Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 06.05.2013, Az. VI ZR 328/11

6. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6105

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Zulässigkeit der Weiterentwicklung des nationalen arzneimittelrechtlichen Haftungssystems unter Beachtung der Produkthaftungsrichtlinie


Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem [X.] werden zur Auslegung von Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, [X.] vom 07/08/1985 S. 0029 - 0033, folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] dahin auszulegen, dass die [X.] Arzneimittelhaftung als "besondere Haftungsregelung" durch diese Richtlinie allgemein nicht berührt wird, mit der Folge, dass das nationale arzneimittelrechtliche Haftungssystem weiterentwickelt werden kann

oder

ist die Regelung dahin zu verstehen, dass die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie (30. Juli 1985) bestehenden arzneimittelrechtlichen Haftungstatbestände nicht ausgedehnt werden dürfen?

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte, ein pharmazeutisches Unternehmen, wegen einer Nebenwirkung des von der [X.] vertriebenen Arzneimittels [X.] (ein [X.]) gemäß § 84 [X.] auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Verpflichtung der [X.] zum Schadensersatz in Anspruch. In der Folge der 2004 - bis zur Umstellung auf ein anderes [X.] im Juni 2006 - ärztlich verordneten Anwendung von [X.] kam es bei der Klägerin, die als Diabetikerin bereits zuvor langjährig mit einem anderen [X.] behandelt worden war, zu einer Lipoatrophie (Schwund des subkutanen Fettgewebes im Bereich der Einstichstellen). Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist der von der Klägerin im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemachte Auskunftsanspruch gemäß § 84a [X.] betreffend Nebenwirkungen und weitere Wirkungen des Arzneimittels [X.], soweit sie eine Lipoatrophie betreffen.

2

Das [X.] hat der [X.] durch Teilurteil vom 25. August 2010 (Aktenzeichen 23 [X.]) stattgegeben. Das [X.] - Berufungsgericht - hat die dagegen gerichtete Berufung der [X.] mit Urteil vom 30. August 2011 (Aktenzeichen 13 U 44/10) zurückgewiesen. Dagegen wendet sich diese mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

II.

3

Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, [X.] vom 07/08/1985 S. 0029 - 0033, ab (vgl. unten 3). Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des [X.]s der [X.] einzuholen.

4

1. Nach Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] werden die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund der Vorschriften über die vertragliche und außervertragliche Haftung oder aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, durch diese Richtlinie nicht berührt.

§ 15 [X.] bestimmt:

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des [X.]es an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt, so sind die Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes nicht anzuwenden.

(2) Eine Haftung aufgrund anderer Vorschriften bleibt unberührt.

§ 84 [X.] (in der hier maßgeblichen Fassung) lautet:

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn

1. das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder

2. der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

(2) Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Die Vermutung gilt nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Ein anderer Umstand liegt nicht in der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, es sei denn, dass wegen der Anwendung dieser Arzneimittel Ansprüche nach dieser Vorschrift aus anderen Gründen als der fehlenden Ursächlichkeit für den Schaden nicht gegeben sind.

(3) Die Ersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben.

§ 84a [X.] (in der hier maßgeblichen Fassung) trifft folgende Regelung:

(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, so kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 besteht, nicht erforderlich. Der Anspruch richtet sich auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können. Die §§ 259 bis 261 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. Ein Auskunftsanspruch besteht insoweit nicht, als die Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht.

(2) Ein Auskunftsanspruch besteht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch gegenüber den Behörden, die für die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig sind. Die Behörde ist zur Erteilung der Auskunft nicht verpflichtet, soweit Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht.

5

Die [X.] in § 84 Abs. 2 [X.] und der Auskunftsanspruch gemäß § 84a [X.] sind durch das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz vom 19. Juli 2002 ([X.] I S. 2674) eingeführt worden und am 1. August 2002 in [X.] getreten.

6

2. Der [X.] hat noch nicht entschieden, ob § 84 Abs. 2 [X.] und § 84a [X.] gegen die Richtlinie 85/374/[X.] verstoßen. Die richtige Auslegung der Richtlinie ist insoweit auch nicht offenkundig. Bereits die Frage, ob der Regelungsbereich der Richtlinie sich auf die Haftungsvorschriften des [X.]es erstreckt, ist umstritten.

7

a) Im Erwägungsgrund 13 Satz 3 der Richtlinie 85/374/[X.] heißt es: "Soweit in einem Mitgliedstaat ein wirksamer Verbraucherschutz im [X.] auch bereits durch eine besondere Haftungsregelung gewährleistet ist, müssen Klagen aufgrund dieser Regelung ebenfalls weiterhin möglich sein." Die Haftung nach dem [X.] war die einzige besondere Haftungsregelung, die bei der Bekanntgabe der Richtlinie am 30. Juli 1985 bestand (vgl. [X.], [X.], 1059, 1063; Kullmann, [X.], 6. Aufl., § 15 Rn. 2).

8

b) Nach der Rechtsprechung des [X.]s der [X.] besteht das Ziel der Richtlinie 85/374/[X.], wie aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgeht, in einer Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Haftung des Herstellers für Schäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursacht worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.]/10, [X.], 34 Rn. 19 - [X.]). Die von der Richtlinie 85/374/[X.] errichtete harmonisierte Regelung der Haftung von Herstellern für durch fehlerhafte Produkte verursachte Schäden trägt dem Ziel Rechnung, einen unverfälschten Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsbeteiligten zu gewährleisten, den freien Warenverkehr zu erleichtern und einen unterschiedlichen Verbraucherschutz zu vermeiden. Die vom Unionsgesetzgeber vorgenommenen Abgrenzungen des Geltungsbereichs dieser Richtlinie sind das Ergebnis einer komplexen Abwägung unter anderem dieser verschiedenen Interessen (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.]/10, aaO Rn. 22 mwN).

9

Nach der Rechtsprechung des [X.]s wird der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte zur Gänze von der Richtlinie 85/374/[X.] selbst festgelegt und ist aus deren Wortlaut, Zweck und Systematik abzuleiten (vgl. [X.], Urteile vom 25. April 2002 - [X.]/00, [X.] 2002, 275 Rn. 23 ff. - [X.] - inhaltsgleich mit den beiden weiteren Urteilen von diesem [X.]/00, [X.] 2002, 277 und [X.]/00, [X.] 2002, 280 -; vom 10. Januar 2006 - [X.]/03, [X.], 1409 Rn. 22 mwN - [X.] und [X.]; vom 4. Juni 2009 - [X.]/08, [X.] 2009, 501 Rn. 20 - [X.]). Danach bezweckt die Richtlinie für die darin geregelten Punkte eine vollständige Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten. Jedoch soll die Richtlinie, wie aus ihrem 18. Erwägungsgrund hervorgeht, nicht den Bereich der Haftung für fehlerhafte Produkte über die betreffenden Punkte hinaus abschließend harmonisieren (vgl. [X.], Urteile vom 10. Januar 2006 - [X.]/03, aaO Rn. 23, 33; vom 4. Juni 2009 - [X.]/08, aaO Rn. 21, 25; vom 21. Dezember 2011 - [X.]/10, [X.], 34 Rn. 20 f. - [X.]).

Der [X.] hat nach einer Untersuchung des Wortlauts, des Zwecks und der Systematik der Richtlinie 85/374/[X.] entschieden, dass deren Art. 13 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eine allgemeine Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte beizubehalten, die von der in der Richtlinie vorgesehenen Regelung abweicht (vgl. [X.], Urteile vom 10. Januar 2006 - [X.]/03, [X.], 1409 Rn. 39 mwN - [X.] und [X.]; vom 4. Juni 2009 - [X.]/08, [X.] 2009, 501 Rn. 22 - [X.]). Er hat weiter entschieden, dass Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] dahin auszulegen ist, dass die durch diese eingeführte Regelung die Anwendung anderer Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung nicht ausschließt, sofern diese - wie die Haftung für verdeckte Mängel oder für Verschulden - auf anderen Grundlagen beruht (vgl. [X.], Urteile vom 10. Januar 2006 - [X.]/03, [X.], 1409 Rn. 47 mwN; vom 4. Juni 2009 - [X.]/08, aaO Rn. 23).

Die Bezugnahme in Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, ist nach der Rechtsprechung des [X.]s gemäß dem Erwägungsgrund 13 Satz 3 dieser Richtlinie dahin zu verstehen, dass damit auf eine besondere Regelung abgestellt wird, die auf einen bestimmten Produktionssektor begrenzt ist. Dagegen ist davon auszugehen, dass eine Regelung der Herstellerhaftung, die auf derselben Grundlage beruht wie die durch die Richtlinie 85/374/[X.] eingeführte Regelung und nicht auf einen bestimmten Produktionssektor begrenzt ist, unter keine der Haftungsregelungen fällt, auf die Art. 13 Bezug nimmt (vgl. Urteil vom 25. April 2002 - [X.]/00, [X.] 2002, 275 Rn. 32 f. mwN - [X.]).

c) Ob Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] danach als Bereichsausnahme für die [X.] Arzneimittelhaftung zu verstehen ist, ist umstritten. Die Auslegung dieser Vorschrift ist unstreitig, soweit es darum geht, dass [X.] die produkthaftungsrechtlichen Regelungen im [X.] beibehalten durfte (vgl. [X.]/[X.], [X.] 1996, 193, 194; [X.]/[X.], [X.] 2004, 234, 236). Zum Teil wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, von der Richtlinie 85/374/[X.] bleibe nicht die [X.] Arzneimittelhaftung schlechthin ausgenommen, sondern lediglich ihr zum Stichtag des 30. Juli 1985 geltender Haftungsbestand (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], Vorb. §§ 84-94a Rn. 11; [X.]/[X.], [X.] 1996, 193, 195; siehe auch Kullmann in Festschrift [X.], [X.], 252). Der [X.] habe deutlich gemacht, dass Ausnahmetatbestände in der Richtlinie mit Rücksicht auf die angestrebte vollständige Harmonisierung und die volle Wirksamkeit der europarechtlichen Regelung eng auszulegen seien (vgl. [X.]/[X.], aaO). In diesem Zusammenhang ist auch die Vereinbarkeit des § 15 [X.] mit Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] streitig. Die [X.] hat § 15 [X.] allerdings nicht beanstandet (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 15 [X.] Rn. 6; [X.] in Dieners/[X.], Handbuch des [X.], 2010, § 13 Rn. 6).

Nach einer anderen Auffassung im Schrifttum ist Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] als Bereichsausnahme für die Arzneimittelhaftung gemäß §§ 84 ff. [X.] zu verstehen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2010, § 27 Rn. 85; [X.] in Festschrift [X.], 1997, [X.], 711 ff.; Soergel/[X.], [X.], 13. Aufl., § 15 [X.] Rn. 1; [X.], [X.], 1059, 1063; siehe auch [X.]/[X.], 5. Aufl., § 15 [X.] Rn. 6, 8 f.; kritisch gegenüber § 15 [X.], aber für eine Konkurrenz der §§ 84 ff. [X.] zum [X.] [X.][X.], [X.], Neubearb. 2009, § 15 [X.] Rn. 3). Dafür wird die Rechtsprechung des [X.]s zu Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] angeführt. Danach sei die Bezugnahme in Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] auf die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen könne, dahin zu verstehen, dass damit auf eine besondere Regelung abgestellt werde, die auf einen bestimmten Produktionssektor begrenzt sei (vgl. Urteil vom 25. April 2002 - [X.]/00, [X.] 2002, 275 Rn. 32 mwN - [X.]). Demnach beziehe sich der [X.] der Richtlinie nicht auf diesen Produktionssektor (vgl. MünchKomm [X.]/[X.], 5. Aufl., § 15 [X.] Rn. 9).

3. Umstritten ist auch, ob § 84 Abs. 2 [X.] und § 84a [X.] mit der Richtlinie 85/374/[X.], insbesondere mit der Beweislastregelung des Art. 4 der Richtlinie, vereinbar sind (siehe zu Art. 4: [X.], Urteile vom 25. April 2002 - [X.]/00, [X.] 2002, 275 Rn. 31 - [X.]; vom 4. Juni 2009 - [X.]/08, [X.] 2009, 501 Rn. 19 - [X.]).

a) Für § 84 Abs. 2 [X.] nehmen einige Stimmen im Schrifttum einen Richtlinienverstoß an. § 84 Abs. 2 [X.] sei nicht als Reduzierung des [X.]es zu verstehen und stelle auch keine Form des Anscheinsbeweises dar. Denn die Vorschrift spalte den [X.] in unterschiedliche Teilbereiche auf und ordne in § 84 Abs. 2 Satz 1 [X.] eine Kausalitätsvermutung an (vgl. [X.]/[X.], aaO Rn. 12 f. mwN; siehe auch [X.]/[X.], 5. Aufl., § 15 [X.] Rn. 8). Die Gegenansicht stellt darauf ab, dass es sich bei § 84 Abs. 2 [X.] nicht um eine Beweislastumkehr im technischen Sinne handele ([X.], aaO, [X.]). Die strukturelle Nähe der Vorschrift zum Anscheinsbeweis spreche vielmehr dafür, § 84 Abs. 2 [X.] dem Bereich der Beweiserleichterungen zuzuordnen, deren Regelung dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten überlassen sei (vgl. [X.], aaO S. 381 f.; [X.], aaO; siehe auch Kullmann in Festschrift [X.], 1995, [X.], 252 ff.; [X.]/[X.], [X.] 2004, 234, 238; siehe zu früheren Reformansätzen bei der Richtlinie den Bericht der [X.] über ihre Anwendung vom 31. Januar 2001, [X.]) 893 endg., [X.] ff.).

b) § 84a [X.] verstößt nach der Ansicht des überwiegenden Schrifttums nicht gegen die Richtlinie 85/374/[X.] (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2012, Vorb. §§ 84-94a Rn. 12; [X.], [X.] und [X.], 2006, [X.]; [X.], Die Informationsrechte geschädigter Arzneimittelverbraucher, 2003, [X.]; [X.]/[X.], [X.] 2004, 234, 239). Die [X.] kenne einen solchen Auskunftsanspruch nicht und treffe darüber auch keine Aussage. Der Auskunftsanspruch schaffe oder modifiziere keine Anspruchsvoraussetzungen. Er ändere nichts an der grundsätzlichen Risikoverteilung im [X.]. Vielmehr diene er der prozessualen Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs. Hinsichtlich prozessrechtlicher Fragen seien die Mitgliedstaaten - mit Ausnahme der Beweislastverteilung (Art. 4 der Richtlinie 85/374/[X.]) sowie im Hinblick auf das [X.] für den Fehlerbereichsnachweis (Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 85/374/[X.]) - in ihrer Gesetzgebung frei ([X.], aaO; [X.], aaO). Dagegen wird der Standpunkt vertreten, der Auskunftsanspruch störe den mit der Richtlinie beabsichtigten Interessenausgleich und sei deshalb mit dieser nicht zu vereinbaren (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 15 [X.] Rn. 8; siehe auch Erwägungsgrund 7 der Richtlinie; [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.]/10, [X.], 34 Rn. 22 mwN - [X.]; Bericht der [X.] vom 14. September 2006 über die Anwendung der Richtlinie, [X.]) 496 endg., [X.] ff., 9 f.; Bericht vom 8. September 2011, [X.]) 547 endg. [X.], 12 f.).

c) Da die vorgenannten Auslegungsfragen streitig sind, ist eine Vorlage an den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV im Fall der Entscheidungserheblichkeit zulässig (vgl. [X.] in [X.]/Hilf/[X.], Das Recht der [X.], Art. 267 Rn. 57 f.). Denn im Fall des Richtlinienverstoßes wäre eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung zu prüfen (vgl. [X.] in Dieners/[X.], Handbuch des [X.], 2010, § 13 Rn. 6; zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung siehe [X.], Urteile vom 26. November 2008 - [X.], [X.]Z 179, 27 Rn. 19 ff.; vom 24. August 2010 - EnVR 17/09, NVwZ-RR 2011, 55; vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.]Z 192, 148 Rn. 30; [X.] in [X.]/Hilf/[X.], Das Recht der [X.], Art. 288 Rn. 133 ff. [Stand: 2012]; zur Zulässigkeit einer Vorlage siehe [X.], Urteil vom 17. April 2008 - [X.]/06, [X.], 1433 Rn. 18 ff. - Quelle; [X.], Beschluss vom 16. August 2006 - [X.], [X.], 3200 Rn. 12, 16, 26; kritisch [X.], [X.], 3202, 3203; nach Auffassung von [X.]/[X.], aaO Rn. 13 [X.], hätte ein Richtlinienverstoß zur Folge, dass § 84 Abs. 2 [X.] nicht anwendbar wäre).

4. Der Senat hält die Revision bei Anwendung des § 84a [X.] für unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts ist, sofern § 84a [X.] angewendet werden darf, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Liegt ein Richtlinienverstoß vor, kann § 84a [X.] hingegen nicht angewendet werden, so dass der [X.] nicht - wie bisher geschehen - stattgegeben werden kann, das angefochtene Urteil auf Revision also aufgehoben werden muss. Der Erfolg der Revision hängt daher von der Auslegung des Art. 13 der Richtlinie 85/374/[X.] durch den [X.] ab.

Galke     

     Zoll     

[X.]

Richter am Bundesgerichtshof
Pauge ist wegen Urlaubs verhindert,
seine Unterschrift beizufügen

von Pentz     

Galke

Meta

VI ZR 328/11

06.05.2013

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 30. August 2011, Az: 13 U 44/10

Art 13 EWGRL 374/85, § 84 Abs 2 AMG, § 84a AMG, § 15 ProdHaftG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 06.05.2013, Az. VI ZR 328/11 (REWIS RS 2013, 6105)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2502 REWIS RS 2013, 6105

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