Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2014, Az. 2 StR 13/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4216

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 13/14

vom
9. Juli
2014
Nachschlagewerk:
ja
[X.]St:

ja
[X.]R:

ja
Veröffentlichung:
ja
____________________

StGB
§§ 176 Abs. 1, 176a Abs.
1 Nr.
2

Ein zum Zweck sexueller Erregung vorgenommenes
Urinieren des [X.] in den Mund eines Kindes oder die Veranlassung des Kindes zum Urinieren in den Mund des [X.] ist eine sexuelle Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden und als [X.] zu werten ist (Fortführung von [X.], 118).

[X.], Urteil vom 9. Juli 2014 -
2 StR 13/14 -
LG Aachen

-
2 -

in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
3 -

Der 2.
Strafsenat des [X.]s hat in der Sitzung vom 9. Juli 2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],

[X.] am [X.]
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],

[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
Richterin am [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwältin

als Vertreterin
der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
4 -

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Juli 2013 im Fall 4 der Urteilsgründe und im [X.] mit den zugehörigen [X.] aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Jugendschutzkammer des [X.] zurückverwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in zwölf Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt
und im Übrigen freigesprochen. Seine auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen war sie als unbegründet zu verwerfen.

1

-
5 -

I.
1. Nach den Feststellungen des [X.] war der Angeklagte eng befreundet mit der Familie der 1996 geborenen

[X.]

, der späteren Geschädigten. Erstmals im Alter von fünf Jahren übernachtete sie bei dem [X.], der sich fortan regelmäßig um sie kümmerte und sich zunehmend zu einer engen
Bezugsperson der Geschädigten entwickelte. Immer häufiger übernachtete sie das ganze Wochenende und in den Schulferien auch mehrere Wochen bei dem Angeklagten. Beide schliefen dann gemeinsam auf einer Schlafcouch, wobei der
Angeklagte
die Geschädigte veranlasste -
wie er selbst
-
[X.] zu schlafen.
Der Angeklagte schaffte eine zunehmend sexuali-sierte Atmosphäre und vermittelte der Geschädigten
insbesondere den [X.], dass Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern normal sei. Im [X.] kam es zu nachfolgenden Tathandlungen:
Zwischen dem 28.
Januar
2004 und 27.
Januar
2005 zeigte der Ange-klagte der damals 8-jährigen Geschädigten einen Pornofilm, in dem junge Mäd-chen im Alter von ungefähr vier Jahren den Oralverkehr an erwachsenen [X.] ausführten. Der Angeklagte kommentierte die Szenen unter anderem
da-hin, welche der Mädchen ihm gefielen und dabei schön aussähen (Fall 1). Bei einer weiteren Gelegenheit
zeigte er der Geschädigten einen Film, in dem [X.] einem jungen Mädchen
an der Scheide leckte (Fall 2).
An einem Tag zwischen [X.] 2004 und dem 27. Januar
2007 veran-lasste der Angeklagte die maximal 10-jährige Geschädigte,
sich
ausgezogen auf die Couch zu legen und leckte ihre Vagina im Bereich der [X.] (Fall 3). Im gleichen Zeitraum
und jedenfalls nach den Fällen 1 und 2 saß der [X.] mit der Geschädigten [X.] in der Badewanne. Die Geschädigte, die insbe-sondere aufgrund des Vorspielens
der Filme (Fall 1 und 2) der Fehlvorstellung 2
3
4

-
6 -

unterlag, Sexualität
zwischen Erwachsenen und Kindern sei normal, nahm [X.] des [X.] unvermittelt das Glied des Angeklagten in den Mund. Der An-geklagte fasste spätestens zu diesem Zeitpunkt den Entschluss, sich von der Geschädigten den Oralverkehr an sich ausüben zu
lassen. Er unternahm daher nichts, den Oralverkehr zu beenden, sondern ließ
die Geschädigte gewähren, um sich sexuell zu erregen (Fall 4).
In der Folgezeit bestärkte der Angeklagte die Geschädigte
in der An-nahme, dass Sexualkontakt zwischen ihnen beiden normal sei. Er äußerte [X.], dass sie für ihr Alter schon besonders reif sei, worauf die Geschädigte, die dem Angeklagten gefallen wollte,
sehr stolz
war. Der Angeklagte schwärmte auch von zwei 13-
und 17-jährigen Mädchen, die mit ihm Urinspiele ausüben
würden.
Beeindruckt von den Erzählungen des Angeklagten und um ebenso erwachsen zu sein, erklärte sich die zwischenzeitlich 12-jährige Geschädigte an einem Tag zwischen dem 28. Januar 2008 und 27. Januar 2009 dazu bereit, sich von dem Angeklagten in den Mund urinieren zu lassen. Sie legte sich [X.] auf den Boden, während sich der teilweise entkleidete Angeklagte über sie beugte und ihr in den geöffneten Mund urinierte, um sich sexuell zu erregen.
Die Geschädigte
schluckte den Urin herunter, empfand jedoch
den Geschmack als ekelhaft
und musste sich übergeben
(Fall 5). Zu weiteren Urinspielen war sie aufgrund dieser Erfahrung zunächst nicht bereit.
Dem Angeklagten gelang es aber, die Geschädigte ihrerseits zu veranlassen, ihm in den Mund zu urinie-ren. Er schluckte den Urin herunter, um sich sexuell zu erregen (Fall 6).
Da der Angeklagte weiterhin von Frauen schwärmte, mit denen er mit Urinieren verbundene Sexualpraktiken nachgehe, und die Geschädigte ihm un-bedingt gefallen
wollte, erklärte sie sich bald dazu bereit, es noch einmal auf umgekehrte Weise zu versuchen.
Sie ließ es daher im Alter von 12 Jahren in mindestens einem Fall zu, dass ihr der Angeklagte in den offenen Mund urinier-5
6

-
7 -

te, wobei sie den Urin auch herunter schluckte
(Fall 7). Fortan kam es zu [X.] entsprechenden Praktiken, wobei der Angeklagte bei mindestens acht Gelegenheiten die zwischenzeitlich 13-jährige Geschädigte veranlasste,
sich zu entkleiden und von ihm in den Mund urinieren zu lassen. Die [X.] schluckte den Urin bei allen Gelegenheiten herunter (Fälle 8
bis
15). Bei mindestens drei Gelegenheiten
(Fälle 13 bis 15) führte die
Geschädigte im
An-schluss hieran den Oralverkehr am Angeklagten bis zum Samenerguss
durch.
2. Das [X.] hat das Tatgeschehen in den Fällen 1 bis 3 als sexu-ellen Missbrauch von Kindern gemäß §
176 Abs.
3 Nr.
3 StGB in der Fassung vom 13.
November 1998 (Fall 1), § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 (Fall
2) bzw. §
176 Abs.
1 StGB (Fall 3) und in den Fällen 4 bis 15 als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß §
176a Abs.
2 Nr. 1 StGB gewertet.
II.
Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet, die Sachrüge dagegen teilweise begründet.
1. Die auf § 176a Abs.
2 Nr.
1, § 176 Abs.
1 StGB gestützte Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern im Fall
4 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Fest-stellungen des [X.], wonach der Angeklagte es lediglich geschehen ließ, dass die Geschädigte den Oralverkehr an ihm ausübte, belegen kein vor-sätzliches aktives Handeln des Angeklagten.
Die 2. Alternative des § 176 Abs.
1 StGB ist zwar bereits dann erfüllt, wenn der Täter sexuelle Handlungen an sich von dem Kind vornehmen lässt. Es handelt sich insoweit aber nicht um ein echtes Unterlassungsdelikt, weshalb 7
8
9
10

-
8 -

das rein passive Dulden zur Tatbestandsverwirklichung nicht ausreicht. [X.] ist vielmehr, dass der beim eigentlichen Sexualkontakt
sich passiv ver-haltende Täter zuvor aktiv auf das Kind eingewirkt hat, etwa durch Befehlen oder Überreden. Der Tatbestand kann darüber hinaus zwar auch erfüllt sein, wenn die Initiative zum Sexualkontakt -
im Gegensatz etwa zum "Bestimmen" nach §
176 Abs.
2 StGB
-
vom Kind selbst ausgeht. Ein Gewähren-Lassen des [X.] ist aber auch in diesem Fall nur dann tatbestandlich erfasst, wenn es über die rein passive Duldung hinausgeht und zum Beispiel eine Bestärkung der vom Kind ausgehenden Initiative enthält (vgl. [X.], StGB 61. Aufl. §
176 Rn.
6; [X.] in LK, StGB, 12.
Aufl. §
176 Rn.
11).
Die [X.] hat vorliegend weder Feststellungen dahin getroffen, dass der Angeklagte unmittelbar vor dem Tatgeschehen auf die Geschädigte eingewirkt noch dass er das auf Initiative der Geschädigten in Gang gesetzte Geschehen in irgendeiner Weise positiv kommentiert oder sonst die [X.] in [X.] bestärkt oder ermuntert hätte. Nach den Feststellungen ging die Initiative der Geschädigten vielmehr allein auf deren sexuelle Enthemmung [X.], die der Angeklagte zuvor über einen längeren Zeitraum gefördert hatte. Zwar kann auch ein solches im weiten Vorfeld der Tat liegendes aktives Einwir-ken des [X.] auf das Opfer ein tatbestandliches Handeln im Sinne der 2.
Alternative des §
176a Abs.
2 Nr. 1 StGB begründen. Dass der Angeklagte aber schon im Vorfeld der Tat mit dem dafür erforderlichen Vorsatz handelte, hat die [X.] nicht festgestellt;
sie ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Vorsatz, den Oralverkehr an sich ausüben zu lassen, erst fasste, als die Geschädigte seinen Penis bereits in den Mund genommen hatte (UA S.
10, 38). Ein vorsätzliches tatbestandliches Handeln des [X.]n ist daher nicht belegt.

11

-
9 -

Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs
im Fall 4 der Urteilsgründe und entzieht
der dazugehörigen Einzelstrafe sowie dem [X.].
2. Die Nachprüfung des Urteils im Übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
Das [X.] hat die den Fällen 5 bis 15 zugrunde liegenden [X.] zu Recht als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern nach §
176a Abs.
2 Nr. 1 StGB gewürdigt.
Der Schuldspruch in den Fällen 13 bis 15 begegnet schon deshalb kei-nen rechtlichen Bedenken, weil die Geschädigte in diesen Fällen zumindest auch den Oralverkehr an dem Angeklagten ausführte. Dabei handelt es sich ohne Weiteres um eine sexuelle Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper im Sinne des §
176a Abs.
2 Nr.
1 StGB verbunden war. Aber auch die Bewertung des in den Fällen 5 bis 12 festgestellten gegenseitigen Urinierens in den Mund als [X.]eils schwerer sexueller Missbrauch von Kindern begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Nach § 176a Abs.
2
Nr. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von [X.] in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB als schwerer sexueller Miss-brauch mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn eine Person über achtzehn Jahren an einem Kind den Beischlaf vollzieht (1. Alternative) oder
ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vor-nehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind
(2. Alter-native). Die Voraussetzungen der 2. Alternative liegen hier vor. Sowohl das Uri-nieren des Angeklagten in den Mund der Geschädigten (Fälle 5, 7 bis 12) als auch das Urinieren der Geschädigten in den Mund des Angeklagten (Fall 6),
verbunden [X.]eils mit der oralen Aufnahme,
stellt eine sexuelle Handlung ge-12
13
14
15
16

-
10 -

mäß § 176 Abs. 1 StGB (a) dar, die
mit dem Eindringen in einen Körper [X.] (b) und die ) zu werten ist:
a) Tathandlung
des § 176 Abs. 1 StGB ist
die Vornahme einer sexuellen Handlung durch den Täter an dem Kind oder aber das Vornehmen-Lassen
von Handlungen des Kindes am Täter.
aa) Das gegenseitige Urinieren in den Mund stellt eine Handlung des Tä-ters

an

dem Kind bzw. des Kindes am

Täter im
Sinne dieser Vorschrift dar. §
176 Abs. 1 StGB erfasst zwar -
im Gegensatz zu seinem Absatz 2 -
nur sol-che Handlungen, bei denen es zum Körperkontakt zwischen dem Täter und dem Kind kommt
([X.], Urteil vom 24.
September 1991 -
5 [X.], [X.]St 38, 68, 70; Urteil vom 7.
September 1995 -
1 [X.], 41, 242, 243; Urteil vom 31.
Oktober 1995 -
1 StR 527/95, 285, 287; Senat,
Urteil vom 20. Mai 1992 -
2 StR 73/92, [X.], 433; Beschluss vom 26.
August 1998 -
2 [X.]). Dies setzt eine körperliche Berührung
voraus, d.h. der Täter muss mit seiner sexuellen Handlung auf den Körper des [X.] einwirken, ihn in [X.] ziehen. Allerdings ist mit körperlicher Berührung

bzw. Körperkon-takt

nicht nur der unmittelbare Hautkontakt, d.h. die Berührung [X.]er Körper-stellen gemeint
(Senat, Urteil vom 20. Mai 1992 -
2 StR 73/92, [X.], 433 mwN). Vielmehr kann auch der Griff über der Kleidung oder die Berührung des Körpers mit einem Gegenstand eine sexuelle Handlung an

einem anderen jedenfalls dann darstellen, wenn der Körper des anderen selbst -
nicht nur seine Kleidung und gegebenenfalls seine psychische Verfassung
-
in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. [X.], Urteil vom 10. Mai 1995 -
3 [X.], [X.]R StGB §
178 Abs. 1 sexuelle Handlung 8 mwN; Senat, Urteil vom 6.
Mai 1992 -
2 StR 490/91, [X.], 432; vgl. [X.] in [X.],
Oktober
2012, §
184g
Rn.
6; demgegenüber fordert [X.] an anderer Stelle
-
aaO,
August 2012
§
176a Rn.
16
-
einen unmittelbaren beidseitigen Körperkontakt).
Entsprechend wird 17
18

-
11 -

nicht nur das Berühren des Körpers mit einem Gegenstand, sondern auch das Ejakulieren auf den ([X.]en) Körper des [X.] als ausreichend erachtet (Senat, Beschluss
vom 19.
Dezember 2008 -
2 [X.], [X.], 118,
121; vgl. zu §
178 Abs.
1 StGB a.F. [X.], Urteil vom 20. Mai 1992 -
2 StR 73/92, [X.], 433 mwN).
bb)
Das gegenseitige
Urinieren in den Mund
verbunden mit der oralen Aufnahme des Urins stellte
schon seinem äußeren Erscheinungsbild nach auch eine sexualbezogene Handlung im Sinne des § 176 Abs.1 StGB dar (allgemein zu den Voraussetzungen, vgl. [X.], Urteil
vom 24. September 1980 -
3 [X.]/80,
[X.]St 29, 336;
Urteil vom 20. Dezember 2007 -
4 [X.], [X.], 339), denn es erfolgte [X.]eils unter Einbeziehung eines Geschlechts-teils (vgl. insoweit [X.], Urteil vom 18.
November 1999 -
4
[X.], [X.], 672; Beschluss vom 19.
Dezember 2008
-
2
[X.], [X.], 118, 120 f.), wobei jedenfalls die Geschädigte regelmäßig auch vollständig unbeklei-det
war; zudem handelt es sich bei dem Urinieren auf den Körper oder in den Mund eines anderen um eine nicht ganz selten vorkommende sexuelle Praktik.
Das Handeln des Angeklagten war schließlich auch -
wie festgestellt -
in allen Fällen
sexuell
motiviert.
cc) Die Handlungen waren
auch erheblich im Sinne von §
184g Nr.
1 StGB, denn sie lassen
sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensi-tät und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des durch die §§
174 ff.
StGB
geschützten
Rechtsguts besorgen (zu den allgemeinen Voraussetzungen
vgl. Senat, Beschluss vom 12.
September 2012 -
2
StR 219/12,
NStZ 2013, 280; [X.], Urteil vom 1. Dezember 2011 -
5 [X.], [X.], 269, 270; Urteil
vom 24.
September 1980 -
3 [X.]/80, [X.]St 29, 336).
Das ist schon deshalb anzunehmen, weil das Tatopfer bei den Hand-19
20
21

-
12 -

lungen regelmäßig vollständig entkleidet war
und das Geschehen in seinem Zusammenhang nach allgemeinem
Empfinden weit entfernt ist von bloßen Taktlosigkeiten oder bagatellhaften
Übergriffen.
b)
Das Urinieren
in den Mund des Opfers stellt ebenso wie das Urinieren des Opfers in den Mund des [X.] ein Eindringen in den Körper

im Sinne des §
176a Abs. 2 Nr. 1 StGB dar.
aa) Schon der Gesetzeswortlaut
setzt nicht voraus, dass eine beteiligte Person mit einem eigenen Körperteil
in den Körper einer anderen Person ein-dringt, sondern nur dass etwas

in den Körper des Anderen gelangt (vgl. Ren-zikowski
in
[X.] Kommentar zum StGB, 2. Aufl.
§
176a Rn.
22; [X.] in LK, StGB, 12. Aufl. §
176a Rn. 28). Ausreichend ist, dass eine sexuelle Hand-lung die Körpergrenze durchdringt (vgl.
[X.] in Kindhäuser/
[X.]/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. §
176a Rn.
4), weshalb sowohl das männli-che Glied, andere Körperteile und feste Gegenstände als auch weiche Sub-stanzen und Flüssigkeiten wie Sperma oder Urin vom Wortlaut erfasst sind (vgl. auch
Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008
-
2 [X.], [X.], 118, 120 f.; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.], StGB 29.
Aufl. §
176a Rn.
8a; [X.] in [X.] StGB, Stand 22. Juli 2013, §
176a Rn.
11; Renzikowski
in
[X.] Kommentar zum StGB, 2.
Aufl.
§
176a Rn.
22).

bb) Auch unter
Berücksichtigung
der Entstehungsgeschichte und von seinem Sinn und Zweck her erfasst §
176a Abs.
2 Nr.
1 StGB das Urinieren in den Mund als ein Eindringen in den Körper.

Eindringen

m-schreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 -
2 StR 28/99, [X.]St 45, 131, 132). Eindringen

erfordert zwar eine Penetration des Körpers, also nicht nur 22
23
24
25

-
13 -

die bloße Berührung
([X.], Beschluss
vom 14. September 1999
-
4
[X.],
[X.], 27, 28). Er ist aber nicht ausdrücklich auf den Beischlaf, den Anal-
und Oralverkehr beschränkt ([X.], Urteil vom 18. November 1999
-
4
[X.], [X.], 672).

Dafür spricht schon seine Entstehungsgeschichte. Der [X.] des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB wurde als §
176a Abs. 1 Nr.
1 durch das [X.] vom 26. Januar 1998 ([X.]
I
S.
164) in das Strafgesetzbuch einge-führt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte dieses qualifizierende Merkmal im Wesentlichen
dem durch das [X.] vom 1. Juli 1997 ([X.]
I
S.
1607) in §
177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB (heute § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr.
1 StGB) eingeführten Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Verge-waltigung nachgebildet werden (BT-Drucks.
13/8587, S. 31
f.). Hiernach sollte
-Drucks.
13/2463, S.
7 und BT-Drucks.
13/7324, S.
6; [X.], Beschluss vom 14.
September 1999 -
4 [X.], [X.],
27). Mag danach der Gesetzgeber in erster Linie an den Anal-
und Oral-verkehr gedacht haben, so hat er die Anwendung des Tatbestandes neben dem Beischlaf nicht auf diese Arten sexueller Betätigung beschränkt. Dies folgt schon daraus, dass ausdrücklich auch

r-
-Drucks.
13/2463, [X.], BT-Drucks.
13/7324, [X.], [X.]. zu §
177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 33.
StrRG; vgl. [X.], Urteil vom 18. November 1999 -
4 [X.], [X.], 672).
Demzu-folge ist nach der Rechtsprechung des [X.]s nicht nur das Ein-dringen des männlichen Glieds erfasst, sondern auch das Eindringen jedes
an-deren Körperteils
oder von Gegenständen
(st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 18.
November 1999 -
4 [X.], [X.], 672;
Urteil vom 30. September 26

-
14 -

2004 -
4 [X.], [X.], 152, 153
-
[X.]eils zum Finger; Urteil vom 15.
Juni 2005 -
1 [X.], [X.], 195, 196; Beschluss vom 14.
April 2011 -
2 StR 65/11, NJW 2011, 3111 -
Zunge;
Beschluss vom 12.
März 2014
-
4 StR 562/13
-
Vibrator).

Ein
Eindringen in den
Körper ist daher nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch dann gegeben, wenn Körpersekrete oder Ausscheidungspro-dukte in Körperöffnungen gelangen und gerade (auch) hierin jedenfalls aus Sicht des [X.] die Sexualbezogenheit des Vorgangs liegt. Anders als das Regelbeispiel des §
177 Abs. 2 Satz 2 Nr.
1 StGB stellt §
176a Abs. 2 Nr.
1 StGB nicht auf die besondere Erniedrigung des Opfers ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches -
soweit [X.] -
als schwer-wiegende Beeinträchtigung der körperlichen
Integrität anzusehen ist (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 -
2 [X.], [X.], 118, 120).

cc) Das gilt auch
für solche Fälle, in denen das Urinieren in den Mund des [X.] vorgenommen wird,
denn tatbestandlich erfasst wird sowohl das Eindringen in den Körper des Opfers als auch in den des [X.] (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 -
2 StR 28/99, [X.]St 45, 131, 133 ff.
m. [X.]. [X.],
[X.], 310; Beschluss vom 19. Dezember 2008 -
2 [X.], [X.], 118, 119;
vgl. [X.] in [X.]/[X.], StGB 27.
Aufl.,
§ 176a Rn.
8a;
Ren-zikowski
in [X.] Kommentar zum StGB, 2.
Aufl.
§
176a Rn.
22).

c) Bei den in den Fällen 5 bis 12
festgestellten sexuellen Handlungen handelt es sich auch um solche, die einem Beischlaf ähnlich sind.
Die gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB erforderliche Beischlafähnlichkeit der mit einem Eindringen in den Körper verbundenen sexuellen Handlung setzt
nicht unbedingt äußerliche Ähnlichkeit mit dem Bewegungsablauf beim Vollzug des [X.] voraus (vgl. [X.] in [X.], 12. Aufl. §
176a Rn.
26, 28; 27
28
29
30

-
15 -

[X.],
aaO
Rn. 8; a.A. [X.] in [X.], StGB,
August 2012, § 176a Rn.
16). Eine Ähnlichkeit mit dem Beischlaf liegt vielmehr regelmäßig schon dann vor, wenn die sexuelle Handlung ihrem äußeren Erscheinungsbild nach entweder auf Seiten des Opfers oder des [X.] unter Einbeziehung des (primären) Ge-schlechtsteils geschieht (vgl. [X.], Urteil vom 18. November 1999 -
4 [X.], [X.], 672;
Beschluss vom 19. Dezember
2008 -
2 [X.], [X.], 118, 121; Beschluss vom 14. April 2011 -
2 StR 65/11, [X.]St 56, 223, 225; [X.],
aaO Rn.
8
a; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 27.
Aufl. §
176a Rn.
8a). Sie ist aber vor allem auch an dem
Gewicht
der Rechtsgutver-letzung zu messen (Senat, Beschluss vom 14. April 2011 -
2 StR 65/11, [X.]St 56, 223, 225; a.A. [X.] in [X.], StGB August 2012, § 176a Rn. 16), also
an ihrer Erheblichkeit im Hinblick
auf das in § 176a StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung und ungestörten
sexuellen
Entwicklung des [X.].
Entscheidend ist mithin, dass das Ausmaß der insoweit zu besorgenden Rechtsgutverletzung mit einem Beischlaf vergleichbar ist und diese Rechtsgut-verletzung ebenfalls von einem Eindringen in den Körper herrührt.
[X.] ist darin ein (weiteres) [X.] zu sehen, wodurch die zweite [X.] angesichts des weiten Begriffs
des
Eindringens die not-wendige Beschränkung erfährt (vgl. [X.] in [X.] StGB § 176a Rn.
12; [X.],
aaO Rn.
8; [X.] in [X.]/[X.],
StGB, 27. Aufl. §
176a Rn.
8a).
Gemessen daran, handelt es sich bei dem unter Einbeziehung eines Ge-schlechtsteils erfolgten Urinieren in den geöffneten Mund verbunden mit der oralen Aufnahme des Urins sowohl von seinem äußeren Erscheinungsbild her als auch im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs in die sexuelle Selbstbe-stimmung und vor allem aber die ungestörte sexuelle Entwicklung des zur [X.]

-
16 -

zeit 12-
bis 13-jährigen Kindes ohne Weiteres um eine
dem Beischlaf ähnliche sexuelle Handlung.
[X.] Schmitt [X.]

[X.] Eschelbach

Meta

2 StR 13/14

09.07.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2014, Az. 2 StR 13/14 (REWIS RS 2014, 4216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4216

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern: Gegenseitiges Urinieren in den Mund als sexuelle Handlung


4 StR 289/19 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Kindesmissbrauch: Erfordernis der Sexualbezogenheit bei Eindringen von Körpersekreten


2 StR 419/18 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern: Vorliegen einer "beischlafähnlichen Handlung" durch Eindringen mit dem Daumen oder …


2 StR 65/11 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern: Zungenkuss als dem Beischlaf ähnliche Handlung


2 StR 65/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
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2 StR 13/14

5 StR 417/11

2 StR 65/11

4 StR 562/13

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