Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2016, Az. 3 StR 453/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 311

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Gegenstand

Strafantrag bei Wohnungseinbruchdiebstahl durch Angehörige: Antragsrecht der Erben des verstorbenen Geschädigten


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens und die der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

3. Über die Verpflichtung zur Entschädigung der Angeklagten nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen entscheidet der Senat nach Anhörung der Beteiligten durch gesonderten Beschluss.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen [X.]s zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die nicht ausgeführte Verfahrensrüge ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 [X.]atz 2 [X.]tPO). Die [X.]achrüge hat dagegen Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es die Angeklagte betrifft (§ 349 Abs. 4 [X.]tPO), und zur Einstellung des Verfahrens gegen sie, weil es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (§ 354 Abs. 1, § 206a Abs. 1 [X.]tPO).

I.

2

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen fassten die Angeklagte und der Mitangeklagte U.  [X.]den Entschluss, dass dieser in das Wohnhaus der alleinstehenden [X.], der Mutter des geschiedenen Ehemanns der Angeklagten, [X.], einbricht, um dort Bargeld und Wertsachen zu entwenden. Bei der Ausführung der gemeinschaftlich geplanten Tat traf der Mitangeklagte in dem Wohnhaus, nachdem er Diebesgut an sich genommen hatte, auf [X.] . Er erwürgte sie, stellte ihren Tod fest, beseitigte [X.]puren und verließ den Tatort mit der Beute, welche die Angeklagten später gemeinsam verbrauchten.

3

2. Das [X.] hat angenommen, dass beide Angeklagte mittäterschaftlich einen [X.] begingen (§ 242 Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3, § 25 Abs. 2 [X.]tGB). Den von dem Mitangeklagten U.  [X.]tateinheitlich verübten Mord (§ 211 [X.]tGB) hat es als der Angeklagten nicht zu-rechenbaren Mittäterexzess bewertet.

II.

4

1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen [X.]s durfte nicht ergehen. Es fehlt an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen [X.]. Den Kindern der [X.], [X.].    und [X.], die form- und fristgerecht (vgl. § 158 Abs. 2 [X.]tPO, § 77b [X.]tGB) [X.]trafantrag gegen die Angeklagte gestellt haben ([X.]. 869 f. d. [X.]A Bd. IV), steht kein Antragsrecht zu. Im Einzelnen:

5

a) Nach § 247 [X.]tGB bedarf es für die Verfolgung des [X.]s der Angeklagten zum Nachteil der verstorbenen [X.], ihrer früheren [X.]chwiegermutter, eines [X.]. Diese war Angehörige der Angeklagten im [X.]inne von § 11 Nr. 1 Buchst. a [X.]tGB, weil beide in gerader Linie verschwägert waren (§ 1590 Abs. 1 BGB); trotz der [X.]cheidung von [X.]dauerte das Angehörigenverhältnis zur Tatzeit fort (s. auch § 1590 Abs. 2 BGB).

6

§ 247 [X.]tGB gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut - anders als § 248a [X.]tGB - nicht nur für den Grundtatbestand des Diebstahls nach § 242 [X.]tGB, sondern für alle seine - auch in §§ 243, 244, 244a [X.]tGB normierten - Begehungsweisen, gleich ob gesetzlich als besonders schwere Fälle oder als Qualifikationstatbestände ausgestaltet (vgl. MüKo[X.]tGB/[X.], 2. Aufl., § 247 Rn. 2; NK-[X.]tGB-Kindhäuser, 4. Aufl., § 247 Rn. 2), damit auch für das abgeurteilte Vergehen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 [X.]tGB. Auf die Form der Beteiligung desjenigen, dessen Angehöriger der Verletzte ist, kommt es dabei nicht an (vgl. LK/[X.], [X.]tGB, 12. Aufl., § 247 Rn. 5).

7

b) Die beiden Kinder der Verstorbenen sind nicht strafantragsberechtigt.

8

aa) Das der [X.] zustehende Antragsrecht ist mit ihrem Tod nicht auf die [X.]trafantragsteller übergegangen, sondern erloschen. § 77 Abs. 2 [X.]tGB, wonach ein Übergang des Antragsrechts beim Tod des Verletzten stattfindet, ist nicht anwendbar. Die Vorschrift bewirkt dies nur "in den Fällen, die das Gesetz bestimmt"; sie gilt daher nicht für das [X.]trafantragserfordernis nach § 247 [X.]tGB, der einen derartigen Übergang - anders als etwa § 194 Abs. 1 [X.]atz 5 oder § 230 Abs. 1 [X.]atz 2 [X.]tGB - nicht vorsieht (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juni 2003 - 2 [X.], [X.], 111, 112 [für § 266 Abs. 2 i.V.m. § 247 [X.]tGB]; NK-[X.]tGB-Kindhäuser aaO, Rn. 9 aE).

9

bb) Der [X.]enat hat erwogen, ob [X.].    und/oder [X.]möglicherweise als Erben der [X.]selbst Verletzte gemäß § 247 [X.]tGB gewesen sein könnten, wobei die Erbenstellung im Wege des [X.] zu klären gewesen wäre. Zwar ist das Antragsrecht als höchstpersönliches Recht nicht vererblich. Das Eigentum der Verstorbenen ging jedoch kraft Gesetzes unmittelbar mit dem Tod auf die Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Im [X.]inne des § 247 [X.]tGB verletzt ist - jedenfalls - der Eigentümer (s. hierzu im Einzelnen [X.], Urteil vom 26. Juli 1957 - 4 [X.]tR 257/57, [X.][X.]t 10, 400, 401 ff.; [X.]/[X.]-Eser/[X.], [X.]tGB, 29. Aufl., § 247 Rn. 10 f.; LK/[X.] aaO, Rn. 6).

Da für die [X.]trafantragsberechtigung die Zeit der Tat maßgebend ist (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 1979 - 4 [X.]tR 204/79, [X.][X.]t 29, 54, 55 f.; [X.]/[X.]-[X.]ternberg-Lieben/[X.] aaO, § 77 Rn. 10), käme ein originäres Antragsrecht der [X.]trafantragsteller in Betracht, wenn entweder der [X.] (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 [X.]tGB) über den Erbfall hinaus fortgedauert oder der Mitangeklagte U.   [X.]dem Erbfall zeitlich nachfolgend eine der Angeklagten zurechenbare Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 [X.]tGB) begangen hätte. Beide Alternativen liegen hier nicht vor.

(1) Eine Verletzung des Eigentums der [X.]trafantragsteller durch den [X.] scheidet schon deshalb aus, weil dieser mit dem Tod der [X.] bereits beendet war. Daher braucht der [X.]enat nicht zu entscheiden, ob ein [X.]trafantragsrecht auch demjenigen zusteht, dessen Verletzteneigenschaft ausschließlich im Zeitraum zwischen formeller Vollendung und materieller Beendigung der Tat besteht.

Ein Diebstahl ist beendet, wenn - in weiterer Verwirklichung der Zueignungsabsicht des [X.] - der Gewahrsam an der Beute gefestigt und gesichert ist. Wann der Zeitpunkt erreicht ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. [X.] Kriterien sind, ob sich der Täter noch im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Bestohlenen befindet oder noch direkte Eingriffsmöglichkeiten von diesem oder einem dritten Beobachter - gegebenenfalls in der Form der [X.] - vorhanden sind (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2014 - 5 [X.]tR 395/14, [X.]R [X.]tGB § 252 Frische Tat 5; Beschlüsse vom 18. Februar 1988 - 4 [X.]tR 28/88, [X.]R [X.]tGB § 252 Frische Tat 3; vom 1. [X.]eptember 1999 - 1 [X.]tR 416/99, N[X.]tZ 2000, 31; vom 26. Mai 2000 - 4 [X.]tR 131/00, N[X.]tZ 2001, 88, 89 mwN; vom 1. Februar 2011 - 3 [X.]tR 432/10, N[X.]tZ 2011, 637, 638).

Mit dem Tod der [X.] trat die Beendigung des [X.]s ein. Nach den Feststellungen lebte die Verstorbene allein in dem Wohnhaus, in das der Mitangeklagte U.  [X.]einbrach. Durch den Tod endete der durch ihren generellen [X.] begründete Gewahrsam an den im Wohnhaus befindlichen [X.]achen, ohne dass er auf eine andere Person - etwa einen Mitbewohner oder eine (anwesende) Hausangestellte - hätte übergehen können (vgl. [X.], Urteile vom 14. Januar 1987 - 3 [X.]tR 546/86, [X.]R [X.]tGB § 242 Abs. 1 Gewahrsam 1; vom 9. Dezember 2009 - 5 [X.]tR 403/09, [X.]traFo 2010, 122 f.; [X.]/[X.]-Eser/[X.] aaO, § 242 Rn. 30). Ein [X.]oder einer solchen Person zuzuordnender Herrschaftsbereich existierte danach nicht mehr. Dass für den Mitangeklagten das reale Risiko des Einschreitens eines Dritten bestand, ist hier weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

(2) Eine dem Tod der [X.] zeitlich nachfolgende Unterschlagung, mit der das Eigentum der [X.]trafantragsteller verletzt worden wäre, liegt ebenso wenig vor. Insbesondere der vom Mitangeklagten U.  [X.]vorgenommene Abtransport der Beute stellt keine eigenständige Unterschlagungshandlung zum Nachteil der Erben dar.

Mit der Beendigung des [X.]s war auch die Zueignung endgültig abgeschlossen. Es waren ein [X.] und ein Enteignungserfolg eingetreten.

Hat sich indes ein Täter eine fremde [X.]ache durch eine strafbare Handlung bereits zugeeignet, kann er sie sich in einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal im [X.]inne von § 246 Abs. 1 [X.]tGB zueignen, ohne vorher seine [X.]cheineigentümerposition wieder aufgegeben zu haben (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Dezember 1959 - G[X.][X.]t 1/59, [X.][X.]t 14, 38; ferner [X.], Urteil vom 17. Oktober 1961 - 1 [X.]tR 382/61, [X.][X.]t 16, 280, 281 f.; Beschluss vom 13. Juli 1995 - 1 [X.]tR 309/95, N[X.]tZ-RR 1996, 131, 132; MüKo[X.]tGB/[X.] aaO, § 246 Rn. 40; [X.][X.]W-[X.]tGB/[X.], 3. Aufl., § 246 Rn. 20); eine solche Position lässt sich nicht beliebig wiederholend begründen. Ohne Einfluss hierauf ist, dass die (erste) strafbare Zueignungshandlung - wie hier - nicht verfolgt werden kann.

2. Die angeklagte prozessuale Tat (§ 264 [X.]tPO) umfasst auch kein sonstiges verfolgbares strafbares Verhalten der Angeklagten, so dass das Verfahren einzustellen ist.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten beruht auf § 467 Abs. 1, 3 [X.]atz 2 Nr. 2 [X.]tPO. Der [X.]enat hat von dem ihm durch § 467 Abs. 3 [X.]atz 2 Nr. 2 [X.]tPO eingeräumten Ermessen dahin Gebrauch gemacht, nicht davon abzusehen, ihre notwendigen Auslagen der [X.]taatskasse aufzuerlegen. Es ist nicht unbillig, die [X.]taatskasse hiermit zu belasten. Maßgebend ist dafür zum einen, dass das Verfahrenshindernis bereits vor Anklageerhebung bestand und auch erkennbar war, ohne dass dies in einer tatrichterlichen Hauptverhandlung noch hätte aufgeklärt werden müssen (vgl. [X.], Urteil vom 1. März 1995 - 2 [X.]tR 331/94, [X.]R [X.]tPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 1); zum anderen ist ein prozessual vorwerfbares Verhalten der Angeklagten nicht ersichtlich (vgl. [X.]/[X.], [X.]tPO, 59. Aufl., § 467 Rn. 18 mwN).

2. Über die Verpflichtung zur Entschädigung der Angeklagten nach dem Gesetz über die Entschädigung für [X.]trafverfolgungsmaßnahmen ([X.]trEG) hat der [X.]enat selbst zu befinden, weil er die das Verfahren abschließende [X.]achentscheidung getroffen hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. März 2008 - 3 [X.]tR 378/07, [X.]traFo 2008, 266; vom 26. Mai 2015 - 3 [X.]tR 437/12, [X.]traFo 2015, 438, 439). Er behält dies einem weiteren Beschluss vor, der erlassen werden wird, nachdem die Beteiligten dazu angehört worden sind (vgl. § 8 Abs. 1 [X.]atz 2 [X.]trEG).

Becker      

        

Gericke      

        

Tiemann

        

Berg      

        

Hoch      

        

Meta

3 StR 453/16

21.12.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Trier, 6. Juli 2016, Az: 8031 Js 24008/15 - 1 Ks

§ 247 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2016, Az. 3 StR 453/16 (REWIS RS 2016, 311)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 311


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 453/16

Bundesgerichtshof, 3 StR 453/16, 25.04.2017.

Bundesgerichtshof, 3 StR 453/16, 21.12.2016.


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