Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2013, Az. VIII ZR 233/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7217

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 233/12
Verkündet am:

20. März 2013

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 573 Abs. 2 Nr. 2, 242 Cd
Eine Kündigung von Wohnraum wegen Eigenbedarfs für einen Familienangehörigen ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Eigenbedarf zwar nur kurze [X.] nach [X.] des [X.] entstanden ist, bei Abschluss des [X.] aber noch nicht absehbar war.

[X.], Urteil vom 20. März 2013 -
VIII ZR 233/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin Dr.
[X.], den
Richter Dr.
Achilles, die Richterin Dr. Fetzer
und [X.]
Bünger
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 6.
Zivilkammer des [X.] vom 3.
Juli 2012 wird [X.].
Die Beklagten haben die Kosten
des Revisionsverfahrens zu tra-gen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Räumung des von ihnen [X.] wegen Eigenbedarfs in Anspruch.
Die Beklagten sind seit Februar 2008 Mieter des Einfamilienhauses
der Klägerin in W.

. Mit Schreiben vom 29.
März 2011 kündigte die Kläge-rin das Mietverhältnis zum 30.
Juli 2011 mit der Begründung, das Haus werde für ihren Enkel S.

S.

und dessen Ehefrau und Tochter benötigt.
Die Klägerin behauptet, bei Abschluss des Mietvertrags sei nicht abseh-bar gewesen, dass ihr Enkel mit seiner Familie in dem Haus würde wohnen 1
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3
-
wollen. Er habe zu dem [X.]punkt in H.

gearbeitet und es sei geplant gewesen, dass er nach S.

versetzt werden würde, weshalb das Haus in W.

für ihn nicht in Frage gekommen sei. Seine spätere Frau sei im April 2008 schwanger geworden. Erst nach der Geburt
der gemeinsamen [X.] habe ein Umdenken über die zukünftige Lebensplanung stattgefunden und der Enkel habe sich entschieden, seine Karrierepläne zurückzustellen und mit seiner Familie in der Umgebung zu bleiben.
Die Beklagten haben der Kündigung widersprochen und [X.] un-ter anderem wegen nicht abgewohnter Investitionen geltend gemacht.
Das
Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung seien erfüllt. Es stehe fest, dass die Klägerin die Wohnung ihrem Enkel und dessen Ehefrau und Tochter überlassen wolle. Die Kündigung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, obwohl sie schon rund
drei Jahre nach Beginn des Mietverhältnisses erfolgt sei. Zwar käme eine Treuwidrigkeit in Betracht,
wenn die Klägerin bei absehbarem 4
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Eigenbedarf die Möglichkeit des Abschlusses eines befristeten Mietvertrags nach §
575 Abs.
1 Nr.
1 [X.] gehabt
und nicht wahrgenommen hätte. Der [X.] sei jedoch bei Abschluss des Mietvertrags noch nicht absehbar ge-wesen. Im Gegenteil habe es der Enkel der Klägerin auf entsprechende [X.] stets abgelehnt, in das Haus der Klägerin zu ziehen. Erst nachdem zwei Monate nach Abschluss des Mietvertrags seine spätere Ehefrau schwanger geworden, die gemeinsame Tochter geboren worden und der Enkel seine [X.] und private Lebensplanung auf seine neu gegründete Familie umge-stellt und den der beruflichen Karriere wegen geplanten Umzug nach [X.] aufgegeben habe, habe sich die [X.] ergeben. Auch hätten die Beklagten keinen Anspruch auf Verlängerung des [X.] nach §§
574
f. [X.] ("[X.]"). Sämtliche geltend gemachten [X.] stellten letztlich nur die mit einem Umzug unvermeidlich verbundenen Unannehmlichkeiten dar. Dies gelte auch in Anbetracht der
Aufwendungen zur Ausgestaltung der
Wohnung.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Beklagten sind gemäß §
546 Abs.
1 [X.] zur Räumung und Heraus-gabe des Einfamilienhauses verpflichtet.
Die Eigenbedarfskündigung der Kläge-rin hat das Mietverhältnis beendet. Die Klägerin ist
gemäß §
573 Abs.
2 Nr.
2 [X.] zur Kündigung berechtigt, weil nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts Eigenbedarf besteht und dessen Geltendmachung auch nicht rechtsmissbräuchlich ist. Die von den Beklagten vorgebrachten
Härte-gründe gebieten auch keine Fortsetzung des Mietverhältnisses
gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 [X.].
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5
-
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Eigenbedarfskündigung der Klägerin zum 30.
Juli 2011 als wirksam angesehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Kündigung nicht der Einwand des rechtsmissbräuchli-chen Verhaltens der Klägerin gemäß §
242 [X.] entgegen. Zwar ist die Kündi-gung hier schon etwa drei Jahre nach Beginn des Mietverhältnisses erfolgt
-
und dies, obgleich den Beklagten durch den Schwiegersohn der Klägerin vor Mietvertragsabschluss versichert worden war, ein Eigenbedarf für ein Famili-enmitglied komme
nicht in Betracht; das einzige, was passieren könne, sei, dass das Haus verkauft werden könnte. Angesichts der Gesamtumstände [X.] die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Eigenbe-darfskündigung der Klägerin nicht rechtsmissbräuchlich ist, jedoch keinen revi-sionsrechtlichen Bedenken.
a) Wie der Senat im [X.] an die Rechtsprechung des [X.] bereits entschieden hat ([X.] 79, 292, 308
f.; [X.], NJW-RR 1993, 1357; Senatsurteil vom 21.
Januar 2009 -
VIII
ZR 62/08, [X.], 1139; Senatsbeschlüsse vom 13.
April 2010
-
VIII
ZR 180/09, [X.], 575
[Hinweisbeschluss],
und vom 6.
Juli 2010 -
VIII
ZR 180/09, [X.], 512 [Zurückweisungsbeschluss]
jeweils
mwN),
setzt sich ein Vermieter zu seinem eigenen Verhalten
dann
in Widerspruch, wenn er eine Wohnung
auf unbe-stimmte
[X.] vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf dem
Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belas-tungen
nicht zumuten, wenn er ihn
über die Absicht oder zumindest die [X.] begrenzter Mietdauer nicht aufklärt. Denn für den Mieter ist ein sich ab-zeichnender Eigenbedarf des Vermieters vor allem für die Entscheidung von Bedeutung, ob er eine Wohnung überhaupt anmieten und damit das Risiko ei-nes Umzugs nach verhältnismäßig kurzer Mietzeit eingehen will
(Senatsurteil 11
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6
-
vom 21.
Januar 2009 -
VIII
ZR 62/08, aaO Rn.
17, 19; Senatsbeschluss vom 13.
April 2010 -
VIII
ZR 180/09, aaO Rn.
2).
b) Diese Fallgestaltung liegt hier indes nicht vor. Nach
den rechtsfehler-freien Feststellungen des Berufungsgerichts war es zum [X.]punkt des [X.]es des Mietvertrags für keinen der Beteiligten absehbar, dass ein [X.] an dem Einfamilienhaus für den Enkel der Klägerin durch die Geburt seiner Tochter und die
daraufhin
geänderte Lebensplanung der Familie entste-hen würde.
Der Eigenbedarf ist vielmehr aufgrund einer erst nach der Vermie-tung
eingetretenen Änderung der persönlichen Verhältnisse des Enkels der Klägerin entstanden.
Durch die Erklärung des Schwiegersohns der Klägerin anlässlich der Hausbesichtigung, ein Eigenbedarf komme nicht in Betracht,
höchstens ein Hausverkauf, ist kein der Klägerin zuzurechnender besonderer Vertrauenstat-bestand geschaffen worden, der ihre Kündigung wegen Eigenbedarfs rechts-missbräuchlich erscheinen ließe. Die Äußerung, die im Übrigen eine reine Wis-senserklärung darstellt und der kein rechtsgeschäftlicher Erklärungsgehalt zu-kommt, entsprach nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Tatsachen. Sie bezog sich
auf den damaligen Stand, bei dem eine Änderung nicht absehbar
war. Durch sie
ist auch kein auf künftige Entwicklungen bezogener Vertrauenstatbestand erweckt worden, denn die per-sönlichen Verhältnisse eines Vermieters und seiner Familienangehörigen [X.] sich
ändern. Will
ein Mieter für solche Fälle eine Kündigung wegen Eigen-bedarfs
ausschließen, bedarf es einer dahin gehenden Vereinbarung.
2. Soweit die Revision geltend macht, das Mietverhältnis sei jedenfalls gemäß
§§
574
f.
[X.]
("[X.]") einstweilen fortzusetzen, kann dem nicht gefolgt werden. Zu Recht stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass 13
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7
-
sämtliche beklagtenseits geltend gemachten [X.] letztlich nur die mit einem Umzug unvermeidlich verbundenen Unannehmlichkeiten darstellen. Dass die Beklagten davon absahen, im Mietvertrag einen (beiderseitigen) be-fristeten Kündigungsausschluss
mit der Klägerin zu vereinbaren, um ihrerseits aus beruflichen Gründen
in örtlicher Hinsicht flexibel zu bleiben, kann nicht zu Lasten der Klägerin gewertet werden. Insbesondere beruht die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts -
entgegen der Auffassung der Revision
-
nicht
darauf, dass das Berufungsgericht den Vortrag,
angemessener
Ersatz-wohnraum zu zumutbaren Bedingungen sei nicht zu beschaffen, übergangen hätte. Abgesehen davon, dass das erstinstanzliche Urteil, auf dessen Gründe das Berufungsurteil Bezug nimmt, diesen Vortrag ausdrücklich gewürdigt hat, bedarf nicht jedes Vorbringen der Parteien der Erwähnung in den schriftlichen Entscheidungsgründen.
Eine Härte im Sinne von §
574 [X.] ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus den finanziellen Aufwendungen
der Beklagten, ins-besondere für die speziell den räumlichen Gegebenheiten angepasste [X.].
Die Beklagten haben nach eigenem Vorbringen bewusst davon abgese-hen, sich die Möglichkeit einer längerfristigen Nutzung des Mietobjekts durch Vereinbarung eines (beiderseitigen) befristeten [X.] zu sichern, weil sie aus beruflichen Gründen örtlich flexibel bleiben wollten. Sie sind daher sehenden Auges das Risiko eingegangen, dass finanzielle Investiti-onen in die Wohnung sich im Falle einer nur kurzen Mietdauer nicht angemes-sen amortisieren werden. Die Inkaufnahme dieses Risikos muss bei der Inte-

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ressenabwägung nach §
574 Abs.
1 [X.] zum Nachteil der Beklagten aus-schlagen.
[X.]
Dr. [X.]
Dr. Achilles

Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.11.2011 -
19 [X.]/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 03.07.2012 -
6 S 547/11 (190) -

Meta

VIII ZR 233/12

20.03.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2013, Az. VIII ZR 233/12 (REWIS RS 2013, 7217)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7217

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VIII ZR 233/12

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