Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.03.2021, Az. VI ZR 1110/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 7602

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Gegenstand

Vorliegen eines Gehörsverstoßes in einem Schadensersatzprozess eines Grundstücksnachbarn wegen Gebäudeschäden durch Niederschlagswasser


Leitsatz

Zum Vorliegen eines Gehörsverstoßes in einem Schadensersatzprozess.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 14. Juli 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 140.000 €

Gründe

I.

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte als Erbin ihres im Lauf des erstinstanzlichen Verfahrens verstorbenen Ehemanns Schadensersatzansprüche nach einem Wasserschaden geltend.

2

Die [X.]en sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die mit zwei direkt aneinander anschließenden Gebäuden mit durchgehendem Steildach bebaut sind. Die [X.] des [X.] geht ebenfalls über die Grundstücksgrenze hinweg. Unterhalb des [X.] mit [X.] befindet sich ein Gebäude mit Flachdach, das dem Kläger gehört. Die Entwässerung des [X.] der Beklagten erfolgte über die [X.], die ein Gefälle in Richtung Steildach des [X.] aufwies und das Wasser über den hinteren Teil des [X.] in ein Fallrohr am Gebäude des [X.] einleitete. Im [X.] 2014 kam es zu einem Wasserschaden im vorderen Teil des [X.]. Das Wasser trat durch das Flachdach in die darunter liegenden Räumlichkeiten und richtete dort einen Schaden an.

3

Der Kläger hat behauptet, die das Steildach der Beklagten entwässernde [X.] habe sich nach links hin abgesenkt, so dass das Gefälle nicht mehr in Richtung des [X.] des [X.], sondern in die entgegengesetzte Richtung bestanden habe und das Niederschlagswasser übergelaufen und auf das Flachdach des [X.] getroffen sei. Der Rechtsvorgänger der Beklagten habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Zudem habe er gegen § 45 [X.] Nachbarrechtsgesetz (NNachbG) verstoßen, wonach ein Grundstückseigentümer zu gewährleisten habe, dass [X.] nicht auf das Nachbargrundstück gelange.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

5

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.

6

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, eine etwaige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei nicht kausal gewesen, weil der Kläger nicht bewiesen habe, dass der Wasserschaden durch die herabgesenkte Dachrinne im linken Bereich des [X.] der Beklagten verursacht worden sei. Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 45 NNachbG. Denn das Grundstück des [X.] sei zugunsten des Grundstücks der Beklagten mit einer Grunddienstbarkeit zur Aufnahme des Regenwassers belastet. Wegen dieser Grunddienstbarkeit habe der Kläger schließlich auch keinen Anspruch aus § 906 Abs. 2 BGB analog.

7

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht mit der Annahme einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks der Beklagten wesentlichen Vortrag des [X.] übergangen hat.

8

a) Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen einer [X.] ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung von [X.]vorbringen grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann aber dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 8. November 2016 - [X.], [X.], 316 Rn. 6 mwN).

9

b) So liegt es hier. Die Feststellung, dass die von der Beklagten behauptete Grunddienstbarkeit bestehe, hat das Berufungsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe dem Grundbuch entnommen. Aus dem vom Kläger mit Anlage [X.] vorgelegten Auszug aus dem Grundbuch ergibt sich aber, dass mit der Grunddienstbarkeit zur Aufnahme des Regenwassers das unter Nummer 7 (ehemals [X.]) des [X.] eingetragene Grundstück, also das Flurstück 157/14 ([X.] Straße 26), für den jeweiligen Eigentümer der Flurstücke 158/14 und 159/14 (eingetragen unter Nr. 1 und 2 des [X.], [X.] Straße 25) belastet ist. Dem Vortrag in der Klageschrift zufolge ist Eigentümer der Grundstücke mit den [X.] 157/14, 158/14 und 159/14 der Kläger, der in der [X.] Straße 25/26 wohnt, während die Beklagte Eigentümerin des Grundstücks mit der [X.] ist. Diesen Vortrag zu den Eigentumsverhältnissen hat das [X.] bei seinen Ausführungen zur Grunddienstbarkeit übergangen. Bei Berücksichtigung des Vortrags hätte es näher begründen müssen, warum es trotz des Inhalts des mit Anlage [X.] vorgelegten Grundbuchauszugs und der vorgetragenen Eigentumsverhältnisse von einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks der Beklagten ausgeht.

c) [X.] ist auch entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 45 NNachbG und aus § 906 Abs. 2 BGB analog allein mit dem Verweis auf die angeblich zugunsten der Beklagten bestehende Grunddienstbarkeit ausgeschlossen hat.

3. Die neue Verhandlung gibt dem Berufungsgericht im Übrigen Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit dem weiteren Vorbringen des [X.] im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu befassen. Dies betrifft insbesondere seinen Vortrag, die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Ergebnissen des vom Kläger vorgelegten Privatgutachtens gingen an dessen Kern vorbei.

[X.]     

      

[X.]     

      

Müller

      

[X.]     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZR 1110/20

23.03.2021

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 14. Juli 2020, Az: 4 U 83/18

Art 103 Abs 1 GG, § 544 Abs 9 ZPO, § 45 NachbG ND, § 823 Abs 2 BGB, § 906 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.03.2021, Az. VI ZR 1110/20 (REWIS RS 2021, 7602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7602

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Referenzen
Wird zitiert von

VI ZR 1067/20

Zitiert

VI ZR 512/15

Zitieren mit Quelle:
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