Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2013, Az. V ZR 24/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1100

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Garagenüberbau: Duldungspflicht als Inhalt einer Grunddienstbarkeit; Recht zur Nutzung der auf dem Nachbargrundstück belegenen Garagenzufahrt


Leitsatz

1. Die Pflicht des Nachbarn, einen Überbau zu dulden, kann nach einem Eigengrenzüberbau Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein, um mögliche künftige Streitigkeiten über das Eigentum an dem Bauwerk und über die Duldungspflicht des Nachbarn auszuschließen.

2. Aus der Pflicht des Nachbarn, einen Garagenüberbau zu dulden, ergibt sich nicht zugleich das Recht des Eigentümers zur Nutzung der (teilweise) auf dem Grundstück des Nachbarn belegenen Garagenzufahrt.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 22. November 2012 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Wohngrundstücke. Auf der Grundstücksgrenze steht eine Garage, die zu dem Grundstück der Kläger gehört und sich zu einem Teil auf dem Grundstück der Beklagten befindet. Auch die Zufahrt, die die Garage mit der Straße verbindet, liegt teilweise auf dem Grundstück der Beklagten. Zugunsten des klägerischen Grundstücks ist eine von dem Rechtsvorgänger der Beklagten bewilligte Grunddienstbarkeit eingetragen, wonach der Überbau zu dulden ist. Nachdem die Beklagten das dienende Grundstück erworben hatten, verboten sie den Klägern, die [X.] wie bisher zu befahren.

2

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Duldung der Zufahrt in Anspruch. Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das [X.] hat sie abgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, wollen die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht verneint eine Duldungspflicht der Beklagten. Die eingetragene [X.]runddienstbarkeit beschränke sich auf die Duldung des Überbaus. Auch die Pflicht zur Duldung eines Überbaus nach § 912 B[X.]B erstrecke sich nicht auf die [X.]. Die Zufahrt stelle keinen Überbau dar. Eine Duldungspflicht der geltend gemachten Art, nämlich hinsichtlich des Befahrens des Nachbargrundstücks, könne sich lediglich aus einer Zugangsnot nach § 917 B[X.]B ergeben; wenn die engen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt seien, könne ein Wegerecht nicht durch eine Ausweitung der Duldungspflicht nach § 912 B[X.]B erreicht werden. Ein Notwegerecht aus § 917 B[X.]B bestehe deshalb nicht, weil das [X.]rundstück der Kläger unmittelbar an der [X.] liege und das Abstellen von Kraftfahrzeugen in einer [X.]arage für die ordnungsgemäße Benutzung des Wohngrundstücks nicht notwendig sei. Ebenso wenig könnten sich die Kläger auf die [X.]rundsätze des nachbarlichen [X.] stützen; eine langjährige tatsächliche Übung allein reiche nicht aus, um eine entsprechende Duldungspflicht zu begründen.

II.

4

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision bleibt ohne Erfolg, weil die Kläger aus keiner der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen von den Beklagten die Duldung der Zufahrt zu der [X.]arage auch über deren [X.]rundstück verlangen können.

5

1. Den Klägern steht ein solcher Anspruch nach § 1027 [X.]. § 1004 Abs. 1 Satz 1 B[X.]B aus der [X.]runddienstbarkeit nicht zu.

6

a) Inhalt und Umfang einer [X.]runddienstbarkeit bestimmen sich nach der Eintragung im [X.]rundbuch (Senat, Urteil vom 27. Januar 1960 - [X.], NJW 1960, 673; Urteil vom 19. September 2008 - [X.], [X.], 3703 Rn. 11). Bei deren Auslegung ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn des Eintrags und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Außerhalb dieser Urkunden liegende Umstände dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Rspr.: vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 1984 - [X.], [X.], 351, 355; Urteil vom 7. Juli 2000 - [X.], [X.], 16, 20 f.; Urteil vom 8. Februar 2002 - [X.]/00, NJW 2002, 1797, 1798). Ein von der Eintragung im [X.]rundbuch abweichender Wille der die Dienstbarkeit bestellenden Parteien muss dagegen bei der Auslegung des Inhalts des dinglichen Rechts unbeachtet bleiben, weil sonst der Eintragung ihre eigenständige Bedeutung als rechtsbegründender Akt (§ 873 B[X.]B) entzogen würde (Senat, Urteil vom 27. Januar 1960 - [X.], NJW 1960, 673; Urteil vom 8. Februar 2002 - [X.]/00, NJW 2002, 1797, 1798).

7

b) Vor diesem Hintergrund ist die Auslegung der Eintragung der [X.]runddienstbarkeit durch das Berufungsgericht, die in vollem Umfang der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (Senat, Urteil vom 3. Juli 1992 - [X.], [X.], 2885, 2886; Urteil vom 7. Juli 2000 - [X.], [X.], 16, 21; Urteil vom 6. Februar 2009 - [X.], [X.] 2009, 374), nicht zu beanstanden.

8

aa) Der Wortlaut sowohl der Eintragung im [X.]rundbuch als auch der Bewilligung in der notariellen Urkunde bezieht sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ausschließlich auf die Pflicht zur Duldung des Überbaus in Form der [X.]arage. Ein darüber hinausgehendes Wegerecht hat somit weder in der [X.]rundbucheintragung, die den wesentlichen Inhalt der [X.]runddienstbarkeit schlagwortartig kennzeichnen muss (vgl. Senat, Beschluss vom 22. September 1961 - [X.], [X.], 378, 381; Urteil vom 29. September 2006 - [X.], [X.], 2226, 2228 Rn. 13), noch in der zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts in Bezug genommene Eintragungsbewilligung einen Niederschlag gefunden.

9

bb) Der sich aus dem Wortlaut der Eintragung ergebende Inhalt der Dienstbarkeit entspricht auch dem Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Die im [X.]rundbuch eingetragene Pflicht, einen Überbau zu dulden, kann Inhalt einer [X.]runddienstbarkeit nach § 1018 B[X.]B sein. Die gesetzliche Pflicht des Nachbarn, einen Überbau bei Vorliegen der in § 912 Abs. 1 B[X.]B bestimmten Voraussetzungen zu dulden, beruht allerdings nicht auf einer dinglichen Einigung nach § 873 B[X.]B und ist daher als solche nicht eintragungsfähig (Senat, Urteil vom 3. Dezember 1954 - [X.], [X.] zu § 912 B[X.]B; Urteil vom 16. Januar 2004 - [X.], [X.], 301, 306); wenn jedoch - wie insbesondere nach einem früheren Eigengrenzüberbau - nicht ohne weiteres klar ist, welches der beiden [X.]rundstücke das [X.] und welches das überbaute [X.]rundstück ist (zu den Kriterien für die Entscheidung dieser Frage: Senat, Urteil vom 23. Februar 1990 - [X.], [X.], 298, 302 f.), können solche Zweifel durch eine Vereinbarung der Eigentümer der benachbarten [X.]rundstücke und deren Eintragung in Form einer [X.]runddienstbarkeit behoben werden, um künftige Streitigkeiten über das Eigentum am Bauwerk und über die Duldungspflicht des Nachbarn auszuschließen (vgl. [X.], [X.] 1978, 19, 20; [X.], [X.] 1984, 54, 59; [X.], [X.] 2006, 433, 449).

cc) Schließlich ergibt sich aus dem der Bewilligung beigefügten Lageplan, der ebenfalls zur Auslegung des Inhalts einer [X.]runddienstbarkeit heranzuziehen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Mai 1972 - [X.], [X.], 11, 15; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 1018 Rn. 17; Meikel/Böhringer, [X.], 10. Aufl, Einl. [X.] Rn. 103 mwN), nicht, dass mit der Bestellung der [X.]runddienstbarkeit auch ein Wegerecht für die Zufahrt zur [X.]arage bestellt worden ist. In dem beigefügten Lageplan (einem Flurkartenauszug) ist nur die [X.]arage, aber nicht die Zufahrt eingetragen. Aus der Darstellung der [X.]arage auf dieser Karte ist zudem nur zu erkennen, dass ein kleiner Teil des Bauwerks die [X.]renze überschreitet. Nicht zu ersehen ist, dass das Einfahren in die [X.]arage mit Kraftfahrzeugen nur unter Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks möglich ist und es daher der Begründung eines Wegerechts zur Behebung einer andernfalls bestehenden Zugangsnot bedarf.

dd) Das Berufungsgericht hat nach dem Vorstehenden zutreffend den Vortrag der Kläger als unerheblich angesehen, dass die das dingliche Recht bestellenden Parteien nicht nur den Überbau der [X.]arage über die [X.]renze, sondern auch deren weitere Nutzung als Abstellplatz für ein Fahrzeug über die sich teilweise auf dem Nachbargrundstück befindliche Zufahrt absichern wollten. Die Nichtberücksichtigung des Willens der Vertragsparteien bei der Ermittlung des Umfangs einer [X.]runddienstbarkeit im Berufungsurteil ist vor dem Hintergrund rechtsfehlerfrei, dass der Inhalt eines dinglichen Rechts am [X.]rundstück stets in der [X.]rundbucheintragung seinen Ausdruck gefunden haben muss (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2002 - [X.]/00, NJW 2002, 1797, 1798). Die von den Klägern behauptete Einigung kann nach der Eintragung im [X.]rundbuch nicht Inhalt des dinglichen Rechts geworden sein.

2. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der gesetzlichen Pflicht des Nachbarn, einen [X.]aragenüberbau zu dulden (§ 912 Abs. 1 B[X.]B), nicht zugleich das Recht des Bauwerkseigentümers zur Nutzung der (hier teilweise) auf dem [X.]rundstück des Nachbarn belegenen [X.]aragenzufahrt.

a) Die Vorschriften über den Überbau in §§ 912 ff. B[X.]B greifen allerdings auch dann ein, wenn - wie hier - eine die Pflicht des Nachbarn zur Duldung des Überbaus klarstellende [X.]runddienstbarkeit bestellt und in das [X.]rundbuch eingetragen worden ist. Die sich nach § 912 Abs. 1 B[X.]B ergebenden Rechte des Eigentümers, dessen [X.]ebäude die [X.]renze überschreitet, verkürzen sich nicht deshalb, weil die Eigentümer der benachbarten [X.]rundstücke zur Klarstellung und Vermeidung künftiger Streitigkeiten eine [X.]runddienstbarkeit bestellt haben.

Die Vorschriften der §§ 912 ff. B[X.]B sind auf den hier vorliegenden Fall, dass der frühere Eigentümer beider [X.]rundstücke mit dem Bau der [X.]arage auf einem derselben die [X.]renze des anderen überschritten hatte und in der Folge die [X.]rundstücke in das Eigentum verschiedener Personen gelangten, sinngemäß anzuwenden (vgl. Senat, Urteil vom 23. Februar 1990 - [X.], [X.], 298, 300). Die bei einem Eigengrenzüberbau zunächst ruhenden wechselseitigen [X.] und Rentenzahlungspflichten leben mit dem Übergang des Eigentums an den [X.]rundstücken in die Hände verschiedener Eigentümer auf (R[X.]Z 160, 166, 181; 169, 172, 176).

b) Die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 912 Abs. 1 B[X.]B bezieht sich jedoch allein auf den Überbau. Sie schließt nur in diesem Umfang den Anspruch des Nachbarn auf Beseitigung der Besitzstörung durch das fremde Bauwerk (§ 1004 Abs. 1 B[X.]B) und auch den Anspruch auf Herausgabe der überbauten [X.]rundstücksfläche (§ 985 B[X.]B) dadurch aus, dass sie ein Recht zum Besitz nach § 986 B[X.]B an der überbauten Fläche begründet (Senat, Urteil vom 30. April 1958 - [X.], B[X.]HZ 27, 204, 206). Die Pflicht zur Duldung des Bauwerks erstreckt sich zwar auch auf dessen wesentliche Bestandteile i.S.d. §§ 93, 94 B[X.]B. Die Zufahrt zu einem [X.]ebäude ist aber regelmäßig nicht wesentlicher Bestandteil des Bauwerks, sondern des nicht bebauten Teils des Nachbargrundstücks (vgl. Soergel/Marly, B[X.]B, 13. Aufl., § 93 Rn. 33; [X.], [X.] 2006, 433, 435; anders für den Sonderfall einer befestigten [X.], OL[X.] Rostock, OL[X.]R 2002, 265, 267).

c) Ob sich aus den Vorschriften über den Überbau eine weitergehende Duldungspflicht des Nachbarn in Bezug auf die Flächen seines [X.]rundstücks ergibt, die (wie die Zufahrt zu einer [X.]arage) der zweckentsprechenden Nutzung des die [X.]renze überschreitenden Bauwerks dienen, ist allerdings streitig.

aa) Hierzu wird die Auffassung vertreten, dass die gesetzliche Duldungspflicht sich auch auf die sogenannten Funktionsflächen des die [X.]renze überschreitenden Bauwerks erstrecke. Der Nachbar habe auch die Nutzung der Teile seines [X.]rundstücks durch den [X.] zu dulden, ohne die der Überbau mangels Zugangs funktionslos und damit wertlos würde (OL[X.] Brandenburg, Urteil vom 19. Januar 2005 - 4 U 189/03, juris Rn. 15: Zugang zu einer als Überbau zu [X.]; diesem folgend: MünchKomm-B[X.]B/[X.], 6. Aufl., § 912 Rn. 27; BeckOK B[X.]B/Fritzsche, Edition 28, § 912 Rn. 7). Auch nach dieser Auffassung könnten die Kläger allerdings nicht die grenzüberschreitende Nutzung der bisherigen Zufahrt auf ihrer gesamten Länge verlangen, die [X.]egenstand der Klage ist, sondern allenfalls eine Duldung einer Fahrt von ihrem eigenen [X.]rundstück zum [X.]aragentor beanspruchen. Das entspräche hier derjenigen (kleineren) Fläche, die erforderlich wäre, um mit einem Kraftfahrzeug vom klägerischen [X.]rundstück kommend in einer Kurve in die [X.]arage einzufahren.

bb) Dem steht die Ansicht gegenüber, dass die Duldungspflicht nach § 912 B[X.]B sich auf die Entziehung der [X.] an dem überbauten [X.]rundstücksteil beschränke; zusätzliche Beeinträchtigungen, die über den eigentlichen Überbau hinausgingen (wie die Nutzung von Wegeflächen), von der gesetzlichen Duldungspflicht dagegen nicht umfasst seien (R[X.]Z 65, 73, 77; 160, 166, 188; [X.]/[X.], B[X.]B [2009], § 912 Rn. 39; Soergel/[X.], B[X.]B, 13. Aufl., § 912 Rn. 15). Die Pflicht zur Duldung einer Verbindung zum öffentlichen Weg könne auch im Fall eines Überbaus nur unter den engen Voraussetzungen des Notwegerechts nach § 917 B[X.]B bestehen (R[X.]Z 160, 166, 188).

cc) Die zuletzt genannte Auffassung ist richtig.

(1) Das zeigt sich bereits daran, dass der Nachbar eine Zufahrt zu einem verbindungslosen [X.]rundstück, selbst wenn dieses bebaut ist, nur bei Vorliegen eines Notwegerechts nach § 917 B[X.]B gewähren muss. Im Übrigen darf das Nachbargrundstück zu Reparatur- oder Wartungsarbeiten an dem eigenen [X.]ebäude nur unter engen Voraussetzungen betreten werden (vgl. § 24 Nachb[X.] NRW; [X.]/[X.], B[X.]B [2009], § 912 Rn. 38, § 909 Rn. 33, § 917 Rn. 54). Allein der Umstand, dass auch über die [X.]renze gebaut wurde, rechtfertigt es nicht, den Eigentümer in Bezug auf die Nutzung der von dem Überbau nicht in Anspruch genommenen Teile des Nachbargrundstück besser zu stellen.

(2) Entgegen der Auffassung des [X.] (Urteil vom 19. Januar 2005 - 4 U 189/03, juris Rn. 15) ergibt sich auch aus dem Normzweck des § 912 B[X.]B nichts anderes. Die Vorschrift soll die mit der Beseitigung eines Überbaus verbundene Zerschlagung wirtschaftlicher Werte vermeiden, die dadurch entsteht, dass sich der Abbruch eines überbauten [X.]ebäudeteils meist nicht auf diesen beschränken lässt, sondern zu einer Beeinträchtigung und Wertminderung auch des bestehen bleibenden, auf eigenem [X.]rund gebauten [X.]ebäudeteils führt. Zu diesem Zweck stellt § 912 B[X.]B das Interesse an dem Erhalt der [X.]ebäudeeinheit über das Interesse des Nachbarn an der Durchsetzung seiner Eigentumsrechte, sofern der Überbauer nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt und der Nachbar dem Überbau nicht sofort widersprochen hat (Senat, Urteil vom 19. September 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 24 Rn. 9; Motive [X.] = Mugdan, Materialien, [X.], [X.]). Die Vorschrift soll aber nur insoweit Abhilfe schaffen, als es das Ziel des [X.]ebäudeerhalts erfordert (Motive [X.] = Mugdan, Materialien, [X.], [X.]). Um die [X.]arage als einheitliches [X.]ebäude zu erhalten, genügt die auf die Überbaufläche beschränkte Duldungspflicht. Zweck der Duldungspflicht nach § 912 Abs. 1 B[X.]B ist es dagegen nicht, dem [X.] unter Inanspruchnahme weiterer Flächen des [X.]rundstücks des Nachbarn eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des die [X.]renze überschreitenden Bauwerks zu ermöglichen. Auch insoweit gilt, dass der Eigentümer in Bezug auf Wegerechte an dem [X.]rundstück des Nachbarn durch die [X.]renzüberschreitung nicht besser stehen kann als er stünde, wenn er das Bauwerk vollständig auf dem eigenen [X.]rundstück errichtet hätte.

3. Die Voraussetzungen für ein Notwegerecht (§ 917 B[X.]B) liegen ebenfalls nicht vor. Nach § 917 Abs. 1 B[X.]B besteht ein Notwegerecht nur dann, wenn einem [X.]rundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Das [X.]rundstück der Kläger liegt aber mit seiner Vorderseite an einem öffentlichen Weg. Die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen, die für die ordnungsgemäße Benutzung eines Wohngrundstücks in der Regel notwendig ist (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 515 Rn. 24), ist damit gewährleistet.

Eine Zufahrt über das Nachbargrundstück, um das Fahrzeug auf dem eigenen Wohngrundstück abstellen zu können, ist dem Eigentümer dagegen aus dem Notwegerecht nach § 917 B[X.]B nicht zuzubilligen (st. Rspr.: vgl. Senat, Urteil vom 9. November 1979 - [X.], B[X.]HZ 75, 315, 318 f.; Urteil vom 12. Dezember 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 515 Rn. 19; Urteil vom 18. Oktober 2013 - [X.], Umdruck S. 4, zur [X.] bestimmt). Ausschlaggebend dafür ist, dass angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, an das Fehlen einer für die ordnungsgemäße Benutzung notwendigen Verbindung strenge Anforderungen zu stellen sind und daher [X.]esichtspunkte der Bequemlichkeit und auch Zweckmäßigkeit nicht die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks rechtfertigen (Senat, Urteil vom 9. November 1979 - [X.], B[X.]HZ 75, 315, 319).

4. Auch aus dem nachbarlichen [X.]emeinschaftsverhältnis lässt sich ein Wegerecht nicht herleiten.

a) Aus dem Rechtsverhältnis zwischen den [X.]rundstücksnachbarn folgt zwar eine Pflicht der Nachbarn zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die dazu führen kann, dass die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden kann. Das [X.] darf jedoch nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr [X.]egenteil zu verkehren (Senat, Urteil vom 29. Juni 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 1160, 1161 Rn. 20; Urteil vom 21. Oktober 1983 - [X.], B[X.]HZ 88, 344, 351 f., jeweils mwN).

So verhielte es sich hier. Die Regelung des Notwegerechts in § 917 B[X.]B stellt eine spezialgesetzliche Ausgestaltung des nachbarlichen [X.] dar (vgl. MünchKomm-B[X.]B/[X.], 6. Aufl., § 917 Rn. 1, 3), die im Hinblick auf die nicht durch dingliche Rechte oder schuldrechtliche Verträge begründeten Wegerechte eine abschließende Regelung enthält. Sind ihre tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, so können sie nicht mithilfe des nachbarlichen [X.] umgangen oder erweitert werden (Senat, Urteil vom 15. April 1964 - [X.], NJW 1964, 1321, 1322; OL[X.] [X.], [X.] 2013, 261, 263; OL[X.] Saarbrücken, OL[X.]R 2006, 580, 581; [X.], NJW-RR 1989, 204, 205).

b) Auf den Umstand, dass die Beklagten in der Vergangenheit die [X.] auf ihrem [X.]rundstück nicht genutzt haben, kommt es dabei ebenso wenig an wie auf die Frage, ob für die Zukunft eine konkrete Nutzungsabsicht besteht. Nach § 903 B[X.]B brauchen die Beklagten ihre Nutzung des [X.]rundstücks bzw. den Ausschluss Dritter hiervon nicht zu rechtfertigen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Dezember 1999 - [X.], [X.], 1719, 1720). Zu Unrecht sieht die Revision einen Verstoß gegen das Schikaneverbot darin, dass die Beklagten den Klägern den Zugang zu Fuß zugestehen und lediglich die Zufahrt mit dem Kraftfahrzeug verbieten wollen. Wird ein Wegerecht freiwillig gewährt, so kann dessen Beschränkung auf Fußgänger schon deshalb nicht schikanös sein, weil der [X.]ewährende es jederzeit vollständig widerrufen kann. Im Übrigen stellt - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - jeder Fahrzeugverkehr eine Beeinträchtigung des [X.]rundstückseigentümers dar, an deren Beschränkung bzw. Verhinderung er ein berechtigtes Interesse hat (Senat, Urteil vom 11. April 2003 - [X.], NJW-RR 2003, 1235, 1236 f.).

III.

Die Revision ist nach alledem mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Stresemann     

        

Lemke     

        

     Schmidt-Räntsch

        

Czub     

        

RiB[X.]H [X.] ist infolge Urlaubs
an der Unterschrift gehindert.
[X.], den 19. November 2013

        
                          

Die Vorsitzende
Stresemann

        

Meta

V ZR 24/13

15.11.2013

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 22. November 2012, Az: I-5 U 98/12, Urteil

§ 912 Abs 1 BGB, § 917 BGB, § 1004 Abs 1 S 1 BGB, § 1018 BGB, § 1027 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2013, Az. V ZR 24/13 (REWIS RS 2013, 1100)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1100

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 24/13 (Bundesgerichtshof)


V ZR 171/07 (Bundesgerichtshof)


V ZR 4/21 (Bundesgerichtshof)

Notwegrecht: Technisch nicht herstellbare in der bestandskräftigen Baugenehmigung vorgesehene Zuwegung; Beeinträchtigung einer Dienstbarkeit an dem …


V ZR 115/20 (Bundesgerichtshof)

Einschränkung des Grundstückseigentums durch Landesrecht: Gesetzgebungskompetenz des Landes für die Pflicht zur Duldung einer nachträglichen …


V ZR 85/20 (Bundesgerichtshof)

Notwegrecht: Möglichkeit der Errichtung einer Zufahrt über ein anderes Grundstück des Eigentümers des verbindungslosen Grundstücks; …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.