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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 11/10 Verkündet am: 4. Mai 2011 Vorusso, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: jaHGB § 86a Abs. 1 Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter (nur) die Unterlagen kostenlos zur Ver-fügung zu stellen, auf die dieser zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Ge-genstand des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Dies ist für ein Softwarepaket zu bejahen, wenn zumindest einzelne Komponenten für die Tätigkeit des Handelsvertreters unverzichtbar sind, nicht aber für Werbegeschenke ("Give-aways") und andere für die Tätigkeit des Handelsvertreters bloß nützliche o-der seiner Büroausstattung zuzuordnende Artikel. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 - VIII ZR 11/10 - OLG Celle LG Hannover - 2 - Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Dezember 2009 - unter Zu-rückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil der 24. Zivilkammer (4. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hannover vom 3. März 2009 hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Beklagten abgeändert worden ist. Die Berufung des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen. Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5 zu tragen. Die Kosten der Revisionsinstanz wer-den gegeneinander aufgehoben. Der Streitwert wird auf 13.244,34 • für die Revisionsinstanz und auf 17.744,34 • für die Berufungsinstanz festgesetzt. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: 1 Der Kläger war von Ende des Jahres 2003 bis zum 31. Oktober 2007 als (Unter-)Handelsvertreter für die Beklagte tätig, die ihrerseits als Handelsvertre-terin Finanzdienstleistungen vertreibt. Er macht geltend, dass die Beklagte sein Provisionskonto zu Unrecht mit diversen Kosten und Gebühren belastet habe, und verlangt Auszahlung der einbehaltenen Beträge. Die Beklagte bietet ihren Handelsvertretern kostenpflichtige Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen an. Zur Unterstützung ihrer Vermittlungstätigkeit können die Handelsvertreter von der Beklagten ferner verschiedene mit deren Logo versehene Artikel wie Briefpapier, Visitenkarten, Datenerhebungsbögen und Werbegeschenke aller Art gegen Entgelt erwerben. Das gleiche gilt für die von der Beklagten herausgegebene Zeitschrift "F.
", die die Handels-vertreter gegen Entgelt für die von ihnen betreuten Kunden bestellen können. Der Kläger machte von diesen Angeboten Gebrauch. Die dadurch entstande-nen Kosten wurden vereinbarungsgemäß seinem Provisionskonto belastet. 2 Aufgrund eines zwischen den Parteien gesondert abgeschlossenen Ver-trages ("A. Business Center Nutzungsvertrag Software-Vorteilsangebot") wurde dem Kläger die Nutzung der Vertriebssoftware der Beklagten gegen Zah-lung eines gleichfalls seinem Provisionskonto belasteten Entgelts in Höhe von 80 • monatlich ermöglicht. 3 Der Kläger hat Zahlung des von der Beklagten insgesamt einbehaltenen Betrages von 10.564,34 • nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 3.680 • nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt, soweit sie erstinstanzlich unterlegen sind. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz hilfs-weise die Aufrechnung mit einem bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruch 4 - 4 - im Hinblick auf den Wert der dem Kläger überlassenen Software erklärt. Mit der Hilfswiderklage hat die Beklagte Auskunft begehrt, in welchen Fällen der Kläger von seinen Kunden ein Entgelt für die Erstellung der privaten Finanzstrategie erhalten habe. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Rückzahlung von (insgesamt) 7.930,22 • nebst Zinsen verurteilt, die Hilfswiderklage hat es abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklag-te ihr Klageabweisungsbegehren weiter; die Abweisung der Hilfswiderklage nimmt sie hin. Mit der Anschlussrevision wendet sich der Kläger gegen das Be-rufungsurteil, soweit seine Berufung erfolglos geblieben ist, und verfolgt seinen Klageantrag in voller Höhe weiter. 5 Entscheidungsgründe: Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet. 6 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-sentlichen ausgeführt: 7 Dem Kläger stehe gegen die Beklagte wegen unberechtigter Abbuchun-gen ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Die zu Lasten des Provisionskontos vorgenommenen Abbuchungen seien überwiegend ohne Rechtsgrund erfolgt. Ein Rechtsgrund habe lediglich für die Beträge bestanden, die die Beklagte für die Teilnahme des Klägers an Schulungen und Seminaren abgebucht habe. Das Berufungsgericht teile die Auslegung des § 86a HGB 8 - 5 - durch das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 11. September 2009 - 19 U 64/09). Die Bestimmung sei Ausprägung der allgemeinen Rechtspflicht des Un-ternehmers, den Handelsvertreter bei seiner Arbeit zu unterstützen. Der Begriff der Unterlagen sei weit zu fassen. Der Unternehmer müsse grundsätzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre unentgeltlich bereitstellen, auf die der Handelsvertreter objektiv gesehen oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit und zur Anpreisung der Ware angewiesen sei. Bei den vom Kläger bestellten Werbegeschenken - wie Aufkleber, Klei-dung, Süßigkeiten, Spielsachen und andere "Give-aways" mit dem Unterneh-menslogo der Beklagten - handele es sich um allgemeine Werbemittel, die als erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a HGB anzusehen seien. Darauf, dass es sich nicht um unverzichtbare Hilfsmittel handele, komme es nicht an. Entscheidend sei, dass der Unternehmer, der seinem Produkt näher stehe als der Handelsvertreter, diesen bei der Anpreisung der Ware zu unterstützen und ihm die speziell auf die zu vertreibenden Produkte abgestimmten Hilfsmittel be-reitzustellen habe. 9 Auch für das Briefpapier mit dem A. -Logo und die entsprechend ge-stalteten Visitenkarten gelte § 86a Abs. 1 HGB. Es liege im Interesse der Be-klagten, dass die für sie tätigen Handelsvertreter nach außen hin bei schriftli-chen Erklärungen ein einheitliches Briefpapier verwendeten. Auch der Zusatz auf dem Briefpapier, dass Erklärungen des Handelsvertreters die Beklagte nicht verpflichteten, erfolge in deren Interesse. Bei der gebotenen weiten Auslegung des § 86a HGB habe der Unternehmer die Kosten für Briefpapier und Visiten-karten zu übernehmen, wenn er deren Gestaltung vorgebe. 10 - 6 - Entsprechendes gelte für die so genannten Datenerhebungsbögen und die Mandantenordner. Die Beklagte lege nach ihren Geschäftsanweisungen großen Wert darauf, dass eine eingehende Datenerhebung erfolge. Die Daten-erhebungsbögen seien Grundlage der Finanzanalyse und deshalb als erforder-liche Unterlage im Sinne von § 86a HGB von der Beklagten kostenfrei zur Ver-fügung zu stellen. Gegen diese Wertung spreche auch nicht, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, von den Kunden für die Erstellung der Finanzstra-tegie eine Vergütung zu verlangen. Wenn die Beklagte von ihren Kunden keine gesonderte Vergütung für die Erstellung der Finanzstrategie verlange, sondern etwaige Entgelte den Handelsvertretern belasse, könne durch diese vertragli-che Gestaltung nicht die zwingende Regelung des § 86a HGB, wonach Unter-lagen kostenfrei zur Verfügung zu stellen seien, umgangen werden. Dies gelte nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nicht von allen Kunden die Erstellung der Finanzstrategie tatsächlich bezahlt werde. 11 Bei der Zeitschrift "F.
" handele es sich um eine Werbedruck-sache im Sinne des Gesetzes, denn bei einer wertenden Betrachtung des In-halts der Zeitschrift stehe die Werbung für die Beklagte und ihr Produkt - den Finanzberatungsvertrag - im Vordergrund. Unerheblich für die Einschätzung als Werbemittel sei, dass die Zeitschrift auch käuflich zu erwerben sei. Durch diese Möglichkeit verliere die Zeitschrift nicht den Charakter einer "Werbedrucksache" der Beklagten, denn Werbemittel müssten nicht zwingend kostenlos dem Kun-den zur Verfügung gestellt werden. 12 Dem Kläger stehe ferner ein Anspruch auf Auszahlung der von der Be-klagten für die überlassene Software einbehaltenen Beträge zu. Der Vertrag über die Nutzung der Software betreffe auch von der Beklagten selbst entwi-ckelte Softwareprodukte, die für die Tätigkeit des Klägers zumindest nützlich gewesen seien. Es handele sich teilweise um speziell auf den Vertrieb der Be-13 - 7 - klagten zugeschnittene Software und somit bei der gebotenen weiten Ausle-gung des Gesetzes um ein für die Vermittlungstätigkeit erforderliches Arbeits-mittel. Für die Entscheidung sei dabei unbeachtlich, dass nur Teile des Ge-samtsoftwarepakets der Vermittlungstätigkeit dienten und deshalb unter § 86a Abs. 1 HGB fielen, während andere Teile allein der vom Kläger selbst zu finan-zierenden Büroorganisation zuzurechnen seien. Wenn die Beklagte erforderli-che - und damit kostenfreie - Arbeitsmittel zusammen mit nützlichen - und damit möglicherweise vergütungspflichtigen - Arbeitsmitteln in einem Paket zu einem einheitlichen Preis zur Verfügung stelle, sei die Vergütungsvereinbarung für das Gesamtpaket gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf Übernahme der ihm für seine Teilnahme an Seminaren, Schulungen und Fortbildungskursen entstan-denen Kosten. Eine Schulung oder ein Fortbildungsseminar sei keine "Unterla-ge" im Sinne des § 86a HGB. Es müsse sich um körperliche Gegenstände han-deln, was bei Schulungen nicht der Fall sei. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. § 86a HGB finde seinen Sinn darin, dass der Unternehmer, der als Geschäftsherr seinem Produkt näher stehe als der Handelsvertreter, die Hilfsmittel bereitzustellen habe, die speziell auf die vom Handelsvertreter zu vertreibenden Produkte abgestimmt seien. Für Fortbildun-gen und Schulungen, die in erster Linie in die Sphäre des Handelsvertreters fielen, gelte dies allerdings nicht. 14 Der mit der Hilfsaufrechnung verfolgte bereicherungsrechtliche Werter-satzanspruch im Hinblick auf die überlassene Software bestehe nicht, denn es sei der Beklagten angesichts der Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung gemäß § 86a HGB verwehrt, für eventuell vergütungspflichtige Anteile des Pa-kets bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend zu machen. 15 - 8 - II. 16 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. 17 A. Revision der Beklagten 18 Die Revision ist unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen die Zu-rückweisung ihrer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts und mithin ge-gen die Verurteilung zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 3.680 • nebst Zinsen wegen unberechtigter Abbuchungen für die Nutzung der A. -Software wendet. Die Revision hat hingegen Erfolg, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht der Klage auf die Berufung des Klägers in weitergehendem Umfang als das Landgericht stattgegeben hat. Denn eine Ver-pflichtung zur kostenlosen Überlassung gemäß § 86a Abs. 1 HGB traf die Be-klagte lediglich hinsichtlich der Vertriebssoftware; die von der Beklagten vorge-nommenen Verrechnungen wegen der vom Kläger bestellten Büroartikel und Werbemittel sind hingegen zu Recht erfolgt. 1. § 86a Abs. 1 HGB verpflichtet den Unternehmer, dem Handelsvertre-ter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Ver-fügung zu stellen. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam. Nach allgemeiner Meinung sind die Unterlagen im Sin-ne des § 86a HGB kostenlos zu überlassen (Emde in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 86a Rn. 74; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienst-rechts, 3. Aufl., Rn. 611; Thume, BB 1995, 1913, 1914 f.; OLG Köln, RuS 2009, 87; OLG München, OLGR 2002, 82; OLG Saarbrücken, OLGR 1997, 5, 7). Aus dem Leitbild des Handelsvertreters als selbständiger Vermittler von Geschäften folgt, dass er sich einerseits nicht an den Kosten des Unternehmers beteiligen 19 - 9 - muss, andererseits jedoch das alleinige Risiko der von ihm entfalteten Absatz-bemühungen trägt. Durch eine Beteiligung an Kosten des Unternehmers für Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB wäre der Handelsvertreter indes verpflichtet, auch im Falle erfolgloser Absatzbemühungen für die überlassenen Unterlagen ein Entgelt an den Unternehmer zu zahlen und so letztlich einen Teil des unternehmerischen Risikos des Prinzipals zu tragen (vgl. OLG Saarbrü-cken, aaO; OLG Hamm, NJW-RR 1990, 567, 569 f.). Dies wäre mit der Risiko-verteilung im Handelsvertreterverhältnis unvereinbar. 2. Der Begriff der Unterlagen ist nach allgemeiner Auffassung weit zu verstehen, denn die im Gesetz vorgenommene Aufzählung von Mustern, Zeich-nungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen ist nur bei-spielhaft und nicht abschließend (Thume in Röhricht/v. Westphalen, HGB, 3. Aufl., § 86a Rn. 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 86a Rn. 4; Emde, aaO Rn. 69; OLG Köln, Urteil vom 11. September 2009 - 19 U 64/09, juris Rn. 6). Von dem Begriff der Unterlagen wird alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit - insbesondere zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden - dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt (Emde, aaO; Küstner/Thume, aaO Rn. 608; Oetker/Busche, HGB, 2009, § 86a Rn. 5). 20 3. Umstritten ist hingegen die Frage, unter welchen Voraussetzungen Unterlagen für die Tätigkeit des Handelsvertreters im Sinne des § 86a Abs. 1 HBG "erforderlich" sind. 21 a) Nach einer verbreiteten Meinung, der auch das Berufungsgericht folgt, werden von der Überlassungspflicht nicht nur unverzichtbare Hilfsmittel erfasst. Erforderlich im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB seien darüber hinaus auch die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den 22 - 10 - Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig halte; insbesondere müssten umfassendes Werbematerial und die die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Software kostenlos zur Verfügung gestellt werden (OLG Köln, Urteil vom 11. September 2009 - 19 U 64/09, aaO; Löwisch in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 86a Rn. 16; Emde, aaO Rn. 69 f.). Teilweise werden auch Kundenzeitschriften und produktunspezifische Werbemittel wie Aufkleber und mit dem Logo des Unternehmers versehene Kleidung als gemäß § 86a Abs. 1 HGB "erforderliche" und deshalb kostenlos zu überlassende Un-terlagen eingeordnet (Emde, aaO Rn. 70; OLG Köln, Urteile vom 30. November 2007 - 19 U 84/07, juris Rn. 4 ff., sowie vom 11. September 2009 - 19 U 64/09, aaO Rn. 8). b) Die Gegenmeinung befürwortet eine restriktive Auslegung und ver-langt, dass die Unterlagen für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich sein müssen (LG Bonn, Urteil vom 19. Mai 2009 - 10 O 483/08, juris; Thelen, VersR 2009, 1025, 1030 f.; Roth, BB 2010, 2000, 2003). 23 c) Der zuletzt genannten Auffassung gebührt der Vorzug. Schon der Wortlaut des § 86a Abs. 1 HGB ("erforderliche" Unterlagen) spricht dafür, dass der Handelsvertreter nur solche Unterlagen kostenlos beanspruchen kann, auf die er zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handels-vertretervertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Auch die in der Vorschrift aufgeführten Beispiele stützen eine solche Auslegung, denn es handelt sich jeweils um Unterlagen, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen Pro-dukt haben und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere für Preislisten und Geschäftsbedingungen, ohne die der Handelsvertreter die Vermittlung oder den Abschluss eines Vertrages unter Einhaltung der vom Unternehmer vorgegebenen Konditionen nicht leisten kann. Die übrigen beispielhaft erwähnten Unterlagen, nämlich Muster, Zeichnungen 24 - 11 - und Werbedrucksachen sind - je nach Branche - erforderlich, damit der Han-delsvertreter den künftigen Kunden das Produkt, das er nach dem Handelsver-tretervertrag zu vertreiben hat, überhaupt vorstellen kann. Ohne derartige Un-terlagen, die nur der Unternehmer zur Verfügung stellen kann, ist eine Vermitt-lung oder der Abschluss von Verträgen praktisch ausgeschlossen. 25 Auch die Stellung des Handelsvertreters als selbständiger Unternehmer legt eine enge Auslegung nahe. Die eigentliche Vertriebstätigkeit, also die von ihm zu entfaltenden Bemühungen zur Herbeiführung der Vertragsschlüsse, auf die der Handelsvertretervertrag gerichtet ist, obliegt ihm als selbständigem Un-ternehmer. Ihn trifft insoweit das handelsvertretertypische Risiko, dass sich die von ihm dafür getätigten Aufwendungen und sein Einsatz nur bei erfolgreicher Vermittlung von Verträgen rentieren, weil er sonst keine Einnahmen erzielt. Nach § 87d HGB trägt der Handelsvertreter deshalb - soweit nicht ein Aufwen-dungsersatz durch den Prinzipal handelsüblich ist - die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen selbst. Hierzu gehören die ei-gene Büroausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Repräsentation gegenüber den Kunden (Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 87d Rn. 4). Zu den gemäß § 86a Abs. 1 HGB (kostenlos) vom Unternehmer zur Ver-fügung zu stellenden Unterlagen gehören deshalb nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können. 4. Nach den vorstehend dargelegten Maßstäben handelt es sich bei den vom Kläger bestellten Artikeln (mit Ausnahme des Softwarepakets) entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB, so dass die Beklagte das Provisionskonto des Klägers insoweit zu Recht belastet hat. 26 - 12 - a) Dies gilt zunächst für die der Büroausstattung des Klägers zuzuord-nenden Unterlagen wie Briefpapier, Visitenkarten und Erhebungsbögen, auch wenn diese Artikel mit dem Logo der Beklagten versehen sind. Mit dem einheit-lichen Logo mag ein Werbeeffekt für die Beklagte und ihr System der Finanzbe-ratung verbunden sein, der in erster Linie der Beklagten, mittelbar aber auch dem Kläger zu Gute kommen dürfte. Das einheitliche Logo macht die Artikel aber entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung noch nicht zu "produkt-spezifischen Hilfsmitteln" und nimmt ihnen auch nicht den Charakter als Büro-ausstattung (vgl. Evers, VW 2010, 137). Angesichts dessen rechtfertigt auch der Umstand, dass die Beklagte in ihren Geschäftsanweisungen großen Wert auf die Erhebung der zur Beurteilung der Vermögenssituation erforderlichen Daten legte, weil diese für eine von der Beklagten versprochene "Finanzopti-mierung" unerlässliche Grundlage war, keine andere Beurteilung. 27 b) Auch bei den Werbeartikeln ("Give-aways") und den Mandantenord-nern, die der Kläger von der Beklagten bezogen hat, handelt es sich, anders als bei den in § 86a HGB genannten (produktbeschreibenden) Werbedrucksachen, nicht um für die Vermittlungstätigkeit notwendige Unterlagen. Derartige Auf-merksamkeiten dienen der allgemeinen Kundenpflege und sollen dazu beitra-gen, ein Klima zu schaffen und aufrechtzuerhalten, das Geschäftsabschlüsse erleichtert. Solche "Kundengeschenke" gehören ähnlich wie Bewirtungskosten und Repräsentationsaufwand zum Geschäftsaufwand des Handelsvertreters. 28 c) Auch die Zeitschrift "F.
" dient der allgemeinen Kundenpfle-ge und soll allgemein das Interesse der Kunden an den Beratungsleistungen der Beklagten und den Produkten der Partnergesellschaften wecken. Ein unmit-telbarer Bezug zu den Produkten der Partnergesellschaften ist nicht vorhanden; die Kundenzeitschrift kann daher nicht mit einer Produktbroschüre verglichen 29 - 13 - werden, auf die der Handelsvertreter zur Vermittlung von Verträgen gegebenen-falls angewiesen ist. 30 5. Dagegen ist dem Berufungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die Beklagte die A. -Business-Software kostenlos zur Verfügung zu stel-len hatte. Die gegenteilige Vergütungsvereinbarung ist gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam. Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass es sich bei dem Softwarepaket jedenfalls bezüglich eines Teils der darin enthaltenen Software-komponenten um eine für die Tätigkeit des Klägers als ihres (Unter-) Handelsvertreters unverzichtbare Unterlage handelt. Da die Beklagte die un-verzichtbare Vertriebssoftware dem Kläger gemäß § 86a Abs. 1 HGB kostenlos zur Verfügung zu stellen hatte, ist die für das A. -Business-Paket getroffene Vergütungsvereinbarung unwirksam. Entgegen der Auffassung der Revision kann die Vergütungsvereinbarung auch nicht teilweise aufrechterhalten werden. Zwar bezieht sich der Nutzungsvertrag nach den Feststellungen des Beru-fungsgerichts auch auf Softwarekomponenten, die der vom Kläger grundsätz-lich selbst zu finanzierenden allgemeinen Büroorganisation zugerechnet werden können. Dies führt aber entgegen der Auffassung der Revision nicht dazu, dass der Kläger zumindest einen Teil des Entgelts für die Nutzung des Soft-warepakets schuldet. Denn Vertragsgegenstand war die Nutzung eines zu ei-nem einheitlichen Preis angebotenen, auf die Bedürfnisse des Handelsvertre-ters abgestimmten Softwarepakets; dabei handelt es sich nach der Ver-kehrsauffassung um ein einheitliches Produkt. 6. Die somit vom Berufungsgericht zu Recht bejahten Ansprüche auf Auszahlung der für die A. -Software einbehaltenen Beträge sind nicht ver-jährt. Dies gilt auch für die im Jahre 2004 entstandenen Ansprüche, da die Ver-jährung durch die am 17. Januar 2008 erfolgte Zustellung des noch im Dezem-ber 2007 beantragten Mahnbescheides rechtzeitig gehemmt worden ist (§ 204 31 - 14 - Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO). Entgegen der Ansicht der Revision genügte der Mahnbescheidsantrag den Anforderungen an die Individualisierung des An-spruchs gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. 32 Dazu ist es erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den An-spruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehen-den Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 23. Januar 2008 - VIII ZR 46/07, NJW 2008, 1220 Rn. 13; vom 21. Oktober 2008 - XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Rn. 18; vom 10. Juli 2008 - IX ZR 160/07, NJW 2008, 3498 Rn. 7; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 229/09, NJW-RR 2010, 1455 Rn. 11; vom 17. November 2010 - VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 39 zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB aF mwN). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist dabei nicht, dass aus dem Mahnbe-scheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten An-sprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (BGH, Urteile vom 23. Januar 2008 - VIII ZR 46/07, aaO Rn. 15; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 229/09, aaO; vom 17. November 2010 - VIII ZR 211/09, aaO Rn. 11). Diesen Anforderungen genügt hier der Mahnbescheidsantrag, denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsurteils war für die Beklag-te durch die vorangegangenen Forderungsschreiben des Klägers, welche die Beklagte zurückgewiesen hat, eindeutig erkennbar, auf welchen Lebenssach-33 - 15 - verhalt der Kläger seine Forderungen gründet und aus welchen Einzelforderun-gen sich der Anspruch zusammensetzt. Einer näheren Aufschlüsselung der Forderungen im Mahnbescheid oder einer Bezugnahme auf das letzte Forde-rungsschreiben bedurfte es daher nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2010 - VIII ZR 211/09, aaO Rn. 12). 34 7. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungs-gericht hat einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) wegen der dem Kläger überlassenen Software zu Recht verneint. Rechtsgrund für die dem Kläger eingeräumte Softwarenutzung ist sein aus § 86a HGB folgender Anspruch auf kostenlose Überlassung der speziellen A. -Vertriebssoftware. Da die Beklagte das dem Kläger überlassene, aus ver-schiedenen Softwarekomponenten bestehende Paket nur einheitlich angeboten hat, kommt eine nachträgliche Aufspaltung in einzelne Komponenten nicht in Betracht. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beklagte für einzelne Kompo-nenten, soweit sie diese dem Beklagten gesondert angeboten hätte, eine Ver-gütung hätte verlangen können, weil es sich insoweit um allgemeine und des-halb vom Handelsvertreter selbst zu finanzierende Bürosoftware handelte. B. Anschlussrevision des Klägers 35 Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Be-klagte die Kosten für die vom Kläger in Anspruch genommenen Schulungen von den verdienten Provisionen abziehen durfte, so dass dem Kläger insoweit kein Erstattungsanspruch zusteht. Bei den Schulungen und Seminaren der Be-klagten, an denen der Kläger teilgenommen hat, handelt es sich nicht um erfor-derliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB. 36 - 16 - Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der Unterneh-mer Veranstaltungen kostenlos anbieten müsse, wenn sie der Übermittlung von Informationen dienten, die der Handelsvertreter zur Ausübung seiner Tätigkeit benötige, wie beispielsweise Informationen über den Gegenstand des Ver-triebsobjekts, den Kundenkreis oder die Lieferbedingungen (Emde, aaO Rn. 70). Inwieweit dem zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung, denn um die Vermittlung derartiger Informationen geht es hier nicht. Gegenstand der von der Anschlussrevision als Beispiel genannten Seminare - etwa zum Erwerb von Lizenzen, ohne die die Handelsvertreter der Beklagten Beratungen für bestimm-te Geschäfte (z. B. Immobiliengeschäfte) nicht durchführen dürfen - war nicht die Übermittlung von Produktinformationen, Geschäftsbedingungen oder ähnli-chen Nachrichten über die zu vertreibenden Produkte der Partnergesellschaf-ten, sondern die Vermittlung von Fachkenntnissen, die der Handelsvertreter für den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte allgemein benötigt. Eine Verpflichtung des Unternehmers, dem Handelsvertreter den Erwerb derartiger Fachkenntnis-se zu finanzieren, lässt sich § 86a Abs. 1 HBG nicht entnehmen. Die von der Anschlussrevision befürwortete analoge Anwendung des § 86a Abs. 1 HGB kommt schon mangels Bestehen einer Regelungslücke nicht in Betracht. 37 III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, so-weit das Berufungsgericht bezüglich der Klage zum Nachteil der Beklagten entschieden hat; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen 38 - 17 - Urteils hinsichtlich der Klage. Die weitergehende Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers sind zurückzuweisen. Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer Vorinstanzen: LG Hannover, Entscheidung vom 03.03.2009 - 24 O 40/08 - OLG Celle, Entscheidung vom 10.12.2009 - 11 U 51/09 -
Meta
04.05.2011
Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 11/10 (REWIS RS 2011, 7050)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 7050
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
VIII ZR 10/10 (Bundesgerichtshof)
Anspruch des Handelsvertreters auf kostenlose Bereitstellung erforderlicher Unterlagen: Büroausstattung, Werbeartikel, Vertriebssoftware, Schulungen und Seminare
VIII ZR 10/10 (Bundesgerichtshof)
VIII ZR 11/10 (Bundesgerichtshof)
Handelsvertretervertrag: Umfang der dem Handelsvertreter vom Unternehmer kostenlos zur Verfügung zu stellenden Unterlagen
19 U 64/09 (Oberlandesgericht Köln)
12 U 165/15 (Oberlandesgericht Hamm)
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