Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2017, Az. II ZR 358/16

II. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8622

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:040717UIIZR358.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
II ZR 358/16
Verkündet am:
4. Juli 2017
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 278, 280 Abs. 1, BGB § 311 Abs. 2
Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem ein-geschalteten [X.]n die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteres-senten überlässt, haftet über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzu-reichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen, unabhängig davon, ob der Beitritt zur [X.] oder nur mittelbar erfolgt ([X.] [X.], Urteil vom 9.
Juli
2013
-
II
ZR
9/12, ZIP
2013, 1616 Rn.
37 mwN; Urteil vom 14.
Mai
2012
-
[X.], [X.], 1289 Rn. 11 mwN).
[X.], Urteil vom 4. Juli 2017 -
II ZR 358/16 -
O[X.]

[X.]
-
2
-

Der I[X.] Zivilsenat des [X.]s hat auf die mündliche Verhandlung vom 4.
Juli
2017 durch [X.] am [X.] Prof.
Dr.
Drescher, [X.], [X.], Dr.
Bernau und die Richterin Grüneberg
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird der Beschluss des 1.
Zivilsenats des [X.] vom 29.
April 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 17. Mai 2013 hinsichtlich des Beklagten zu
1 zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde-
und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen
-
3
-

Tatbestand:
Die Kläger begehren im Wege des Schadensersatzes die Rückabwick-lung ihrer Beteiligungen
an der V.

GmbH
&
Co.
KG (im Folgenden: V.

-KG), deren Gründungskommanditist
der
Beklagte zu 1
ist.

Der Vertrieb der Beteiligungen erfolgte durch die Treuhandkommanditis-tin der V.

-KG, die V.

GmbH (im [X.]: V.

-GmbH). Die Kläger beteiligten sich
in den Jahren 2004, 2005 und 2006 nach vorhergehender
Beratung durch
die Zeugin
A.

, einer
Mit-arbeiterin der V.

-GmbH, als Treugeber
über die V.

-GmbH mit einem Betrag in Höhe von jeweils
15.000

.

-KG. Am Ende des ersten Bera-tungsgesprächs im Oktober 2004 erhielten die Kläger von der Beraterin A.

den Beteiligungsprospekt
ausgehändigt.
Die Kläger haben
mit ihrer Klage von den Beklagten die Zahlung von 45.000

n und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Anteile an der V.

-KG verlangt, von dem Beklagten zu
1
dabei mit der Behauptung, sie seien durch eine nicht anleger-
und anlage-gerechte Beratung der Zeugin A.

, welche sich dieser
zurechnen lassen müsse, zur Zeichnung der Beteiligungen an der V.

-KG veranlasst worden.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Be-rufung der Kläger hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die -
nach der Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die wei-teren Beklagten
-
vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Kläger
gegen den Beklagten zu 1.

1
2
3
4
-
4
-

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Kläger hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses, soweit die Berufung der Kläger gegen das Urteil des [X.]s hinsichtlich
des Beklagten zu 1
zurückgewiesen worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[X.] Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für die [X.], im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei den Betei-ligungen an der V.

-KG handele es sich um kein eigenes Anlageprodukt des
Beklagten
zu 1, sondern um ein solches der von ihm
unabhängigen V.

-KG, an der er
lediglich als Gründungsgesellschafter beteiligt sei. Für die von den [X.] in Anspruch genommene höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftung der Gründungsgesellschafter der als Publikumsgesellschaft konzipierten
V.

-KG aufgrund vorvertraglicher
Sonderbeziehungen gemäß §
311 Abs.
2, §
241 Abs.
2 BGB gegenüber nachfolgend zeichnenden/beitretenden Anlegern, welche den
Beklagten zu 1
zur Aufklärung über alle für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände verpflichtet haben solle, so dass er sich das [X.] der eingesetzten [X.] zurechnen lassen müsse, mangele es an einer vertraglich oder schuldrechtlich ausgestalteten Beziehung zwischen ihm und den Klägern. Der Beklagte zu 1
habe weder selbst noch durch einen von ihm
beauftragten Verhandlungsgehilfen den Vertragsschluss der Kläger angebahnt.
Auch Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne sowie de-liktische Ansprüche bestünden nicht.
I[X.] Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat eine
Haftung des Beklagten zu 1 aus [X.] im weiteren
Sinne dem Grunde nach zu Unrecht abgelehnt.
Entge-gen der Auffassung des Berufungsgerichts sind dem Beklagten zu 1 als Grün-5
6
7
-
5
-

dungsgesellschafter der V.

-KG
etwaige fehlerhafte Angaben der Zeugin
A.

zu den Risiken der Anlage nach § 278 BGB zuzurechnen.
1. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach §
280 Abs.
1, 3, §§
282, 241 Abs.
2, §
311 Abs.
2 BGB (ständige Rechtsprechung, siehe etwa [X.], Urteil vom 9.
Mai
2017 -
II
ZR
344/15, WM
2017, 1252
Rn.
15; Urteil vom 21.
Juni
2016
II
ZR
331/14, ZIP
2016, 1478 Rn.
12; Urteil vom 9.
Juli 2013

II
ZR
9/12, ZIP
2013, 1616 Rn.
26; Urteil vom 23.
April 2012
II
ZR
75/10, ZIP
2012, 1342 Rn.
9 sowie [X.], Urteil vom 16.
März 2017
III
ZR
489/16, ZIP
2017, 715 Rn.
17). Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen [X.]sgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, Schutz-
und Aufklärungs-pflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet. Abgesehen etwa von dem Sonderfall des §
311 Abs.
3
BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus [X.] bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen ab-schließen will ([X.], Urteil vom 9.
Mai 2017 -
II ZR 344/15, [X.], 1252
Rn.
15; Urteil vom 16.
März 2017
III
ZR
489/16, ZIP
2017, 715 Rn.
17; Urteil vom 21.
Juni 2016
II
ZR
331/14, ZIP
2016, 1478 Rn.
12; Urteil vom 9.
Juli
2013
II
ZR
9/12, ZIP
2013, 1616 Rn.
26
f.; Urteil vom 23.
April 2012

II
ZR
211/09, ZIP
2012, 1231 Rn.
23). Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon zuvor beigetretenen [X.]. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwi-schen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern [X.] ([X.], Urteil vom 9.
Mai 2017 -
II ZR 344/15, [X.], 1252
Rn. 15; Urteil vom 21.
Juni 2016
II
ZR
331/14, ZIP
2016, 1478 Rn.
12; Urteil vom 9.
Juli 2013
II
ZR
9/12, ZIP
2013, 1616 Rn.
27; Urteil vom 23.
April 2012

II
ZR
75/10, ZIP
2012, 1342 Rn.
9; Urteil vom 1.
März 2011
II
ZR
16/10, 8
-
6
-

ZIP
2011, 957 Rn.
7 mwN). Die Gründungsgesellschafter haften auch
dem
-
wie hier die Kläger
-
über einen Treuhänder beitretenden Anleger auf [X.] aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, wenn der Treugeber wie hier nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beitretender [X.] behandelt werden soll ([X.], Urteil vom 9.
Juli 2013

II
ZR
9/12, ZIP
2013, 1616 Rn. 30; Urteil vom 14. Mai 2012 -
[X.], [X.], 1289 Rn.
17 f.; Urteil vom 23.
April 2012
II
ZR
211/09, ZIP
2012, 1231 Rn.
10; Urteil vom 23.
April 2012 -
II ZR 75/10, [X.], 1342 Rn. 9).
Der
Beklagte zu 1
hatte als Gründungsgesellschafter deshalb die Pflicht, einem [X.] für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über
die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform ver-bundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzu-klären (vgl. [X.], Urteil vom 9.
Mai
2017 -
II ZR 344/15, [X.], 1252 Rn. 17; Urteil vom 21.
Juni 2016
II
ZR
331/14, ZIP
2016, 1478 Rn.
13; Urteil vom 9.
Juli 2013
II
ZR
9/12, ZIP
2013, 1616 Rn.
33; Urteil vom 14.
Mai
2012
-
[X.], [X.], 1289 Rn. 10; Urteil vom 23.
April 2012
II
ZR
211/09, ZIP
2012, 1231 Rn.
13;
Urteil vom 17. Mai 2011 -
II ZR 202/09, AG 2011, 554 Rn. 9; Urteil vom 31. Mai 2010 -
II ZR 30/09, [X.], 1397 Rn. 9).

2. Der Beklagte zu 1
hat seine Pflicht als Gründungsgesellschafter zur Aufklärung von [X.]
auf die V.

-GmbH übertragen, weil nach dem im Prospekt genannten Konzept [X.] nicht durch die Gründungsgesellschafter selbst, sondern nur über die V.

-GmbH als Treu-handkommanditistin geworben werden sollten. Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschalteten [X.]n die ge-9
10
-
7
-

schuldete Aufklärung der [X.] überlässt, haftet über §
278
BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen ([X.], Urteil vom 9.
Juli
2013 -
II
ZR
9/12, ZIP
2013, 1616 Rn.
37; Urteil vom 14.
Mai
2012
-
[X.], [X.], 1289 Rn. 11; Urteil vom 1.
März 2011

II
ZR
16/10, ZIP
2011, 957 Rn. 7; Urteil vom 3. Dezember 2007 -
II ZR 21/06, [X.], 412 Rn. 17; Urteil vom 26. September 2005 -
II ZR 314/03, [X.], 2060, 2063; Urteil vom 14.
Juli
2003 -
II
ZR
202/02, ZIP
2003, 1651, 1652; Urteil vom 3.
Februar
2003 -
II
ZR
233/01, [X.], 1494, 1495; Urteil vom 14.
Januar
1985 -
II ZR 41/84, [X.], 533, 534; Urteil vom 1. Oktober 1984 -
II ZR 158/84, [X.], 1473, 1474).
Der Beklagte zu 1
muss sich deshalb mögliche unrichtige oder unzureichende Angaben der Zeugin A.

bei der Beratung der Kläger über § 278 BGB zurechnen lassen.
3. Der Beschluss erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil die Zeugin
A.

den Klägern im [X.] an das Beratungsgespräch im Jahr
2004
einen Prospekt übergeben hat, in dem u.a.
auf die mit der unternehmeri-schen Beteiligung verbundenen Risiken bis hin zur Insolvenz des Fonds [X.] wird. Nach ihrem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag haben die Kläger den Prospekt nicht zur Kenntnis genommen und auf die Erklärung der Zeugin A.

vertraut, wonach es sich um eine sichere, fest verzinsliche Spareinlage mit einer jährlichen Rendite von 5 % handelt. Die Verwendung ei-nes Prospekts zur Aufklärung der [X.] schließt es nicht aus, unzutreffende Angaben des Vermittlers dem Gründungsgesellschafter zuzu-rechnen. Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung, ist dies kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeich-nen, das die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwertet oder mindert ([X.], Urteil vom 14. Mai 2012

[X.], [X.], 1289 11
-
8
-

Rn.
12; Urteil vom 12. Juli 2007 -
III ZR 83/06, [X.], 1866 Rn. 10 für den Anlagevermittler; Urteil vom 19. November 2009 -
III ZR 169/08, [X.], 118 Rn.
24; Urteil vom 19. Juni 2008 -
III ZR 159/07, juris Rn. 7 für den Anlagebera-ter).

II[X.]
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Die Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsge-richt zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO). Das Berufungsgericht hat

von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend
keine Feststellungen zu den von den Klägern
behaupteten [X.] durch die Zeugin
A.

getroffen.

Drescher
[X.]
[X.]

Bernau

Grüneberg

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.05.2013 -
9 [X.]/10 -
O[X.], Entscheidung vom 29.04.2016 -
1 [X.] -

12

Meta

II ZR 358/16

04.07.2017

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2017, Az. II ZR 358/16 (REWIS RS 2017, 8622)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8622

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 358/16 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanlagegeschäft: Haftung des Gründungsgesellschafters einer Fondsgesellschaft für Aufklärungsmängel der bei den Beitrittsverhandlungen eingeschalteten Vertriebsgesellschaft


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II ZR 358/16

II ZR 69/12

II ZR 344/15

II ZR 75/10

II ZR 202/09

II ZR 30/09

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