Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. XI ZR 247/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 393

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:191217UXIZR247.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XI ZR 247/16
Verkündet am:

19. Dezember 2017

Herrwerth

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19.
Dezember 2017
durch den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, die Richter Maihold
und Dr.
[X.] sowie die Richterinnen Dr.
Derstadt
und Dr.
Dauber
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 12.
Mai
2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger
macht
gegen die [X.] Zahlungsansprüche aus von dieser emittierten Staatsanleihen geltend, die im März 2012 eingezo-gen und durch neue Anleihen mit einem niedrigeren Nennwert ersetzt wurden.
Im November 2011 und im Januar 2012 erwarb der Kläger von der [X.] im Jahr 2008
emittierte
ISIN-GR-Anleihen zu
einem
Nennbetrag von insgesamt 10.000

Die Anleihen sollten mit einem Zinssatz von 4% p.a. ver-zinst werden und jeweils am 20.
August eines Jahres fällig sein; Gesamtfällig-keit sollte am 20.
August 2013 eintreten.
In den
Anleihebedingungen, die
keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten,
war be-stimmt, dass
die Anleihen [X.] Recht unterfallen. Es handelte sich
um 1
2
-
3
-
dematerialisierte Wertpapiere, die
als Wertrechte ausgegeben wurden und
im Girosystem der [X.] Zentralbank registriert waren.
Das Girosystem der [X.] Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen [X.] (sog. "Träger"), die daran nur mit Zulassung durch die [X.] Zentralbank teilnehmen können. Nach Art.
6 Abs.
4 des [X.]
Gesetzes 2198/1994 in der durch das [X.] geänderten Fassung (nachfol-gend: [X.]) erfolgt die Übertragung des Titels, die gemäß Art.
6 Abs.
2 auch an Dritte ("Investoren") zulässig ist, dann aber nur zwischen den Parteien wirkt und zu keinen Rechtsfolgen zu Gunsten oder zu Lasten des [X.] Staates oder der [X.] führt, durch Gutschrift auf dem Konto des Berechtigten. Gemäß Art.
6 Abs.
5 des Gesetzes 2198/1994 nF werden die Konten der Träger im System der Zentralbank und die Konten der Investoren bei den [X.] geführt.
Der Kläger erwarb die Anleihen über die sein Depot führende S

AG & Co KG mit Sitz in W.

(nachfolgend: Depotbank). Auf den ihm er-teilten Abrechnungen zu den getätigten
Anleihekäufen findet sich unter "[X.]" der Hinweis "Lagerland [X.]".
Im Zuge der Restrukturierung des [X.] Staatshaushaltes wurde durch das [X.] [X.] vom 23.
Februar 2012 geregelt, dass durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger Anleihebedingungen geän-dert und ein Umtausch von Anleihen gegen neue Anleihen
vorgesehen werden können und diese Entscheidung sodann durch Beschluss des Ministerrates der Beklagten für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Nach Art.
1 Abs.
9 des [X.] bewirkt zum einen der
[X.]beschluss, dass auch die überstimmte Minderheit der Anleihegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist und dieser Vorrang vor gegenteiligen Gesetzesbestimmungen, Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen hat. Zum anderen führt im Fall eines Austausches der betroffenen Titel die Einbuchung der neuen Titel im Girosys-tem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln. Ge-3
4
-
4
-
mäß Art.
1 Abs.
4 des Gesetzes
4050/2012 erfordert eine Änderung der be-troffenen Anleihen, dass die Anleihegläubiger sich an der Abstimmung über die Änderung bzw. den Umtausch mit einem Quorum von mindestens 50% des ausstehenden Nennbetrages beteiligen und eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln des teilnehmenden Kapitals dem Änderungsvorschlag zustimmt.
Mit Beschluss vom 24.
Februar 2012 entschied der Ministerrat der [X.], das im [X.] vorgesehene Verfahren in Gang zu setzen. Den [X.] wurde angeboten, die betroffenen Anleihen, darunter auch die streitgegenständlichen Anleihen, gegen andere Anleihen mit einem um 53,5% verringerten Nennwert und anderen Laufzeiten
umzutauschen.
Mit Schreiben vom 28.
Februar 2012 informierte die Depotbank den Kläger über
das an die Anleihegläubiger gerichtete Angebot der Beklagten mit dem Hinweis, dass dieses Schreiben keine Aussage über die Berechtigung des [X.], an der Maßnahme teilzunehmen, beinhalte. Der Kläger stimmte dem Angebot nicht zu.
Die [X.] Regierung teilte am 9.
März
2012 mit, dass nach der durchgeführten Abstimmung der Anleihegläubiger die nach dem [X.] vorgesehenen Voraussetzungen für die Annahme des Änderungs-vorschlags erfüllt seien. Mit ihrer Billigung durch Beschluss des [X.] der Beklagten vom gleichen Tag
wurde diese Mehrheitsentscheidung gemäß den Bestimmungen des [X.] allgemeinverbindlich. Aufgrund [X.] wurden am
12.
März
2012 die alten Anleihen aus dem bei der [X.] Zentralbank geführten System ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen eingebucht. Daraufhin nahm die Depotbank am 14.
März
2012 im Depot des [X.] die entsprechenden
Umbuchungen vor.
Mit seiner Klage verlangt
der
Kläger
im Wesentlichen Zahlung des Nennwerts
der ursprünglichen Anleihen
zuzüglich Zinsen sowie abzüglich ver-einnahmter Zahlungen, Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der neuen Anleihen. Er stützt seine
Klage in erster Linie auf von ihm
behauptete 5
6
7
-
5
-
vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staats-anleihen und hilfsweise auf deliktische Schadensersatzansprüche wegen [X.] vorsätzlicher Schädigung.
Das [X.]
hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Klage der Grundsatz der [X.] entgegenstehe
und im Übrigen ein [X.]sstand in [X.] nicht gegeben sei. Die Berufung des [X.]
hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
der
Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner
in [X.], 1590
ver-öffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse,
im Wesentlichen ausgeführt:
Das [X.] habe die Klage im Ergebnis mit Recht als unzulässig abgewiesen. Soweit der Kläger
hilfsweise deliktische Schadensersatzansprü-che geltend mache, stehe der Klage der vorrangig und von Amts wegen zu be-rücksichtigende Grundsatz der [X.] entgegen.
Dies gelte jedoch nicht für die von dem
Kläger in erster Linie geltend ge-machten vertraglichen Rückzahlungsansprüche aus den Staatsanleihen. Inso-weit sei die Beklagte nicht in ihrem hoheitlichen Aufgabenbereich betroffen. Denn die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen stelle ein nicht-hoheitliches Handeln dar.
Diese Einordnung werde nicht dadurch berührt, dass 8
9
10
11
12
-
6
-
der Kläger einen Verstoß gegen den [X.] durch das [X.] anführe. Denn die hierdurch suggerierte Überprüfung fremdstaatli-cher hoheitlicher Maßnahmen, die der Grundsatz der [X.] verhin-dern wolle, finde bei der Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art.
6 [X.]BGB nicht statt. Die Emission von Staatsanleihen verliere ihren fiskalischen Charak-ter auch nicht durch die späteren, zum Zweck des Zwangsumtauschs der [X.] durchgeführten Maßnahmen des [X.] Gesetzgebers und der [X.] Regierung, auch wenn diese hoheitlicher Natur seien.
Allerdings sei, soweit die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den alten Staatsanleihen gestützt werde, die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte nicht eröffnet.
Zwar handele es sich
insoweit um eine Zivil-
und Handelssache im Sinne von Art.
1 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssa-chen (nachfolgend: [X.] aF). Jedoch seien weder die Voraussetzungen des [X.] gemäß Art.
15 Abs.
1 Buchst.
c, Art.
16 Abs.
1 [X.] aF gegeben noch liege der gemäß Art.
5 Nr.
1 Buchst.
a [X.] aF maßgebliche Erfüllungsort in [X.], so dass auch der in der Berufungs-instanz hilfsweise gestellte Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] am Main
keinen Erfolg habe.

II.
Diese Beurteilung
hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die [X.] Gerichtsbarkeit eröffnet ist, soweit die Klage auf vertragliche Rück-13
14
15
-
7
-
zahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gestützt ist. Der Grundsatz der [X.] steht der Klage insgesamt entgegen.
a) Die Frage, ob die [X.] Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der [X.] eröffnet ist, ist von Amts wegen ([X.] 46, 342, 359; [X.], Urteile vom 9.
Juli
2009

III
ZR
46/08, [X.]Z 182, 10 Rn.
20 mwN, vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.]Z 209, 191 Rn.
11 und vom 24.
März
2016

VII
ZR
150/15, [X.]Z 209, 290 Rn.
16) und vor Ermittlung der internationalen Zustän-digkeit ([X.], Urteil vom 8.
März
2016, aaO, und Beschluss vom 26.
November 2015

III
ZR
26/15, juris Rn.
3; Stürner, [X.] 2008, 197, 203 mwN; Wagner, [X.] 2014, 260, 261) zu prüfen.
b) Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von [X.]immu-nität die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich aner-kannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichts-barkeit unterworfen ist. Allerdings hat das Recht der allgemeinen [X.]immu-nität, nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreiten-den Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für [X.] ("acta iure gestionis") genießt (vgl. [X.] 16, 27, 33 ff.; 117, 141, 152 f.; [X.], NJW 2014, 1723 Rn.
19; [X.], Urteil vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.]Z 209, 191 Rn.
12). [X.] besteht aber nach dem als Bundesrecht im Sinne von Art.
25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohn-heitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen ("acta iure imperii"), soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet. Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen [X.], was mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von [X.] und dem [X.] folgenden Rechtsprinzip, dass [X.] nicht übereinander zu Gericht sit-zen, nicht vereinbar wäre (vgl. [X.] 117, 141, 152 f.; [X.], NJW 2014, 16
17
-
8
-
1723 Rn.
19
f.; [X.], Urteile vom 26.
September 1978

VI
ZR
267/76, [X.], 586 und vom 8.
März
2016, aaO).
Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätig-keit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Sie kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates,
wenn auch nicht insgesamt, aber doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist vielmehr die [X.] der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist ([X.] 16, 27, 61 f.; [X.], Urteil vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.]Z 209, 191 Rn.
14 und Beschluss vom 30.
Januar 2013

III
ZB 40/12, [X.], 1903 Rn.
11).
Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu
beurteilen ([X.] 16, 27, 62; [X.], NJW 2014, 1723 Rn.
21; [X.], Urteil vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.]Z 209, 191 Rn.
15), hier also nach [X.] Recht.
Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den [X.] allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. [X.] 16, 27, 63; [X.], NJW
2014, 1723 Rn.
21; [X.], Urteil vom 8.
März
2016, aaO). Insoweit kann es aus-nahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich ein-zuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der [X.]immunität unterfallenden Akt iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum 18
19
-
9
-
Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl.
[X.] 16, 27, 63 f.; [X.], NJW
2014, 1723 Rn.
21; [X.], Urteil vom 8.
März
2016, aaO).
c) Nach diesen Grundsätzen steht

wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat

der Klage der Grundsatz der [X.] entgegen, soweit sie hilfsweise auf einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gestützt ist. Entgegen der Ansicht der Revision wird dieser Anspruch nicht aus den ursprünglichen Anleihebedingun-gen hergeleitet. Vielmehr
besteht insoweit das maßgebliche, potentiell [X.] Verhalten der Beklagten im Erlass des [X.] vom 23.
Februar 2012 sowie dem Beschluss des [X.] vom 9.
März
2012, aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger über das Um-tauschangebot allgemeinverbindlich wurde und bei denen es sich um [X.] handelt, deren Rechtmäßigkeitskontrolle der Grundsatz der [X.] verhindern will ([X.], Urteil vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.] 209, 191 Rn.
19
ff.).
Das Berufungsgericht hat ebenfalls zutreffend entschieden, dass
der
Einordnung der
hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnah-men als hoheitlich

entgegen der Ansicht der Revision

das Urteil des [X.] der [X.] (nachfolgend: [X.]) vom 11.
Juni
2015 ([X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.], Fahnenbrock u.a., [X.], 1250) nicht entgegensteht.
Dieses Urteil ist zur Auslegung von Art.
1 Abs.
1 der [X.] ([X.]) Nr.
1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13.
November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-
oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur [X.] ([X.]) Nr.
1348/2000 des Rates ([X.], ABl. L 324, [X.]) ergangen und befasst sich nur mit der Zustellung von Klagen, also mit der Möglichkeit, einen Sachverhalt überhaupt zur gerichtlichen Überprüfung zu bringen und die Gelegenheit zur Klärung komplexer juristischer Fragen zu 20
21
-
10
-
schaffen. Demgemäß hat der [X.] auf die Besonderheiten des unionsrechtli-chen Zustellungsrechts abgestellt, insbesondere auf das mit der [X.] ver-folgte Ziel der Schnelligkeit bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke und die damit verbundene Beschränkung auf eine erste Prüfung der vorliegenden In-formationen (vgl. [X.], aaO Rn.
46). [X.] stellen sich auf dieser Stufe noch nicht, sondern erst auf der Stufe der Gerichtsbarkeit, die der Zustel-lung nachgelagert ist ([X.], Urteil vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.]Z 209, 191 Rn.
24; [X.], [X.], 285, 288; [X.], [X.] 2015, 503, 504; [X.], EWiR 2015, 495, 496).
d) Allerdings ist die [X.] Gerichtsbarkeit

entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts

nach den Grundsätzen der [X.] auch insoweit nicht eröffnet, als die Klage auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen gestützt ist (ebenso [X.], [X.], 285, 289
ff.; [X.], Urteil vom 8.
Dezember 2016

14
U 4840/15, juris Rn.
145
ff.; [X.], Urteil vom 26.
Mai 2017

6 U
1/17, n.v. Umdruck S. 11 ff.; [X.], Urteil vom 21.
Juni 2017

5
U 1533/16, n.v. Umdruck S. 7; [X.], Urteil vom 21.
Juli 2017

16
U 85/16, n.v. Umdruck S. 21 ff.; [X.], Urteil vom 1.
September 2017

6
U 186/16, n.v. Umdruck S. 12
ff.; [X.], Urteil vom 1.
September 2017

1
U 145/16, n.v. Umdruck S. 8 ff.; KG, Urteil vom 11.
September 2017

10
U 173/15, n.v. Umdruck S. 6
ff.; [X.], Urteil vom 19.
November 2013

2
O 132/13, [X.]. 2013 Nr.
172 S. 370, 372; [X.], [X.] 2016, 76, 77 ff.; [X.], Urteil vom 16.
November 2015

21
O 1342/14, BeckRS 2015, 116949 Rn.
16; [X.], Urteile vom 19.
Oktober 2016

1
O 216/14, juris Rn.
130
ff.
und vom 14.
Dezember 2016

1
O 317/13, juris Rn.
52
ff.; Freitag in [X.]/[X.], Internationales Vertragsrecht, 8.
Aufl., Rn.
6.657).
aa) Zwar stellt die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht ein nicht-hoheitliches Handeln dar (vgl. nur [X.] 117, 141, 153; [X.], Urteil vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.]Z 22
23
-
11
-
209, 191 Rn.
17;
[X.], [X.], 1878, 1880; [X.], [X.], 1253, 1255 und [X.], 285, 287; vgl. auch [X.], Urteil vom 11.
Juni
2015

[X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.], Fahnenbrock u.a., [X.], 1250 Rn.
53).
Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kommt es für die Frage der Immunität aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten ([X.], Urteil vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.]Z 209, 191 Rn.
17). Demgemäß hat das Bundesverfas-sungsgericht in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den [X.] zugrunde lag (vgl. [X.], 244 Rn.
6), der den Nettolohn eines bei ihm in [X.] beschäftigten Staatsbürgers wegen der Einführung einer Quellensteuer in Höhe von 5% des [X.] gekürzt hatte, die Immunität mit der Begründung bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei die hoheitlich zu beurteilende Besteuerung mit der ausländischen Quellensteuer durch den [X.], nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privat-rechtlichen Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten (Brutto)Gehalts ([X.], NJW 2014, 1723 Rn.
22). Damit hat das Bundesver-fassungsgericht nicht auf die teilweise Nichtzahlung des Arbeitsentgelts abge-stellt, sondern auf den Grund für diese Nichtzahlung, nämlich die Steuererhe-bung ([X.], [X.], 285, 289).
bb) Nach diesen Maßgaben ist für die Beurteilung der Immunität im vor-liegenden Fall unabhängig von der rechtlichen Einkleidung der geltend gemach-ten Zahlungsansprüche nicht die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch Emis-sion von Staatsanleihen, sondern die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung der Anleihen aus dem
Wertpapier-depot des [X.] führten, maßgeblich ([X.], [X.], 285, 289 ff.; [X.], Urteil vom 8.
Dezember 2016

14
U 4840/15, juris Rn.
146 ff.; [X.], Urteil vom 19.
November 2013

2
O 132/13, [X.]. 2013 24
25
-
12
-
Nr.
172 S.
372; [X.], [X.] 2016, 76, 77; [X.], Urteile vom 19.
Oktober 2016

1
O 216/14, juris Rn.
131 und vom 14.
Dezember 2016

1
O 317/13, juris Rn.
53).
(1) Auch wenn sich der Kläger darauf beruft, vertragliche Erfüllungsan-sprüche aus den ursprünglich von ihm
erworbenen Staatsanleihen geltend zu machen, ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Rechtsstreits nicht [X.] die im Zeitpunkt der Fälligkeit verweigerte Erfüllung eines im Rahmen ei-nes privatrechtlichen Vertrages von der Beklagten als Vertragspartnerin ge-schuldeten Zahlungsanspruchs ist (ebenso [X.], [X.], 285, 289; [X.], Urteil vom 8.
Dezember 2016

14
U 4840/15, juris Rn.
147; [X.], Urteil vom 19.
Oktober 2016

1
O 216/14, juris Rn.
132; KG, Urteil vom 11.
September 2017

10
U 173/15, n.v. Umdruck S. 7). Denn bei den streitgegenständlichen Anleihen handelt es sich um (dematerialisierte) Wertpapiere, die [X.] Recht unterlagen, im System der [X.] Zentralbank geführt wurden und unstreitig vor Eintritt ihrer Fälligkeit auf der Grundlage des [X.] und des [X.]beschlusses vom 9.
März
2012 zunächst aus diesem System und in der Folge auch aus dem
Wertpapierdepot
des
[X.]
ausgebucht wurden. Ferner
ist in Art.
1 Nr.
9 des [X.] vorgesehen, dass die Einbuchung der neuen Anleihen im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten [X.] führt.
Angesichts dieser Umstände würde die Zuerkennung eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs denknotwendig voraussetzen, dass das angerufene [X.] die Rechtswidrigkeit und eine daraus ggf. resultierende Nichtigkeit oder Unbeachtlichkeit des [X.] und des [X.]beschlusses vom 9.
März
2012 feststellt (vgl. [X.], [X.], 285, 289; [X.], Urteil vom 8.
Dezember 2016

14
U 4840/15, juris Rn.
149; [X.], [X.] 2016, 76, 78 f.; [X.], Urteil vom 26.
April 2016

5
O 218/14, n.v. Umdruck S. 20).
26
27
-
13
-
Damit ist aber gerade eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns der Beklagten erforderlich, die mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von [X.] und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass [X.] nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. [X.], [X.], 481, 485). Denn es geht

ebenso wie im Rahmen außervertraglicher Ansprüche

maß-geblich um die Frage, ob der [X.] Gesetzgeber berechtigt war, mit [X.] gegenüber ausländischen Gläubigern, die beim Erwerb der Anleihen in die Geltung seiner Zivilrechtsordnung eingewilligt hatten, gegen deren Willen neue Vorschriften in seine Rechtsordnung einzufügen, welche früher geltende Nor-men ersetzen oder ergänzen. Gerade dadurch ist aber der Grundsatz der [X.]immunität unmittelbar berührt (vgl. [X.], Urteil vom 8.
März
2016

VI
ZR
516/14, [X.]Z 209, 191 Rn.
25; [X.], [X.], 285, 290 f.; [X.] EWiR 2016, 577, 578).
(2) Die Beklagte
kann

entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts
(ebenso [X.], [X.], 1878, 1880; [X.] WuB 2017, 290, 293; [X.] [X.] 2016, 80, 81)

auch nicht mit einem sonstigen Schuldner einer privaten Forderung gleichgesetzt werden, der sich darauf beruft, seine Verbindlichkeit sei durch ein Gesetz oder eine andere hoheitliche Maßnahme erloschen, und dessen Einwendung nach dem anwendbaren materiellen Recht zu prüfen ist ([X.], Urteil vom 1.
September 2017

6
U 186/16, n.v. Um-druck S. 14 f.). Denn die Beklagte hat hier die zum Erlöschen ihrer Verbindlich-keit führenden
Maßnahmen selbst in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger durch Parlamentsgesetz und [X.]beschluss erlassen, während einem privaten Schuldner ein gesetzlicher Eingriff in vertragliche Verpflichtungen unmöglich ist ([X.], Urteil vom 1.
September 2017, aaO; [X.], Urteil vom 19.
Oktober 2016

1
O 216/14, juris Rn.
132; [X.], [X.], 1793, 1794).

cc) Wie bereits oben unter [X.]) ausgeführt, steht der Einordnung der hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnahmen als hoheitlich 28
29
30
-
14
-
das Urteil des [X.] vom 11.
Juni
2015 ([X.]/13, [X.]/13, [X.]/13, [X.], Fahnenbrock u.a., [X.], 1250) nicht entgegen.
[X.]) Der Verneinung der [X.]n Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall steht auch nicht das
Urteil des [X.] vom 20.
Juli
2016 (IV
ZR 245/15, [X.], 1586) entgegen
(ebenso [X.], Urteil vom 1.
September 2017

6
U 186/16, n.v. Umdruck S. 16). In diesem
Urteil hat der [X.] entschieden, dass eine Klage auf Rückzahlung [X.]r Staatsan-leihen, die von der [X.] wegen des Zwangsumtausches der Anleihen aufgrund des [X.] verweigert wird, vom Deckungs-schutz in der Rechtschutzversicherung nicht durch eine Klausel ausgeschlos-sen ist, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interes-sen in [X.],
[X.], Flurbereinigungs-
sowie im Baugesetz-buch geregelten Angelegenheiten besteht ([X.], aaO Rn.
20 ff.). Die Frage der

möglicherweise fehlenden

Erfolgsaussichten einer Klage gegen die [X.] ist offen gelassen worden, weil dieser Einwand nicht in der gebo-tenen Form und Frist erhoben worden war ([X.], aaO Rn.
32
ff.).
ee) Das
Bestehen
der [X.]n Gerichtsbarkeit ergibt sich auch nicht aus Art.
10 Abs.
1 des Übereinkommens der [X.] über die Im-munität der [X.] und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2.
Dezember 2004
(ILM 44 (2005), 801, 807), da dieses Übereinkommen bisher nicht in [X.] getreten
und weder von [X.] noch von
[X.] [X.] oder ratifiziert
worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die in diesem Ar-tikel enthaltene Regelung, die überdies die Feststellung einer internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts
voraussetzt
(vgl. [X.] (2) S.
34),
die Immunität über die oben dargestellte Rechtsprechung hinaus ein-schränken würde und insoweit als Völkergewohnheitsrecht gälte (so zu der [X.] in Art.
11 des Übereinkommens [X.]MR, Urteile vom 23.
März
2010

15869/02, [X.]/[X.], Slg. 2010 -
III, 153 Rn.
66 f. und vom 29.
Juni
2011

34869/05, Sabeh [X.]/[X.], [X.] 2012, 1333 Rn.
54; 31
32
-
15
-
in Bezug auf Art.
10 offengelassen von [X.], Urteil vom 24.
März
2016

VII
ZR
150/15, [X.]Z 209, 290 Rn.
21 und 24), sind nicht ersichtlich (vgl. [X.], Urteil vom 1.
September 2017

6
U 186/16, n.v. Umdruck
S. 18).
ff) Schließlich steht der Verneinung der [X.]n Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall auch nicht das Urteil des [X.] vom 26.
April
2017 (5
AZR 962/13, [X.] 2017, 611 Rn.
15 ff.)
entgegen. Die diesem Urteil zugrundeliegende Fallkonstellation ist nicht mit der hier in Rede stehenden [X.], da die streitgegenständlichen Anleihen [X.] Recht unterla-gen, im System der [X.] Zentralbank geführt wurden und aufgrund der streitgegenständlichen hoheitlichen Maßnahmen
aus diesem System ausge-bucht und durch neue Anleihen ersetzt wurden.
33
-
16
-
2. Da die Klage somit schon deshalb unzulässig ist, weil die [X.] Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Auffas-sung des Berufungsgerichts, die internationale Zuständigkeit [X.] Gerich-te ergebe sich weder aus Art.
15 Abs.
1, Art.
16 Abs.
1 [X.] aF noch aus Art.
5 Nr.
1 Buchst.
a [X.] aF, rechtlicher Überprüfung standhält.

Ellenberger

Maihold

[X.]

Derstadt

Dauber

Vorinstanzen:
LG
[X.], Entscheidung vom 31.07.2015 -
32 [X.]/14 -

[X.], Entscheidung vom 12.05.2016 -
8 U 44/15 -

34

Meta

XI ZR 247/16

19.12.2017

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2017, Az. XI ZR 247/16 (REWIS RS 2017, 393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 393

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 247/16

8 U 44/15

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