Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2018, Az. 1 StR 188/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 7123

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:270618B1STR188.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 188/18

vom
27. Juni
2018
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

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2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 2. auf dessen Antrag

am 27.
Juni
2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2017 mit den zugehöri-gen Feststellungen
aufgehoben, soweit das [X.] von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsan-stalt abgesehen hat.
2.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurück-verwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten
wegen
unerlaubten [X.] mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf tatmehrheitlichen
Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten
verurteilt. Die auf die Rüge materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§
349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§
349 Abs. 2 StPO).
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3
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1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld-
und Strafausspruch kei-nen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben. Insoweit wird auf die Antragsschrift des [X.] Bezug genommen. Die [X.] in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB
begegnet hingegen durchgreifenden sachlich-rechtlichen
Bedenken.

a) Nach den Feststellungen des [X.]s ([X.] f.) konsumierte der Angeklagte seit 2008 gelegentlich Cannabis, wobei er teilweise sogar auf einem Waldstück und später in einem Schrank seiner Wohnung selbst Canna-bis anbaute. [X.] steigerte sich seine Drogeneinnahme zu einem tägli-chen [X.], wobei er im Juni 2013 teilweise bis zu drei bis vier Gramm [X.] pro Tag zu sich nahm. Er war aber in der Lage, seinen [X.] für meh-rere Tage zu unterbrechen, wenn wichtige Termine anstanden. Ab Mai 2016 steigerte der Angeklagte bis zu seiner Festnahme am 19. Januar 2017 seinen [X.] aus Frust über einen geschäftlichen Misserfolg aber wieder auf bis zu sieben Gramm pro Tag, war aber in der Lage seinen [X.] kurzfristig einzu-stellen. Die Analyse einer dem Angeklagten nach der Festnahme entnomme-nen Haarprobe ergab nach Auswertung durch den Sachverständigen einen re-gelmäßigen bzw. häufigen Cannabiskonsum, wobei aber keine Anhaltspunkte für einen sonstigen [X.] festgestellt werden konnten (UA S. 13).
b) Das [X.] hat von der Anordnung einer Unterbringung des
An-geklagten in einer Entziehungsanstalt
abgesehen. Dabei hat es die Frage des Vorliegens eines Hangs i.S.d. §
64 StGB letztlich offen gelassen. Zwar spreche der Umstand, dass der Angeklagte angefangen habe,
mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben, um seinen eigenen [X.] zu finanzieren für eine [X.] Gefährlichkeit, jedoch habe sich keine [X.] Gefährdung ergeben im Hinblick 2
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4
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auf die intakte Beziehung des Angeklagten zu seiner Familie
und seiner Verlob-ten sowie seinen zahlreichen anderen Interessen. Doch könne das Vorliegen eines Hangs letztlich offen bleiben, da die hangbedingte Gefahr zukünftiger erheblicher Straftaten zu verneinen sei. Dabei berücksichtigt das [X.] zu Gunsten
des Angeklagten neben der festen [X.]n Einbindung vor allem, unter den strafrechtlichen Konsequenzen leidet und Zukunftspläne durchaus im i es auf Grund des [X.] und der Berufsausbildung des Angeklagten auch als wahrscheinlich erscheint, dass dieser seine beruflichen Pläne wird umsetzen können ([X.]1). Schließlich bestünde auch keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg, weil der Angeklagte keinen Zwang zum [X.] von Rauschmitteln habe und

c) [X.] hat keinen Bestand.
Die
[X.] ist bei der Prüfung des Vorliegens eines Hangs i.S.d. §
64 StGB zwar von einem zutreffenden Maßstab ausgegangen, hat aber letzt-lich rechtsfehlerhaft das Ergebnis ihrer Prüfung offen gelassen. Denn die [X.] lassen besorgen, dass das [X.] bei seiner Gefähr-lichkeitsprognose einen rechtlich unzutreffenden Maßstab zu Grunde gelegt hat, weil es im Rahmen seiner hier zu treffenden Gesamtwürdigung nicht allein auf die im Zeitpunkt der Verurteilung vorliegenden prognostisch relevanten Umstände abstellt. Maßgebend für die Prognose ist, ob die Gefahr, dass der
Angeklagte infolge seines Hangs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, im Zeitpunkt der tatgerichtlichen Hauptverhandlung besteht ([X.], Beschlüsse
vom 24.
Januar 2012

4 [X.], [X.], 203 und vom 22. Januar 5
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5
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1997

2 [X.], [X.], 73). Möglichkeiten, Chancen,
Maßnahmen einer therapeutischen Behandlung oder auch zukünftig erst Erhofftes haben dabei im Rahmen der Gesamtwürdigung außer Betracht zu bleiben. Die Gefahr künftiger [X.] Straftaten darf daher nicht deshalb verneint werden, weil der Angeklagte

wie hier

unter den strafrechtlichen Konsequenzen sei-ner Taten leidet und künftige berufliche Zukunftspläne im außerstrafrechtlichen Bereich wahrscheinlich wird umsetzen können.
Vielmehr indiziert der Umstand, dass der Angeklagte durch den Verkauf der Betäubungsmittel seinen eigenen [X.] finanzieren wollte, dessen [X.] Gefährlichkeit.
d) Angesichts des Umstandes, dass bei dem Angeklagten bislang eine Therapie noch nicht durchgeführt worden ist, sprechen die bisherigen [X.] auch für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des §
64 Satz 2 StGB, die auch nicht im Blick auf die Behandlungsmöglichkeiten in der Entziehungsanstalt verneint werden kann.
Wenn bei dem Angeklagten

was die [X.] gerade offen gelassen hat

ein Hang i.S.d.
§
64 StGB besteht, ist nicht erkennbar, wieso dann keine Erfolgsaussicht einer [X.] bestehen soll.
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2.
Die Feststellungen zur Entscheidung über die Maßregel werden auf-gehoben, um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie eigene Fest-stellungen zu ermöglichen.
Der Strafausspruch ist hiervon jedoch nicht beein-flusst.
Raum Jäger Radtke

Fischer Bär
8

Meta

1 StR 188/18

27.06.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2018, Az. 1 StR 188/18 (REWIS RS 2018, 7123)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7123

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 636/11

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