Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 227/10

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7115

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Gegenstand

Wohnraummiete: Revisionsrechtliche Nachprüfung der Auslegung eines Mietspiegels; Mietspiegel 2007 der Stadt Regensburg


Leitsatz

1. Die Auslegung eines Mietspiegels (§ 558a Abs. 2 Nr. 1, §§ 558c, 558d BGB) unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung .

2. Zur Auslegung des Mietspiegels 2007 der Stadt Regensburg .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] - 2. Zivilkammer - vom 10. August 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 1. November 2005 eine Wohnung des [X.] in [X.]. Der Kläger begehrt die Zustimmung der Beklagten zur Erhöhung der Miete von 900 € auf 961 €. In dem Erhöhungsverlangen vom 6. Juli 2009 nimmt der Kläger auf den für den damaligen Zeitpunkt maßgeblichen Mietspiegel 2007 der Stadt [X.] Bezug, bei dem es sich um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne des § 558d BGB handelt. Der Mietspiegel enthält folgende Erläuterungen:

"3. Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete

Grundlage für die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete sind die Tabellen 1 bis 6. Mit Hilfe dieser Tabellen kann nach Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einer Wohnung eine ortsübliche Vergleichsmiete berechnet werden.

Den Ausgangspunkt des Mietspiegels bildet Tabelle 1. Hier sind durchschnittliche [X.] pro Quadratmeter in Abhängigkeit von der Wohnfläche, dem Merkmal mit dem größten Einfluss auf den Mietpreis, enthalten. Sie werden als [X.]n bezeichnet und spiegeln das allgemeine Mietniveau in [X.] wieder.

Mit Hilfe der Tabellen 2 bis 6 erfolgt eine Konkretisierung des Mietpreises durch prozentuale Zu- und Abschläge - gemessen an der [X.] - je nach Baujahr, Wohnlage, Haus- und Wohnungstyp, Heizungs-, Sanitär- und sonstiger Wohnungsausstattung. Die Ausstattungsmerkmale müssen vom Vermieter gestellt sein.

(...)

5. Spannbreiten

Der Mietspiegel kann durch die in den Tabellen 2 bis 6 aufgeführten Merkmale grundsätzlich Mietpreisunterschiede erklären. Trotzdem verbleibt, bedingt durch die weitgehend freie Mietpreisgestaltung sowie durch nicht aufgeführte Merkmale, ein Streubereich der [X.]. Als ortsübliche [X.] gelten daher noch die [X.], die innerhalb einer Zweidrittelspannbreite liegen. Diese Spanne umfasst die nach den Tabellenwerten errechnete durchschnittliche ortsübliche Vergleichsmiete +/- 20 % der zugrunde liegenden [X.]. Abweichungen von der ortsüblichen Vergleichsmiete wären insbesondere anhand nicht im Mietspiegel ausgewiesener Merkmale zu begründen."

2

Der Kläger legt der Berechnung der Mieterhöhung eine [X.] von 5,63 €/m

3

Das Amtsgericht hat die auf Zustimmung der Beklagten zur vorgenannten Mieterhöhung gerichtete Klage abgewiesen. Es ist von einer [X.] in Höhe von 5,63 €/m

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Das Amtsgericht habe in zutreffender Weise die Voraussetzungen für die begehrte Mieterhöhung verneint. Es habe in weiten Teilen die Berechnung des [X.] zur ortsüblichen Vergleichsmiete übernommen und sei dem Kläger lediglich bei der [X.] nicht gefolgt. Insoweit habe das Amtsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zu- und Abschläge der [X.] in Nr. 5 des Mietspiegels 2007 der [X.] anhand nicht im Mietspiegel ausgewiesener Merkmale zu begründen seien. Ein genereller Zuschlag von 20 % auf die [X.] komme hiernach nicht in Betracht. Wollte man, wie der Kläger, die [X.] mit Zuschlägen von plus oder minus 20 % der zugrunde liegenden [X.] ohne konkrete Merkmale zulassen, so stünde man im Ergebnis vor dem praktischen Problem, dass die Vermieterseite dazu tendieren würde, generell einen Zuschlag von plus 20 % anzunehmen, während die Mieterseite geneigt sein könnte, generell einen Abschlag von 20 % vorzunehmen, gleichfalls ohne nähere Begründung. Beide Seiten könnten sich dann auf Nr. 5 der Erläuterungen zum Mietspiegel berufen.

7

Neben diesen praktischen Schwierigkeiten, die mit der vom Kläger gewünschten Auslegung der [X.] verbunden wären, spreche auch der eindeutige Wortlaut dagegen. So sei ausdrücklich festgehalten, dass Abweichungen von der ortsüblichen Vergleichsmiete insbesondere anhand nicht im Mietspiegel ausgewiesener Merkmale zu begründen seien. Darüber hinaus würde das ausgeklügelte System des Mietspiegels in den Tabellen 2 bis 6, in denen 21 Einzelkriterien herausgearbeitet und jeweils mit prozentualen Zu- oder Abschlägen bewertet worden seien, wenig Sinn machen, wenn anschließend ohne nähere Begründung pauschale Ab- oder Zuschläge in einer Größenordnung von 20 % zulässig wären.

8

Entgegen der Auffassung des [X.] sei das Mieterhöhungsverlangen nicht schon dann begründet, wenn es sich innerhalb der Spannbreite gemäß Nr. 5 des Mietspiegels bewege. Nach der Rechtsprechung des [X.] könne zwar für ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen die volle Spannbreite eines Mietspiegels ausgeschöpft werden, es sei jedoch anschließend materiell-rechtlich zu überprüfen, ob die konkret vom Vermieter geltend gemachte Mieterhöhung tatsächlich berechtigt sei.

9

Das Amtsgericht sei auch befugt gewesen, die ortsübliche Vergleichsmiete selbst zu berechnen. Die vom Amtsgericht vorgenommene Berechnung, bei der das Amtsgericht im Rahmen der [X.] von Nr. 5 des Mietspiegels einen Zuschlag von 3 % angesetzt habe, sei nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht weise zutreffend darauf hin, dass die Terrasse bereits in Tabelle 6 mit einem Zuschlag von 5 % und die gute Wohnlage, wozu auch eine offene Bebauung mit schöner Aussicht zähle, bereits in Tabelle 3 mit einem Zuschlag von 4 % berücksichtigt worden seien. Hinzu komme, dass die Terrasse auch über die Berücksichtigung bei der Wohnfläche in die Ermittlung der [X.] mit einfließe. Gleichwohl habe das Amtsgericht den Ausblick von der Terrasse mit einem gesonderten Zuschlag von 3 % gemäß Nr. 5 des Mietspiegels berücksichtigt. Ein höherer Zuschlag sei nicht gerechtfertigt. Die Lage der [X.] in [X.] sei amtsbekannt, ebenso der hiermit verbundene Ausblick auf die [X.] von [X.] und die [X.].

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.

1. Die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung von Nr. 5 der Erläuterungen zum Mietspiegel 2007 der [X.] greifen nicht durch.

a) Die Auslegung des Mietspiegels 2007 der [X.] unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung. Denn ebenso wie bei [X.] (vgl. dazu [X.]surteil vom 9. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 2877 Rn. 11 mwN) besteht auch bei einem Mietspiegel im Sinne von § 558a Abs. 2 Nr. 1, §§ 558c, 558d BGB ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung, das es rechtfertigt, einen Mietspiegel innerhalb seines Geltungsbereichs wie eine revisible Rechtsnorm zu behandeln.

b) Die Revision meint, Nr. 5 der Erläuterung zum Mietspiegel 2007 der [X.] sei so zu verstehen, dass der Vermieter neben den Zuschlägen gemäß den Tabellen 2 bis 6 des Mietspiegels einen weiteren Zuschlag von bis zu 20 % der [X.] verlangen könne, ohne dass dieser weitere Zuschlag begründet werden müsse. Das trifft, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht zu.

Nr. 5 der Erläuterungen regelt in Ergänzung von Nr. 3 der Erläuterungen, dass die Berechnung der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß den Tabellen 1 bis 6 nicht allein maßgebend ist, sondern die für die konkrete Wohnung zu ermittelnde ortsübliche Vergleichsmiete - die sogenannte "[X.]" ([X.]surteile vom 20. April 2005 - [X.], NJW 2005, 2074 unter [X.]; vom 6. Juli 2005 - [X.], NJW 2005, 2621 unter [X.]; vom 21. Oktober 2010 - ([X.], [X.], 746 Rn. 15) - um eine gewisse Spanne darüber oder darunter liegen kann, und zwar um "+/- 20 % der zugrunde liegenden [X.]". Wenn es im [X.] daran heißt, dass Abweichungen von der ortsüblichen Vergleichsmiete insbesondere anhand nicht im Mietspiegel ausgewiesener Merkmale zu begründen wären, so bedeutet dies, dass die [X.] aus bestimmten Gründen um bis zu 20 % (der [X.]) nach oben oder unten von der nach den Tabellen 1 bis 6 errechneten durchschnittlichen Vergleichsmiete abweichen kann. So hat es - mit Recht - auch der Kläger selbst gesehen. Denn er hat in seinem Mieterhöhungsverlangen den gemäß Nr. 5 der Erläuterungen geforderten Zuschlag von 15 % mit konkreten Merkmalen der Wohnung begründet ("Zuschlag für übergroße Terrasse mit Aussicht zur [X.]/[X.]").

2. Entgegen der Auffassung der Revision ist aus der vorbezeichneten [X.]srechtsprechung nicht herzuleiten, dass der Vermieter berechtigt wäre, den nach Nr. 5 der Erläuterungen zum Mietspiegel 2007 der [X.] möglichen Zuschlag von bis zu 20 % zu der nach Nr. 3 der Erläuterungen errechneten durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete ohne jede Begründung zu verlangen.

a) Der [X.] hat entschieden, dass der Tatrichter innerhalb der in einem qualifizierten Mietspiegel ausgewiesenen Spanne die ortsübliche Vergleichsmiete für die konkrete Wohnung - das heißt die [X.] - festzustellen und hierfür die Wohnung innerhalb der Spanne des Mietspiegels einzustufen hat (Urteile vom 20. April 2005 - [X.], aaO; vom 6. Juli 2005 - [X.], aaO). Er hat darauf hingewiesen, dass die [X.] ihrerseits schon deshalb nicht in jedem Fall mit dem höchsten Wert der Mietspiegelspanne übereinstimmen kann, weil sonst die Ausweisung von [X.] im Mietspiegel jegliche Funktion verlieren würde (Urteil vom 20. April 2005 - [X.], aaO). Dabei kann sich auch die [X.] innerhalb einer gewissen Bandbreite bewegen, die ihrerseits innerhalb der (umfassenderen) Mietspiegelspanne liegt (vgl. Urteil vom 6. Juli 2005 - [X.], aaO).

Davon ist der [X.] entgegen der Auffassung der Revision in seinem Urteil vom 21. Oktober 2010 ([X.], aaO) nicht abgewichen. In dieser Entscheidung hat der [X.] seine Rechtsprechung lediglich dahin ergänzt, dass der Vermieter die Miete bis zum oberen Wert der Bandbreite der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete ([X.]) anheben darf (aaO Rn. 15). Der [X.] hat nicht, wie die Revision meint, entgegen seinem Urteil vom 20. April 2005 ([X.], aaO) entschieden, dass bei der Ermittlung der [X.] etwa "generell" - das heißt unabhängig von den Merkmalen der Wohnung - der obere Wert einer im qualifizierten Mietspiegel ausgewiesenen Spanne angesetzt werden dürfte.

b) Die Auffassung der Revision, dass diese Grundsätze der [X.]srechtsprechung auf den Mietspiegel 2007 der [X.] nicht übertragbar seien und deshalb dem Kläger zugestanden werden müsse, die Mietspiegelspanne nach oben voll auszunutzen, trifft nicht zu und findet auch in der von der Revision angeführten Kommentarliteratur ([X.]/Börstinghaus, Mietrecht, 10. Aufl., § 558 BGB Rn. 137) keine Stütze. Die [X.] ist daher nach dem Mietspiegel 2007 der [X.] in der Weise zu ermitteln, dass auf der Grundlage der nach den Tabellen 1 bis 6 errechneten durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete geprüft wird, ob auf Grund konkreter Merkmale der Wohnung ein Zu- oder Abschlag zur durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete von bis zu 20 % der [X.] gemäß Nr. 5 der Erläuterungen zum Mietspiegel gerechtfertigt ist. Das Begründungserfordernis in Nr. 5 der Erläuterungen steht im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.]s.

3. Vergeblich beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht - wegen der vom Kläger geltend gemachten besonderen Vorzüge der Wohnung (übergroße Terrasse; Aussicht auf die [X.] und [X.]) einen Zuschlag nach Nr. 5 der Erläuterungen von nicht mehr als 3 % der [X.] für gerechtfertigt gehalten hat. Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Würdigung werden von der Revision nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere zeigt die Revision nicht auf, dass das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Sachvortrag des [X.] übergangen hätte.

Entgegen der Auffassung der Revision war das Berufungsgericht berechtigt, die Angemessenheit des Zuschlags selbst zu beurteilen, ohne zuvor ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der [X.] hat entschieden, dass die [X.] - soweit kein qualifizierter Mietspiegel nach § 558d BGB vorhanden ist - in der Regel durch Sachverständigengutachten festgestellt werden kann (Urteil vom 6. Juli 2005 - [X.], aaO); zwingend ist dies aber nicht. Erst recht kann von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen werden, wenn - wie hier - ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt und das Gericht über die - auch von der Revision nicht angezweifelte - Ortskenntnis verfügt, die erforderlich ist, um die Berechtigung des vom Kläger beanspruchten Zuschlags selbst beurteilen zu können.

Ball                                          Dr. Frellesen                                              Dr. Hessel

                   Dr. [X.]                                         [X.]

Meta

VIII ZR 227/10

04.05.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Regensburg, 10. August 2010, Az: 2 S 105/10, Urteil

§ 558a Abs 2 Nr 1 BGB, § 558c BGB, § 558d BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 227/10 (REWIS RS 2011, 7115)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7115

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