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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
(Anforderungen an die Darlegungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten)
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. April 2019 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung einer Einzelfreiheitsstrafe aus einem rechtskräftigen Urteil zu zwei Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, ferner wegen Diebstahls zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls kann keinen Bestand haben. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Das [X.] hat - soweit hier von Interesse - festgestellt, dass der Angeklagte aus einer P. -Filiale „eine Palette“ eines Alkoholmischgetränks im Wert von ca. 28 € „entwendete“ und „mit der Beute den Kassenbereich“ passierte, um die Dosen selbst zu konsumieren oder an Dritte zu veräußern. Der Angeklagte, der aufgrund jahrzehntelangen multiplen Substanzgebrauchs an einer schwerwiegenden Persönlichkeitsdepravation im Sinne einer krankhaften seelischen Störung leidet, war zur Tatzeit „hochgradig alkoholisiert“ und schlief noch während der Anzeigenaufnahme mehrfach ein.
Die sachverständig beratene [X.] nimmt an, die Fähigkeit des Angeklagten, dem [X.] zu widerstehen, sei erheblich vermindert gewesen, es sei jedoch auszuschließen, dass seine Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit aufgehoben gewesen seien. Sie stützt sich dabei auf den Sachverständigen, demzufolge sich das grundsätzliche Vorhandensein der Steuerungsfähigkeit in der Fähigkeit zu planmäßigem Handeln zeige, indem der Angeklagte „versucht habe, die Getränkedosen aus dem Geschäft herauszuschmuggeln“.
2. Diese Erwägungen zur Schuldfähigkeit halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand; sie leiden an einem Erörterungsmangel.
a) Für die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, ist nicht nur die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist, sondern es sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die [X.] Anpassungsfähigkeit des [X.] zu untersuchen ([X.], Beschlüsse vom 11. April 2018 - 4 StR 446/17 Rn. 7 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2018, 238] und vom 14. Juli 2016 - 1 StR 285/16 Rn. 7; Urteile vom 1. Juli 2015 - 2 [X.], NJW 2015, 3319, 3320 Rn. 17 und vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13, [X.], 519, 520 Rn. 7). Erforderlich ist eine konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegung dazu, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 24. Oktober 2018 - 1 [X.] Rn. 10 und vom 4. April 2018 - 1 [X.] Rn. 6 jew. [X.]). Schließt sich der Tatrichter - wie hier - dem Sachverständigen an, muss er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen auf eine für das Revisionsgericht nachprüfbare Weise im Urteil mitteilen und sich mit dem Gutachteninhalt auseinandersetzen ([X.], Beschluss vom 7. März 2006 - 3 StR 52/06, [X.], 74; BeckOK-StGB/[X.], [X.]., § 20 Rn. 128 [X.]).
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil, soweit es den Diebstahl betrifft, nicht in vollem Umfang gerecht. Es ermöglicht dem Senat nicht die Nachprüfung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei der Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten bei dem konkreten Tatgeschehen ausgewirkt hat. Angesichts der nicht durch eine konkrete [X.] unterlegten oder unterlegbaren, jedenfalls aber „hochgradigen Alkoholisierung“ des Angeklagten zum Tatzeitpunkt sowie dessen deutlichen Ausfallerscheinungen nach der Tat einerseits und der Alkoholgewöhnung aufgrund jahrelangen Missbrauchs andererseits hätte das Leistungsverhalten des Angeklagten, auf welches die [X.] ihre Annahme erhaltener Schulfähigkeit stützt, näher in den Blick genommen und erörtert werden müssen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erhellt nicht, wie sich das - allein festgestellte - „Entwenden“ oder der - vom Sachverständigen angenommene - „Versuch des [X.]“ einer Palette von Getränkedosen zugetragen hat, worauf sich also die Annahme „planmäßigen Handelns“ stützt und welche Bedeutung diesem Handeln bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung im vorliegenden Fall zukommen kann. Das Leistungsverhalten eines Angeklagten kann zwar ein Indiz für eine erhaltene oder lediglich verminderte Schuldfähigkeit sein; planmäßiges Handeln allein schließt indes rauschbedingte [X.] nicht notwendig aus ([X.], Urteil vom 15. November 1951 - 3 [X.], [X.]St 1, 384, 385; Beschluss vom 16. März 1982 - 1 StR 35/82, [X.], 243 [X.]). Neben der Art und Weise der Tatausführung können auch die Vorgeschichte, der Anlass zur Tat, die Motivlage des Angeklagten und sein Verhalten nach der Tat für die Beurteilung der Schuldfähigkeit von Bedeutung sein (vgl. [X.], Urteile vom 21. Januar 2004 - 1 [X.], [X.]St 49, 45, 54 [X.]; vom 4. Juni 1991 - 5 [X.], [X.]St 37, 397, 402).
Die Sache bedarf deshalb hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten, zweckmäßigerweise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen, neuer Verhandlung und Entscheidung.
Franke |
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Meta
08.10.2019
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Köln, 4. April 2019, Az: 323 KLs 8/19
§ 20 StGB, § 21 StGB, § 267 StPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.10.2019, Az. 2 StR 362/19 (REWIS RS 2019, 2895)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 2895
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 StR 505/18 (Bundesgerichtshof)
Strafurteil: Anforderungen an die Darlegung einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit bei psychischer Störung
2 StR 382/18 (Bundesgerichtshof)
Schuldfähigkeit: Einsichts- und Steuerungsfähigkeit bei einer Blutalkoholkonzentration von 3 Promille
4 StR 366/22 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren: Prüfung der verminderten Schuldfähigkeit bei paranoider Schizophrenie
2 StR 375/17 (Bundesgerichtshof)
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit bei diagnostizierter schizoaffektiver Störung
1 StR 457/18 (Bundesgerichtshof)
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Erforderliche Urteilsfeststellungen zur Schuldunfähigkeit wegen Intelligenzminderung