Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.06.2010, Az. 1 WB 40/09

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2010, 5357

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten; Beschwerde gegen Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung in einer Verwaltungsangelegenheit


Leitsatz

Eine Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung (Abteilung Wehrverwaltung, Infrastruktur und Umweltschutz) zur Frage der Bereitstellung von bestimmten Räumen für den Betrieb einer Offizierheimgesellschaft kann ein Soldat nicht im Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten, sondern nur im Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten anfechten.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Berufssoldat und Vorsitzender einer Offizierheimgesellschaft, die in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins betrieben wird. Er wendet sich gegen eine Entscheidung des [X.] (Abteilung Wehrverwaltung, Infrastruktur und Umweltschutz), für den Betrieb der Offizierheimgesellschaft bestimmte Räume in einem Kasernenbereich ohne die von ihm für erforderlich gehaltene erweiterte Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Das [X.] hat den Rechtsweg zu den [X.] für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht verwiesen.

Entscheidungsgründe

...

Für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 17. November 2008, das er als Naturalpartei im gerichtlichen Verfahren weiterverfolgt, ist der Rechtsweg nicht zu den [X.], sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet. [X.]ie Sache ist deshalb an das zuständige Verwaltungsgericht B. zu verweisen.

...

Hier liegt zwar eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, jedoch keine speziell den [X.] zugewiesene truppendienstliche Angelegenheit vor. § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] greift nicht ein, weil die vom Antragsteller beanstandete Unterlassung bzw. die von ihm geltend gemachten Ansprüche ihrer wahren Rechtsnatur nach nicht im Zusammenhang mit der Einbindung des Antragstellers in den militärischen Organisationsbereich stehen, der durch das Über- und Unterordnungsverhältnis zu einem militärischen Vorgesetzten geprägt ist. [X.]as Rechtsschutzbegehren des Antragstellers betrifft vielmehr eine Verwaltungsangelegenheit, für deren gerichtliche Klärung es bei der (sachlichen) Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte verbleibt.

Mit seinem Hauptantrag beanstandet der Antragsteller die Entscheidung des [X.] (Referatsleiter [X.] III 7), für den Betrieb der [X.] lediglich Räume im [X.] [X.] in der Y.-Kaserne - ohne die vom Antragsteller für erforderlich gehaltene erweiterte Infrastruktur - zur Verfügung zu stellen. [X.]amit betrifft der Hauptantrag eine Entscheidung der Abteilung Wehrverwaltung, Infrastruktur und Umweltschutz ([X.]) des [X.], deren Unterabteilung [X.] III für die Infrastruktur der [X.] zuständig ist. [X.]iese Zuständigkeit wird auch im Schreiben des [X.] (Referatsleiter [X.] III 7) vom 10. [X.]ezember 2008 unterstrichen.

[X.]ie Abteilung [X.] gehört nicht zum militärischen Bereich, sondern zum zivilen Bereich des [X.] (ebenso schon Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 [X.] 26.08 -).

[X.]ie Abteilung gliedert sich in die Unterabteilungen [X.] I (Planung und Organisation der Wehrverwaltung), [X.] II (Einsatz der Wehrverwaltung, Logistische Unterstützung), [X.] III (Infrastruktur der [X.]), [X.] IV (Umwelt- und Arbeitsschutz der [X.]) und umfasst außerdem - direkt der Abteilungsleitung unterstellt - das Referat [X.] Z (Zentrale Aufgaben, Controlling) und die Steuergruppe "Interne Optimierung des [X.] [X.]". [X.]ie Abteilung [X.] ist - wie die (zivile) [X.]verwaltung insgesamt - weder Teil noch Annex der [X.], sondern steht selbstständig neben den [X.]n (vgl. [X.] in: [X.], Grundgesetz Kommentar, 5. Aufl., 2009, Art. 87b GG, Rn. 3). [X.]iese Trennung ergibt sich aus Art. 87 a GG und Art. 87 b Abs. 1 GG und wird für den Organisationsbereich des [X.] durch Nr. 102 Z[X.]v 1/50 "Grundbegriffe zur militärischen Organisation/Unterstellungsverhältnisse/[X.]ienstliche Anweisungen" bestätigt und konkretisiert. Nach dieser Vorschrift gliedern sich die Funktionen des vom [X.] geleiteten Ministeriums in die jeweils separaten Bereiche des "[X.] für militärische Verteidigung im Rahmen der Gesamtverteidigung", der "[X.] des Inhabers der Befehls- und Kommandogewalt für die [X.]" und der "Obersten [X.]ienstbehörde für die [X.]verwaltung, die Rechtspflege und die Militärseelsorge". Nach Nr. 104 Z[X.]v 1/50 umfasst die [X.]verwaltung - gesondert von den [X.]n (Nr. 103 Z[X.]v 1/50) - die territoriale Wehrverwaltung und den Rüstungsbereich. [X.]ieser grundsätzlichen Trennung der [X.] und der [X.]verwaltung steht nicht entgegen, dass es in einzelnen Teilbereichen ausnahmsweise zu Verschränkungen der Aufgaben der Wehrverwaltung mit Aufgaben der militärischen Einsatzführung kommt, die der [X.] in sogenannten Abgrenzungserlassen regelt (vgl. [X.] in: [X.] a.a.[X.] Rn. 9, 12, 13).

Zwischen der Abteilung [X.] und dem Antragsteller besteht hiernach nicht das von § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] für die spezielle Rechtswegzuweisung vorausgesetzte Verhältnis einer militärischen Über- und Unterordnung bzw. einer persönlichen truppendienstlichen Unterstellung im Sinne der Vorgesetztenverordnung (vgl. dazu Nr. 201 Satz 1 1. Spiegelstrich Z[X.]v 1/50). [X.]ie beiden [X.]ienststellen, bei denen der Antragsteller während des bisherigen Verfahrens verwendet wurde und wird (...), gehören zum militärischen Zuständigkeitsbereich des [X.] der [X.]basis und sind diesem (...) unterstellt. [X.]ass die Abteilung [X.] ihm gegenüber aufgrund eines Abgrenzungserlasses ausnahmsweise die Funktion eines militärischen Vorgesetzten innehabe, macht der Antragsteller seinerseits nicht geltend und ist für den Senat nicht ersichtlich. [X.]er [X.] - [X.] - hat die Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers im Rahmen eines militärischen Unterstellungsverhältnisses zwischen diesem und der Abteilung [X.] ausdrücklich ausgeschlossen.

Auch der [X.] selbst, der mit dem Verpflichtungsteil des [X.] in Anspruch genommen wird, steht bei einer Angelegenheit in der Zuständigkeit der Wehrverwaltung - wie sie hier streitig ist - dem Antragsteller nicht als höchster militärischer Vorgesetzter (zu den Voraussetzungen dieser Funktion im Einzelnen: Walz/Eichen/Sohm, [X.], 2006, § 1 Rn. 56 f) gegenüber, sondern als Leiter der obersten [X.]ienstbehörde für die [X.]verwaltung.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird ein Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung zwischen ihm und dem [X.] nicht durch Vorschriften der Z[X.]v 60/2 vermittelt. [X.]iese [X.] enthält - auch gegenüber dem Antragsteller - keine militärischen Befehle, weil sie nicht vom [X.] als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt im Sinne des Art. 65a GG erlassen worden ist (zu dieser Voraussetzung der Befehlsbefugnis des Ministers vgl. Beschluss vom 30. November 2006 - BVerwG 1 [X.] 59.05 - BVerwGE 127, 203 = [X.] 450.1 § 19 [X.] Nr. 1; Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 W[X.] 2.06 - BVerwGE 127, 1 = [X.] 449 § 10 SG Nr. 55).

[X.]ie - von der damaligen [X.] federführend erarbeitete - Z[X.]v 60/2 regelt die Bewirtschaftung von Heimen und Heimräumen der Offiziere und Unteroffiziere durch Heimgesellschaften genannte Personenvereinigungen bürgerlichen Rechts, die als rechtsfähige Vereine im Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts eingetragen werden sollen (Nr. 101 Abs. 1 Z[X.]v 60/2). Bei den Offizierheimen handelt es sich um militärische Einrichtungen eigener Art, die weder organisatorisch oder personell in militärische Gliederungen eingefügt sind noch deshalb bestehen, um vorrangig truppendienstliche Zwecke zu erfüllen. Bei ihrer zentralen Aufgabenerfüllung, nämlich der Bereitstellung von Räumlichkeiten für dienstliche und außerdienstliche (gesellschaftliche) Betreuungs- und Kontaktveranstaltungen und der gastronomischen Bewirtschaftung dieser Räumlichkeiten während solcher Veranstaltungen, sind die Offizierheime aus den [X.]n ausgegliedert und stehen außerhalb der militärischen Befehlsgewalt; ihre Führung als Wirtschaftsbetrieb ist (deshalb) im Regelfall einer Heim- oder Betreuungsgesellschaft in der Rechtsform eines rechtsfähigen Vereins bürgerlichen Rechts in eigener Verantwortung übertragen (Beschluss vom 16. Juli 1987 - BVerwG 6 P 17.86 - [X.] 1989, 262 = juris Rn. 17). [X.] und [X.] werden in Nr. 102 Abs. 1 Satz 1 Z[X.]v 60/2 ausdrücklich als militärische Betreuungseinrichtungen definiert. [X.]as [X.]ium der Verteidigung stellt demnach diese Heime mit der in der Z[X.]v 60/2 beschriebenen Infrastruktur (vgl. insbesondere Nummern 103, 222 bis 225) den Nutzungsberechtigten in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des [X.]ienstherrn für dienstliche und außerdienstliche Zwecke zur Verfügung; auf dieser Fürsorgepflicht - und nicht auf der Befehls- und Kommandogewalt des Ministers - beruhen auch die in der Z[X.]v 60/2 getroffenen näheren Weisungen und Regelungen zum Betrieb der [X.] und [X.]. Soweit sich die Z[X.]v 60/2 nach Maßgabe der Nr. 101 Abs. 4 über den jeweiligen Überlassungsvertrag an die privatrechtlich organisierten Heim- bzw. [X.] richtet, werden dadurch weder diese selbst noch ihre vertretungsberechtigten Vorstände dem [X.] truppendienstlich unterstellt.

Meta

1 WB 40/09

29.06.2010

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 17 Abs 1 S 1 WBO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.06.2010, Az. 1 WB 40/09 (REWIS RS 2010, 5357)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5357

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 WDS-VR 6/12, 1 WDS-VR 7/12, 1 WDS-VR 6/12, 1 WDS-VR 7/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten; dienstliche Verwendung eines Soldaten


1 WB 41/09 (Bundesverwaltungsgericht)

Uniformtragepflicht; freigestelltes Mitglied des Personalrats; Behinderungsverbot; Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten


6 BV 14.2122 (VGH München)

Besetzung des Leiters des Kompetenzzentrums Baumanagement der Bundewehr mit einem Soldaten


1 WB 9/09 (Bundesverwaltungsgericht)

Abgrenzung zwischen dem Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten und dem Verwaltungsrechtsweg; hochschulrechtliche Streitigkeit; Universität der Bundeswehr


1 WRB 2/12 und 1 WRB 3/12, 1 WRB 2/12, 1 WRB 3/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Zustellung von Beschlüssen der Wehrdienstgerichte; Regelung der Haar- und Barttracht; Einschätzungsspielraum des Bundesministers der Verteidigung; …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.