Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.01.2019, Az. 3 AZR 293/17

3. Senat | REWIS RS 2019, 11214

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Gegenstand

Betriebsrente - Spätehenklausel - feste Altersgrenze


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 9. März 2017 - 17 Sa 7/17 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die [X.] verpflichtet sind, im Fall des Vorversterbens des Klägers seiner Ehefrau eine Witwenrente zu zahlen.

2

Der im März 1936 geborene Kläger war bis zum 31. Dezember 1993 bei der [X.] zu 1. beschäftigt. Seit April 2009 ist er mit seiner Ehefrau S verheiratet. Nachdem der Kläger seit dem 1. Januar 1994 zunächst eine vorgezogene Altersrente bezog, bezieht er nunmehr eine betriebliche Altersrente iHv. derzeit insgesamt 2.620,00 Euro brutto monatlich, die zu 40 [X.] von der [X.] zu 1. und zu 60 [X.] von der [X.] zu 2. gezahlt wird.

3

Die zwischen der [X.] zu 1. und ihrem Gesamtbetriebsrat geschlossene „Betriebsvereinbarung über das Versorgungswerk der [X.] (nachstehend [X.] genannt) für Mitarbeiter der [X.] (nachstehend [X.] genannt) mit [X.] vor dem 1. Januar 1992“ vom 16. Dezember 1992 (im Folgenden [X.] 1992) lautet auszugsweise:

        

„Art. 1 Satzung des Versorgungswerkes der [X.]

        

§ 1 Zweck des Versorgungswerkes

        

…       

        

(2) Anspruchsberechtigt sind unbefristet beschäftigte Mitarbeiter, soweit sie vor dem [X.] ihre Beschäftigung in der [X.] aufgenommen haben, sowie deren Hinterbliebene.

        

(3) Die nachfolgenden Bestimmungen werden nicht angewendet, sofern bereits Leistungen vor dem 17.12.1992 aus dem [X.] Vw bezogen wurden bzw. Leistungszusagen nach dem [X.] Vw alter Fassung vom Mitarbeiter bis zum 16.12.1992 akzeptiert und von der [X.] bestätigt wurden. Ferner gelten die Bestimmungen auch nicht für Mitarbeiter der [X.], die vor dem [X.] aus der [X.] vor Eintritt eines [X.] ausgeschieden sind bzw. ausscheiden werden.

        

…       

        

§ 6 Anrechenbare Dienstjahre

        

(1) Anrechenbar sind alle Dienstjahre, in denen ein Mitarbeiter ununterbrochen unbefristet angestellt war, und zwar vom Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres bzw. bis zum Zeitpunkt eines früheren Ausscheidens.

        

…       

        

§ 7 Altersrente

        

Ein Mitarbeiter erhält eine Altersrente, wenn er

                 

1.    

das 62. Lebensjahr vollendet hat

                          

und     

                 

2.    

aus den Diensten der [X.] ausscheidet.

        

§ 8 Vorgezogene Altersrente

        

(1) Ein Mitarbeiter, der nach mindestens 10 [X.] Dienstjahren und nach Vollendung des 50. Lebensjahres mit Zustimmung der [X.] ausscheidet und vorzeitig in den Ruhestand tritt, erhält eine vorgezogene Altersrente. Der Zustimmungsvorbehalt der [X.] entfällt mit Vollendung des 60. Lebensjahres.

        

(2) Die vorgezogene Altersrente berechnet sich nach der Maßgabe der §§ 3 - 6 [X.] Vw. Für jeden Monat, den der Mitarbeiter vor Vollendung des 62. Lebensjahres ausscheidet, wird der Rentenanspruch für den Zeitraum zwischen vollendetem 50. und vollendetem 55. Lebensjahr um 0,5 % bzw. zwischen vollendetem 55. und vollendetem 62. Lebensjahr um 0,25 % auf Dauer gekürzt.

        

…       

        

§ 10 Witwen-/Witwerrente

        

(1) [X.] eines Mitarbeiters oder [X.] erhält eine Witwen-/Witwerrente in Höhe von 60% der Rente, die der Rentner zuletzt erhielt oder die der Mitarbeiter erhalten hätte, wenn er zum Zeitpunkt des Todes wegen Erwerbsunfähigkeit ausgeschieden wäre.

        

(2) Ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente besteht nicht, wenn die Ehe nach Vollendung des 62. Lebensjahres geschlossen wird.“

4

Der Kläger hat den Leistungsausschluss in Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 für unwirksam gehalten. Die Regelung verstoße aufgrund der Anknüpfung an das 62. Lebensjahr gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.

5

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass seiner 1943 geborenen Ehefrau S aufgrund der Eheschließung vom April 2009 im Falle seines Vorversterbens ein Anspruch auf Witwenrente gegen die [X.] gemäß der Betriebsvereinbarung vom 16. Dezember 1992 und Art. 1 § 10 der Satzung des Versorgungswerks der [X.] vom 16. Dezember 1992 zusteht.

6

Die [X.] haben Klageabweisung beantragt. Die [X.] sei wirksam. Die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters sei nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG iVm. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die [X.] begehren die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat der Berufung der Beklagten zu Recht stattgegeben. Die zulässige Klage ist unbegründet.

9

[X.]. Die Feststellungsklage ist zulässig.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches [X.]nteresse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

1. Der Klageantrag ist auf die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO gerichtet.

Zwar können nach dieser Bestimmung nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken, sondern kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken ([X.] 15. Oktober 2013 - 3 [X.] - Rn. 14 [X.], [X.]E 146, 200). Vorliegend geht es um die Frage, ob die Beklagten verpflichtet sind, beim Ableben des [X.] an dessen Ehefrau eine [X.] nach der [X.] 1992 zu zahlen. Bei dieser Verpflichtung handelt es sich um ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und nicht um ein Rechtsverhältnis zwischen den Beklagten und der Ehefrau des [X.] (vgl. hierzu ausführlicher [X.] 15. Oktober 2013 - 3 [X.] - aaO).

2. Der Kläger hat auch ein [X.]nteresse an alsbaldiger Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten, da diese eine Verpflichtung zur Erbringung von [X.] an seine Ehefrau in Abrede stellen.

[X.][X.]. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagten sind nicht verpflichtet, beim Ableben des [X.] an dessen Ehefrau [X.] nach Art. 1 § 10 Abs. 1 [X.] 1992 zu zahlen.

1. Der Anspruch auf [X.] ist nach Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 ausgeschlossen, da die Ehe erst geschlossen wurde, nachdem der Kläger bereits sein 62. Lebensjahr vollendet hatte.

Die Klausel knüpft an das Alter des unmittelbar Versorgungsberechtigten und nicht an das des Ehepartners an. Das ergibt deren Auslegung (zu den Auslegungsgrundsätzen einer Betriebsvereinbarung vgl. nur [X.] 8. Dezember 2015 - 3 [X.] - Rn. 22). Der Wortlaut der Klausel ist unklar, da die Eheschließung zwei Partner voraussetzt. Es könnte demnach sowohl das Alter des unmittelbar Versorgungsberechtigten als auch das Alter des Partners bzw. der Partnerin gemeint sein. Die Systematik spricht jedoch für das vorstehende Auslegungsergebnis. So stellen die Regelungen in Art. 1 § 6 Abs. 1, §§ 7 und 8 Abs. 2 [X.] 1992 ebenfalls auf die Vollendung des 62. Lebensjahres des unmittelbar Versorgungsberechtigten ab.

2. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 nicht altersdiskriminierend ist. Die Regelung sieht einen Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung für den Fall vor, dass die Ehe erst nach der Vollendung des 62. Lebensjahres des unmittelbar versorgungsberechtigten Mitarbeiters geschlossen wird. Dadurch werden die Versorgungsberechtigten, die ihre Ehe später schließen, gegenüber anderen Versorgungsberechtigten, die diese in einem jüngeren Alter eingegangen sind, nicht wegen des Alters unerlaubt benachteiligt. Unter diesem Gesichtspunkt liegt kein Verstoß gegen das [X.] vor.

a) [X.] ist anwendbar.

aa) [X.] gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das [X.] auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das [X.] nicht vorrangige Sonderregelungen enthält (st. Rspr. seit [X.] 11. Dezember 2007 - 3 [X.] - Rn. 22, [X.]E 125, 133; 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 15, [X.]E 161, 56). Letzteres ist nicht der Fall.

[X.]) [X.] ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar, da zwischen dem Kläger und den Versorgungsschuldnern am 18. August 2006 ein Rechtsverhältnis, nämlich ein Versorgungsverhältnis, bestand (vgl. [X.] 15. September 2009 - 3 [X.] 294/09 - Rn. 28 ff.).

b) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam (vgl. [X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 23, [X.]E 161, 56; 4. August 2015 - 3 [X.] 137/13 - Rn. 40, [X.]E 152, 164).

c) Der in Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 enthaltene Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung, wenn die Ehe erst nach der Vollendung des 62. Lebensjahres des unmittelbar Versorgungsberechtigten geschlossen wurde, bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

Die Regelung knüpft unmittelbar an die Vollendung des 62. Lebensjahres des unmittelbar Versorgungsberechtigten an und führt zu einem vollständigen Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung bei Versorgungsberechtigten, deren Ehe erst nach der Vollendung ihres 62. Lebensjahres geschlossen wurde. Damit erfahren Arbeitnehmer, die die Ehe nach der Vollendung ihres 62. Lebensjahres schließen, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung als Arbeitnehmer, die vor der Vollendung des 62. Lebensjahres heiraten (vgl. [X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 24, [X.]E 161, 56; 4. August 2015 - 3 [X.] 137/13 - Rn. 41, [X.]E 152,164).

d) Die durch die [X.] in Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 bewirkte Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der [X.] Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei [X.]nvalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. [X.]ndem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der [X.] Sicherheit grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze allerdings iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein (st. Rspr. vgl. etwa [X.] 20. Februar 2018 - 3 [X.] 43/17 - Rn. 22 [X.], [X.]E 162, 36). Soweit die Voraussetzungen von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG erfüllt sind, ist eine unterschiedliche Behandlung danach zwar grundsätzlich, aber nicht immer zulässig ([X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 26, [X.]E 161, 56; 26. September 2017 - 3 [X.] 72/16 - Rn. 38, [X.]E 160, 255).

[X.]) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden Richtlinie 2000/78/[X.]; ABl. [X.] L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. bereits [X.] 18. März 2014 - 3 [X.] 69/12 - Rn. 22 ff. [X.], [X.]E 147, 279). Dies gilt auch, soweit die dortigen Anforderungen an die Zulässigkeit von Altersgrenzen iSd. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG über das nach Unionsrecht Erforderliche hinausgehen (vgl. dazu ausführlich [X.] 26. September 2017 - 3 [X.] 72/16 - Rn. 40 ff., [X.]E 160, 255).

[X.]) Die durch die [X.] nach Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters unterfällt § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG.

Einschlägig ist hier die in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführte Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der [X.] Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen“. Soweit der Senat in der Vergangenheit davon ausgegangen ist, dass § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG für diese Fallgruppe von seinem Wortlaut her ausschließlich an die Risiken „Alter“ und „[X.]nvalidität“ und nicht an das Risiko des „Todes“ anknüpft und deshalb nur die Alters- und [X.]nvaliditätsversorgung - nicht aber die Hinterbliebenenversorgung - erfasst (vgl. [X.] 4. August 2015 - 3 [X.] 137/13 - Rn. 47, [X.]E 152, 164), hat er diese Rechtsprechung mit Urteil vom 14. November 2017 (- 3 [X.] 781/16 - Rn. 30 f., [X.]E 161, 56) im Nachgang zu der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 24. November 2016 (- [X.]/15 - [[X.]] Rn. 71 f.) aufgegeben. Entsprechend Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/[X.], der von seinen Voraussetzungen § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG entspricht, unterfällt eine Hinterbliebenenversorgung jedenfalls dann § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, wenn dem Arbeitnehmer - wie hier - eine Altersversorgung zugesagt wird und sich die Höhe der Hinterbliebenenversorgung an der Höhe der betrieblichen Altersrente oder - sofern versprochen - der [X.]nvaliditätsrente orientiert. Die Hinterbliebenenversorgung steht regelmäßig in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Alters- oder [X.]nvaliditätsrente. Dies führt dazu, dass sie als „Annex“ von der in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführten Alters- bzw. [X.]nvaliditätsrente miterfasst wird ([X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 31, aaO).

[X.]) Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nach § 10 AGG liegen vor.

(1) Die durch Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters beruht auf einem legitimen Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG, ohne dass es insoweit entscheidend darauf ankäme, dass die hier streitbefangene Klausel unter § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG fällt.

(a) Legitime Ziele iSv. § 10 Satz 1 AGG sind wegen der in Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/[X.] genannten Beispielsfälle „Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung“ nicht nur solche aus dem Bereich Arbeits- und Sozialpolitik ([X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 33, [X.]E 161, 56; vgl. [X.] 13. September 2011 - [X.]/09 - [[X.] ua.] Rn. 81 [X.]; vgl. auch [X.]erfG 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 15). Auch Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersversorgung anstrebt, können legitime Ziele im Sinne der europäischen Vorgaben sein ([X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - aaO; vgl. [X.] 26. September 2013 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 60 ff.). Dementsprechend sind Ziele, die im Rahmen von Anliegen der Beschäftigungspolitik und des Sozialschutzes einen Ausgleich zwischen verschiedenen beteiligten [X.]nteressen schaffen sollen, um damit der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen, als legitim iSv. § 10 Satz 1 AGG anzusehen. Dazu gehört auch, den unternehmerischen Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen ([X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - aaO; vgl. [X.] 13. Juli 2017 - [X.]/16 - [Kleinsteuber] Rn. 62 ff.). [X.]ndem § 10 AGG erlaubt, in [X.] die Leistungspflichten des Versorgungsschuldners zu begrenzen und damit für diesen eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen, verfolgt die gesetzliche Bestimmung das Ziel, die betriebliche Altersversorgung zu verbreiten. Es hält sich demnach im Rahmen dieses legitimen Ziels, wenn in einer Versorgungsordnung von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird ([X.] 20. Februar 2018 - 3 [X.] 43/17 - Rn. 26, [X.]E 162, 36; 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - aaO).

Das mit der Regelung verfolgte Ziel muss dabei nicht ausdrücklich benannt werden. Auch aus dem allgemeinen Kontext der Regelung können sich Anhaltspunkte ergeben, die es ermöglichen, den Zweck der Regelung festzustellen und dadurch Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Bestimmung zu überprüfen (vgl. [X.] 20. Februar 2018 - 3 [X.] 43/17 - Rn. 27, [X.]E 162, 36; 26. September 2017 - 3 [X.] 72/16 - Rn. 50 [X.], [X.]E 160, 255).

(b) Danach beruht die durch Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters auf einem legitimen Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG.

Der Ausschluss begrenzt die mit der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung verbundenen finanziellen Risiken. Damit dient die Regelung dem [X.]nteresse des Arbeitgebers an einer überschaubaren und kalkulierbaren Versorgungslast. Gerade bei der Hinterbliebenenversorgung hat der Arbeitgeber ein anerkennenswertes [X.]nteresse an einer solchen Begrenzung, da ein derartiges Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken nicht nur in Bezug auf den [X.]punkt des [X.], sondern auch hinsichtlich der Dauer der Leistungserbringung mit sich bringt ([X.] 20. Februar 2018 - 3 [X.] 43/17 - Rn. 28, [X.]E 162, 36; 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 35 [X.], [X.]E 161, 56).

(2) Die in Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 bestimmte Altersgrenze ist angemessen iSv. § 10 Satz 2 AGG.

(a) Eine Altersgrenze iSv. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist nach § 10 Satz 2 AGG grundsätzlich angemessen, wenn sie es erlaubt, das mit ihr verfolgte Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen [X.]nteressen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, die aufgrund der Klausel benachteiligt werden ([X.] 20. Februar 2018 - 3 [X.] 43/17 - Rn. 30, [X.]E 162, 36; vgl. [X.] 26. Februar 2015 - [X.]/13 - [[X.]ngeniørforeningen i Danmark] Rn. 25). Dabei ist im Anwendungsbereich von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zu berücksichtigen, dass Altersgrenzen in den betrieblichen Systemen der [X.] Sicherheit zwar nicht immer, aber grundsätzlich gerechtfertigt sind. Altersgrenzen, die an betriebsrentenrechtliche Strukturprinzipien anknüpfen, sind deshalb in der Regel angemessen iSv. § 10 Satz 2 AGG ([X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 37, [X.]E 161, 56).

(b) An ein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip knüpft eine Versorgungsregelung ua. an, wenn die [X.] an die in der Versorgungsordnung enthaltene feste Altersgrenze anknüpft (dazu und zum Folgenden [X.] 14. November 2017 - 3 [X.] 781/16 - Rn. 40, [X.]E 161, 56). Das Erreichen der festen Altersgrenze nach der Versorgungsordnung stellt - wie der Eintritt des [X.] beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer - eine Zäsur dar (vgl. [X.] 15. Oktober 2013 - 3 [X.] 653/11 - Rn. 38; 15. Oktober 2013 - 3 [X.] - Rn. 32, [X.]E 146, 200). Die feste Altersgrenze bezeichnet den [X.]punkt, zu dem nach der Versorgungszusage im Regelfall - und zwar unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 [X.] - mit einer [X.]nanspruchnahme der Betriebsrente und einem altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufs- und Erwerbsleben zu rechnen ist ([X.] 18. März 2014 - 3 [X.] 952/11 - Rn. 29 [X.], [X.]E 147, 291). Sie ist der im [X.] vorgesehene Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Betriebsrente im Falle des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 [X.]). Vor diesem Hintergrund ist es angemessen, wenn eine Bestimmung über die Hinterbliebenenversorgung zur Begrenzung des mit der Versorgungszusage verbundenen Risikos und Aufwands auf diesen [X.]punkt abstellt. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers in der [X.] danach bei der Abgrenzung seiner Leistungspflichten unberücksichtigt zu lassen (vgl. [X.] 4. August 2015 - 3 [X.] 137/13 - Rn. 70, [X.]E 152, 164).

(c) Die [X.] 1992 enthält eine feste Altersgrenze von 62 Jahren, an die die Versorgungsordnung für die [X.] in Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 in angemessener Weise anknüpfen durfte.

(aa) Nach Art. 1 § 7 [X.] 1992 erhält ein Mitarbeiter Altersrente, wenn er das 62. Lebensjahr vollendet hat und aus den Diensten der [X.] ausscheidet. Der Mitarbeiter erhält vorgezogene Altersrente, wenn er nach mindestens zehn [X.] Dienstjahren und nach Vollendung des 50. Lebensjahres mit Zustimmung der [X.] ausscheidet und vorzeitig in den Ruhestand tritt (Art. 1 § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1992). Nach Satz 2 der Vorschrift entfällt der Zustimmungsvorbehalt mit Vollendung des 60. Lebensjahres. Für jeden Monat, den der Mitarbeiter vor Vollendung des 62. Lebensjahres ausscheidet, wird der Rentenanspruch für den [X.]raum zwischen vollendetem 50. und vollendetem 55. Lebensjahr um [X.] bzw. zwischen vollendetem 55. und vollendetem 62. Lebensjahr um [X.] auf Dauer gekürzt (Art. 1 § 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] 1992).

Damit haben die Betriebsparteien in der [X.] 1992 die Vollendung des 62. Lebensjahres als den [X.]punkt festgesetzt, zu dem nach der Versorgungszusage im Regelfall mit einer [X.]nanspruchnahme der Betriebsrente und einem altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufs- und Erwerbsleben zu rechnen ist. Auch die Berechnung der Betriebsrente im Falle des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis knüpft an die Vollendung des 62. Lebensjahres an.

([X.]) Dass die feste Altersgrenze an die Vollendung des 62. Lebensjahres und nicht an die gesetzliche Regelaltersrente anknüpft, ist unschädlich und führt nicht etwa dazu, dass das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung zu verneinen wäre. Denn § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 [X.] lässt eine frühere feste Altersgrenze ausdrücklich zu. Feste Altersgrenzen, die auf die Vollendung des 60. oder eines späteren Lebensjahres abstellen, führen regelmäßig nicht dazu, dass keine betriebliche Altersversorgung mehr vorläge (vgl. [X.] 17. September 2008 - 3 [X.] 865/06 - Rn. 26 ff., [X.]E 128, 1).

([X.]) Da die Betriebsparteien nicht auf die Vollendung des 65. Lebensjahres und somit nicht die im [X.]punkt des [X.]nkrafttretens der Betriebsvereinbarung geltende Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung Bezug genommen haben, kommt es auf die Auswirkungen der Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) vom 20. April 2007 ([X.][X.] S. 554) nicht an (vgl. dazu [X.] 15. Mai 2012 - 3 [X.] 11/10 - Rn. 48 ff., [X.]E 141, 259).

([X.]) Ob, wie von den Beklagten vorgetragen, tatsächlich die ganz überwiegende Anzahl der Mitarbeiter mit Vollendung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand tritt bzw. ob [X.] der Mitarbeiter über die Vollendung des 62. Lebensjahres hinaus weiterarbeiten, ist ebenfalls unerheblich. Für die Annahme einer festen Altersgrenze ist es unschädlich, wenn Arbeitnehmer über diese Altersgrenze hinaus weiterarbeiten und sogar noch zusätzliche Steigerungsraten erdienen können ([X.] 17. September 2008 - 3 [X.] 865/06 - Rn. 28, [X.]E 128, 1). Das Ende des Arbeitsverhältnisses muss nicht von vornherein bindend festgelegt werden ([X.] 17. September 2008 - 3 [X.] 865/06 - Rn. 27, aaO). Maßgeblich ist, dass die Betriebsparteien die Vollendung des 62. Lebensjahres als betriebliche Regelaltersgrenze festgelegt haben.

(d) Die in Art. 1 § 10 Abs. 2 [X.] 1992 vorgesehene Begrenzung ist erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG. Erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG ist eine Regelung, wenn sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist ([X.] 20. Februar 2018 - 3 [X.] 43/17 - Rn. 30, [X.]E 162, 36; vgl. [X.] 26. September 2013 - [X.]/11 - [[X.] Jurist - og Økonomforbund] Rn. 59). Das ist hier der Fall. Das der [X.] 1992 zugrunde liegende [X.] lässt sich mit gleich wirksamer Genauigkeit nicht durch ein milderes Mittel erreichen.

3. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten. Der vorliegende Fall wirft keine entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts auf. Ob eine Diskriminierung wegen des Alters iSd. Art. 6 Richtlinie 2000/78/[X.] sachlich gerechtfertigt ist, haben die nationalen Gerichte zu prüfen (vgl. [X.] 5. März 2009 - [X.]/07 - [Age Concern England] Rn. 47).

[X.][X.][X.]. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Günther-Gräff    

        

        

        

    Knüttel    

        

    Schultz    

                 

Meta

3 AZR 293/17

22.01.2019

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 27. September 2016, Az: 3 Ca 2789/16, Urteil

§ 10 S 3 Nr 4 AGG, § 10 S 1 AGG, § 10 S 2 AGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.01.2019, Az. 3 AZR 293/17 (REWIS RS 2019, 11214)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11214

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3 AZR 137/13

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