Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2014, Az. IX ZR 87/14

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 407

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 87/14

Verkündet am:

11. Dezember 2014

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 108 Abs. 1 Satz 1
In der Insolvenz des Vermieters besteht das Mietverhältnis nicht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn es in Vollzug gesetzt war, der Mieter aber den Besitz an der Wohnung bei Insolvenzeröffnung wieder aufgegeben hatte (Ergänzung zu [X.]Z
173, 116).

[X.], Urteil vom 11. Dezember 2014 -
IX ZR 87/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
23. Oktober 2014
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser,
die Richt[X.]
[X.], [X.] Pape, [X.] und die Richt[X.] Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der Zivilkammer 16 des [X.] vom 25. März 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Hilfsanträge abgewiesen worden sind.

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. August 2013 wie folgt abgeändert und neu ge-fasst:

Es wird festgestellt, dass [X.] des [X.]n aus dem Mietverhältnis zwischen ihm und der H.

bezüglich der in H.

gelegenen Wohnung mit zwei Zimmern, Küche und Bad gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten und zweiten Instanz werden gegeneinander aufgehoben, die Kosten des Revisionsverfahrens hat der [X.] zu tragen.
Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:

Der [X.] mietete am 19.
September 1978 eine Wohnung im Haus

in H.

. Die H.

(künftig: Schuldn[X.])
erwarb das Grundstück in der Absicht, das Miethaus umfangreich zu sanieren. Da die Wohnungen in dem Objekt während der ge-planten Baumaßnahmen nicht mehr bewohnbar waren, schlossen die Schuld-n[X.] und der [X.] am 20.
Oktober 2010 eine Sanierungsvereinbarung. Danach sollte der [X.] während der Sanierungsarbeiten in eine von der Schuldn[X.] angemietete Ersatzwohnung umziehen
und nach Abschluss der Sanierung wieder in seine alte Mietwohnung zurückkehren. Gemäß der [X.] zog der [X.] in die Ersatzwohnung um. Die Sanierungsarbeiten wurden nicht zu Ende geführt.

Auf Antrag der Schuldn[X.] wurde das Insolvenzverfahren über ihr [X.] eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser lehnte gegenüber dem [X.]n die Erfüllung des [X.] gemäß §
103 [X.] ab und kündigte den Mietvertrag, weil es ihm infolge der zum Stillstand gekommenen Sanierungsarbeiten nicht möglich sei, dem [X.]n den [X.] zu gewähren. Der [X.] trat dem entgegen und bestand auf der Einhaltung von Miet-
und Sanierungsvertrag.

Der Kläger hat deswegen den [X.]n auf Feststellung verklagt, dass das Mietverhältnis erloschen sei, hilfsweise auf Feststellung, dass die Erfül-lungsansprüche gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar
seien und weiter hilfsweise, dass das Mietverhältnis am 28.
Februar 2013 geendet habe. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des 1
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-
4
-
[X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision ver-folgt der Kläger
seinen ersten Hilfsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat -
soweit noch von Belang
-
ausgeführt, der [X.] auf Feststellung, dass [X.] des [X.]n aus dem Miet-verhältnis gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar seien, bleibe ohne [X.]. Denn im vorliegenden Fall sei nicht §
103 [X.], sondern §
108 [X.] [X.], auch wenn §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 5.
Juli 2007
-
IX
ZR 185/06, [X.]Z
173, 116 Rn.
13 ff) einschränkend dahin auszulegen sei, dass diese Regelung nur gelte, wenn das
Mietverhältnis
im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Überlassung der Mietsache an den Mieter vollzogen sei. Dies sei aber der Fall, weil der [X.] bei ungekündigtem Mietvertrag bereits seit [X.] 1978 in der Wohnung gewohnt habe. Unerheblich sei, dass er übergangs-weise in eine Ersatzwohnung gezogen sei; dadurch habe er zwar seinen unmit-telbaren Besitz verloren, er sei aber weiterhin als mittelbarer Besitzer anzuse-hen, weil die Sanierungsvereinbarung ihm als Besitzmittlungsverhältnis weiter-hin den Besitz vermittele.

4
5
-
5
-

Auch wenn der [X.] nicht mittelbarer Besitzer der [X.] wäre, gälte nichts anderes.
Denn der Sachverhalt, den der [X.] entschieden habe, sei mit dem streitgegenständlichen nicht vergleich-bar. Vorliegend sei das Mietobjekt vorhanden, selbst wenn sich die Wohnung derzeit in einem [X.] befinde. Der Kläger habe die Wahl, die [X.] entweder fertigzustellen oder sie im [X.] zu veräußern. Der [X.] sei überdies besonders
schutzbedürftig, weil er
in dem Mietobjekt 32
Jahre gewohnt habe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. [X.] der Ansicht des Berufungsgerichts
besteht das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung nicht gemäß §
108 [X.] mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort.
Der Kläger hat die Erfüllung des [X.] in [X.] seines Wahlrechts nach §
103
Abs.
1 [X.] durch Schreiben vom 4.
Mai 2012 wirksam abgelehnt.

1.
Zwischen der Schuldn[X.] und dem [X.]n bestand ein Mietver-hältnis über Wohnraum, dessen Abwicklung sich nach den
§§
103 ff [X.] rich-tet.

a) Der [X.] und sein damaliger Vermieter haben einen [X.] über die streitgegenständliche Wohnung geschlossen. In die sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten ist die Schuldn[X.] mit dem Erwerb der Wohnung anstelle des ursprünglichen Vermieters nach §
566
Abs.
1 [X.] eingetreten. Das zwischen der Schuldn[X.] und dem [X.]n 6
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8
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-
6
-
bestehende Mietverhältnis ist nicht durch den vor der Insolvenzeröffnung ge-schlossenen Sanierungsvertrag beendet worden. Mit dieser Vereinbarung ha-ben die Schuldn[X.] und der [X.] das bestehende Mietverhältnis nur geän-dert. Der [X.] war danach verpflichtet, für die Dauer der Sanierungsmaß-nahmen aus der Wohnung auszuziehen; erst nach Abschluss der Sanierungs-maßnahmen sollte er wieder in die Wohnung einziehen dürfen und hätte die Schuldn[X.] ihm die Wohnung wieder zum Gebrauch überlassen müssen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Mietverhältnis unberührt gelassen; seine Abwicklung richtet sich aber nach den Regeln des Insolvenzrechts (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl.,
§
103 Rn.
13 mit Nachweisen aus der Recht-sprechung).

b) Für Miet-
und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume (fortan nur: Mietverhältnisse) gilt in der Insolvenz einer Vertragspartei grundsätzlich §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.], der §
103 Abs.
1 [X.] verdrängt, soweit er anwendbar ist ([X.], Urteil vom 5.
Juli 2007 -
IX
ZR 185/06, [X.]Z
173, 116 Rn.
9). Ansprüche aus einem nach §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] fortbestehenden Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten, wenn ihre Erfüllung für die [X.] nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§
55 Abs.
1 Nr.
2 Fall
2 [X.]). Ansprüche für die [X.] vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Mieter dagegen nur als Insolvenzgläubiger gel-tend machen (§
108 Abs.
3
[X.]; vgl. [X.], Urteil vom 3.
April 2003 -
IX
ZR 163/02,
NZI
2003, 373).

Insbesondere kann der Mieter auch nach Eröffnung des Insolvenzverfah-rens Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache verlangen. Denn der Anspruch des Mieters auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustan-des der Mietsache (§
535 Abs.
1 Satz
2 [X.]) begründet unabhängig davon, ob 10
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-
7
-
der mangelhafte Zustand vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ent-standen ist, keine Insolvenzforderung (§
108 Abs.
3
[X.]), sondern eine [X.] gemäß §
55 Abs.
1 Nr.
2 [X.]. Mit der Fortdauer des Mietver-hältnisses besteht nämlich die [X.] nach Verfah-renseröffnung weiter und ist vertragliche Gegenleistung des vom Mieter an die Masse weiter gezahlten Mietzinses ([X.], Urteil vom 3.
April 2003, [X.]O mwN).

2.
Doch findet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vorliegend §
108 Abs.
1 [X.] keine Anwendung, so dass §
103 [X.] nicht verdrängt ist und der Kläger die Erfüllung des [X.] wirksam ablehnen konnte.

a)
Der [X.] war nach Auszug aus der zu sanierenden Wohnung nicht
deren unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer.

[X.]) Durch das Verlassen der Wohnung
hat der [X.] freiwillig und willentlich die tatsächliche Sachherrschaft über die Wohnung aufgegeben, die Wohnung zur Sanierung an die Schuldn[X.] übergeben und so den unmittelba-ren Besitz an ihr nach §
856
Abs.
1 [X.] verloren
(vgl. [X.]/
[X.], 6.
Aufl., §
856 Rn.
2, 7). An der Freiwilligkeit ändert sich nicht
dadurch
etwas, dass die Schuldn[X.] von ihm möglicherweise nach §
554 Abs.
1, Abs.
2 Satz
1 [X.] in der zur [X.] der Sanierungsvereinbarung geltenden Fassung vom 2.
Januar 2002 die vorübergehende Räumung der Mietwohnung im Rah-men der Pflicht, Baumaßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der [X.] zu dulden,
hätte verlangen können. Eine solche Verpflichtung wird in [X.] angenommen, etwa wenn Erhaltungsmaßnahmen bei einem [X.] nicht anders erledigt
werden können und sichergestellt ist, dass die Baumaßnahme tatsächlich durchgeführt wird und die Finanzierung geregelt ist (LG
Braunschweig, DWW
1965, 85
f; vgl. [X.]/[X.], [X.], 2014, 12
13
14
-
8
-
§
555a Rn.
9; [X.], Mietrecht 11.
Aufl., §
555a Rn.
34). Abgelehnt wurde sie
etwa
bei einer Sanierungsmaßnahme zur Moder-nisierung eines Gebäudes, die sich über 14
Monate hinziehen sollte (LG
Berlin, WuM
2014, 96). Ob der [X.] nach dieser Rechtsprechung tatsächlich aus seiner Wohnung hätte ausziehen müssen, ist nicht festgestellt, Vortrag hierzu fehlt. Darauf kommt es auch nicht an. Mit der Sanierungsvereinbarung, in der die Schuldn[X.] dem [X.]n weitgehende finanzielle und sonstige Zuge-ständnisse gemacht hat, damit dieser durch seinen Auszug die beabsichtigte Komplettsanierung ermöglichte, wollten die Vertragsparteien ohne Hinzuzie-hung von Gerichten das Problem unter Abwägung der beiderseitigen gegensei-tigen Interessen einvernehmlich, damit aber auch freiwillig, lösen.

Ein Fall der vorübergehenden Verhinderung in der Ausübung der Gewalt nach §
856 Abs.
2 [X.] ist nicht gegeben, weil der [X.] nach den [X.]en des [X.] während der Dauer der Sanierung keine Möglichkeit der Gewaltausübung mehr hatte (vgl. [X.]/[X.],
[X.]O
§
856 Rn.
14). Unmittelbare Besitz[X.] der Wohnung war vielmehr mit der Wohnungsübergabe die Schuldn[X.] und nach der Insolvenzeröffnung der Klä-ger

148 Abs.
1 [X.]).

[X.]) Der [X.] ist nach seinem Auszug auch nicht nach §
868 [X.] mittelbarer Besitzer der streitgegenständlichen Wohnung geworden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vermittelte der Sanierungsvertrag dem [X.] nicht den mittelbaren Besitz. Denn die Schuldn[X.] hat als unmittelbare Besitz[X.] gegenüber dem [X.]n den Besitz nicht in Anerkennung
eines Besitzvermittlungsverhältnisses ausgeübt ([X.]/[X.], 6.
Aufl., §
868 Rn.
8). Aus dem Sanierungsvertrag ergibt sich an keiner Stelle, dass sie die Wohnung für die Dauer der Sanierung für den [X.]n besitzen sollte. Sie 15
16
-
9
-
war auch nicht diesem gegenüber aufgrund des [X.] zeitweise zum Besitz berechtigt. Vielmehr ergab sich ihr Recht zum Besitz allein aus ihrer Stellung als Eigentüm[X.] (§
872 [X.]). Mithin war dem [X.]n die Wohnung im [X.]punkt der Insolvenzeröffnung nicht -
wie nach dem Mietverhältnis im Grundsatz geschuldet

überlassen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 22.
Oktober 1975 -
VIII
ZR 122/74, [X.]Z
65, 137, 139; vom 1.
Februar 1989 -
VIII
ZR 126/88, ZIP
1989, 375, 376; [X.],
EWIR
1989, 665
f).

b) Da der [X.] zum [X.]punkt der Insolvenzeröffnung mithin nicht Besitzer der streitgegenständlichen Wohnung war, greift
§
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] nicht ein. Denn diese Regelung ist einschränkend dahin auszulegen, dass sie grundsätzlich nur zur Anwendung kommt, wenn das Mietverhältnis im [X.]-punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechend den mietvertragli-chen Vereinbarungen in Vollzug gesetzt worden war
und weiterhin vollzogen wurde.

[X.]) Das Berufungsgericht hat
im Ansatz
richtig erkannt, dass die Vor-schrift des §
108 Abs.
1 Satz 1 [X.] nach der Rechtsprechung des [X.]s auf Fälle nicht anwendbar ist, in denen die Mietsache im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters dem Mieter noch nicht überlassen war ([X.], Urteil vom 5.
Juli 2007 -
IX
ZR 185/06, [X.]Z
173, 116 Rn.
13
ff). Denn eine wortgetreue Anwendung dieser Regelung würde den Mieter eines in Insolvenz geratenen Vermieters in [X.] vor anderen Gläubigern bevorzugen. Sinn und Zweck der Regelungen der §§
103 ff, 108 ff [X.] gebieten eine Einschränkung des [X.] des §
108 Abs.
1 [X.] in der Insolvenz des Vermieters auf Mietverhältnisse, die im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens be-17
18
-
10
-
reits durch die Überlassung der Mietsache an den Mieter vollzogen sind ([X.], [X.]O Rn.
18).

Diese Einschränkung hat schon der Gesetzgeber der Konkursordnung vorgenommen, indem er nicht in Vollzug gesetzte Mietverträge ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des §
21 KO ausgenommen
hat, weil man nicht von einem konkursfesten "verdinglichten"
Rechtsverhältnis sprechen könne, bevor die Mietsache übergeben sei. Der Anspruch auf Überlassung der [X.] sei vielmehr rein obligatorisch. Die Nichterfüllung eines noch nicht begon-nenen [X.] benachteilige den Mieter auch nicht in dem Maße wie die fristlose Beendigung eines in Vollzug gesetzten Mietverhältnisses. Es bleibe bei dem allgemeinen Wahlrecht des Konkursverwalters, so dass der Konkursver-walter prüfen könne, ob die Durchführung des Vertrages im Interesse der [X.] liege; wähle er Erfüllung, müssten beide Parteien den Vertrag vollständig und bis zum Ende erfüllen (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-justizgesetzen, Band
4, S.
98
f; [X.], Urteil vom 5.
Juli 2007, [X.]O Rn.
19
f).

Insbesondere dann, wenn die Masse aus §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] ver-pflichtet wäre, eigens für einen bestimmten Mieter einen Mietgegenstand her-zustellen, träfen sie besondere Belastungen. Die Anschaffungs-
und Herstel-lungskosten würden in einem solchen Fall weder vorab noch bei Übergabe des Gebäudes an den Mieter ausgeglichen. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens erfolgt der Ausgleich durch Mietzahlungen über einen längeren [X.]raum hin-weg. Demgegenüber müsste der Verwalter bei Anwendung des §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] zunächst die Herstellungskosten aus der Masse vorfinanzieren und dann abwarten, ob sich seine Investitionen während der vorgesehenen [X.] des [X.] auszahlten. Das Insolvenzverfahren ist jedoch auf eine zügige Abwicklung angelegt. Kann das schuldnerische Unternehmen 19
20
-
11
-
nicht saniert werden, ist das Schuldnervermögen zu verwerten und der Erlös nach Abzug der Kosten unter die Insolvenzgläubiger zu verteilen (§
1 Satz
1 [X.]). Dem widerspricht es, die Masse zu Vorleistungen zu
verpflichten, die sich erst nach zehn oder mehr Jahren auszahlen ([X.], Urteil vom 5.
Juli 2007, [X.]O Rn.
22; vgl. auch [X.], Urteil vom 20.
Oktober 2011 -
IX
ZR 10/11, ZIP
2011, 2262 Rn.
6).

In vielen Fällen würde die Durchführung des [X.] schlicht daran scheitern, dass der Verwalter die zur Anschaffung oder Errichtung der [X.] erforderlichen Kosten weder aus der Masse aufbringen noch anderweitig finanzieren kann. Ansprüche des Mieters auf Schadensersatz wegen Nichterfül-lung wären ebenfalls Masseverbindlichkeiten. Das Insolvenzverfahren müsste folglich gemäß §§
208
ff, 211 [X.] nach (anteiliger) Befriedigung der [X.] zum Nachteil der Insolvenzgläubiger wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt werden. Mit der vom Gesetzgeber der Insolvenzordnung angestreb-ten höheren Verteilungsgerechtigkeit wäre diese unverhältnismäßige Bevorzu-gung eines einzelnen Gläubigers nicht zu vereinbaren ([X.], Urteil vom 5.
Juli 2007, [X.]O Rn.
23).

[X.]) Diese Erwägungen treffen auch auf vorliegenden Fall zu
(aA Münch-Komm-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
108 Rn.
12b; vgl. auch [X.]/[X.], KO, 9.
Aufl., §
19 Rn.
43; [X.]/[X.], [X.], §
108 Rn.
110
f).
Er ist
einerseits dadurch gekennzeichnet, dass der Mietvertrag zwar jahrelang vor Stellung des Insolvenzantrags in Vollzug gesetzt war, andererseits aber auch dadurch, dass der Mieter den Besitz an der Wohnung -
und damit auch seine insolvenzfeste, "verdinglichte"
Rechtsposition
-
vor Stellung des Insolvenzantrags aufgegeben hat, um dem Vermieter die umfassende Sanierung zu ermöglichen, diese Sa-nierung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ver-21
22
-
12
-
mieters jedoch zum Erliegen gekommen ist. Denn die streitgegenständliche Wohnung befand sich bei Insolvenzeröffnung in einem [X.]. Der Kläger müsste also zunächst die über die mietvertragstypischen Instandhal-tungskosten (vgl. [X.], Urteil vom 3.
April 2003 -
IX
ZR 163/02, NZI
2003, 373) hinausgehenden Sanierungskosten (vgl. [X.]/[X.], [X.], §
108 Rn.
110; [X.], ZfIR
2008, 155, 156) aus der Masse vorfinanzieren und dann abwar-ten, ob sich seine Investition während der vorgesehenen Mindestlaufzeit des [X.] auszahlt. Dies aber widerspricht, wie bereits ausgeführt wurde, dem Sinn des Insolvenzverfahrens.

Der Kläger hat in Abrede gestellt, die zur Herstellung der Mietsache er-forderlichen Kosten aus der Masse aufbringen oder anderweitig finanzieren zu können. Die Ansprüche des [X.]n auf Schadensersatz wegen Nichtüber-lassung der streitgegenständlichen Wohnung und auf Zahlung der im [X.] vereinbarten Vertragsstrafe wären bei Anwendung von §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] Masseverbindlichkeiten, die zur Unzulänglichkeit der Masse führen könnten. Übermäßige Belastungen zu Gunsten eines einzelnen [X.] von der Masse fernzuhalten, war gerade der Grund für die vom [X.] vorgenommene teleologische Reduktion (vgl. [X.] in Festschrift [X.], 2008, S.
333, 344
f).

Das Interesse des [X.]n an der Mietsache beschränkt sich darauf, dass sein mit der Schuldn[X.] geschlossener Sanierungsvertrag durchgeführt wird. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied zu anderen gegen-seitigen Verträgen, die dem Wahlrecht des Verwalters nach §
103 Abs.
1 [X.] unterfallen. Erst dann, wenn der Mieter die Mietsache in Gebrauch hat, ist ein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand des Vertragsverhältnisses bis zum 23
24
-
13
-
Ende der vereinbarten Mietzeit oder auf die Einhaltung vertraglicher Kündi-gungsfristen anzuerkennen (vgl. [X.], [X.]O
S.
345).

3. Nach diesen Erwägungen
ist der nicht besitzende Mieter in der [X.] weniger geschützt als der besitzende Mieter. Dies ist auch bei der Wohnraummiete nicht unbillig; denn nur für den besitzenden [X.] die Wohnung den Mittelpunkt seiner privaten Existenz ([X.] 134, 242 Rn.
270; vgl. [X.], Urteil vom 28.
Januar 2009 -
VIII
ZR 8/08, [X.]Z
179, 289 Rn.
14).
Diese Wertung liegt auch den Regelungen über den Schutz der Mieter einer
Wohnung in §§
549
ff [X.] zugrunde.

a) Nach dem Wortlaut des §
566 Abs.
1 [X.]
tritt der Erwerber anstelle des Vermieters nur dann in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen
Dritten veräußert wird, also das Eigentum auf den Erwerber übergeht (vgl. [X.]/Häublein, 6.
Aufl., §
566 Rn.
12). Der Erwerber tritt danach nicht in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn die Wohnung zwar bereits vermietet, aber zum [X.]punkt des Eigentums-übergangs noch nicht an den Mieter überlassen worden ist, worunter regelmä-ßig die [X.] an den Mieter zu verstehen ist ([X.]/
Häublein, [X.]O Rn.
14; vgl. aber auch [X.], Urteil vom 1.
Februar 1989 -
VIII
ZR 126/88, ZIP
1989, 375, 376;
[X.], EWIR
1989, 665). Entsprechendes hat die Rechtsprechung über den Wortlaut der Regelung hinaus nach dem Zweck der Vorschrift des §
566 [X.] angenommen, wenn der Mieter trotz [X.] des Mietverhältnisses schon vor dem Eigentumsübergang auf den Erwerber aus der Mietwohnung ausgezogen ist. Der in §
566 [X.] geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis dient dem Schutz des Mieters, 25
26
-
14
-
dem die Wohnung aufgrund wirksamen [X.] überlassen worden ist. Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung als berechtigter Besitzer soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben. Das Erfordernis der Überlassung der Wohnung an den Mieter erfüllt ferner eine Publizitätsfunktion, denn der Erwerber kann in der Regel bereits aus der Besitzlage ablesen, in welche Mietverhältnisse er [X.] muss. Nach seinem Wortlaut und Zweck setzt §
566 [X.] deshalb grund-sätzlich voraus, dass im [X.]punkt des [X.] ein wirksames Miet-verhältnis besteht und sich der Mieter noch im Besitz der Wohnung befindet ([X.], Urteil vom 16.
Dezember 2009 -
VIII
ZR 313/08, [X.], 1068 Rn.
21). Die aus dem Normzweck des § 566 [X.] abgeleitete Begrenzung sei-nes Schutzbereichs wirkt nicht nur, wenn ein Mieter im [X.]punkt der [X.] bei bestehendem Mietverhältnis aus dem Mietobjekt vorzeitig ausgezogen war ([X.], Urteil vom 4.
April 2007 -
VIII
ZR 219/06, NJW
2007, 1818 Rn.
8, 10), sondern auch dann, wenn der Mieter
infolge vorgetäuschten Eigenbedarfs ausgezogen war und der Mietvertrag wegen der Täuschung nicht [X.] beendet wurde (vgl. [X.], Urteil vom 16.
Dezember 2009, [X.]O).

b) Die nach dem ausgeübten Besitz vorgenommene Unterscheidung [X.] ihre innere Berechtigung in der Verfassung. Das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist als Eigentum im Sinne von Art.
14 Abs.
1 Satz
1 GG anzusehen und deshalb ebenso grundgesetzlich geschützt wie die [X.] des Vermieters. Dieser grundrechtliche Schutz setzt aber voraus, dass der Mieter Besitzer der gemieteten Wohnung ist, dass das Mietverhältnis mithin in Vollzug gesetzt ist
(vgl. [X.]
89, 1, 5 ff; [X.], NJW
2000, 2658, 2659; WuM
2011, 355, 356 f;
[X.]
134, 242 Rn.
270; [X.], Urteil vom 28.
Januar 2009, [X.]O; vom 8.
Juni 2011 -
VIII
ZR 226/09, WM
2011, 2144 Rn.
11; vgl. [X.]/[X.]/Papier, GG, 2014, Art. 14 Rn.
202; [X.], [X.]O).
27
-
15
-

4. Der [X.] kann die Überlassung der streitgegenständlichen [X.] nicht erreichen. Denn nach seinem in der Revisionsinstanz entgegen §
559 Abs.
1 ZPO gehaltenen Tatsachenvortrag hat der Kläger die Wohnung zwischenzeitlich veräußert. Da §
566 Abs.
1 [X.] zu seinen Gunsten nicht zur Anwendung kommt, weil er zum [X.]punkt der Veräußerung nicht Besitzer der Wohnung war,
kann er seinen Anspruch auf Übergabe der Mietwohnung ge-genüber dem Erwerber nicht durchsetzen. Aber auch wenn der Kläger die sich im [X.] befindliche Wohnung nicht veräußert hat, kann der [X.] sie nicht beziehen, weil sie nicht bewohnbar ist. In beiden Fällen blieben dem [X.]n -
sollte §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.] zur Anwendung kommen
-
gegen die Masse nur Schadensersatz-
und Vertragsstrafenansprüche. Eine Bevorzu-gung des [X.]n gegenüber den [X.] wegen solcher [X.] widerspricht aber den sich aus §§
103 ff [X.] ergebenden Wertungen des Gesetzgebers.

5. Auch ein etwaiger Rechtsmissbrauch durch einen
Vermieter, der unter Einsatz einer finanziell nicht ausreichend ausgestatteten juristischen Person die "Entmietung"
eines Hauses betreibt, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung des §
108 Abs.
1 Satz
1 [X.]. Ein Mieter muss nur in Ausnahmefällen seine Wohnung vorübergehend verlassen, um die Erhaltungs-
und Modernisierungs-arbeiten zu dulden, und das auch
nur, wenn der Vermieter seine ernsthaften Sanierungsabsichten und die Finanzierbarkeit
der Baumaßnahme beweist. So-weit es dennoch in Einzelfällen zu einem Rechtsmissbrauch kommen sollte, haften die handelnden Personen dem Mieter deliktisch, etwa nach §
826 [X.].

28
29
-
16
-
III.

Das angefochtene Urteil kann deshalb nicht bestehen bleiben. Da das Berufungsgericht den Sachverhalt rechtsfehlerfrei festgestellt hat und das fest-gestellte Sachverhältnis, ohne dass es hierzu weiteren Vortrags und weiterer Feststellungen bedürfte, eine Entscheidung über den in der Berufungsinstanz gestellten Feststellungsantrag ermöglicht, kann der Senat nach §
563 Abs.
3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die angefochtenen Entscheidungen [X.] insoweit abzuändern, als die Klage auch in Bezug auf den ersten Hilfsan-trag abgewiesen worden ist.

Kayser
[X.]
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.08.2013 -
40a [X.]/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 25.03.2014 -
316 [X.]/13 -

30

Meta

IX ZR 87/14

11.12.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2014, Az. IX ZR 87/14 (REWIS RS 2014, 407)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 407

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IX ZR 87/14

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