Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.02.2021, Az. VIII B 30/20

8. Senat | REWIS RS 2021, 8771

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Gegenstand

Unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Streit um die künstlerische Tätigkeit des Beschwerdeführers


Leitsatz

NV: Kann ein Beschwerdeführer vor der mündlichen Verhandlung erkennen, dass das FG zu der Frage, ob seine Tätigkeit eine künstlerische Gestaltungshöhe erreicht, nicht von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholen wird, muss er in der mündlichen Verhandlung selbst einen entsprechenden Beweisantrag stellen oder das Vorgehen des FG als verfahrensfehlerhaft rügen. Unterlässt er dies, ist der Beschwerdeführer zur Rüge eines etwaigen Verstoßes des FG gegen die Sachaufklärungspflicht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berechtigt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des [X.] vom 16.01.2020 - 2 K 859/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachte Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) kann gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) im Beschwerdeverfahren nicht mehr gerügt werden. Das weitere Vorbringen erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 [X.]O.

3

1. Zwar kann ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O und damit ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O vorliegen (s. unter 1.a), wenn das Finanzgericht ([X.]) bei der Prüfung einer künstlerischen Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet, sofern ihm die erforderliche eigene Sachkunde fehlt ([X.]sbeschluss vom 18.07.2007 - VIII B 204/06, [X.], 2264, unter 2.a). Die anwaltlich vertretene Klägerin, welche weder in der mündlichen Verhandlung einen eigenen Antrag auf Begutachtung ihrer Tätigkeit durch einen Sachverständigen gestellt noch die [X.] eines solchen Gutachtens durch das [X.] gerügt hat, kann einen hieraus resultierenden etwaigen Verfahrensmangel im Rahmen der Beschwerde jedoch nicht mehr rügen (s. unter 1.b).

4

a) Eine künstlerische Tätigkeit übt ein Steuerpflichtiger nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) --neben weiteren [X.] nur dann aus, wenn er eine schöpferische Leistung mit einer gewissen [X.] vollbringt, d.h. eine Leistung, in der seine individuelle Anschauungsweise und seine besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck kommen ([X.]-Urteile vom 23.09.1998 - XI R 71/97, [X.]/NV 1999, 460; vom [X.] - IV R 63/02, [X.]E 209, 116, [X.], 362; ebenso das vom [X.] zitierte [X.]-Urteil vom 15.10.1998 - IV R 1/97, [X.]/NV 1999, 465, zum Einsatz von Schauspielern im Rahmen der Werbung; [X.]surteil vom 16.09.2014 - VIII R 5/12, [X.]E 247, 214, [X.], 217). Hiervon abzugrenzen ist eine Betätigung, deren Arbeitsergebnisse keinen Gebrauchszweck haben (zweckfreie Kunst). Bei dieser kann auf die Feststellung der ausreichenden künstlerischen [X.] verzichtet werden, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann und die Arbeiten ausschließlich auf das Hervorbringen einer ästhetischen Wirkung gerichtet sind ([X.]-Beschluss vom 14.08.1980 - IV R 9/77, [X.]E 131, 365, [X.] 1981, 21; [X.]/Wacker, EStG, 39. Aufl., § 18 Rz 66). Die Entscheidung über das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordert nach ständiger Rechtsprechung des [X.] insbesondere im Bereich der Grenz- und Übergangsfälle besondere Sachkunde. Das Gericht muss sich diese verschaffen, sofern es sie nicht in dem konkret erforderlichen Maße selbst besitzt; dazu kann insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein. [X.] das Gericht in Grenz- und Übergangsfällen kein Sachverständigengutachten ein, muss dies für die Verfahrensbeteiligten erkennbar sein; die besondere Sachkunde des Gerichts muss dann in den Urteilsgründen nachprüfbar dargelegt werden (vgl. u.a. [X.]-Beschluss vom [X.], [X.]E 214, 168, [X.] 2006, 709, unter [X.]; [X.]surteil vom 14.12.1976 - VIII R 76/75, [X.]E 121, 410, [X.] 1977, 474).

5

b) Auf dieser Grundlage hat das [X.] die Einholung eines Sachverständigengutachtens geprüft und abgelehnt, weil die Klägerin den Umfang der künstlerischen Tätigkeit nicht anhand geeigneter Beweismittel dargelegt habe. Dem ist zwar darin zuzustimmen, dass sich die Frage, ob die eigene Sachkunde des [X.] ausreicht oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich ist, erst stellt, wenn begutachtungsfähige Arbeitsergebnisse vorgelegt werden ([X.]-Beschluss vom 28.06.2006 - XI R 78/03, [X.]/NV 2006, 2062 [Rz 2]), jedoch ist ein Gutachten anderseits schon dann einzuholen, wenn nur für einen Teilabschnitt des Klagezeitraums eine künstlerische Tätigkeit in einer Weise dargelegt wird, die die Begutachtung durch einen Sachverständigen ermöglicht ([X.]-Beschluss vom 28.09.2006 - IV B 18/05, [X.], 89). Der [X.] lässt danach offen, ob er sich der Würdigung des [X.] anzuschließen vermag, der klägerische Vortrag sei überhaupt nicht zur Darlegung eines begutachtungsfähigen Sachverhalts geeignet gewesen.

6

Jedenfalls kann die rechtskundig vertretene Klägerin einen etwaigen Verstoß des [X.] gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 295 ZPO nicht mehr rügen (s. zur Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Kontext [X.]-Beschluss in [X.]E 214, 168, [X.] 2006, 709, unter [X.]). Weder hat sie selbst einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens schriftsätzlich vor oder während der mündlichen Verhandlung gestellt noch anderweitig zum Ausdruck gebracht, die [X.] eines Gutachtens durch das [X.] sei verfahrensfehlerhaft.

7

Das [X.] hatte bis zur mündlichen Verhandlung kein Sachverständigengutachten eingeholt, wie für die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ohne weiteres erkennbar war. In der mündlichen Verhandlung wurde --wie sich sowohl aus dem angefochtenen Urteil als auch aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung ergibt-- über die künstlerische Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr gesprochen. Zudem war der Klägerin aufgrund des Erörterungstermins bekannt, dass das [X.] die künstlerische [X.] der Tätigkeit für aufklärungsbedürftig, aber --wie aus der Verfügung des [X.] vom 03.09.2019 ersichtlich war-- aufgrund der genauen Eingrenzung der Tätigkeit im Streitjahr und anhand des vorgelegten Bildmaterials als nicht möglich erachtete. Daraus konnte die Klägerin schon vor der mündlichen Verhandlung erkennen, dass sich die Einholung eines Gutachtens auf der Grundlage des vorhandenen Prozessstoffs für das [X.] auch nicht aufdrängte. Anhaltspunkte dafür, dass das [X.] die Einholung eines Sachverständigengutachtens während der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellt hätte und die Klägerin hierauf vertrauen durfte, ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin und der Niederschrift ebenfalls nicht. Ein ausdrücklicher Hinweis während der mündlichen Verhandlung darauf, dass das [X.] kein Gutachten einholen werde, war nach den geschilderten Umständen des Streitfalls ebenfalls nicht erforderlich. Wenn die Klägerin gleichwohl der Auffassung war, dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte, hätte sie die Unterlassung rügen müssen, denn die Sachaufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, welche die fachkundig vertretene [X.] selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, aber zu stellen unterlassen hat. Das ist nicht geschehen.

8

2. Soweit die Klägerin rügt, das [X.] habe für die Einordnung der Tätigkeit der Klägerin die Arbeiten als Drehbuchautorin, Fotografin, Layouterin, Unterhalterin, Webdesignerin und Administratorin zu Unrecht als Nebentätigkeiten abgegrenzt und nicht als prägende Bestandteile einer insgesamt künstlerischen Tätigkeit der Klägerin behandelt, rügt die Klägerin keinen Verfahrensfehler. Sie greift insoweit die rechtliche Würdigung des [X.] an. Dabei handelt es sich nicht um einen Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 [X.]O.

9

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 30/20

11.02.2021

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 16. Januar 2020, Az: 2 K 859/16, Urteil

§ 76 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 155 FGO, § 295 ZPO, § 18 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 15 Abs 2 S 1 EStG 2009, § 2 Abs 1 GewStG 2002, GewStG VZ 2013, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.02.2021, Az. VIII B 30/20 (REWIS RS 2021, 8771)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8771

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