Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.12.2020, Az. 30 W (pat) 801/18

30. Senat | REWIS RS 2020, 288

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Gegenstand

Designbeschwerdeverfahren – Nichtigkeitsverfahren - "Ventile" – Kostenentscheidung – summarische Prüfung der Schutzfähigkeit


Tenor

In der Design-Nichtigkeitssache

betreffend das Design [X.] - 0002

(hier: [X.])

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, des [X.] [X.], der Richterin [X.] und der Richterin Akintche

beschlossen:

1. Die Sache wird zum Zwecke der Einstellung des Verfahrens an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

Gründe

I.

1

[X.]ie Beschwerdeführerin war Inhaberin des eingetragenen [X.]esigns [X.] – 0002 mit dem Anmeldetag 23. August 1993. [X.]as [X.]esign war mit der Erzeugnisangabe „Ventile“ am 21. September 1993 in das beim [X.] ([X.]) geführte [X.] eingetragen worden. [X.]afür waren folgende acht [X.]arstellungen hinterlegt:

A[X.]ildung

A[X.]ildung

2

[X.]arstellung 1

A[X.]ildung

3

[X.]arstellung 4 [X.]arstellung 5 [X.]arstellung 6

A[X.]ildungA[X.]ildung

4

[X.]arstellung 7 [X.]arstellung 8

5

Gegen dieses [X.]esign hat die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 7. November 2016 beim [X.] ([X.]) einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 34a [X.] gestellt mit der Begründung, dem [X.]esign fehle die Geschmacksmusterfähigkeit, die Neuheit sowie die Eigentümlichkeit im Sinne des § 1 [X.] 1986.

6

[X.]em ihr durch das [X.] am 21. November 2016 gegen [X.] zugestellten Nichtigkeitsantrag hat die [X.]esigninhaberin mit Schreiben vom 5. [X.]ezember 2016 widersprochen.

7

[X.]as angegriffene [X.]esign war [X.] in einem zwischen den hiesigen Verfahrensbeteiligten anhängigen einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem [X.] ([X.].: 3 O 7285/16). [X.]en Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatte das [X.] mit Beschluss vom 9. November 2016 zurückgewiesen. [X.]araufhin hatte die [X.]esigninhaberin am 7. März 2017 [X.] vor dem [X.] München I eingereicht.

8

[X.]ie [X.]esignabteilung 3.5 des [X.] hat nach [X.]urchführung des [X.] mit Beschluss vom 17. Oktober 2017 die Nichtigkeit des angegriffenen [X.]esigns wegen fehlender Eigentümlichkeit festgestellt, die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt und den Gegenstandswert – wie von den Verfahrensbeteiligten übereinstimmend vorgeschlagen – auf 150.000 Euro festgesetzt.

9

[X.]as angegriffene [X.]esign sei zwar geschmacksmusterfähig und auch neu im Sinne von § 1 Abs. 2 [X.] a. F. [X.]em angegriffenen [X.]esign fehle jedoch die Eigentümlichkeit. [X.]essen ästhetischer Gesamteindruck werde maßgeblich durch die durchgängig runden Formen aller Bestandteile, also durch das Fehlen jeglicher Ecken und Kanten, sowie durch die gleichförmig rechtwinklige Ausrichtung der vom Gehäuse seitlich abstehenden Stutzen, durch die [X.] und durch seinen Glanz bestimmt. Im Gesamteindruck wirke das [X.]esign auf den [X.] ausgewogen, gleichförmig-harmonisch und hochwertig. Zum bekannten [X.] gehöre das von der Antragstellerin angeführte [X.]- Ventil sowie die in den eingeführten Patentschriften abgebildeten Ventildarstellungen. Nicht belegt sei jedoch, dass das ebenfalls entgegengehaltene [X.]…- Ventil zum vorbekannten [X.] gehöre, denn der dazu von der Antragstellerin vorgelegte Katalog datiere aus einer [X.] nach der Anmeldung des angegriffenen [X.]esigns. Im [X.] mit dem vorbekannten [X.] sei zu berücksichtigen, dass das Erzeugnis „Ventil“ eine eindeutig technische Zweckbestimmung habe. [X.]ie Anforderungen an die eigenschöpferische Gestaltungshöhe dürften daher nicht zu niedrig angesetzt werden, denn der freie [X.] müsse jedem Formgestalter zur Benutzung offenstehen. Ausgehend hiervon übersteige die Gestaltung aus Sicht der Fachkreise, die sich aus Gestaltern und Herstellern von und Händlern mit Ventilen zusammensetzten, nicht das [X.]urchschnittskönnen eines Mustergestalters auf dem Gebiet der Expansionsventile.

Gegen den Beschluss der [X.]esignabteilung hat die Antragsgegnerin und [X.]esigninhaberin mit Schriftsatz vom 2. November 2017 Beschwerde eingelegt.

[X.]ie Schutzdauer des beschwerdegegenständlichen [X.]esigns ist am 23. August 2018 abgelaufen. Im [X.] ist die Löschung des [X.]esigns am 19. Januar 2019 erfasst worden.

Mit Beschluss vom 18. Juni 2020 hat der Senat den Spruchkörper nach § 23 Abs. 4 Satz 3 [X.] um ein technisches Mitglied erweitert.

Zusammen mit der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2020 hat der Senat wegen des Ablaufs der Schutzdauer des [X.]s der Antragstellerin aufgegeben, ergänzend zum Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des [X.] vorzutragen.

In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien erklärt, dass das Verletzungsverfahren vor dem [X.] München I durch Abweisung der Verletzungsklage rechtskräftig erledigt ist. Ferner haben sie übereinstimmend das Verfahren für erledigt erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. [X.]as [X.] ist von den Parteien in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt worden. [X.]as [X.]eutsche Patent- und Markenamt hat daher gemäß § 34a Abs. 2 Satz 3 [X.] das Verfahren noch durch Beschluss einzustellen, wozu die Sache zurückverwiesen wird.

B. Nachdem beide Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist seitens des Senats nur noch eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß §§ 23 Abs. 4 Satz 5 [X.], 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] i. V. m. § 91a ZPO zu treffen. [X.]anach sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

1. [X.]ie Kostenentscheidung ist gemäß §§ 23 Abs. 4 Satz 5 [X.], 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] i. V. m. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen. [X.]abei ist auf den voraussichtlichen Ausgang des [X.] abzustellen (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 37. Aufl., § 91a, Rn. 47). Jedoch ist insoweit eine summarische Prüfung ausreichend (vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 91a, Rn. 24 m. w. N.).

2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen. Im vorliegenden Fall hätte die zulässige Beschwerde der [X.]esigninhaberin voraussichtlich Erfolg gehabt. [X.]enn als Ergebnis der summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass im Falle einer Sachentscheidung das [X.]esign als schutzfähig erachtet worden wäre, § 1 [X.] a. F.

[X.]ie Voraussetzungen der Schutzfähigkeit des am 21. September 1993, mithin vor dem Stichtag 28. Oktober 2001, eingetragenen [X.]s bestimmt sich gemäß § 72 Abs. 2 [X.] nach dem Geschmacksmustergesetz 1986, dort nach § 1 [X.]. [X.]ies gilt für die Voraussetzungen der [X.]esignfähigkeit, der Neuheit und der Eigentümlichkeit (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], [X.]esigngesetz, 6. Aufl., § 72 Rn. 5).

a. [X.]as eingetragene [X.]esign war geschmacksmusterfähig und neu im Sinne von § 1 Abs. 2 [X.] a. F. [X.]ie [X.]esigninhaberin hat die entsprechenden Ausführungen der [X.]esignabteilung als für sie günstig nicht angegriffen und auch die Beschwerdegegnerin ist dem nicht entgegengetreten.

b. [X.]er Beurteilung der [X.]esignabteilung des [X.], dem angegriffenen [X.]esign fehle die Eigentümlichkeit, vermag sich der Senat nach summarischer Prüfung nicht anzuschließen.

aa. Ein [X.]esign ist eigentümlich im Sinne des § 1 Abs. 2 [X.] a.F., wenn es in den für die ästhetische Wirkung maßgebenden Merkmalen als das Ergebnis einer eigenpersönlichen, form- oder farbenschöpferischen Tätigkeit erscheint, die über das [X.]urchschnittskönnen eines Mustergestalters mit der Kenntnis des betreffenden Fachgebiets hinausgeht (vgl. [X.], 81, 83 – [X.]reifachkombinationsschalter; GRUR 1977, 547, 549 f. – [X.]). Es muss zumindest eine schöpferische Leistung vorliegen, die über das Können eines [X.]urchschnittsgestalters und damit über das rein Handwerksmäßige hinausgeht. [X.]ie Prüfung der Eigentümlichkeit und ihres Grades ist – anders als die Prüfung der Neuheit – nicht durch einen Einzelvergleich des zu prüfenden Musters mit Entgegenhaltungen, sondern durch einen [X.] mit den vorbekannten Formgestaltungen vorzunehmen (vgl. [X.], 503, 505 – Sitz-Liegemöbel, m. w. N.). Nur durch einen solchen Vergleich mit der (gerade) auf dem betreffenden Gebiet geleisteten formgestalterischen Vorarbeit in ihrer Gesamtheit und in Verbindung mit den zur Verfügung stehenden freien Formen lässt sich feststellen, ob ein Muster einen schöpferischen Gehalt aufweist, wie er für den Geschmacksmusterschutz erforderlich ist und welcher – den Schutzumfang bestimmender – Eigentümlichkeitsgrad erreicht ist (vgl. [X.], 767, 769 – Holzstühle, m. w. N.). [X.]er [X.] muss ausgehen von der Feststellung des Gesamteindrucks des Musters und der Gestaltungsmerkmale, auf denen dieser Gesamteindruck beruht.

Für die Beurteilung, welchen ästhetischen Gesamteindruck ein Muster vermittelt und durch welche Eigenschaften dieser Gesamteindruck bestimmt wird, ist die Auffassung des für geschmackliche und ästhetische Fragen aufgeschlossenen und mit ihnen einigermaßen vertrauten [X.]s maßgebend (vgl. [X.], 503, 505 – Sitz-Liegemöbel, m. w. N.). Für den Vergleich des so ermittelten ästhetischen Gesamteindrucks des Musters mit den vorbekannten Formgestaltungen kommt es jedoch nicht darauf an, welche Kenntnis ein [X.] von dem bereits vorhandenen [X.] besitzt. Entscheidend ist vielmehr – wie bei der Beurteilung der Frage der Neuheit des Musters –, welche Formgestaltungen bei den inländischen Fachkreisen als bekannt anzusehen sind; denn von deren [X.]urchschnittskönnen und [X.]urchschnittswissen soll sich das Muster oder Modell durch seine schöpferische Eigentümlichkeit abheben (vgl. [X.], 547, 550 – [X.]).

[X.]er Umstand, dass die Gestaltung mit technischen Vorteilen verbunden ist, hindert nicht, dem Muster Eigentümlichkeit beizumessen. [X.]ie Schutzfähigkeit nach § 1 Abs. 2 [X.] a.F. ist – worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hingewiesen hat – nur ausgeschlossen, soweit es sich um Formgestaltungen handelt, die objektiv ausschließlich technisch bedingt sind. [X.]er Geschmacksmusterfähigkeit steht bei einem [X.]en dienenden Erzeugnis nicht entgegen, dass seine Gestaltung in dem maßgeblichen Merkmal zugleich oder sogar in erster Linie dem [X.] dient und ihn fördert, der ästhetische Gehalt demnach in die ihrem Zweck gemäß gestaltete Gebrauchsform eingegangen ist (vgl. [X.], 269, 271 – [X.]; [X.], 600, 603 – [X.], m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen kann dem [X.]esign nicht die Eigentümlichkeit abgesprochen werden.

[X.]. Ausgehend von der Merkmalsbeschreibung, die die [X.]esignabteilung ihrer Beurteilung zugrunde gelegt hat und die nur geringfügig zu ergänzen ist, verfügt das [X.]esign, das ein sog. Expansionsventil zeigt, über folgende Merkmale:

1. [X.]as Ventil besteht aus glänzendem Material und umfasst folgende Bestandteile:

2. ein zylindrisches [X.],

3. drei zylindrische am [X.] angeordnete Stutzen unterschiedlichen [X.]urchmessers, die

a) mittig eingeschnürt sind,

b) an ihrem Ende leicht aufgebogen sind und von denen

c) die beiden Stutzen mit dem größten und dem kleinsten [X.]urchmesser

aa) seitlich und

[X.]) rechtwinklig am [X.] angebracht sind

cc) sich gegenüberliegen und

dd) in Richtung der Längsachse des [X.]s zueinander versetzt sind, während

d) der Stutzen mit dem mittelgroßen [X.]urchmesser

aa) das Gehäuse nach unten fortsetzt und

[X.]) sich dabei von unten nach oben einmalig aufweitet,

4. sattelförmige Flansche, die

a) aus den beiden seitlichen Stutzen gezogen sind und

b) diese seitlichen Stutzen mit dem [X.] verbinden,

5. ein rundes [X.]eckelelement, das

a) einen größeren [X.]urchmesser als das [X.] hat,

b) nach oben hin im Außenbereich plan ist,

c) eine zentrale Aufwölbung aufweist,

6. ein Kapillarrohr, das

a) aus der zentralen Aufwölbung sich senkrecht nach oben erstreckt,

b) in einem Abstand zum [X.]eckel (dreifache [X.]eckelhöhe) waagerecht zu einer Spule aufgerollt ist und

c) im aufgerollten Zustand einen größeren [X.]urchmesser als das [X.]eckelelement aufweist,

7. ein tropfenförmiges Fühlerelement,

a) welches über das Kapillarrohr mit dem [X.]eckelelement verbunden ist und

b) in etwa so lang ist wie Gehäuse und [X.]eckelelement zusammen.

(1) [X.]ie Gestaltungsmerkmale haben weitgehend technische Funktionen.

Vereinzelt mag auch von einer ausschließlich technischen Bedingtheit eines Elements – so z. B. dem [X.]eckelelement ([X.] 5) – auszugehen sein oder eine solche zumindest naheliegen. [X.]iese Elemente können zwar die Eigentümlichkeit nicht begründen (vgl. [X.], 790 Rn. 21 – Baugruppe), immerhin aber – wie im vorliegenden Fall – von geringem Einfluss auf den Gesamteindruck sein (vgl. hierzu [X.]/[X.], Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., 1996, § 1 Rn. 36).

[X.]en von beiden Verfahrensbeteiligten vorgelegten A[X.]ildungen von verschiedenen Ventilen ist aber zu entnehmen, dass die technische Funktion der meisten Gestaltungselemente auch auf andere Weise realisierbar ist, so dass sie nicht ausschließlich technisch bedingt sind. Insofern besteht freier Raum für Gestaltungsmöglichkeiten.

(2) So kann beispielsweise die Verbindung zwischen den Stutzen und dem [X.] technisch auch auf andere Weise gelöst werden. [X.]ie Anbindung der Stutzen durch sattelförmige Flansche (Merkmal 4) bei dem [X.] ist daher nicht ausschließlich technisch bedingt, sondern variierbar. Gleiches gilt in Bezug auf die gleichförmig rechtwinklige Ausrichtung der vom [X.] seitlich abstehenden Stutzen (Merkmal 3 c) [X.])) und hinsichtlich der Maße und Proportionen des Fühlerelements (Merkmal 7).

cc. Als vorbekannte Form kann allenfalls das sog. E…-Ventil berücksichtigt werden.

(1) Zutreffend ist die [X.]esignabteilung davon ausgegangen, dass das [X.]…- Ventil der [X.]esigninhaberin nicht zum vorbekannten [X.] gehört. [X.]enn es kann nicht festgestellt werden, dass dieses entgegengehaltene Ventil vor dem Anmeldetag des angegriffenen [X.]esigns offenbart worden ist. Nur solche Gestaltungsformen, die den inländischen Fachkreisen im Anmeldezeitpunkt bekannt waren oder bekannt sein konnten, gehören dem bei der Beurteilung der Eigentümlichkeit eines Geschmacksmusters zu berücksichtigenden vorbekannten [X.] an. [X.]er Katalog, den die Antragstellerin hierzu vorgelegt hat, datiert aus der [X.] nach der Anmeldung des angegriffenen [X.]esigns. Zwar ist in dem Katalog ausgeführt, dass es das genannte Ventil seit rund 50 Jahren mit nur „wenigen Modifizierungen“ gibt. Um welche Modifizierungen es sich dabei im Einzelnen handelt und welche genaue Formgestaltung das [X.]-Ventil zum Anmeldetag des angegriffenen [X.]esigns tatsächlich hatte, ist jedoch nicht belegt. [X.]ie Antragstellerin trifft nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast dafür, dass das entgegengehaltene Muster zum vorbekannten [X.] gehört (vgl. [X.], a. a. [X.], § 5 Rn. 39 m. w. N.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass es sich bei dem [X.]- Ventil um ein solches der [X.]esigninhaberin selbst handelt. [X.]ie Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr liegen nicht vor. Macht die Antragstellerin geltend, dass die Formgestaltung des entgegengehaltenen [X.]Ventils vorbekannt ist, so treten durch die dadurch bedingte [X.] die internen Vorgänge gerade aus der Sphäre der Antragsgegnerin heraus, so dass eine sekundäre [X.]arlegungslast der Antragsgegnerin zu der Frage, welche Form ihr [X.]Ventil am Anmeldetag des [X.]s hatte, nicht in Betracht kommt.

(2) [X.]ie [X.]esignabteilung hat zu Unrecht als zum vorbekannten [X.] gehörend auch die in den Patentschriften 1 219 749, 1 959 547, 23 40 836 und 1 282 379 enthaltenen technischen Schnittzeichnungen von Ventildarstellungen angesehen. [X.]iesen zweidimensionalen abstrakten [X.]arstellungen kann nämlich nicht unmittelbar ein konkretes äußeres Erscheinungsbild entnommen werden, wie die Beschwerdeführerin zutreffend eingewandt hat. Insofern reicht es nicht aus, dass mit den [X.] lediglich gewisse Vorstellungen einer Formgestaltung verbunden werden.

(3) Als einzige Entgegenhaltung kommt daher das wie nachfolgend abgebildete [X.]-Ventil in Betracht:

A[X.]ildung

[X.]ie Antragstellerin hat hierzu ein Blatt mit der Unternehmensgeschichte der Firma O… [X.] mit Angaben bis zum [X.] vorgelegt, auf dem am rechten Rand eine Anzeige wiedergegeben ist, wie sie sich in der [X.]schrift „Kältetechnik“ aus dem [X.] befunden haben soll. In dieser Anzeige ist das [X.]-Ventil mit der oben dargestellten A[X.]ildung enthalten. [X.]as Blatt mit der Unternehmensgeschichte ist auf der Internetseite [X.] einzusehen. [X.]ie Beschwerdeführerin hat allerdings, da sie das Original der Anzeige aus der [X.]schrift „Kältetechnik“ aus dem [X.] nicht aus eigener Wahrnehmung kenne, mit Nichtwissen bestritten, dass das in dieser Anzeige gezeigte Ventil zum vorbekannten [X.] gehört. Wenngleich es daher der darlegungs- und beweispflichtigen Antragstellerin [X.] hätte, die [X.] mit der in Bezug genommenen Anzeige vorzulegen oder ansonsten für die [X.] Beweis anzutreten, kann zu ihren Gunsten von der Vorbekanntheit des oben wiedergegebenen [X.]-Ventils ausgegangen werden. [X.]enn dessen Form weicht ohnehin – wie im Weiteren ausgeführt wird – erheblich von der Gestaltung des [X.]s ab.

dd. Aus der Sicht des für geschmackliche und ästhetische Fragen aufgeschlossenen und damit einigermaßen vertrauten [X.]s weist das [X.]esign im Vergleich zu der vorbekannten Form des E…-Ventils einen deutlich abweichenden Gesamteindruck auf.

(1) [X.]as [X.] wirkt im Gesamteindruck ausgewogen, gleichförmig-harmonisch und hochwertig. [X.]abei wird der Gesamteindruck des [X.]esigns bestimmt durch die durchgängig runden Formen aller Bestandteile, also durch das Fehlen jeglicher Ecken und Kanten, sowie die gleichförmig rechtwinklige Ausrichtung der vom Gehäuse seitlich abstehenden Stutzen, durch die sattelförmigen [X.], die die Rundung des Gehäuses aufnehmen und durch seinen Glanz.

[X.]as [X.] hat demgegenüber ein massives, gedrungenes Erscheinungsbild und vermittelt, vor allem wegen der Sechskantflächen der Gewinde und des seitlichen Stutzens, nicht annähernd einen so runden, harmonischen und schlanken Eindruck wie das angegriffene [X.]esign.

(2) Zwar ist – worauf die [X.]esignabteilung zutreffend abgestellt hat – im [X.] mit dem vorbekannten [X.] zu berücksichtigen, dass das Erzeugnis „Ventil“ eine technische Zweckbestimmung hat. [X.]ie Anforderungen an die hinreichende eigenschöpferische Gestaltungshöhe dürfen daher nicht zu niedrig angesetzt werden. [X.]ie Gestaltung des [X.]s stellt sich gleichwohl als Ergebnis einer Tätigkeit dar, die über das [X.]urchschnittskönnen des Mustergestalters hinausgeht.

(3) [X.]as [X.] zeigt in den [X.], bei denen gestalterischer Freiraum besteht, die mithin nicht ausschließlich technisch bedingt und daher bei der Beurteilung der Eigentümlichkeit zu berücksichtigen sind, erhebliche Abweichungen vom [X.]-Ventil.

So erfolgt beispielsweise die Verbindung der Stutzen mit dem [X.] durch sattelförmige Flansche (Merkmal 4). [X.]iese nehmen die Rundung des [X.]s auf und tragen zur harmonisch runden Gesamtgestaltung bei. In dem [X.]- Ventil findet sich nichts Vergleichbares; dort dürfte der Stutzen, der unter einem Winkel von 45° zum Gehäuse verläuft, mit dem [X.] einstückig gegossen sein. Flansche sind zwischen Gehäuse und Stutzen jedenfalls nicht erkennbar.

Auch das Fühlerelement (Merkmal 7) ist in Form, Maß und Proportion völlig anders gestaltet als beim [X.]-Ventil. Beim [X.] ist dieses tropfenförmig und in etwa so lang wie Gehäuse und [X.]eckelelement zusammen (Merkmal 7 b)); es fügt sich in die Gesamtgestaltung ein. [X.]er Fühler des [X.]-Ventils ist dagegen deut lich länger, [X.], läuft an den Enden spitz zu und verfügt darüber hinaus über eine längere Fühlerspitze; die äußere Form dieses Elements ist – anders als das [X.] – nicht abgestimmt auf die übrigen Erscheinungsmerkmale des [X.]-Ventils, sondern setzt sich erkennbar von dessen gedrungener, massiver Gestalt ab.

[X.]er Schritt von den gestalterischen Elementen des [X.]-Ventils zu dem Streit design ist schon bei den vorgenannten [X.] deutlich und nicht durch die schon vorgegebene Ergänzung oder Fortführung des bestehenden [X.]es entstanden. [X.]er Gestalter des [X.]s hat seinen technischen Freiraum erkennbar genutzt und ihm ist es gelungen, alle Elemente frei von Ecken und Kanten auf eine harmonisch-runde Gestaltung auszurichten und eine besondere ästhetische Gesamtwirkung zu erreichen. [X.]ies stellt eine schöpferische Leistung dar, die mehr als eine nur handwerksmäßige Gestaltungstätigkeit erfordert. [X.]em [X.]esign hätte daher die Eigentümlichkeit nicht abgesprochen werden können.

[X.]er Antragstellerin sind demnach die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

C. [X.]a eine isolierte Kostenentscheidung in einer patentgerichtlichen Beschwerdesache nicht rechtsbeschwerdefähig ist (vgl. [X.], a. a. [X.], § 23 Rn. 45; Busse/ Keukenschrijver, [X.], 9. Aufl., § 100, Rn. 10), ist von einer Rechtsmittelbelehrung abzusehen.

Meta

30 W (pat) 801/18

10.12.2020

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 23 Abs 4 S 5 GeschmMG 2004, § 84 Abs 2 S 2 PatG, § 91a ZPO, § 1 GeschmMG 2004, § 2 Abs 3 GeschmMG 2004

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.12.2020, Az. 30 W (pat) 801/18 (REWIS RS 2020, 288)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 288

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