Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 23.07.2013, Az. II ZR 143/12

2. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3916

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Gegenstand

Beteiligung an einer Kapitalanlagegesellschaft: Pflicht zur Aufklärung über bankenrechtliche Bedenken gegen eine bestimmte Anlageform im Anlageprospekt; Kündigung einer nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als wirksam geltenden Gesellschaft


Leitsatz

1. In einem Anlageprospekt ist auf bankrechtliche Bedenken gegen eine bestimmte Anlageform hinzuweisen, wenn mit der Verwirklichung der daraus folgenden Bedenken ernsthaft zu rechnen ist und diese Risiken jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen.

2. Eine Kündigung einer Gesellschaft, die nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als wirksam gilt, ist aus diesem Gesichtspunkt nur dann wirksam, wenn sich der Kündigende - zumindest auch - auf den Mangel des Gesellschaftsvertrages stützt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 26. März 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger beteiligte sich gemäß Beitrittserklärung vom 10. Januar 2003 als stiller Gesellschafter an der beklagten [X.]. Als Einlage zahlte er 10.000 €. Den Beitrittsantrag hatte für die Beklagte, vertreten durch ihre Komplementärin, einer von deren zwei Geschäftsführern angenommen. Dieser Geschäftsführer war nicht einzelvertretungsberechtigt. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist das [X.] der stillen Gesellschafter nach ihrem Ausscheiden mit 5 % zu verzinsen und in vier Raten innerhalb von zwei Jahren auszuzahlen.

2

Mit Anwaltsschreiben vom 24. Oktober 2006 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm die Höhe seiner Gewinnanteile mitzuteilen, verschiedene Bilanzen und Steuererklärungen vorzulegen und weitere Auskünfte zu erteilen. Als die Beklagte nicht antwortete, erklärte der Kläger mit Schreiben vom20. Dezember 2006 die Kündigung des [X.] aus wichtigem Grund zum 31. Dezember 2006.

3

Mit der Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung seiner Einlage in Höhe von 10.000 € und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 775,64 €, im zweiten Rechtszug hilfsweise die Verurteilung der Beklagten, eine Auseinandersetzungsbilanz zum 31. Dezember 2006 aufzustellen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das [X.] hat sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

4

Über die Revision des [X.] ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht ([X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81).

5

Die Revision hat hinsichtlich des [X.] keinen Erfolg. Insoweit hat das Berufungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Hinsichtlich des [X.] ist das Berufungsurteil dagegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

6

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch zu. Er sei nicht fehlerhaft über die Risiken der Anlage aufgeklärt worden. Zwar sei ein Anleger auf eine naheliegende Möglichkeit, dass die Anlage gegen Bestimmungen des Kreditwesengesetzes verstoßen könnte, hinzuweisen. Hier sei aber entgegen der Auffassung des [X.] ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde wegen eines erlaubnispflichtigen Bankgeschäfts fernliegend. Die im [X.]svertrag vereinbarte Form der Auszahlung des [X.]s stelle eine übliche gesellschaftliche Abwicklung des Ausscheidens eines [X.]ers dar. Insbesondere sei der Fall nicht vergleichbar mit den sogenannten [X.] und der "[X.]“.

8

Auch aus § 812 BGB sei die Klage nicht begründet. Dabei könne offenbleiben, ob der zweite Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten dem Abschluss des [X.] zugestimmt habe. Denn jedenfalls sei die [X.] nach den Grundsätzen der fehlerhaften [X.] entstanden. Die [X.] sei durch Zahlung der Einlage und Leistung einer Ausschüttung in Vollzug gesetzt worden.

9

Auch der Hilfsantrag sei unbegründet. Es fehle ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Dass die Beklagte auf das Schreiben vom 24. Oktober 2006 nicht reagiert habe, reiche dafür nicht aus.

II. Diese Ausführungen halten hinsichtlich des [X.] revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

1. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung über das [X.] nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB.

Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass ein Anleger über bankrechtliche Bedenken gegen eine bestimmte Anlageform grundsätzlich aufgeklärt werden muss. Denn er hat ein berechtigtes Interesse zu wissen, ob das [X.] rechtlich abgesichert ist oder ob mit bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen und damit verbundenen Prozessrisiken zu rechnen ist ([X.], Urteil vom 21. März 2005 - [X.], [X.], 763, 765; Urteil vom 1. Dezember 2011 - [X.], [X.], 135 Rn. 15). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass dieser Grundsatz nicht unbegrenzt gilt. Nicht über jedes Risiko muss aufgeklärt werden, sondern nur über solche Risiken, mit deren Verwirklichung ernsthaft zu rechnen ist oder die jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen.

Eine solche Aufklärungspflicht hat der Senat in den Entscheidungen zum "[X.]" und zur "[X.]" angenommen ([X.], Urteil vom 21. März 2005 - [X.], [X.], 763, 765; Urteil vom 26. September 2005 - [X.], [X.], 2060, 2064). Dort war durch eine Änderung des § 1 [X.] zweifelhaft geworden, ob ein teilweises Stehenlassen des [X.]s eines stillen [X.]ers über eine Laufzeit von 10 bis 40 Jahren mit dem Ziel, dass dem [X.]er in dieser Zeit eine monatliche Rente zu zahlen war, dazu führte, dass der Vertrag als Bankgeschäft anzusehen war. Dazu fehlte der dortigen Beklagten die erforderliche bankaufsichtsrechtliche Genehmigung nach § 32 [X.]. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] in der seit dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung ist die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums ein Bankgeschäft, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden (Einlagengeschäft). Das damals zuständige [X.] hatte angenommen, diese Definition treffe auf ein [X.] zu, bei dem das [X.] in Form einer monatlichen Rente auszuzahlen ist. Das Amt hatte von der damaligen Beklagten verlangt, das Guthaben in einer Summe auszuzahlen ([X.], Urteil vom 21. März 2005 - [X.], [X.], 763).

Das ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Grundsätzlich ist die Hereinnahme von [X.], auch solcher der stillen [X.]er, kein Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 1984 - [X.], [X.]Z 90, 310, 313 f.; [X.] in Boos/[X.]/Schulte-Mattler, [X.], 4. Aufl., § 1 Rn. 40; [X.], [X.] 2000, [X.] f.; s. auch [X.], Urteil vom 23. März 2010 - [X.], [X.], 1122 Rn. 17). Vermögenseinlagen stiller [X.]er, die am laufenden Verlust des kapitalnehmenden Unternehmens teilnehmen, erfüllen als nur bedingt rückzahlbare Ansprüche die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] nicht (vgl. Begründung des [X.] zu § 1 Satz 2 Nr. 1 [X.], [X.] Drucks. 963/96, [X.] f.; [X.], Handbuch der stillen [X.], 6. Aufl., Rn. 19.84; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2004, Rn. 336; MünchKommHGB/[X.], 3. Aufl., § 230 Rn. 88; [X.], [X.] 166 [2002], 211, 225 ff. [X.]). Bei der [X.] steht die Bildung einer Zweckgemeinschaft im Vordergrund. Dementsprechend nimmt der stille [X.]er regelmäßig - und so auch hier - nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust teil. Wird die [X.] aufgelöst, hat er keinen Anspruch auf eine Rente zum Zweck der Altersversorgung. Das [X.] ist vielmehr unter Berücksichtigung der Verlustanteile zu berechnen. Dass es nach der hier vorliegenden gesellschaftsvertraglichen Regelung in vier Raten über zwei Jahre auszuzahlen ist, hat lediglich den Zweck, die Liquidität des Handelsunternehmens zu erhalten. Derartige Regelungen sind im [X.]srecht üblich. Dass sie eine bankrechtliche Erlaubnis voraussetzen, vertritt soweit ersichtlich weder die [X.] ([X.]) noch die Rechtsprechung - abgesehen vom [X.] im vorliegenden Fall. Im Gegenteil hat der Senat ausgesprochen, dass kein Bankgeschäft vorliegt, wenn das [X.] wegen eines Liquiditätsengpasses nur verzögert ausgezahlt werden kann ([X.], Urteil vom 8. Mai 2006 - [X.], [X.], 1201 Rn. 16). Gleiches gilt, wenn zur Vermeidung eines Liquiditätsengpasses von vornherein eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wird.

2. Auch ein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht nicht.

Dabei konnte das Berufungsgericht offenlassen, ob der zweite Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten dem Vertragsschluss zugestimmt hat, was bei einem nicht einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer an sich erforderlich ist. Denn die [X.] ist jedenfalls nach den Grundsätzen der fehlerhaften [X.] als wirksam zu behandeln.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Grundsätze der fehlerhaften [X.] auch auf typische oder atypische stille [X.]en anwendbar ([X.], Urteil vom 21. März 2005 - [X.], [X.], 753, 755; Urteil vom 26. September 2005 - [X.], [X.], 2060, 2062). Damit gilt die [X.] als wirksam zustande gekommen, wenn sie trotz [X.] beim Vertragsschluss in Vollzug gesetzt worden ist und kein Ausnahmefall vorliegt, in dem die Grundsätze nicht anwendbar sind, wie etwa bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten (vgl. [X.], Urteil vom 20. März 1986 - [X.], [X.]Z 97, 243, 250; Urteil vom 16. Mai 1988 - II ZR 316/87, NJW-RR 1988, 1379; Urteil vom 21. März 2005 - [X.], [X.], 763, 764). Für den Vollzug der [X.] genügt bereits die Zahlung der Einlage ([X.], Urteil vom 29. November 2004 - [X.], [X.], 254, 255).

Danach ist die [X.] hier als wirksam zu behandeln. Die Grund-sätze der fehlerhaften [X.] sind bei einem Vertretungsmangel anwendbar. Die [X.] ist auch in Vollzug gesetzt worden. Denn der Kläger hat seine Einlage geleistet. Im Übrigen hat er - wenn auch geringe - Ausschüttungen erhalten.

III. Der Hilfsantrag, eine Auseinandersetzungsbilanz zu erstellen, kann dagegen mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht abgewiesen werden.

Ein derartiger Anspruch setzt voraus, dass der Kläger die [X.] wirksam gekündigt hat.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die vom Kläger ausgesprochene Kündigung aus wichtigem Grund nicht schon deshalb gerechtfertigt ist, weil die Beklagte auf die einmalige Aufforderung durch die Anwälte des [X.] die gewünschten Auskünfte nicht erteilt und die angeforderten Unterlagen nicht herausgegeben hat. Dagegen bringt die Revision auch nichts vor.

2. Die Kündigung des [X.] kann aber, worauf die Revision zu Recht hinweist, nach den Grundsätzen der fehlerhaften [X.] begründet sein.

Wenn der nicht alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer [X.]das Beteiligungsangebot des [X.] ohne Zustimmung des zweiten Geschäftsführers [X.]angenommen hat - wie der Kläger behauptet hat und was daher im Revisionsverfahren als wahr zu unterstellen ist , ist der stille [X.]svertrag nach den Grundsätzen der fehlerhaften [X.] - wie bereits dargelegt - als wirksam zu behandeln. Jeder Vertragsteil hat dann das Recht, den [X.] durch sofort wirksame Kündigung nach § 234 Abs. 1 HGB, § 723 BGB zu beenden mit der Folge, dass der stille [X.]er gegebenenfalls einen nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln zu berechnenden Abfindungsanspruch hat ([X.], Urteil vom 29. November 2004 - [X.], [X.], 254, 255; Urteil vom 21. Juli 2003 - [X.], [X.]Z 156, 46, 52 f.) und dazu auch die Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz verlangen kann. Dabei muss die fristlose Kündigung - zumindest auch - auf den [X.] gestützt werden. Der [X.]er muss den Fehler "geltend machen" (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 2000 - [X.], [X.], 1430, 1432; [X.], [X.], 240, 243; ebenso für die BGB-[X.] [X.]/[X.], 5. Aufl., § 705 Rn. 345).

Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Das kann der Senat nicht nachholen, weil es dabei um eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung des Verhaltens des [X.] geht. Es ist zu prüfen, ob der Kläger den Willen zum Ausdruck gebracht hat, das [X.]sverhältnis (auch) wegen des Vertretungsmangels zu beenden.

3. Der Rechtsstreit ist danach insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass - sollte sich die außerordentliche Kündigung als unwirksam erweisen - geprüft werden muss, ob die außerordentliche Kündigung in eine (wirksame) ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann, nachdem der vom Berufungsgericht als frühester Zeitpunkt für eine ordentliche Kündigung - der 31. Dezember 2012 - mittlerweile abgelaufen ist.

Bergmann                     Strohn                       Reichart

                  Drescher                     Born

Meta

II ZR 143/12

23.07.2013

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 26. März 2012, Az: 2 U 16/09

§ 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 3 BGB, § 282 BGB, § 311 Abs 2 BGB, § 723 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 1 Abs 1 S 2 Nr 1 KredWG, § 234 Abs 1 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 23.07.2013, Az. II ZR 143/12 (REWIS RS 2013, 3916)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3916

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