Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.03.2019, Az. 1 WB 38/18

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2019, 9036

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Gegenstand

Antrag auf Feststellung der Befangenheit; dienstlich anfechtbare Maßnahme


Tatbestand

1

Die ... geborene Antragstellerin ist Soldatin auf [X.]; ihre zuletzt auf 22 Jahre festgesetzte Dienstzeit endet mit Ablauf des 30. Juni ... Sie ist Mitglied mehrerer Personalräte und des [X.] beim [X.]. Seit 1. Februar ... ist sie für ihre Tätigkeit im Bezirkspersonalrat beim ... vom Dienst freigestellt.

2

Mit Schreiben vom 22. Februar 2017 beantragte die Antragstellerin, die Befangenheit des Chefarztes (ab 1. Oktober 2017: ...) des [X.] ..., der in einem Beurteilungsverfahren (Laufbahnbeurteilung für die Bewerbung der Antragstellerin um Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten) als stellungnehmender nächsthöherer Vorgesetzter beteiligt ist, festzustellen.

3

Mit Bescheid vom 20. November 2017 lehnte der Kommandeur ... im Kommando ... den Antrag ab, weil er keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit des ... sah. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 26. November 2017 wies der Inspekteur des [X.] mit Bescheid vom 5. Februar 2018 zurück.

4

Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. Februar 2018 weitere Beschwerde ein, die sie auf die Feststellung der Befangenheit des Abteilungsleiters ... des [X.] ..., der an dem Beurteilungsverfahren als beurteilender Vorgesetzter beteiligt ist, erstreckte.

5

Mit Bescheid vom 22. Juni 2018 wies der Generalinspekteur der [X.] die weitere Beschwerde zurück, weil die Frage der Befangenheit keiner selbstständigen Überprüfung unterliege und Rechtsschutz nur in einem gegen die Beurteilung bzw. Stellungnahme gerichteten Wehrbeschwerdeverfahren erlangt werden könne.

6

Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 30. Juni 2018 die Entscheidung des [X.] beantragt. Der Generalinspekteur der [X.] hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2018 dem Senat vorgelegt.

7

Mit Schreiben vom 14. Juli 2018, 25. November 2018 und 6. Januar 2019 hat die Antragstellerin nochmals ausführlich alle Vorgänge geschildert, aus denen sich ihrer Auffassung nach die Befangenheit der beiden Vorgesetzten im Beurteilungsverfahren ergebe, und beantragt zuletzt,

den Bescheid des Generalinspekteurs vom 22. Juni 2018, nach den vorhergehenden Bescheiden des Kommandeurs ... vom 20. November 2017, des [X.] des Sanitätsdienstes vom 5. Februar 2018 und der Ablehnung der Befangenheit des Abteilungsleiters ... des [X.] ... durch den ebenfalls befangenen ... des [X.] ... vom 31. Mai 2017, aufzuheben.

8

Der Generalinspekteur der [X.] beantragt unter Verweis auf die Gründe seines [X.],

den Antrag zurückzuweisen.

9

Der Senat hat einen Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 5. Juni 2018 - 1 [X.] 2.18 - abgelehnt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich des mit Schreiben vom 25. November 2018 zurückgenommenen weiteren [X.], wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Generalinspekteurs der [X.], die Personalgrundakte der Antragstellerin und die Gerichtsakte des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes BVerwG 1 [X.] 2.18 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, weil die Entscheidung, ob gegenüber einem für die dienstliche Beurteilung eines Soldaten zuständigen (beurteilenden oder stellungnehmenden) Vorgesetzten die Besorgnis der Befangenheit besteht, keine selbstständig anfechtbare Maßnahme darstellt.

Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] (hier [X.]. § 21 Abs. 2 Satz 1 und § 22 [X.]) kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder deren Unterlassung rechtswidrig sei. Merkmal einer Maßnahme in diesem Sinne ist (u.a.), dass sie unmittelbar gegen den Soldaten gerichtet ist oder - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirkt. Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 WB 59.11 - [X.] 450.1 § 17 [X.] Nr. 84 Rn. 26 ff.).

Die Entscheidung gemäß [X.] Buchst. a Abs. 1 der Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der [X.] ([X.]), ob gegenüber dem für die Beurteilung oder dem für die Stellungnahme zu der Beurteilung zuständigen Vorgesetzten die Besorgnis der Befangenheit besteht, bildet danach eine bloß vorbereitende Zwischenentscheidung und keine selbstständig anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Rechtsschutz kann insoweit nur durch einen gegen die Beurteilung oder Stellungnahme selbst gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung erlangt werden, in dessen Rahmen auch die Befangenheit des jeweiligen Vorgesetzten geltend gemacht werden kann und inzident [X.] wird (vgl. zum Folgenden ausführlich [X.], Beschluss vom 25. September 2014 - 1 WB 49.13 - [X.] 450.1 § 17 [X.] Nr. 89 Rn. 20 ff.).

Die Entscheidung gemäß [X.] Buchst. a Abs. 1 [X.] dient, wie sich bereits aus der Stellung der Vorschrift in Kapitel 3 (Zuständigkeiten) der [X.] ergibt, der Bestimmung des für eine Beurteilung oder Stellungnahme zuständigen Vorgesetzten. Sie bezieht sich nur auf die Erstellung der konkreten dienstlichen Beurteilung und lässt die dienstlichen Beziehungen zwischen dem Soldaten und seinen Vorgesetzten im Übrigen unberührt. Sie erfolgt damit lediglich in Vorbereitung der zu erstellenden dienstlichen Beurteilung.

Eine selbstständige Anfechtbarkeit dieser Zwischenentscheidung ist auch unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Rechtsschutzes nicht geboten. Effektiver Rechtsschutz ist dadurch gewährleistet, dass der betroffene Soldat die Möglichkeit der Anfechtung der Beurteilung und/oder Stellungnahme hat, in deren Rahmen ggf. eine Inzidentprüfung der Besorgnis der Befangenheit des zuständigen Vorgesetzten erfolgt. Im Rahmen des Rechtsschutzes gegen die Beurteilung und/oder Stellungnahme erhält der betroffene Soldat - über die Prüfung der Besorgnis der Befangenheit hinaus - vor allem auch eine Entscheidung über die sachlichen Aussagen und Wertungen der Beurteilung und/oder Stellungnahme, aus denen sich seine eigentliche Beschwer ergibt. Eine selbstständige Anfechtbarkeit der Entscheidung gemäß [X.] Buchst. a Abs. 1 [X.] liefe hingegen Gefahr, zu einer letztlich auch den betroffenen Soldaten belastenden Verzögerung im [X.] zu führen (vgl. auch [X.], Urteil vom 27. Mai 1981 - 8 C 13.80 - [X.] 310 § 44a VwGO Nr. 2).

Eine selbstständige Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Befangenheit folgt ferner nicht aus [X.] Buchst. a Abs. 3 [X.], wonach "nach Eröffnung der Beurteilung die Soldatin oder der Soldat Befangenheit gegen die beurteilenden und/oder stellungnehmenden Vorgesetzten nur noch im Rahmen des Beschwerderechts", gemeint: gegen die Beurteilung und/oder Stellungnahme, geltend machen kann. Dies rechtfertigt nicht den Umkehrschluss, dass bis zur Eröffnung der Beurteilung oder Stellungnahme ein selbstständiges Wehrbeschwerdeverfahren wegen der Besorgnis der Befangenheit statthaft wäre. Abgesehen davon, dass sich aus einer Verwaltungsvorschrift keine für das Gericht verbindlichen Vorgaben für die Auslegung des Begriffs der dienstlichen Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] ergeben können, lassen sich die Absätze 1 und 3 der [X.] Buchst. a [X.] auch ohne den genannten Umkehrschluss in ein sinnvolles Verhältnis setzen. Werden Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit bekannt und ist die Beurteilung oder Stellungnahme noch nicht eröffnet, so ist es durchaus zweckmäßig, kurzfristig eine Zwischenentscheidung über die Besorgnis der Befangenheit durch den jeweils nächsthöheren Vorgesetzten herbeizuführen, um auf diese Weise mögliche Fehler im [X.] schon im Vorfeld zu vermeiden. Nicht mehr zweckmäßig ist es nach dem Gesagten jedoch, ein gesondertes Wehrbeschwerdeverfahren über diese Zwischenentscheidung, wenn sie die Besorgnis der Befangenheit verneint, durchzuführen. [X.] Buchst. a Abs. 3 [X.] kann deshalb zwanglos auch so verstanden und praktiziert werden, dass bis zur Eröffnung der Beurteilung oder Stellungnahme eine (prophylaktische) Zwischenentscheidung nach [X.] Buchst. a Abs. 1 [X.] herbeigeführt werden kann, gerichtlicher Rechtsschutz nach der [X.] im Übrigen jedoch stets nur im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Beurteilung oder Stellungnahme gegeben ist.

Dies entspricht nicht zuletzt auch dem im allgemeinen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht geltenden Modell. So kann, wenn in einem Verwaltungsverfahren gegen einen Behördenbediensteten oder den Behördenleiter Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit vorgebracht werden, hierüber eine Entscheidung des [X.] oder der Aufsichtsbehörde herbeigeführt werden (§ 21 Abs. 1 VwVfG). Wird die Anordnung, dass der betreffende Bedienstete oder Behördenleiter wegen Besorgnis der Befangenheit am Verwaltungsverfahren nicht mitwirken darf, abgelehnt, so ist diese Entscheidung nicht selbstständig, sondern als behördliche Verfahrenshandlung nur gleichzeitig mit dem gegen die jeweilige Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf anfechtbar (§ 44a Satz 1 VwGO; vgl. z.B. [X.]/[X.], VwGO, 24. Aufl. 2018, § 44a Rn. 5 m.w.[X.]). Gleiches gilt im gerichtlichen Verfahren, wenn ein Ablehnungsgesuch gegen [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird (§ 54 Abs. 1 VwGO [X.]. §§ 42 ff. ZPO); auch insoweit ist eine selbstständige Beschwerde ausgeschlossen (§ 146 Abs. 2 VwGO) und Rechtsschutz nur über das Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung in der Sache selbst zulässig (vgl. z.B. [X.]/[X.] a.a.O. § 54 Rn. 19 f. m.w.[X.]).

Meta

1 WB 38/18

21.03.2019

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 17 Abs 3 S 1 WBO, § 44a VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.03.2019, Az. 1 WB 38/18 (REWIS RS 2019, 9036)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9036

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