Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.02.2022, Az. 10 ABR 33/20

10. Senat | REWIS RS 2022, 1057

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Gegenstand

Allgemeinverbindlicherklärung - Neuerlass - Heilung - Wach- und Sicherheitsgewerbe


Leitsatz

Eine Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags, die zur Heilung einer vorherigen, unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärung desselben Tarifvertrags erlassen wird, setzt mangels eines gesetzlichen Heilungsverfahrens für ihre Wirksamkeit grundsätzlich voraus, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt ihres Erlasses ebenso gegeben sind wie die Einhaltung der erforderlichen Verfahrensschritte. Der Rückgriff auf Teile des vorherigen Verfahrens scheidet regelmäßig aus.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des [X.] vom 2. September 2020 - 2 [X.] - teilweise aufgehoben.

 Es wird festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Oktober 2019 (BAnz. [X.] 28. November 2019 B12) des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.] vom 16. Juli 2009 unwirksam ist.

2. Der Beschluss des [X.] vom 2. September 2020 - 2 [X.] - wird im zweiten Absatz des Entscheidungsausspruchs berichtigt:

 Es wird festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 20. Mai 2010 (BAnz. Nr. 82 vom 8. Juni 2010) des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.] vom 16. Juli 2009 unwirksam ist.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten in der [X.] noch über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Oktober 2019 (BAnz. [X.] 28. November 2019 B12) des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.] vom 16. Juli 2009 ([X.] 2019).

2

Die [X.] [X.] - [X.], [X.]bezirk [X.] (Beteiligte zu 4.) und der [X.], [X.]gruppe [X.] (Beteiligter zu 3., nunmehr firmierend als [X.] DER [X.]) schlossen am 16. Juli 2009 einen „Entgelttarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.]“ ([X.] 2009).

3

Der Geltungsbereich des [X.] 2009 erstreckte sich räumlich auf das Land [X.] und erfasste fachlich alle Betriebe des [X.] sowie alle Betriebe, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben, für alle Bewachungsobjekte und Dienststellen. Dem persönlichen Geltungsbereich unterfielen alle Arbeitnehmer, die im räumlichen Geltungsbereich des [X.] 2009 eingesetzt wurden.

4

Mit Schreiben vom 14. Jan[X.]r 2010 beantragte der Beteiligte zu 3. unter Vorlage einer Einverständniserklärung der Beteiligten zu 4. beim [X.] ([X.]), den [X.] 2009 mit Ausnahme seiner §§ 5, 6.2 rückwirkend zum 1. Juli 2009 für allgemeinverbindlich zu erklären.

5

Mit Schreiben vom 8. Febr[X.]r 2010 übertrug das [X.] die Durchführung des Verfahrens über den Antrag auf [X.] des [X.] 2009 auf das [X.] (Beteiligter zu 2.). Am 15. März 2010 machte der Beteiligte zu 2. den Antrag und den Termin für die Verhandlung vor dem [X.] bekannt.

6

Am 27. April 2010 tagte der [X.] des [X.] [X.]. Dort wurde der Antrag von den Tarifvertragsparteien um den Hilfsantrag, den [X.] 2009 nur in den unteren Lohngruppen bis zum Stundenlohn von 8,27 Euro für allgemeinverbindlich zu erklären, ergänzt. Der Hauptantrag wurde vom [X.] abgelehnt, der Hilfsantrag angenommen. Keines der in der dazugehörigen Vorgangsakte des Beteiligten zu 2. (- III 5 55m0200-0001/2010/0001 -) enthaltenen Dokumente stammte von dem seinerzeitigen Minister oder einem Staatssekretär oder war an diesen adressiert. Am 20. Mai 2010 machte der Beteiligte zu 2. die teilweise [X.] des [X.] 2009 mit Wirkung vom 1. Juli 2009 ([X.] 2010) bekannt (BAnz. Nr. 82 vom 8. Juni 2010).

7

Die Beteiligte zu 4. kündigte den [X.] 2009 zum 31. Dezember 2011. Mit Schreiben vom 7. November 2011 unterrichtete der Beteiligte zu 3. das [X.] von der Kündigung, woraufhin dieses die Bekanntmachung des Außerkrafttretens des [X.] 2009 mit Ablauf des 31. Dezember 2011 veranlasste.

8

Die Beteiligte zu 1. ist ein Unternehmen des [X.] mit Sitz in [X.]. Sie war im Geltungszeitraum des [X.] 2009 nicht Mitglied des [X.]. Nach einer Betriebsprüfung nahm die [X.] ([X.]) [X.] sie für den Geltungszeitraum der [X.] 2010 in Bezug auf in [X.] eingesetzte Mitarbeiter auf [X.] in Anspruch. Hierüber ist ein Verfahren vor den Sozialgerichten anhängig.

9

Mit Antragsschrift vom 20. Juli 2018 hat die Beteiligte zu 1. das vorliegende Verfahren eingeleitet und die Feststellung der Unwirksamkeit der [X.] 2010 begehrt.

Während des anhängigen Verfahrens setzte der Beteiligte zu 2. die Beteiligten zu 3. und 4. am 2. Oktober 2019 davon in Kenntnis, dass die [X.] 2010 ohne Befassung der Leitung des Ministeriums ergangen sei. Zugleich wurde angefragt, ob die Tarifvertragsparteien mit einer rückwirkenden Wiederherstellung der [X.] einverstanden wären. Die Beteiligten zu 3. und 4. stimmten dem mit Schreiben vom 10. bzw. 22. Oktober 2019 zu. In der Folge machte der damalige [X.] des [X.] [X.] ohne die Durchführung weiterer Verfahrensschritte die [X.] des [X.] 2009 am 29. Oktober 2019 mit Wirkung vom 1. Juli 2009 ([X.] 2019) bekannt und wies zugleich darauf hin, dass die [X.] 2019 an die Stelle der [X.] 2010 trete (BAnz. [X.] 28. November 2019 B12). Die [X.] 2019 entsprach nach ihrem Inhalt vollständig der [X.] 2010 (Vorgangsakte „[X.] 55m0200-0001/2018/004 -).

Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2020 stellte die Beteiligte zu 1. einen weiteren, auf die Feststellung der Unwirksamkeit der [X.] 2019 gerichteten Antrag.

Die Beteiligte zu 1. hat die Auffassung vertreten, die [X.] 2010 sei mangels Ministerbefassung unwirksam. Aber auch die [X.] 2019 sei bereits formell unwirksam. Es fehle an der Einhaltung der erforderlichen Verfahrensschritte nach § 5 [X.]. Die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens unter Anknüpfung an [X.] eines bereits durchgeführten Verfahrens sei nicht möglich. Darüber hinaus sei die [X.] 2019 materiell unwirksam, denn sie beziehe sich auf einen bereits außer [X.] getretenen Tarifvertrag und es fehle an dem erforderlichen öffentlichen Interesse.

Die Beteiligte zu 1. hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 29. Oktober 2019 (BAnz. [X.] vom 28. November 2019 B12) des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.] vom 16. Juli 2009 unwirksam ist;

        

2.    

festzustellen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung vom 20. Mai 2010 (BAnz. Nr. 82 vom 8. Juni 2010) des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.] vom 16. Juli 2009 unwirksam ist.

Die Beteiligten zu 2. bis 4. haben die Zurückweisung der Anträge beantragt und die Auffassung vertreten, die [X.] 2019 sei formell und materiell rechtswirksam. Insbesondere habe ein ergänzendes Verfahren bezogen auf die wegen der fehlenden Ministerbefassung nichtige [X.] 2010 durchgeführt werden können.

Das [X.] hat dem Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der [X.] 2010 stattgegeben, den Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der [X.] 2019 hat es zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1. ihr auf die Feststellung der Unwirksamkeit der [X.] 2019 gerichtetes Begehren weiter. Die Beteiligten zu 2. bis 4. haben hinsichtlich der [X.] 2010 keine Rechtsbeschwerde eingelegt. Hinsichtlich der [X.] 2019 begehren sie die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. ist begründet. Die [X.] vom 29. Oktober 2019 des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.] vom 16. Juli 2009 ist mangels Einhaltung wesentlicher Verfahrensvorschriften unwirksam. Deshalb ist die Entscheidung des [X.]s insoweit aufzuheben und die Unwirksamkeit der [X.] 2019 festzustellen. Darüber hinaus ist der zweite Absatz des Entscheidungsausspruchs des [X.]s betreffend die [X.] 2010 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 319 Abs. 1 ZPO zu korrigieren.

I. Die Beteiligte zu 1. ist antragsbefugt und hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Alle am Verfahren zu beteiligenden Vereinigungen und Stellen sind beteiligt worden. Die teilweise Rechtskraft des Beschlusses des [X.]s steht einer Entscheidung über den die [X.] 2019 betreffenden Antrag, der alleine noch Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist, nicht entgegen.

1. Das Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG ist hinsichtlich der angegriffenen [X.] 2019 statthaft.

2. Die Beteiligte zu 1. ist hinsichtlich ihres Feststellungsantrags nach § 98 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG antragsbefugt und hat ein rechtliches Interesse an der erstrebten Feststellung.

a) Bei dem Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG handelt es sich um ein Normenkontrollverfahren, dessen Durchführung eine Antragsbefugnis voraussetzt. Nach § 98 Abs. 1 ArbGG ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch die [X.] oder die Rechtsverordnung oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Aus der Antragsbefugnis folgt grundsätzlich ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung ( [X.] 21. März 2018 - 10 [X.]  - Rn. 35 , [X.]E 162, 166).

b) Danach ist eine Antragsbefugnis nach § 98 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG gegeben. Gleiches gilt für ein rechtliches Interesse der Beteiligten zu 1. an der Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen [X.]. Sie macht geltend, durch die [X.] 2019 in ihren Rechten verletzt zu sein (vgl. dazu im Einzelnen [X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 44 ff., [X.]E 156, 213). Sie wird für den Geltungszeitraum der angegriffenen [X.] von der [X.] [X.] auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Grundlage des [X.] 2009 in Anspruch genommen, ohne Mitglied des [X.] gewesen zu sein. Das insoweit geführte sozialgerichtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Deshalb ist unerheblich, dass die [X.] 2019 bereits mit dem Ablauf des [X.] 2009 zum 31. Dezember 2011 endete.

3. Alle nach § 98 Abs. 3, § 83 Abs. 3 ArbGG zu [X.] sind vom [X.] beteiligt worden.

a) Die Beteiligung an einem Beschlussverfahren ist auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Personen und Stellen, die zuvor zu Unrecht nicht gehört wurden, sind auch ohne Rüge zum Verfahren hinzuzuziehen. Dagegen ist im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht von Amts wegen zu prüfen, ob alle in den Vorinstanzen beteiligten Personen, Vereinigungen und Stellen zu Recht angehört wurden ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 24 mwN).

b) Nach § 98 Abs. 3 Satz 3 ArbGG ist in dem Verfahren nach § 98 ArbGG die Behörde, die den Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat, hier das [X.], beteiligt. Beteiligt sind ferner diejenigen, die einen eigenen Antrag gestellt haben, sowie die Tarifvertragsparteien, die den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag abgeschlossen haben ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 25 mwN). Nicht zu beteiligen war hingegen - wie das [X.] zu Recht angenommen hat - die [X.] [X.] (vgl. [X.] 20. September 2017 - 10 [X.] - Rn. 21).

4. Die Teilrechtskraft des Beschlusses des [X.]s steht einer Entscheidung über die [X.] 2019 nicht entgegen.

a) Das [X.] hat dem Feststellungsantrag bezogen auf die [X.] 2010 stattgegeben. Insoweit ist der Beschluss in Rechtskraft erwachsen.

b)Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung ( § 322 Abs. 1 ZPO ) steht - als negative Prozessvoraussetzung - einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegen. Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist. Dies gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Nach dem auch in diesem Verfahren anwendbaren § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist. Der Begriff des Anspruchs in § 322 Abs. 1 ZPO bezeichnet den prozess[X.]len Anspruch im Sinn der Streitgegenstandslehre. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft werden durch den Gegenstand des vorangehenden Verfahrens bestimmt. Wie im [X.] richtet sich dieser nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (vgl. insgesamt dazu [X.] 18. November 2020 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN ; sog. zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff).

c) Hiernach steht die Rechtskraft des landesarbeitsgerichtlichen Beschlusses in Bezug auf die [X.] 2010 dem jetzt noch anhängigen Antrag betreffend die [X.] 2019 nicht entgegen, denn es handelt sich bei der [X.] 2010 und der [X.] 2019 um zwei verschiedene Streitgegenstände.

aa) Verfahrensgegenstand eines Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 5, § 98 ArbGG ist eine bestimmte Rechtsverordnung oder die Wirksamkeit der [X.] eines bestimmten Tarifvertrags. Maßgeblich für die Bestimmung des Streitgegenstands bei der Prüfung der Rechtswirksamkeit einer [X.] sind daher sowohl der jeweilige Normsetzungsakt als auch dessen Gegenstand, also ein bestimmter Tarifvertrag. Welchen Inhalt die [X.] hat, ergibt sich aus der ministeriellen Entscheidung, die der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Werden in einem Normsetzungsakt verschiedene Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt, handelt es sich rechtlich um mehrere [X.] und mehrere prozess[X.]le Verfahrensgegenstände (so schon [X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 43, [X.]E 156, 213 zu einer [X.] nach § 5 [X.] aF; 21. März 2018 - 10 [X.] - Rn. 102, [X.]E 162, 166 zu einer [X.] nach § 5 [X.] nF).

bb) Mit der [X.] vom 20. Mai 2010 wurde - nach Durchführung der vom [X.] und der [X.]-DVO vorgesehenen Verfahrensschritte - vom Beteiligten zu 2. über den Antrag der Tarifvertragsparteien vom 14. Jan[X.]r 2010 auf [X.] des [X.] 2009 entschieden. Diesem Antrag wurde nur teilweise - nämlich im Hinblick auf den im [X.] gestellten Hilfsantrag auf die [X.] bestimmter Lohngruppen - entsprochen; im Übrigen wurde er mangels Zustimmung des [X.]es der Sache nach abgelehnt.

cc) Die [X.] vom 29. Oktober 2019 hatte zwar ebenfalls den [X.] 2009 zum Gegenstand. Es handelt sich aber um einen neuen, eigenständigen Normsetzungsakt, der zum Ziel hatte, eine nunmehr wirksame [X.] des [X.] 2009 zu erlassen. Ihr liegt ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde als der [X.] 2010. Das zeigt sich bereits an dem erheblichen zeitlichen Abstand zwischen der ersten und der zweiten [X.] des [X.] 2009. Entsprechend wurden die Tarifvertragsparteien des [X.] 2009 vom Beteiligten zu 2. erneut involviert und ihre Zustimmung zur rückwirkenden Wiederherstellung der [X.] 2010 eingeholt. Es erfolgte eine neue [X.] - diesmal unmittelbar durch den zuständigen Minister - und eine neue Bekanntmachung im [X.]. Dort heißt es ausdrücklich: „Die erneute Allgemeinverbindlicherklärung tritt an die Stelle der Allgemeinverbindlicherklärung vom 20. Mai 2010“. Auch das setzt einen neuen Normsetzungsakt voraus.

dd) Aus dem Umstand, dass die [X.] 2010 nicht rechtswirksam erlassen und dies nachfolgend im Verfahren nach § 98 ArbGG rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erlasses festgestellt wurde (sog. Ex-tunc-Wirkung, vgl. dazu [X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 60, [X.]E 156, 213), ergibt sich nichts anderes. Soweit die Beteiligten zu 2. bis 4. in anderem Zusammenhang meinen, ein [X.]-Verfahren sei erst mit dem Erlass einer wirksamen [X.] beendet, ergeben sich dafür weder aus § 5 [X.] noch aus der [X.]-DVO Anhaltspunkte. Im Hinblick auf die Frage des Streitgegenstands kann dies aber dahinstehen, da der Beteiligte zu 2. die [X.] 2019 eindeutig als eigenständigen Normsetzungsakt erlassen hat. [X.] man die [X.] 2019 hingegen als unselbständigen Teil der [X.] 2010 - wofür es keine Anhaltspunkte gibt -, ergäbe sich ihre Unwirksamkeit bereits aus der Entscheidung des [X.]s über die [X.] 2010, die mangels Einlegung von Rechtsmitteln durch die Beteiligten zu 2. bis 4. insoweit in Rechtskraft erwachsen ist. Dann wäre zugleich auch insoweit rechtskräftig entschieden.

II. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. ist begründet. Die [X.] 2019 ist unwirksam, weil wesentliche verfahrensrechtliche Voraussetzungen für ihren Erlass nach § 5 [X.] iVm. den Bestimmungen der [X.]-DVO nicht eingehalten wurden. Ein Rückgriff auf Verfahrensschritte aus einem früheren [X.]-Verfahren scheidet entgegen der Auffassung des [X.]s vorliegend aus. Dies führt insoweit zur Aufhebung der Entscheidung des [X.]s und zur Feststellung der Unwirksamkeit der [X.] 2019 (§ 98 Abs. 3 Satz 1, § 92 Abs. 2, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit einer [X.] ist deren Erlass ([X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 169, [X.]E 156, 213). Bei Erlass der [X.] 2019 durch den [X.] des [X.] [X.] am 29. Oktober 2019 und Veröffentlichung der Bekanntmachung im [X.] am 28. November 2019 galt § 5 [X.] in der Fassung vom 16. August 2014 (Art. 5 des [X.] vom 11. August 2014, [X.]I S. 1348; im Folgenden § 5 [X.] nF). Da grundsätzlich ranggleiches neues Recht altes Recht ablöst (sog. [X.], vgl. [X.] 15. Dezember 2015 - 2 [X.] - Rn. 50, [X.]E 141, 1) und Art. 5 des [X.] keine [X.] enthält, die dies abbedingen, spricht viel dafür, dass der Erlass der [X.] 2019 unter Anwendung des neuen Rechts erfolgen musste (vgl. zur unmittelbaren Anwendbarkeit des § 98 ArbGG nF bereits [X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 37 mwN, aaO). Allerdings ist nicht zu verkennen, dass mit der [X.] 2019 ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden sollte, dessen Laufzeit bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung - die die Voraussetzungen für eine [X.] an veränderte Bedingungen knüpfte (vgl. dazu umfassend [X.] 21. März 2018 - 10 [X.] - [X.]E 162, 166; Waltermann RdA 2018, 137) - beendet war. Deshalb kommt jedenfalls im Hinblick auf die materiellen Voraussetzungen - auch unter [X.] - ebenfalls eine Anwendung von § 5 [X.] aF in Betracht. Letztlich bedarf diese Frage aber keiner Entscheidung, da sich die [X.] 2019 sowohl nach § 5 [X.] aF als auch nach § 5 [X.] nF als unwirksam erweist.

2. Ein Fehler im Normsetzungsverfahren führt grundsätzlich zur Unwirksamkeit der gesamten Rechtsvorschrift. Dies gilt auch, soweit es sich um lediglich objektiv materielle Fehler wie Verfahrensfehler handelt. Wegen der Einordnung der [X.] als Rechtsetzungsakt sui generis führen grundsätzlich alle materiellen und formellen Mängel zur Nichtigkeit der [X.]. Dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden und hält daran fest (grundlegend [X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 171 mwN, [X.]E 156, 213; die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: [X.] 10. Jan[X.]r 2020 - 1 [X.] -; nachfolgend [X.] [X.] 25. Jan[X.]r 2017 - 10 [X.] -).

a) Weder § 5 [X.] alter oder neuer Fassung noch die [X.]-DVO sehen von diesem Grundsatz abweichende Rechtsfolgen vor. Auch gibt es dort keine vom Verfahren über den Erlass einer [X.] abweichenden Regelungen für den Fall, dass sich eine solche aufgrund von Verfahrensfehlern als unwirksam erweist und dieser Mangel beseitigt werden soll. Ein besonderes „Heilungsverfahren“ ist gesetzlich nicht vorgesehen. Nach dem [X.] können zur Nichtigkeit führende Fehler deshalb - etwa anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens - grundsätzlich auch nicht geheilt werden; so kann beispielsweise eine fehlende Ministerbefassung nicht nachgeholt werden ([X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 169, [X.]E 156, 213). Dies schließt die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten - wie beispielsweise die Korrektur von Druckfehlern - nicht aus. Wie der Fall einer berichtigten Bekanntmachung zu beurteilen ist, konnte der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit bisher offenlassen ([X.] 25. Jan[X.]r 2017 - 10 [X.] - Rn. 63).

b) Auch scheidet hinsichtlich der Fehlerfolgen der Unwirksamkeit einer [X.] eine Orientierung an dem ausdifferenzierten Fehlerfolgensystem für rechtswidrige Verwaltungsakte (vgl. §§ 43 ff. [X.]) aus. Das Verwaltungsverfahrensgesetz kommt weder unmittelbar noch mittelbar zur Anwendung. Weder bei der [X.] eines Tarifvertrags noch bei deren Ablehnung handelt es sich um Verwaltungsakte. Die [X.] ist wegen ihres abstrakt-generellen Charakters vielmehr eine Rechtsnorm, ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung. Verwaltung hingegen ist die Tätigkeit des Staats außerhalb von Rechtsetzung und Rechtsprechung (umfassend dazu [X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 133 f. mwN, [X.]E 156, 213).

c) Entgegen der Ansicht des [X.]s und der Beteiligten zu 2. bis 4., die sich hierzu [X.]. auf ein für das [X.] erstelltes Rechtsgutachten von Prof. Dr. [X.] stützen, gibt es auch keinen allgemeinen Grundsatz, wonach die Heilung eines Mangels des [X.]-Verfahrens im Weg eines ergänzenden Verfahrens möglich sein müsse.

aa) Der Gesetzgeber hat für bestimmte Bereiche Heilungsvorschriften erlassen, um die Nichtigkeit von Normen zu vermeiden. Solche gibt es beispielsweise in §§ 214 bis 216 BauGB für den Flächennutzungsplan und Satzungen nach dem BauGB sowie in § 11 ROG für die Raumordnungsplanung. In § 214 Abs. 4 BauGB etwa geht es insoweit um den Grundsatz der [X.], der die Wiederholung aufwendiger Verfahrensabschnitte vermeiden soll (vgl. [X.] NVwZ 2000, 977 noch zu § 215a BauGB; Jobs [X.] 2016, 493). Eine weitere Beschränkung des [X.] gibt es zugunsten der Wirksamkeit kommunaler Satzungen in den jeweiligen Gemeindeordnungen der Länder [X.] JA 2018, 249, 254 f.). Aus den vorgenannten Heilungs- bzw. Fehlerbehebungsvorschriften kann aber kein allgemeiner Grundsatz abgeleitet werden. Es handelt sich vielmehr um speziell ausgeformte Normen jeweils beschränkt auf bestimmte Rechtsgebiete. Der Gesetzgeber hat - anknüpfend an verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung - insoweit auf den Grundsatz der Nichtigkeit von fehlerhaften Rechtsnormen reagiert und dort, wo er es für erforderlich gehalten hat, Abhilfe durch spezielle Vorschriften geschaffen [X.] aaO S. 255).

bb) Für das [X.]-Verfahren gibt es solche Heilungsvorschriften nicht. Offenbar sah der Gesetzgeber hierfür keine Notwendigkeit, obwohl ihm die Problematik verfahrensfehlerhafter [X.] bekannt war und er mit den Sozialkassenverfahrensicherungsgesetzen (SokaSiG vom 16. Mai 2017, [X.]I S. 1210 und [X.] vom 1. September 2017, [X.]I S. 3356) hinsichtlich der Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen für Abhilfe gesorgt hat. Weder wurden mehrere Änderungen im [X.] nach 2016 noch die Novellierung des § 5 [X.] im Jahr 2020 genutzt, um ein Heilungsverfahren gesetzlich zu regeln, obwohl die Nichtigkeitsfolge von Verfahrensfehlern bekannt war. Bleibt der Gesetzgeber aber untätig, so bedeutet das im Umkehrschluss, dass es bei dem [X.] bleibt (vgl. zur Unwirksamkeit einer Satzung [X.] 13. Juni 2006 - 3 Bf 294/03 - zu II 2.1 a der Gründe). Ein Vergleich mit den der Verwaltung zustehenden Befugnissen der eigenen Fehlerkorrektur verbietet sich im Übrigen auch deshalb, weil es sich bei der [X.] gerade nicht um eine Verordnung oder Satzung handelt, die die Exekutive auf eigene Initiative erlässt, sondern eine Normsetzung sui generis, die nur auf Antrag der Tarifvertragsparteien erfolgen darf ([X.]/[X.] Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 6 Rn. 96).

cc) Das Fehlen eines gesonderten Heilungsverfahrens schließt aber nicht aus, dass die für den Erlass der [X.] zuständige Behörde unter Einhaltung der vom [X.] und der [X.]-DVO vorgegebenen Bedingungen eine Heilung durch [X.] einer [X.] desselben Tarifvertrags vornimmt (vgl. [X.]/Rieble [X.] 4. Aufl. § 5 Rn. 336). § 5 [X.] steht dem nicht entgegen, sondern regelt einen solchen Fall lediglich nicht ausdrücklich. Allerdings ist ein rechtmäßiger [X.] einer [X.] nur denkbar, wenn eine Beseitigung des [X.] - wie [X.] bei einem Verfahrensfehler - grundsätzlich möglich ist. Sie scheidet hingegen aus, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass nicht vorlagen.

3. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1. dürfte die [X.] 2019 aus diesem Grund nicht bereits unwirksam sein, weil generell der Erlass einer [X.] hinsichtlich eines bereits abgelaufenen Tarifvertrags ausscheiden würde (so [X.]/Rieble [X.] § 5 Rn. 94). Vielmehr dürfte gerade dann, wenn ein Tarifvertrag bereits für allgemeinverbindlich erklärt wurde, sich diese [X.] aber als unwirksam herausstellt, der Erlass einer neuen [X.] unter Beachtung der Grenzen des Vertrauensschutzes und des [X.] (vgl. dazu [X.] 27. März 2019 - 10 [X.] - Rn. 48 ff., [X.]E 166, 233; zur Rückwirkung von [X.] zuletzt [X.] [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 52 mwN; vgl. auch [X.] 11. August 2020 - 1 [X.] - Rn. 17 [zum SokaSiG]) auch hinsichtlich eines abgelaufenen Tarifvertrags in Betracht kommen. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass regelmäßig die weit überwiegende Anzahl der unter den Anwendungsbereich der erstreckten Tarifnormen fallenden Arbeitsverhältnisse nach diesen abgewickelt wurden und auch insoweit schutzwürdige Interessen berührt sind. In welchen Fällen ein solch korrigierender [X.] mit Rückwirkung in Betracht kommt und wo ggf. (zeitliche) Grenzen dafür liegen, bedarf vorliegend aber keiner Entscheidung, da sich die [X.] 2019 aus anderen Gründen als unwirksam erweist.

4. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der [X.] 2019 nach § 5 [X.] aF bzw. nF iVm. den Bestimmungen der [X.]-DVO (in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung) waren entgegen der Auffassung des [X.]s aber nicht erfüllt. Ein Rückgriff auf Verfahrensschritte aus dem Verfahren, das zum Erlass der [X.] 2010 führte, scheidet insoweit aus. Daraus ergibt sich die Unwirksamkeit der [X.] 2019.

a) [X.] setzt die [X.] eines Tarifvertrags durch das [X.] bzw. im Fall der Delegation nach § 5 Abs. 6 [X.] durch die oberste Arbeitsbehörde eines [X.] das Vorliegen eines gemeinsamen Antrags der Tarifvertragsparteien (§ 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] nF) bzw. eines Antrags einer Tarifvertragspartei (§ 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF), dessen Bekanntmachung im [X.] mit bestimmten Stellungnahmefristen (§ 4 Abs. 1 [X.]-DVO), die Einberufung des [X.]es unter Beachtung bestimmter Formalien und Fristen (§ 6 [X.]-DVO), die Möglichkeit zur Stellungnahme für bestimmte Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Verbände und ggf. die obersten Arbeitsbehörden der Länder (§ 5 Abs. 2 [X.] aF und nF, § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 3 [X.]-DVO), das Einvernehmen des [X.]es mit der [X.] (§ 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF und nF, § 7 [X.]-DVO) und die Bekanntmachung der [X.] im [X.] (§ 5 Abs. 7 [X.] aF, § 5 Abs. 7 Satz 1 [X.] nF, § 11 [X.]-DVO) voraus. Nach § 5 Abs. 7 Satz 2 [X.] nF muss die Bekanntmachung zudem die von der [X.] erfassten Rechtsnormen des Tarifvertrags umfassen. Diese Anforderungen erfüllt die [X.] 2019 nicht.

aa) Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den auf Initiative des Beteiligten zu 2. abgegebenen Erklärungen der Beteiligten zu 3. und 4. vom 10. und 22. Oktober 2019 um einen erneuten (gemeinsamen) Antrag auf [X.] des [X.] 2009 iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] handelt. Der Sache nach begehren die Tarifvertragsparteien mit ihrer Zustimmung zu einer „rückwirkenden Wiederherstellung“ der [X.] des [X.] 2009 übereinstimmend deren rückwirkenden Erlass und tragen den Antrag damit beide inhaltlich. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1. ist keine Antragstellung in einer einheitlichen Urkunde erforderlich (so bereits [X.] 21. März 2018 - 10 [X.] - Rn. 89, [X.]E 162, 166).

bb) Dieser Antrag ist aber nicht bei der zuständigen Behörde, nämlich dem [X.], gestellt und auch nicht an diese weitergeleitet worden. Vielmehr hat der Beteiligte zu 2. über den Antrag entschieden, obwohl es an einer Übertragung des Rechts zur [X.] nach § 5 Abs. 6 [X.] auf die oberste Arbeitsbehörde des [X.] [X.] fehlte.

(1) Grundsätzlich zuständig für den Erlass einer [X.] ist das [X.] (§ 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF und nF). Dementsprechend sind Anträge der Tarifvertragsparteien - wie hinsichtlich der [X.] 2010 geschehen - an dieses zu richten. Dies gilt auch, wenn zu erwarten steht, dass die Entscheidung nach § 5 Abs. 6 [X.] an die oberste Arbeitsbehörde des [X.] delegiert wird (vgl. [X.]/[X.] 22. Aufl. [X.] § 5 Rn. 20; [X.]/Rieble [X.] § 5 Rn. 254). Geht der Antrag bei der obersten Arbeitsbehörde eines Bundeslandes ein, so hat diese den Antrag dem [X.] zuzuleiten. Erst mit dem Eingang dort gilt der Antrag als gestellt und erst damit kommt das Verfahren in Gang ([X.]/Lakies/Rödl [X.] 5. Aufl. § 5 Rn. 85). Das ist hier nicht erfolgt.

(2) [X.] nach § 5 Abs. 6 [X.] erfolgte Delegation an das [X.] ändert nichts, denn die damalige Aufgabenübertragung wirkt nicht fort.

(a) Nach § 5 Abs. 6 [X.] kann das [X.] „für einzelne Fälle“ das Recht zur [X.] sowie zur Aufhebung einer solchen an die oberste Arbeitsbehörde eines [X.] übertragen. Die oberste Arbeitsbehörde des betreffenden Bundeslandes ist nach der Delegation dieser Aufgabe ermächtigt, in eigener Verantwortung das [X.]-Verfahren in Bezug auf den gestellten Antrag durchzuführen und die Entscheidung über die [X.] zu treffen (vgl. [X.]/Lakies/Rödl [X.] § 5 Rn. 197). Gleiches gilt im Fall der Übertragung des Rechts zur Aufhebung einer [X.]. Diese Möglichkeit der Aufgabenübertragung bezieht sich nach dem klaren Wortlaut der Norm auf die Durchführung eines einzelnen [X.]-Verfahrens, also die Entscheidung über einen bestimmten Antrag auf [X.] eines bestimmten Tarifvertrags oder die Entscheidung über die Aufhebung einer ergangenen [X.] eines Tarifvertrags. Eine von einem konkreten Antrag und einem konkreten Tarifvertrag losgelöste generelle Übertragung der Befugnis zur [X.] - etwa hinsichtlich eines bestimmten Tarifwerks oder eines bestimmten räumlichen Geltungsbereichs - scheidet aus ( NK-GA/Forst [X.] § 5 Rn. 67; [X.]/Wank [X.] 8. Aufl. § 5 Rn. 127). Das zeigt sich auch daran, dass nach § 5 Abs. 6 [X.] selbst die Befugnis zur Aufhebung einer [X.] - auch wenn diese nach entsprechender Delegation von der obersten Arbeitsbehörde des [X.] erlassen wurde - gesondert zu übertragen ist. Anderenfalls verbleibt diese beim [X.].

(b) Vorliegend hatte das [X.] mit Schreiben vom 8. Febr[X.]r 2010 das Recht, das Verfahren über den Antrag auf [X.] des [X.] 2009 durchzuführen, auf das [X.] übertragen. Dabei hat das [X.] ausdrücklich auf den Antrag vom 14. Jan[X.]r 2010 Bezug genommen. Über diesen Antrag hat der Beteiligte zu 2. nach Durchführung der entsprechenden Verfahrensschritte mit [X.] vom 20. Mai 2010 entschieden und dies im Folgenden bekannt gemacht. Damit war die übertragene Aufgabe - [X.] eines Tarifvertrags im Einzelfall auf Antrag - erfüllt und das Verfahren abgeschlossen (vgl. [X.]/Lakies/Rödl [X.] § 5 Rn. 163).

(c) Soweit das [X.] und die Beteiligten zu 2. bis 4. meinen, ein [X.]-Verfahren sei erst mit dem Erlass einer wirksamen [X.] beendet und es könne daher auf den ursprünglichen Antrag und die entsprechende Delegation durch das [X.] zurückgegriffen werden, ergeben sich dafür weder aus § 5 [X.] noch aus der [X.]-DVO Anhaltspunkte. Insbesondere ist dort keine Bestimmung enthalten, die es ermöglichen würde, das ursprüngliche Antragsverfahren im Fall der Unwirksamkeit einer [X.] bis zum Erlass einer rechtswirksamen [X.] fortzuführen. Gegen eine solche Annahme sprechen schon Gründe der Rechtssicherheit. Mit der (konstitutiven) Bekanntmachung im [X.] ist die Normsetzung durch [X.] abschließend erfolgt und für die [X.] erkennbar, welche tariflichen Bestimmungen ab welchem Zeitpunkt für sie rechtsverbindlich gelten. Nur bis zur Bekanntmachung der [X.] kann der zuständige Minister die Entscheidung deshalb ändern oder völlig neu vornehmen. Nach der Bekanntmachung ist das nicht mehr möglich, die [X.] ist als Rechtsetzungsakt nach außen ergangen ([X.]/Rieble [X.] § 5 Rn. 336: „Fehlerkorrektur kann nur durch erneute Allgemeinverbindlicherklärung in einem neuen Verfahren nach erneutem Antrag erfolgen.“). Nach diesem Zeitpunkt kann ausschließlich in einem Verfahren nach § 98 ArbGG eine Entscheidung über die Wirksamkeit der [X.] im Weg des positiven oder negativen Feststellungsantrags herbeigeführt werden, die dann nach § 98 Abs. 4 Satz 1 ArbGG für und gegen jedermann (erga-omnes) wirkt. Ohne eine solche Entscheidung bleibt es bei der ergangenen [X.] und ihren Rechtswirkungen. Eine „Wiedereröffnung“ des ursprünglichen Verfahrens sieht § 98 ArbGG nicht vor. Soweit eine [X.] (teilweise) abgelehnt wurde, kommt ggf. verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen diese Entscheidung in Betracht (BVerwG 3. November 1988 - 7 [X.] - BVerwGE 80, 355; zurückhaltend [X.] 10. Jan[X.]r 2020 - 1 [X.] - Rn. 20; vgl. auch [X.] 21. März 2018 - 10 [X.] - Rn. 102, [X.]E 162, 166). Erst eine in einem solchen Verfahren zugunsten der Antragsteller ergehende Entscheidung - eine solche Möglichkeit unterstellt - könnte das [X.] bzw. die entsprechende [X.]behörde dazu zwingen, erneut über den ursprünglichen Antrag zu entscheiden und ggf. die [X.] zu erlassen. Ohne eine solche gerichtliche Entscheidung bleibt es beim Abschluss des Verfahrens durch die (Teil-)Ablehnung der [X.].

(3) Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass mit dem Beteiligten zu 2. mangels erneuter Delegation des Rechts zur [X.] nicht die für den Erlass der [X.] 2019 zuständige Behörde gehandelt hat. Dies wäre das [X.] gewesen. Eine Entscheidung durch das [X.] über den Antrag auf (erneute) [X.] war ohne eine erneute Übertragung nach § 5 Abs. 6 [X.] unzulässig.

cc) Des Weiteren erfolgten weder die Bekanntmachung des - gemeinsamen - Antrags der Tarifvertragsparteien auf [X.] im [X.] noch eine Einberufung des [X.]es. Damit erhielten betroffene Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Verbände keine Möglichkeit, zu dem Antrag aus dem [X.] in schriftlicher Form oder in der Anhörung vor dem [X.] Stellung zu nehmen.

(1) Die Möglichkeit zur Stellungnahme der Betroffenen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.]-DVO) dient dazu, Bedenken oder auch Zustimmung äußern zu können (vgl. [X.] 24. Mai 1977 - 2 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.]E 44, 322). Sie trägt dazu bei, dass die Prüfung des öffentlichen Interesses (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] nF bzw. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF) ausgewogen erfolgen kann. Die vorgetragenen Bedenken sind grundsätzlich in der Abwägung bei Erlass einer beantragten [X.] eines bestimmten Tarifvertrags zu berücksichtigen. Durch die [X.], wie sie in § 5 Abs. 2 und Abs. 3 [X.] geregelt sind, ist eine verfahrensmäßige Absicherung der Interessenabwägung gegeben, die eine ausreichende Gewähr dafür bietet, dass die entscheidungsbefugte Stelle ihren weiten Beurteilungsspielraum sachgerecht nutzt ([X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 127, [X.]E 156, 213; 22. Oktober 2003 - 10 [X.] - zu II 4 c der Gründe, [X.]E 108, 155; ebenso im Hinblick auf § 5 Abs. 1a [X.] [X.] 21. März 2018 - 10 [X.] - Rn. 146, [X.]E 162, 166 ).

(2) Gemessen an diesem Zweck kam eine Verwertung weit zurückliegender [X.] aus dem [X.]-Verfahren 2010 nicht in Betracht. Die im Rahmen des [X.]-Verfahrens 2010 erfolgte Bekanntmachung des damaligen Antrags und die damals gewährte Möglichkeit zur Stellungnahme konnte für einen Antrag aus dem [X.] die verfahrensmäßigen Beteiligungsrechte der Betroffenen nicht wahren. Zwar bezog sich dieser neue Antrag auf denselben Tarifvertrag, der bereits mit der [X.] 2010 für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Insoweit mag es hinsichtlich der damaligen tatsächlichen Verhältnisse, die der [X.] zugrunde lagen, keine Veränderungen gegeben haben, auch wenn dies aufgrund zwischenzeitlich erlangter neuer Erkenntnisse keineswegs ausgeschlossen ist. Jedenfalls verpflichtete der große zeitliche Abstand zur [X.] 2010 und die daraus folgende Rückwirkungsproblematik die erlassende Behörde, den von der [X.] Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Gerade die Frage ihres weit rückwirkenden Erlasses musste auch bei der Wertung, ob die [X.] im öffentlichen Interesse geboten erscheint, Berücksichtigung finden.

dd) Darüber hinaus fehlt es an dem nach § 5 Abs. 1 [X.] erforderlichen Einvernehmen des [X.]es mit der [X.] 2019.

(1) Die [X.] eines Tarifvertrags kann nach § 5 Abs. 1 [X.] - alter und neuer Fassung - nur im Einvernehmen mit dem [X.] erfolgen. Dessen Zustimmung ist erforderlich, anderenfalls kann keine [X.] ergehen. Inhalt der Zustimmung des [X.]es und spätere [X.] müssen sich grundsätzlich decken. Die [X.] kann zwar wegen des Normsetzungsermessens der entscheidenden Behörde hinter der Reichweite der Zustimmung des [X.]es zurückbleiben, nicht aber umgekehrt. Eine [X.], die über die Zustimmung des [X.]es hinausgeht, ist unwirksam ([X.] 21. März 2018 - 10 [X.] - Rn. 92 mwN, [X.]E 162, 166). Das Mitspracherecht der Spitzenorganisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im [X.] und die Möglichkeit zur Stellungnahme der von der [X.] Betroffenen vor dem [X.] dienen dabei auch dem Schutz der nicht Tarifgebundenen und liefern die Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses an der [X.] (vgl. [X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - Rn. 127, [X.]E 156, 213). Beide Beteiligungsrechte stellen besondere Anforderungen an das Verfahren zum Erlass einer [X.], die nicht nur formeller Art sind. Sie tragen vielmehr selbst prägend zur Entscheidungsfindung bei.

(2) Eine Zustimmung des zuständigen [X.]es zur [X.] 2019 liegt nicht vor; dieser wurde nicht beteiligt. Auch insoweit kann nach dem Zweck der Notwendigkeit des Einvernehmens nicht auf die Beteiligung des [X.]es im Rahmen des [X.]-Verfahrens 2010 zurückgegriffen werden. Zwar hatte der in [X.] gebildete [X.] der [X.] 2010 am 27. April 2010 mit Rückwirkung zum 1. Juli 2009 zugestimmt. Die Rückwirkung bezog sich aber auf einen überschaubaren Zeitraum und betraf im Übrigen einen damals noch in [X.] befindlichen Tarifvertrag. Eine Zustimmung zu einer Rückwirkung der [X.] für einen Zeitraum von mehr als neun Jahren bezogen auf einen bereits außer [X.] getretenen Tarifvertrag - wie bei der [X.] 2019 - kann daraus nicht abgeleitet werden. Vielmehr hätte der - ggf. auch neu zusammengesetzte - [X.] über die neue Sachlage unter Berücksichtigung eventueller Stellungnahmen von Betroffenen den Antrag beraten und eine Entscheidung treffen müssen. Hinzu kommt noch, dass mangels Vorliegens einer erneuten Delegation der beim [X.] gebildete [X.] zuständig gewesen wäre.

ee) Ob eine Verwertung von [X.]n aus einem früheren, denselben Tarifvertrag betreffenden [X.]-Verfahren grundsätzlich möglich ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Dabei geht es nicht darum, dass formal „in einem ‚kombinierten‘ Rechtsetzungsverfahren aus alten und neu hinzutretenden Verfahrensschritten am Ende ja alle gesetzlich vorgesehen Schritte absolviert werden“ (so aber [X.], Rechtsgutachten S. 102). Eine Verwertung käme vielmehr in engen Grenzen allenfalls dann in Betracht, wenn die mit dem jeweiligen Verfahrensschritt verfolgten Zwecke umfassend gewahrt werden. Dies war hier nicht der Fall.

ff) Schließlich fehlt es - sollte § 5 [X.] nF anwendbar sein - auch an einer Bekanntmachung der Rechtsnormen des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags nach § 5 Abs. 7 Satz 2 [X.] [X.] Auch dabei handelt es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. [X.] 21. März 2018 - 10 [X.] - Rn. 96, [X.]E 162, 166).

b) Aufgrund der aufgezeigten Verfahrensverstöße ist die [X.] 2019 unwirksam.

III. Der Tenor des [X.]s war nach § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen, soweit dieses die Datierung der [X.] 2010 fehlerhaft aufgenommen hat. Richtig muss es heißen „20. Mai 2010“. Es liegt ein offensichtlicher Schreibfehler vor, dessen Korrektur durch den Senat als mit der Sache befasstem [X.] wegen geboten ist (vgl. dazu umfassend [X.] 8. Dezember 2020 - 3 [X.] - Rn. 47 ff. mwN).

IV. Im vorliegenden Verfahren werden Kosten nicht erhoben, § 2 Abs. 2 GKG.

        

    [X.]    

        

    Pessinger    

        

    Günther-Gräff    

        

        

        

    H. Schurkus    

        

    S. Viehl     

                 

Meta

10 ABR 33/20

23.02.2022

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 2. September 2020, Az: 2 BVL 1/18, Beschluss

§ 2a Abs 1 Nr 5 ArbGG, § 98 ArbGG, § 5 TVG vom 31.10.2006, § 5 TVG vom 11.08.2014, § 4 Abs 1 TVGDV vom 31.10.2006, § 6 TVGDV vom 31.10.2006, § 7 TVGDV vom 31.10.2006, § 11 TVGDV vom 31.10.2006, § 319 ZPO, § 322 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.02.2022, Az. 10 ABR 33/20 (REWIS RS 2022, 1057)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1057

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