Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.08.2017, Az. 2 B 76/16

2. Senat | REWIS RS 2017, 6040

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Gegenstand

Erfolglose Verfahrensrügen gegen die disziplinargerichtliche Verneinung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Beamten


Gründe

1

1. Der 1972 geborene [X.] ist Polizeiobermeister ([X.]esoldungsgruppe A 8) im Dienst des Klägers.

2

Im Mai 2008 verurteilte das [X.] ... den [X.]n wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Körperverletzung in sechs weiteren Fällen unter Einbeziehung eines früheren Strafurteils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.]s war es in der seit April 2003 bestehenden [X.]eziehung des [X.]n aufgrund seiner starken Eifersucht und seines großen Misstrauens zu zahlreichen Übergriffen auf seine Partnerin gekommen. Diese habe lange [X.] keine Strafanzeige gegen den [X.]n erstattet, weil sie gehofft habe, dass er sich bessern werde, und weil sie befürchtet habe, dass ihr - anders als dem [X.]n als Polizisten - nicht geglaubt werde. Der [X.] und seine Partnerin hätten sich mehrfach getrennt, aber ihre [X.]eziehung jeweils wieder fortgesetzt. An einem Abend im Januar 2005 habe der [X.] seine Partnerin vergewaltigt. Nach diesem Vorfall habe sich die Partnerin des [X.]n von diesem getrennt. Nach ungefähr zwei Wochen seien sie aber wieder ein Paar gewesen, bevor es im Folgemonat zur endgültigen Trennung gekommen sei.

3

Auf die Revision des [X.]n hob der [X.] im Dezember 2008 das landgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf, weil der [X.]eweisantrag des [X.]n zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zum [X.]eweis dafür, dass er zur Tatzeit vermindert schuldfähig gewesen sei, rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Nach Einholung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens verurteilte das [X.] im Oktober 2009 den [X.]n auf der Grundlage des in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs sowie der rechtlichen Würdigung und der tatsächlichen Feststellungen des Urteils vom Mai 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde.

4

Das Verwaltungsgericht hat den [X.]n durch Disziplinarurteil vom August 2012 aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt. Die [X.]erufung des [X.]n ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat - wie schon zuvor das Verwaltungsgericht - die Voraussetzungen für eine Lösung von den als bindend angenommenen tatsächlichen Feststellungen in den [X.]n verneint. Dies gelte auch für den Vorwurf der Vergewaltigung und die insoweit erhobene Rüge der verfahrensfehlerhaften [X.]eweiswürdigung wegen der Nichterfüllung der wissenschaftlichen Anforderungen an [X.] bei der Würdigung der Aussage der früheren Partnerin des [X.]n; diese Anforderungen beanspruchten keine Geltung bei der gerichtlichen [X.]eweiswürdigung einer Zeugenaussage. Die [X.]indungswirkung der [X.] erstrecke sich auch darauf, dass der [X.] die ihm angelasteten Taten begangen und dabei vorsätzlich und schuldhaft gehandelt habe. Selbst auf der Grundlage der [X.]ewertung des behandelnden Arztes bestehe kein greifbarer Anhaltspunkt für eine Schuldunfähigkeit, weil die pathologische Eifersucht auch nach Einschätzung dieses Arztes ausschließlich zu einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit bei aufrecht erhaltener Einsichtsfähigkeit führe. Das Dienstvergehen des [X.]n erfordere unter [X.]erücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis. Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit sei auf der Grundlage der gutachterlichen Einschätzung des gerichtlich bestellten Sachverständigen, die auch nicht durch den behandelnden Arzt als Zeugen erschüttert worden sei, nicht anzunehmen.

5

2. Die [X.]eschwerde hat keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

6

a) Dies gilt zunächst für die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe verfahrensfehlerhaft keine eigenen Feststellungen zur Schuld des [X.]n getroffen, sondern sich auf die [X.]indungswirkung der [X.] zurückgezogen. Diese Rüge ist unter [X.]erücksichtigung des [X.] rechtsschutzfreundlich dahingehend auszulegen, dass geltend gemacht wird, das Oberverwaltungsgericht hätte sich von den bindenden tatsächlichen Feststellungen der [X.] zur Tatbegehung lösen müssen, weil diese nicht haltbar seien. Damit wird im vorliegenden Fall ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt.

7

Nach § 23 Abs. 1 des Disziplinargesetzes des [X.] vom 29. Juni 2004 (GV[X.]l. 2004 S. 263), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. März 2009 (GV[X.]l. [X.]) - im Folgenden: [X.] [X.]E - sind die tatsächlichen Feststellungen u.a. eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im sachgleichen behördlichen Disziplinarverfahren bindend. Soweit diese [X.]indungswirkung reicht, entfällt die Verpflichtung - und [X.]efugnis - der Disziplinarbehörde nach §§ 24 ff. [X.] [X.]E, die erforderlichen [X.]eweise zu erheben. Entsprechendes gilt nach § 41 [X.] [X.]E i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1, § 58 Abs. 1 [X.] für das gerichtliche Disziplinarverfahren. Nach § 41 [X.] [X.]E i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Abs.1 [X.] (für das [X.]erufungsverfahren), hat das Disziplinargericht jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind.

8

Die [X.]indungswirkung soll verhindern, dass zu ein- und demselben Sachverhalt unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung primär den Strafgerichten zu überlassen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass tatsächliche Feststellungen, die ein Gericht auf der Grundlage eines Strafprozesses mit seinen besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen trifft, eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit bieten. Daher haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung ungeprüft zugrunde zu legen, soweit die [X.]indungswirkung reicht. Sie sind insoweit weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Feststellungen zu treffen. Die [X.]indungswirkung entfällt nur, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind (stRspr, vgl. nur [X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]VerwGE 146, 98 Rn. 13; [X.]eschluss vom 25. Februar 2016 - 2 [X.] 1.15 - juris Rn. 8).

9

Somit ist es rechtsfehlerfrei, dass das [X.]erufungsgericht hinsichtlich der Frage, ob der [X.] die ihm angelasteten Taten begangen hat, auf die Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils abgestellt hat. Dass das [X.]erufungsgericht im Ergebnis diese Feststellungen nicht als offensichtlich unrichtig, sondern als zutreffend beurteilt hat, obliegt seiner [X.]eweiswürdigung. Die [X.]eschwerde hält das Ergebnis dieser [X.]eweiswürdigung für fehlerhaft, zeigt aber keinen Verfahrensfehler bei der [X.]eweiswürdigung auf. Soweit die [X.]eschwerde anführt, die [X.]eweiswürdigung im Strafurteil genüge nicht den Anforderungen des [X.]s für aussagepsychologische [X.]egutachtungen, verkennt sie, dass das insoweit herangezogene Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 [X.] - ([X.]GHSt 45, 164 <167 ff.> = juris Rn. 11 ff.) solche Anforderungen eben nur für aussagepsychologische [X.]egutachtungen - also für Sachverständigengutachten - formuliert, sie aber nicht auf die gerichtliche [X.]eweiswürdigung von Zeugenaussagen erstreckt. Für die gerichtliche [X.]eweiswürdigung in Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, gelten nach der Rechtsprechung des [X.]s geringere Anforderungen. Das Tatgericht muss sich bewusst sein, dass die Aussage des einzigen [X.]elastungszeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist ([X.]GH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 5 StR 316/12 - NStZ 2013, 57 <58> = juris Rn. 16; vgl. auch [X.]GH, Urteil vom 17. November 1998 - 1 [X.] - [X.]GHSt 44, 256 <257> = juris Rn. 18). Die von der [X.]eschwerde angeführten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Zeugenaussage der früheren Partnerin des [X.]n zeigen jedenfalls keine offenkundige Unrichtigkeit der hierauf beruhenden tatsächlichen strafgerichtlichen Feststellungen auf. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, dass sich das [X.]erufungsgericht nicht von den Feststellungen des Strafgerichts gelöst hat.

Im Übrigen hat das [X.]erufungsgericht ergänzend zu der von ihm angenommenen [X.]indungswirkung ausgeführt, dass selbst auf der Grundlage der [X.]ewertung des den [X.]n behandelnden Arztes kein greifbarer Anhaltspunkt für eine Schuldunfähigkeit bestehe, weil die pathologische Eifersucht auch nach Einschätzung dieses Arztes ausschließlich zu einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit bei aufrecht erhaltener Einsichtsfähigkeit führe.

b) Es ist auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass das [X.]erufungsgericht im Rahmen seiner [X.]emessungsentscheidung den [X.] einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht angenommen hat. Insbesondere ist es kein Aufklärungsmangel, dass das [X.]erufungsgericht sich auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen gestützt und den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt hat. Zwar sind die Disziplinargerichte auch nach einem rechtskräftigen Strafurteil verpflichtet, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich einer etwaigen verminderten Schuldfähigkeit zu treffen, denn die [X.]indungswirkung des Strafurteils erstreckt sich nicht auf die Tatsachen, die der Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit entgegenstehen oder diese stützen ([X.]VerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 [X.] 59.07 - juris Rn. 29; [X.]eschluss vom 9. Februar 2016 - 2 [X.] 84.14 - [X.]uchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 41 Rn. 20). Im vorliegenden Fall ist die Amtsaufklärungspflicht des Disziplinargerichts jedoch nicht verletzt.

Gemäß § 41 [X.] [X.]E i.V.m. § 58 Abs. 1 [X.] erhebt das Gericht die erforderlichen [X.]eweise. Demnach hat es grundsätzlich selbst und von Amts wegen diejenigen Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und - im vorliegenden Fall nur relevant - für die [X.]emessung der Disziplinarmaßnahme von [X.]edeutung sind. Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies gilt gemäß § 41 [X.] [X.]E i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch für die [X.]erufungsinstanz.

[X.]estehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des [X.]eamten bei [X.]egehung der Tat erheblich gemindert war, darf das [X.] im Rahmen seiner [X.]emessungsentscheidung diesen Aspekt nicht offen lassen oder zugunsten des [X.]etroffenen unterstellen und sogleich auf die Einsehbarkeit der betreffenden Pflicht abstellen. Vielmehr muss es die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des [X.]eamten aufklären ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 26. September 2014 - 2 [X.] 23.14 - [X.]uchholz 310 § 98 VwGO Nr. 111 Rn. 5 m.w.[X.]). Dabei kann auch das Vorliegen einer krankhaften [X.]eeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit unterhalb der Schwelle einer seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StG[X.] für die Gesamtwürdigung von [X.]edeutung sein ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 [X.] 35.13 - [X.]uchholz 235.1 § 13 [X.] Nr. 21 Rn. 21 und vom 28. Februar 2017 - 2 [X.] 85.16 - juris Rn. 10).

Hat der [X.]eamte zum Tatzeitpunkt an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StG[X.] gelitten oder kann eine solche Störung nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden und ist die Verminderung der Schuldfähigkeit des [X.]eamten erheblich, so ist dieser Umstand bei der [X.]ewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. [X.]ei einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann die [X.] regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden ([X.]VerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 [X.] 83.08 - [X.]VerwGE 136, 173 Rn. 29 ff.; [X.]eschluss vom 28. Februar 2017 - 2 [X.] 85.16 - juris Rn. 7).

Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist zwar eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben ([X.]VerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 [X.] 59.07 - juris Rn. 30). Als Vorfrage muss indes geklärt werden, ob der [X.]eamte im Tatzeitraum an einer Krankheit gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Erst wenn die seelische Störung und ihr Schweregrad feststehen oder nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit vorliegen ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 4. Juli 2013 - 2 [X.] 76.12 - [X.]uchholz 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 20 und vom 28. Februar 2017 - 2 [X.] 85.16 - juris Rn. 7).

Hierzu bedarf es in der Regel besonderer ärztlicher Sachkunde. Für die in Rede stehenden medizinischen Fachfragen gibt es keine eigene, nicht durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde des Richters ([X.]VerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 [X.] 12.11 - [X.]VerwGE 147, 244 Rn. 11 und [X.]eschluss vom 28. Februar 2017 - 2 [X.] 85.16 - juris Rn. 8).

Hinsichtlich eines (ggf. zusätzlich) einzuholenden Sachverständigengutachtens ist den [X.]en nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404 und 412 ZPO Ermessen eröffnet. Die unterlassene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die [X.]ildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht bereits eine sachverständige Äußerung zu einem [X.]eweisthema vor, muss es ein weiteres Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht ([X.]VerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 [X.] 15.84 - [X.]VerwGE 71, 38 <45>; [X.]eschlüsse vom 29. Mai 2009 - 2 [X.] 3.09 - [X.]uchholz 235.1 § 58 [X.] Nr. 5 Rn. 7 und vom 26. September 2014 - 2 [X.] 14.14 - [X.]uchholz 235.1 § 57 [X.] Nr. 5 Rn. 18 f. m.w.[X.]). Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein [X.]eteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält ([X.]VerwG, Urteile vom 15. Oktober 1985 - 9 [X.] 3.85 - [X.]uchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 S. 122, vom 6. Oktober 1987 - 9 [X.] 12.87 - [X.]uchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 2 und vom 22. Oktober 2015 - 7 [X.] 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 47; [X.]eschlüsse vom 27. März 2013 - 10 [X.] 34.12 - [X.]uchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4 und vom 21. Juli 2016 - 2 [X.] 40.16 - [X.]uchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 46 Rn. 15).

Gemessen an diesen Grundsätzen zeigt die [X.]eschwerdebegründung nicht auf, dass das [X.]erufungsgericht bei der Klärung der Frage der erheblich verminderten Schuldfähigkeit des [X.]n die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 41 [X.] [X.]E i.V.m. § 58 Abs. 1 [X.], § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt hat.

Der Sachverständige, ein Facharzt für Nervenheilkunde mit dem Schwerpunkt Forensische Psychiatrie, der den [X.]n 2009 im Strafverfahren untersucht hatte, hat zwar narzisstische Persönlichkeitszüge festgestellt, aber eine psychische Krankheit im Sinne des § 20 StG[X.] verneint. Hierauf konnte sich das [X.]erufungsgericht stützen. Die Einschätzung des Sachverständigen wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht durch die [X.]ekundungen des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, in dessen [X.]ehandlung sich der [X.] im Jahr 2015 begeben hat, nicht erschüttert. Auch der sachverständige Zeuge bejahte narzisstische Persönlichkeitszüge und verneinte eine Persönlichkeitsstörung. Zwar bekundete der Zeuge außerdem, dass die Steuerungsfähigkeit des [X.]n [X.] eingeschränkt gewesen sei. Allerdings hielt der Sachverständige an seiner Einschätzung fest, weil pathologische Eifersucht ein Symptomkomplex, ein Teil der Persönlichkeit sei und nicht zur [X.]ejahung der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StG[X.] führe.

In dieser Situation musste sich dem [X.]erufungsgericht eine [X.]eweiserhebung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht aufdrängen. Das [X.]erufungsgericht hat die Vorfrage für die [X.]eurteilung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit, nämlich das Vorliegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StG[X.], verneint. Es hat sich dabei auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gestützt, der sehr viel zeitnäher als der sachverständige Zeuge den [X.]n untersucht hat. [X.] Einwände gegen die Validität des Sachverständigengutachtens - etwa in methodischer Hinsicht - wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht nicht erhoben; der sachverständige Zeuge hat lediglich eine abweichende Einschätzung bekundet. Der anwaltlich vertretene [X.] hat in der mündlichen Verhandlung keinen [X.]eweisantrag zur weiteren Klärung des Sachverhalts, etwa auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, gestellt. In dieser Situation musste sich dem [X.]erufungsgericht eine weitere Sachaufklärung nicht aufdrängen.

c) Schließlich ist es auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass das [X.]erufungsgericht die vom [X.]n begonnene Therapie nicht maßnahmemildernd gewürdigt hat. Hierin liegt insbesondere kein Verstoß gegen die Pflicht zur fehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung.

Zu den nach § 13 Abs. 1 [X.] [X.]E (sowie nach § 13 [X.] und den entsprechenden Vorschriften der anderen Landesdisziplinargesetze) bemessungsrelevanten - und für den [X.]eamten sprechenden - Umständen gehört auch der Umstand, dass sich der [X.]eamte im Hinblick auf das Dienstvergehen einer Therapie unterzogen hat. Stärker noch als die Tatsache der Durchführung einer Therapie ist ihr Ergebnis zu berücksichtigen. Nachträgliche Therapiemaßnahmen können bei der [X.]emessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn eine günstige Zukunftsprognose gestellt werden kann. Dabei können positive Entwicklungen in der Person des [X.]eamten nach Vollendung des Dienstvergehens auch dazu führen, dass von der [X.] zugunsten einer milderen Maßnahme abgesehen wird. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit festzustellen, inwieweit eine vom [X.]eamten im Hinblick auf sein Fehlverhalten begonnene Therapie Erfolg hat ([X.]VerwG, Urteile vom 27. November 2001 - 1 [X.] - juris Rn. 35 und vom 19. August 2010 - 2 [X.] 13.10 - [X.]uchholz 235.1 § 13 [X.] Nr. 12 Rn. 29 f.; [X.]eschluss vom 22. März 2016 - 2 [X.] 43.15 - [X.]uchholz 235.1 § 13 [X.] Nr. 34 Rn. 7).

Diesen Anforderungen genügt das [X.]erufungsurteil. Es ist nicht zu beanstanden, dass das [X.]erufungsgericht dem Umstand der 7 Jahre nach der Tat begonnenen Therapie kein maßnahmemilderndes Gewicht beigemessen hat. Da der sachverständige Zeuge in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht bekundet hatte, dass die Therapie andauere und auch noch einige [X.] andauern werde, ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.]erufungsgericht darauf abgestellt hat, dass es gegenwärtig an einer hinreichend tragfähigen Tatsachengrundlage dafür fehle, dass [X.] gleicher Art nicht mehr zu besorgen seien.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 [X.] [X.]E, § 77 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das [X.]eschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 41 [X.] [X.]E, § 78 Satz 1 [X.] i.V.m. Nr. 10 und 62 des als Anlage zu diesem Gesetz erlassenen Gebührenverzeichnisses).

Meta

2 B 76/16

29.08.2017

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 18. August 2016, Az: OVG 80 D 7.12, Urteil

§ 41 DiszG BE, § 13 Abs 1 DiszG BE, § 13 BDG, § 57 Abs 1 S 2 BDG, § 65 Abs 1 BDG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.08.2017, Az. 2 B 76/16 (REWIS RS 2017, 6040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6040

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Referenzen
Wird zitiert von

35 K 6559/20

Zitiert

5 StR 316/12

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x

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