Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2017, Az. 4 StR 235/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 4674

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Gegenstand

Konkurrenzverhältnis: Freiheitsberaubung als Mittel zur Begehung einer anderen Straftat


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Januar 2017

a) in den [X.] dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und versuchter Nötigung schuldig sind,

b) in den [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das [X.] - Strafrichter - zurückverwiesen.

2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten unter Teileinstellung des Verfahrens und Freispruch im Übrigen jeweils „wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Bedrohung, gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung und versuchter gemeinschaftlicher Nötigung sowie wegen gemeinschaftlicher Bedrohung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher versuchter Nötigung“ zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

2

Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts, der Angeklagte [X.]beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Beide Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Die vom Angeklagten [X.]erhobene Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) hat aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 2. Juni 2017 keinen Erfolg.

II.

4

1. Die Schuldsprüche des angefochtenen Urteils begegnen in zweifacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken, was gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog zu ihrer vom [X.] beantragten Änderung durch den [X.] führt.

5

a) Die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen Freiheitsberaubung wird von den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht getragen.

6

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] tritt die Freiheitsberaubung im Sinne des § 239 Abs. 1 StGB im Wege der [X.] zurück, wenn sie nur das Mittel zur Begehung einer anderen Straftat ist, die regelmäßig mit der Beraubung der Freiheit des Opfers einhergeht (vgl. nur [X.]sbeschlüsse vom 1. Oktober 1998 - 4 StR 347/98, [X.], 83; und vom 21. Januar 2003 - 4 [X.], [X.], 168; SSW-StGB/[X.], 3. Aufl., § 239 Rn. 16). So liegt der Fall hier. Die beiden Angeklagten zerrten die Nebenklägerin in den Toilettenraum des [X.]es und hielten sie dort fest, um sie am weiteren Schreien zu hindern, bis die Mutter der Nebenklägerin hinzukam. Die Freiheitsberaubung diente danach als Nötigungsmittel und entfaltete keine darüber hinausgehende Wirkung.

7

Die tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung hat daher zu entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO).

8

b) Auch die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) zwischen den [X.] und im Badezimmer hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der [X.] hat dazu in seiner Antragsschrift das Folgende ausgeführt:

„Eine natürliche Handlungseinheit, die mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Einheit im Rechtssinne verbinden kann, liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des [X.] objektiv auch für einen [X.] als [X.] erscheint, und wenn die einzelnen [X.] durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind ([X.], Urteil vom 10. Februar 2015 - 1 [X.], zit. nach juris Rn. 48 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Die Geschehnisse im Toilettenraum des [X.] und im Badezimmer stehen in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang. Die Nebenklägerin rannte, nachdem die Angeklagten sie losgelassen hatten, in das Bad der angrenzenden Wohnung, sperrte sich dort ein und rief die Polizei. Somit stellt der Vorfall im Badezimmer lediglich eine Fortsetzung des bedrohenden und nötigenden Verhaltens der Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin im [X.] dar.

Der [X.] kann den Schuldspruch entsprechend ändern, § 354 Abs. 1 StPO.“

9

Dem kann sich der [X.] nicht verschließen.

c) Im Übrigen werden die Schuldsprüche von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat insoweit, wie der [X.] in seiner Antragsschrift im Einzelnen ausgeführt hat, auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

2. Die Änderung des [X.] bedingt die Aufhebung der betroffenen Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafen. Letztere hätten aber auch deswegen nicht bestehen bleiben können, weil sie entgegen § 54 Abs. 3 Satz 1 StGB jeweils die Summe der Einzelstrafen erreichen.

3. Der [X.] verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] - Strafrichter - zurück, da dessen Strafgewalt ausreicht (§ 354 Abs. 3 StPO).

Der neue Tatrichter wird die zu Gunsten beider Angeklagten ergangene Kompensationsentscheidung, die von der Aufhebung der [X.] nicht erfasst wird ([X.], Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, [X.]St 54, 135), in die Urteilsformel aufnehmen müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.]St 52, 124, 141). Die gemeinschaftliche Tatbegehung gehört hingegen nicht in die Urteilsformel (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 12. Oktober 1977 - 2 StR 410/77, [X.]St 27, 287, 289).

Sost-Scheible     

        

Ri[X.] Cierniak ist im Urlaub
und deshalb gehindert zu
unterschreiben.

        

[X.]

                 

Sost-Scheible

                 
        

Bender     

        

     Quentin    

        

Meta

4 StR 235/17

27.09.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kaiserslautern, 26. Januar 2017, Az: 6042 Js 217/13 - 4 KLs

§ 239 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2017, Az. 4 StR 235/17 (REWIS RS 2017, 4674)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4674

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Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen: Freiheitsberaubung als tatbestandsmäßiges Mittel zur Begehung eines anderen Delikts


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