Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2012, Az. 2 StR 85/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4878

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 85/12

vom
10. Juli
2012
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 10. Juli
2012
gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 19. September 2011,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass

der Angeklagte B.

wegen bewaffneter unerlaubter [X.] von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in [X.] mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit [X.] in nicht geringer Menge und

der Angeklagte F.

wegen unerlaubter Einfuhr
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit [X.] in nicht geringer Menge sowie in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis

verurteilt sind,
b) im Ausspruch
über die Freiheitsstrafen und, soweit von der Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
c) im Ausspruch über die Einziehung dahin ergänzt, dass 984,9 Gramm Heroin und ein Kilogramm Streckmittel ein-gezogen sind.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückver-wiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten B.

wegen bewaffneten uner-laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten F.

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die "sichergestellten Be-täubungsmittel und Streckmittel (Ziffern 1 -
6) sowie das sichergestellte Reiz-stoffsprühgerät (Ziffer 9 des [X.])" eingezogen. Gegen dieses Urteil
richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachbeschwerde. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entschei-dungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Das [X.] hat festgestellt, dass die Angeklagten im Auftrag eines unbekannt gebliebenen Drogenhändlers Heroin aus den [X.] nach S.

bringen wollten. Dafür sollten sie 1.000 Euro erhalten. Der Angeklag-1
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te B.

führte bei der Transportfahrt ein Reizstoffsprühgerät griffbereit in sei-nem Auto mit; der Angeklagte F.

wusste nicht davon. Die Angeklagten übernahmen am 26. Januar 2011 in R.

984,9 Gramm Heroin und ein Kilogramm Streckmittel, das sie unter der Rückbank des Fahrzeugs versteck-ten. Auf der
Rückfahrt durch [X.] wurden sie an der Autobahnraststätte M.

kontrolliert, wobei das Heroin entdeckt wurde. Zu dieser Zeit führte der Angeklagte F.

das Fahrzeug, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Bei der Begehung der Tat war das Hemmungsvermögen der drogenab-hängigen Angeklagten erheblich vermindert.
II.
1. Der Schuldspruch begegnet rechtlichen Bedenken.
a) Bei dem Angeklagten B.

wurde der Tatbestand der unerlaubten [X.] von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der im Rahmen der recht-lichen Würdigung in den Urteilsgründen zutreffend bejaht wurde, nicht in die Urteilsformel aufgenommen. Das kann der [X.] aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen nachholen. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bezieht sich
beim Zusammentreffen von unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit [X.] in nicht geringer Menge auf den Einfuhrtatbestand "ohne Handel zu treiben" (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2008 -
2 StR 593/07, [X.], 254).
b) Die vom [X.] angenommene Mittäterschaft der Angeklagten bei dem [X.] begangenen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge ist in den Urteilsgründen nicht erläutert worden. Die rechtsfehlerfrei und abschließend getroffenen Feststellungen ergeben dem-3
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gegenüber indes nur Beihilfe der Angeklagten zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Eine bloße Kuriertätigkeit ist nach der neueren Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anzusehen, nicht als täterschaftliches Handeln (vgl. [X.], Urteil vom 28. Februar 2007 -
2 StR 516/06, [X.], 219, 221 ff.). Das gilt auch in Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2008 -
4 [X.]). Die Einfuhr ist kein unselbständi-ger Teilakt eines -
täterschaftlichen -
Handeltreibens. Weder der Umstand, dass der Kurier für seine Transportleistung eine Entlohnung erhalten soll, noch die Tatsache, dass er gewisse Gestaltungsmöglichkeiten beim Transport des [X.] hat, reichen aus, um Handeltreiben als Mittäter zu begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2008 -
2 StR 593/07, aaO). Anders liegt es nur dann, wenn ein Rauschgiftkurier auch in den Erwerb oder den späteren Ab-satz der Betäubungsmittel eingebunden ist. Dies ist bei den beiden Angeklagten aber nicht der Fall.
c) Der [X.] ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Der Strafausspruch
kann nicht bestehen bleiben.
a) Das [X.] hat bei dem Angeklagten B.

angenommen,
der Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG, zu dem es zunächst rechtsfehlerfrei ge-langt ist, werde durch die Sperrwirkung von § 30 Abs. 1 BtMG bei der Strafrah-menuntergrenze dahin geändert, dass die Mindeststrafe zwei Jahre betrage, weil ein minder schwerer Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG "unter Würdigung der 6
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bereits genannten Umstände nicht in Betracht" komme. Diese Überlegung trägt aber nicht.
Die Sperrwirkung höherer Mindeststrafen aus verdrängten Tatbeständen ist -
was das [X.] zunächst nicht verkannt
hat -
nur zu beachten, wenn nicht auch insoweit ein minder schwerer Fall gegeben ist (vgl. [X.], Beschluss vom 24. April 2003 -
3 [X.], [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Abgabe 1; Beschluss vom 1. April 2009 -
1 [X.], [X.], 214). Warum dies hier aber gerade unter denselben Gesichtspunkten, die bei § 30a BtMG zur An-nahme eines minder schweren Falles (§ 30a Abs. 3 BtMG) führen, nicht auch im Sinne des § 30 Abs. 2 BtMG der Fall sein soll, ist nicht nachzuvollziehen. Zumindest wäre im Hinblick auf
den verdrängten Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG aber hypothetisch der vertypte [X.] gemäß §
21 StGB anzuwenden, der die Strafrahmenuntergrenze der verdrängten Norm ebenso reduzieren würde (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative StGB). § 30 Abs.
1 BtMG entfaltet deshalb hier keine Sperrwirkung.
Beträgt aber die Strafrahmenuntergrenze nicht, wie das [X.] an-genommen hat, zwei Jahre Freiheitsstrafe (§ 30 Abs. 1 BtMG), sondern nur sechs Monate Freiheitsstrafe (§ 30a Abs. 3 BtMG; § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB), so kann der [X.] nicht ausschließen, dass die verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten auf der rechtsfehlerhaften Annahme einer Sperrwir-kung der verdrängten Strafnorm beruht.
b) Bei der Strafzumessung für den Angeklagten F.

ist das Land-gericht davon ausgegangen, dass kein minder schwerer Fall der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 2 BtMG vorliege. Dem hat es aber nur gleichartige Strafzumessungserwägungen zu Grunde gelegt, wie sie bei dem Angeklagten B.

genannt wurden, dem -
ohne 10
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spezifische Bewertung der weitergehenden Qualifikation seiner Tat durch Mit-führen einer Waffe (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) -
ein minder schwerer Fall seiner Tat (§ 30a Abs. 3 BtMG) zu [X.] gehalten wurde. Die höhere Vorstrafenbelas-tung des Angeklagten F.

in [X.] hat die Strafkammer nicht bewer-tet. Dann ist jedoch nicht nachzuvollziehen, warum das [X.] -
ungeach-tet des Vorliegens eines vertypten [X.]es nach § 21 StGB -
nicht zur Anwendung des [X.] nach § 30 Abs. 2 BtMG auf den Fall des Angeklagten F.

gelangt ist. Dies gilt auch deshalb, weil dieser Ange-klagte durch langjährigen [X.] erheblich schwerer gesundheitlich be-einträchtigt ist als der Mitangeklagte B.

.
3. Schließlich kann die Ermessensentscheidung des [X.]s dahin, dass die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht an-geordnet wird, weil keine hinreichend konkrete Aussicht bestehe, sie dadurch zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu be-wahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen (§ 64 Satz 2 StGB), nicht aufrecht erhalten blei-ben.
Einer Therapieunwilligkeit der Angeklagten, deren [X.] auch bisher schon zeitweise mit Methadon substituiert wird, kann im Maßregelvollzug entgegengewirkt werden, worauf dieser abzielt (§ 137 [X.]ollzG). Die Therapie-unwilligkeit steht der [X.] daher nicht notwendig entgegen (vgl. BT-Drucks. 16/1110 S. 13; [X.], Beschluss vom 21. Januar 2010 -
3 [X.], [X.], 141; Beschluss vom 25. Mai 2011 -
4 StR 27/11, [X.], 30).
An fehlenden Sprachkenntnissen ausländischer Beschuldigter soll die [X.] im Allgemeinen nicht scheitern (vgl. [X.], Beschluss vom 13
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8
-
30. Oktober 1996 -
2 StR 528/96, [X.] 1998, 74 f.; [X.], Beschluss vom 20.
Juni 2001 -
3 [X.], [X.], 7), zumal eine Überstellung des [X.] in sein Heimatland zum Maßregelvollzug in Betracht kommt (s. §
70 IRG, Art. 68 [X.]), sofern dort entsprechende Einrichtungen existieren. Die Überle-gung, dass fehlende Sprachkenntnisse der [X.] nicht entge-genstehen, wird zwar durch die Umgestaltung von § 64 StGB zur Sollvorschrift abgeschwächt (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2007 -
1 [X.], [X.] 2008, 138, 139). Sie besitzt jedoch weiterhin gewisse Aussagekraft. Dies
gilt insbesondere für den Angeklagten B.

wegen seiner prinzipiellen Bereit-schaft, in [X.] eine Therapie zu absolvieren.
Schließlich ist die Erwägung des [X.]s, dass die für erforderlich gehaltene Nachsorge nicht gewährleistet sei, wenn die Angeklagten in den Be-reich ihres bisherigen Wohngebiets zurückkehren, bei dem es sich um
einen [X.] Brennpunkt handelt, der sie zum Rückfall in den Drogenkonsum verlei-ten kann, kein tragfähiger Grund für die [X.] der Maßregel.
Danach erweist sich die Ermessensentscheidung des [X.]s als rechtsfehlerhaft.
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4. [X.] ist aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 1. März 2012 genannten Gründen zu [X.].
[X.] Krehl

Ri'in[X.] Dr. Ott befindet sich

im Urlaub und ist daher gehindert

zu unterschreiben.

Eschelbach Becker
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Meta

2 StR 85/12

10.07.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2012, Az. 2 StR 85/12 (REWIS RS 2012, 4878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4878

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 502/09

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