 - 103 Js 17003/09, Urteil

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.2011, Az. 3 StR 315/10 (REWIS RS 2011, 1298)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1298

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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