Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2015, Az. VI ZR 132/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12367

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR
132/13

vom
21. April 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 165, § 160 Abs. 3 Nr. 7, § 311 Abs. 2 Sätze 1 und 2
Zur Beweiskraft des Protokolls für die Vorlesung einer schriftlich fixierten Entschei-dungsformel ([X.] an [X.], Beschluss vom 11.
März 2015 -
XII
[X.], Rn.
14).
[X.], Beschluss vom 21. April 2015 -
VI [X.]/13 -
OLG [X.]

LG Limburg

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2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 21. April
2015
durch den Vor-sitzenden Richter Galke, die Richter
Wellner und [X.] sowie die Richterinnen von [X.] und Dr. Oehler
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 10.
Zivilsenats des [X.] vom 11.
September 2012 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 23.586,78

Gründe:

I.
Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz eines
Verdienstausfall-schadens
infolge eines Unfalls vom 28.
Februar 2005, bei dem er
auf einer glat-ten, ungestreuten Fläche auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu Fall kam. Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit.
Das [X.] hatte die Klage am 27.
Oktober 2009 abgewiesen. Auf die Berufung des [X.]
hat das [X.] mit Urteil vom 13.
Juli 2010 das Urteil des [X.]s aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen. Das [X.] hat danach mit Urteil vom 27.
Oktober 2011 die Klage erneut abgewiesen.
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Auf die erneute Berufung des [X.]
fand am 11.
September 2012 vor dem Einzelrichter des Berufungsgerichts
eine mündliche Verhandlung statt.
Nach Anhörung des [X.], Erörterung der Sach-
und Rechtslage und nach-dem die
Parteien die
eingangs gestellten Anträge
erneuert hatten,
verkündete der Einzelrichter, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung verkündet werden solle. Nach der Wiedergabe ergänzender Erklärungen der Parteien zum Sachverhalt heißt es im Protokoll:
"Bei Wiederaufruf der Sache am Schluss der Sitzung erschien niemand.
Es wurde
folgendes Urteil verkündet:
Im Namen des Volkes
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Beklagten sind verpflichtet, dem Kläger als Gesamtschuldner den [X.] zu ersetzen, der diesem dadurch entstanden ist, dass er nicht ab dem 1.03.r-den ist.
Hinsichtlich des Streits über die Höhe des dem Kläger aufgrund des [X.] dieses monatlichen Bruttolohns zustehenden Ersatzanspruchs wird die Sache an das Gericht des ersten [X.] zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Berufungsinstanz mit zu entscheiden haben wird.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen."

Das Protokoll war vom Einzelrichter und unter dem Vermerk "Für die Richtigkeit der Übertragung vom Tonträger" von der Schreibkraft unterzeichnet.
Dieses Protokoll ist den Parteien am 18.
September 2012 mit einem An-schreiben des Gerichts vom 14.
September 2012 übersandt worden.
Das mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehene und vom [X.] unterschriebene Urteil ist ausweislich des Vermerks auf dem Urteil am 6.
März 2013 zur Geschäftsstelle gelangt. Es ist den Prozessbevollmächtigten 3
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der Parteien auf Veranlassung des Gerichts am 8.
März 2013 zugestellt [X.]. Am 26.
März 2013 haben die Beklagten Nichtzulassungsbeschwerde ge-gen dieses Urteil eingelegt und sie nach entsprechender Fristverlängerung am 4.
Juli 2013 begründet.

II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
544 Abs.
1 Satz
2 Fall 2 ZPO unzulässig, denn sie wurde nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils beim [X.] eingelegt. Nach der Verkün-dung des Urteils am 11.
September 2012 war die Frist zur Einlegung der Nicht-zulassungsbeschwerde am 11.
März 2013 abgelaufen.
Die
Nichtzulassungsbe-schwerde ist jedoch erst am 26.
März 2013 eingelegt worden.
1. Das Urteil vom 11.
September 2012 stellt ein Urteil im Rechtssinne, kein Scheinurteil dar, denn es ist an diesem Tag wirksam verkündet worden, wie das Protokoll vom 11.
September 2012 belegt.
Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen pro-zessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein -
allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender
-
Entscheidungsentwurf vor ([X.],
Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 14.
Juni 1954 -
GSZ 3/54, [X.]Z 14, 39, 44; [X.], Beschluss vom 8.
Februar 2012 -
XII
ZB 165/11, [X.], 1591 Rn.
11). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im [X.] an die mündliche Verhandlung
oder in einem hierfür anzuberaumenden Termin durch Vorlesung der Urteils-formel (§
310 Abs.
1 Satz
1, §
311 Abs.
2 Satz
1 ZPO, §
173 Abs.
1 GVG).

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Nach der Rechtsprechung des [X.] setzt die wirksame Urteilsverkündung weiter voraus, dass zumindest die Urteilsformel im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt ist, weil sie sonst weder verlesen noch in Bezug genommen werden kann (§
311 Abs.
2 Sätze
1 und 2 ZPO, vgl. [X.], Urteil vom 23.
Oktober 1998 -
LwZR 3/98, [X.], 794; Senatsurteil vom 16.
Oktober 1984 -
VI
ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783; [X.], Urteil vom 13.
April 2011 -
XII
[X.], [X.], 1741 Rn.
17; Musielak in [X.] Kommentar zur ZPO, 4.
Aufl., §
311 Rn.
7; Vollkommer in [X.], ZPO, 30.
Aufl., §
310 Rn.
2; [X.] in Prütting/Gehrlein, ZPO, 6.
Aufl., §
310 Rn.
8).
Eine wirksame Verkündung gemäß §
311 Abs.
2 Satz
1 ZPO ist hier durch das Protokoll nachgewiesen. Nach § 165 ZPO
kann die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, zu denen nach §
160 Abs.
3 Nr.
7 ZPO die Verkündung der Entscheidung gehört (vgl. [X.], [X.] vom 16.
Februar 1989 -
III
ZB 38/88, [X.], 604),
nur durch das Protokoll bewiesen werden.
Aufgrund der Beweiskraft des Protokolls steht fest, dass dieses Former-fordernis hier beachtet worden
ist. Grundsätzlich erbringt die Protokollierung der Verkündung des Urteils in Verbindung mit der nach §
160 Abs.
3 Nr.
6 ZPO vorgeschriebenen Aufnahme der Urteilsformel in das Protokoll -
sei es direkt oder als Anlage zum Protokoll
-
Beweis dafür, dass das Urteil auch in diesem Sinne ordnungsgemäß, d.h. auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Urteils-formel,
verkündet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16.
Oktober 1984 -
VI
ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783; [X.], Urteil vom 13.
April 2011 -
XII
[X.], [X.], 1741 Rn.
17; Beschluss vom 11. März 2015 -
XII [X.], juris Rn.
14). Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Verkündungsprotokoll nicht genau erkennen lässt, ob das Urteil durch Bezugnahme auf die
Urteilsformel oder durch Verlesen der Formel verkündet wurde und ob das Urteil zu diesem 10
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Zeitpunkt bereits vollständig abgefasst war (vgl. [X.], Urteil vom 3.
März 2004
-
VIII
ZB 121/03, [X.]-Report 2004, 979, 980; Musielak in [X.] [X.] zur ZPO, 4.
Aufl., §
311 Rn.
4). Denn jede Form der Verlautbarung
-
durch Verlesen der Urteilsformel oder durch Bezugnahme hierauf
-
setzt vo-raus, dass der [X.] im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt war ([X.], Urteil vom 13. April 2011 -
XII [X.], [X.], 1741 Rn.
17; Beschluss vom 11. März 2015 -
XII [X.], juris Rn. 14). Die [X.] fordert nicht, dass die schriftlich fixierte Urteilsformel Bestandteil der Akten wird.
Gegen den diese nur durch das Protokoll beweisbaren Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. Eine Fäl-schung des Protokolls wird jedoch nicht behauptet. Die Beweiskraft etwa hin-dernde äußere Mängel des Protokolls im Sinne des §
419 ZPO sind nicht er-sichtlich.
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es weiter unverzichtbar, dass das beweiskräftige Protokoll über die Verkündung eines Urteils innerhalb der Fünf-Monats-Frist erstellt wird, denn allein durch das Protokoll kann bewiesen wer-den, dass und mit welchem Inhalt
ein Urteil verkündet worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
März 2012 -
VIII
ZB 104/11, [X.]. 2012, 558 Rn.
12; Urteil vom 13.
April 2011 -
XII
[X.], [X.], 1741 Rn.
20; Beschluss vom 11.
März 2015 -
XII [X.], juris Rn. 15). Dies ist hier mit Erstellung des Protokolls im [X.] an die mündliche Verhandlung noch im September 2012 geschehen.
Da die Parteien im Verhandlungstermin, in dem verkündet worden war, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung ergehen werde, vertreten [X.] und
ihnen zeitnah
zum Verhandlungstermin das Protokoll, das auch die Ur-13
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teilsformel enthielt, übersandt worden war,
sind auch keine besonderen Um-stände gegeben, die es zulassen würden, eine Ausnahme von der Bestimmung des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO anzunehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Sep-tember 1998 -
KZB 11/98, [X.], 143, 144).
2. Zutreffend weist die Nichtzulassungsbeschwerde zwar darauf hin, dass das Urteil als nicht mit Gründen versehen anzusehen ist, weil es nicht in-nerhalb von fünf Monaten nach der
Verkündung in vollständiger Form unter-schrieben der Geschäftsstelle übergeben worden ist (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], Beschluss vom 27.
April 1993 -
GmS-OGB 1.92, [X.], 367,
375 ff.; [X.], NJW 2001, 2161, 2162) und
deshalb ein absoluter Revisionsgrund gemäß §
547 Nr.
6 ZPO vorliegen könn-te, der auch eine Zulassung der Revision
gebieten könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
November 2011 -
I
ZR 26/11, NJW-RR 2012, 760 Rn.
6). Dies wirkt sich jedoch weder auf den Fristbeginn noch den Ablauf der Sechs-Monats-Frist des §
544 Abs.
1 Satz
2 ZPO aus. Auch bei Fehlen von Gründen liegt nämlich eine wirksame Entscheidung vor, die nur auf ein zulässiges Rechtsmittel hin aufgehoben werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
September 1998 -
KZB 11/98, NJW
1999, 143, 144).
3. Durch die spätere Zustellung des Urteils ist auch eine neue Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Gang gesetzt worden (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Februar 1998 -
IV
ZB 31/97, [X.]R ZPO §
516 [X.]; [X.] in [X.], ZPO, 30.
Aufl., §
517 Rn.
18).
4. [X.] ist nicht gestellt worden.
[X.] ohne Antrag kann nicht gewährt werden, da innerhalb der Antragsfrist des

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-

§
234
Abs.
1
Satz
1
ZPO, deren Lauf spätestens mit Zustellung des vollständi-gen Urteils begonnen hat, die versäumte [X.] nicht nachgeholt worden ist
(§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Galke
Wellner
[X.]

von [X.]
Oehler

Vorinstanzen:
LG Limburg, Entscheidung vom 27.10.2011 -
2 [X.]/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 11.09.2012 -
10 [X.] -

Meta

VI ZR 132/13

21.04.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.04.2015, Az. VI ZR 132/13 (REWIS RS 2015, 12367)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12367

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 132/13

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