Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.11.2003, Az. VI ZB 50/03

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 887

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[X.] ZB 50/03vom4. November 2003in dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] § 233 Fba) In einer Anwaltskanzlei müssen organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffensein, daß eine mündliche [X.] über die Eintragung einer an eineFachangestellte nur mündlich mitgeteilten Berufungsfrist in Vergessenheit gerätund die Fristeintragung deshalb unterbleibt.b) Werden die (gegen das Vergessen einer lediglich mündlichen Anweisung) getrof-fenen organisatorischen Vorkehrungen nicht mit dem Antrag auf Wiedereinset-zung gegen die Versäumung der Berufungsfrist vorgetragen und glaubhaft [X.], ist ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2ZPO) zu vermuten und der Antrag zurückzuweisen.[X.], Beschluß vom 4. November 2003 - [X.]/03 - [X.] AG [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 4. November 2003 durch [X.] Richterin Dr. Müller, [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zollbeschlossen:Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluß der13. Zivilkammer A des [X.] vom 8. Juli 2003wird als unzulässig verworfen.Der Kläger hat auch die Kosten des [X.] tragen.Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.565,74 Gründe:[X.] hat mit Urteil vom 17. April 2003 die Klage abgewiesen.Die Berufungsfrist lief am 30. Mai 2003 ab. Die Berufung des [X.] ist am17. Juni 2003 zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen [X.] der Berufungsfrist beim [X.] eingegangen. Der Kläger hatzur Begründung vorgetragen, er habe am 13. Mai 2003 seine [X.] mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt. Der [X.] bearbeitende Assessor [X.] habe die Unterlagen zur Neuanlage der Akte,Notierung der Berufungsfrist auf den 30. Mai 2003 und der [X.] auf den 30. Juni 2003 an die Fachangestellte [X.] verfügt. Bei [X.] 3 -routinemäßigen Durchsicht der Akte zur Vorbereitung der Berufungsbegrün-dung am 13. Juni 2003 habe [X.] festgestellt, daß die Berufung nicht eingelegtwar und die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist im [X.] eingetragen gewesen seien. Auf Frage habe die Mitarbeiterin [X.] mitgeteilt,sie habe trotz entsprechender Weisung versäumt, die Fristen einzutragen.Das [X.] hat mit Beschluß vom 8. Juli 2003 die Berufung des[X.] als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung inden vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen.Der Kläger habe nichts dazu vorgetragen, in welcher Form der [X.] seinen Prozeßbevollmächtigten geführt werde, ob hier eine Wiedervorlage-frist verfügt und ob der [X.] vermerkt worden sei.Eine Überprüfung, ob die Fristeneintragung und -überwachung ausreichendorganisiert gewesen sei, sei nicht möglich. Von einem fehlenden [X.] zweitinstanzlichen Anwalts an der Fristversäumung könne daher nicht aus-gegangen werden.Gegen den ihm am 18. Juli 2003 zugestellten Beschluß des [X.]shat der Kläger am 12. August 2003 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese in-nerhalb verlängerter Begründungsfrist am 18. September 2003 begründet.II.Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2, 238,574 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Vorausset-zungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Eine Entscheidung des Bundes-gerichtshofs ist entgegen der Ansicht des [X.] zur Sicherung einer einheitli-chen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) nicht [X.] -1. [X.] (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Mai 2003 - [X.]/02 Œ NJW-RR 2003, 1366; [X.]Z 151, 221, 225 f.) macht die Rechtsbe-schwerde nicht geltend.2. Eine Entscheidung des [X.] ist zur [X.] einheitlichen Rechtsprechung dann erforderlich, wenn bei der [X.] Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hin-aus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (vgl. [X.] 13. Mai 2003 - [X.]/02 Œ aaO; [X.]Z aaO). Das kann insbesondereauch bei einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Fall sein, etwa wennder angefochtene Beschluß die [X.] in ihrem verfassungsrechtlich gewährlei-steten Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG;vgl. [X.], Beschluß vom 27. März 2003 - [X.]/02 - [X.], 1144,1146, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen) oder wirkungsvollen Rechts-schutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. Senatsbe-schluß vom 13. Mai 2003 - [X.]/02 - aaO) beeinträchtigt. Eine Verletzungvon Verfahrensgrundrechten muß nach den Darlegungen des [X.] im Einzelfall klar zutage treten, also offenkundig sein; ferner muß die an-gefochtene Entscheidung hierauf beruhen (vgl. [X.]Z aaO und [X.], [X.] 27. März 2003 - [X.]/02 - [X.] solcher Zulassungsgrund liegt hier nicht vor. Die Entscheidung [X.] beruht nicht auf einem entscheidungserheblichen klar zutagetretenden Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte des [X.]; sie ist zudemeinzelfallbezogen und erfordert deshalb keine korrigierende Entscheidung des[X.].a) Dies gilt insbesondere, soweit das Berufungsgericht Angaben zur [X.] vermißt, obwohl der Kläger eine- 5 -[X.] seines [X.] im konkreten Fall zur Fristeintragungvorgetragen hat, die von der Fachangestellten versehentlich nicht berücksichtigtworden sei. Die Rechtsbeschwerde verkennt die für einen solchen Fall in [X.] aufgestellten Grundsätze.Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewäh-ren, wenn eine [X.] ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehin-dert war. Das ist hier nicht der Fall. Die Versäumung der Berufungsfrist beruhtauf einem Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, dassich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen [X.]) Die ordnungsgemäße und insbesondere fristgerechte Einlegung [X.] setzt voraus, daß die Berufungsschrift rechtzeitig hergestellt wirdund innerhalb der Frist bei Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muß der Anwalteine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristen-kalender führen (vgl. [X.], Beschluß vom 11. Januar 2001 - [X.]/00 -[X.], 380, 381). Dabei setzt eine wirksame Fristenkontrolle voraus, [X.] zur Einlegung und Begründung von Rechtsbehelfen deutlich als solchegekennzeichnet werden. Sie müssen so notiert werden, daß sie sich von [X.] Wiedervorlagefristen unterscheiden (vgl. [X.], Beschluß vom21. Juni 2000 - [X.]/00 - VersR 2001, 607, 608). Ferner obliegt dem [X.] eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistetwird, daß fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Er hat sicherzu-stellen, daß eine Frist im [X.] erst dann als erledigt [X.], wenn der Schriftsatz abgesandt oder zumindest postfertig gemacht ist(vgl. [X.], Beschluß vom 2. März 2000 - [X.]/00 - [X.], 1564). [X.] der Fristenkontrolle im Büro seines Prozeßbevollmächtigtendiesen Anforderungen genügt hätte, hat der Kläger weder vorgetragen nochglaubhaft gemacht. Das Berufungsgericht hat hiernach ohne Rechtsfehler ein- 6 -Verschulden des [X.] bzw. seines Prozeßbevollmächtigten für nicht ausge-schlossen erachtet und dementsprechend den Antrag auf [X.] (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Oktober 1995 - [X.] -VersR 1996, 256, 257 und vom 9. Juni 1994 - [X.] - [X.], 72, 73).bb) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde in diesem Zusam-menhang darauf, vorliegend komme es auf die [X.] [X.] im Büro der Prozeßbevollmächtigten des [X.] nicht an, weildie Fachangestellte eine auf den konkreten Fall bezogene [X.] versehentlich nicht befolgt habe. Entgegen der Ansicht [X.] hat das Berufungsgericht den Vortrag des [X.] hierzunicht übergangen und nicht gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichenGehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen.Allerdings braucht ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigungjeder konkreten [X.] zu überwachen (vgl. [X.], Beschluß vom10. Oktober 1991 - [X.] - [X.], 764, 765). Im allgemeinen kanner ferner darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige Büroangestellte auchmündliche Weisungen richtig befolgt (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987- [X.] - [X.], 185, 186). In der Anwaltskanzlei müssen jedochausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß diemündliche [X.] über die Eintragung einer an eine [X.] mündlich mitgeteilten Berufungsfrist in Vergessenheit gerät und die Frist-eintragung unterbleibt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. September 2002 - [X.]/01 - NJW 2002, 3782, 3783 und vom 5. November 2002 - [X.]/01 -NJW 2003, 435, 436). Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einerBerufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann bedeutet das Fehlen jeder Si-cherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. [X.], Beschluß vom10. Oktober 1991 - [X.] - aaO).- 7 -b) Aus demselben Grund ist auch keine Abweichung von der höchst-richterlichen Rechtsprechung anzunehmen. Der Rechtsbeschwerde kann nichtdarin gefolgt werden, daß auch bei Beachtung der erforderlichen Organisati-onsmaßnahmen die Fehlleistung der Büroangestellten nicht vermieden wordenwäre. Sie verkennt, daß es nicht darum geht, die Möglichkeit eines Fehlersauszuschließen. Es muß vielmehr Vorsorge dagegen getroffen werden, die Fol-gen eines Fehlers von Büroangestellten möglichst zu vermeiden. Das aber wä-re durch eine Kontrolle der Fristeintragung erreicht worden, beispielsweise inForm der vom Berufungsgericht vermißten [X.], [X.] auch deren Vermerk gehört, oder durch einen deutlich sicht-baren Vermerk auf der Handakte, wenn dessen Bearbeitung durch eine weiterePerson sichergestellt worden wäre.c) Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde auch nicht deshalb zur Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgerichtgegen die Rechtsprechung des [X.] hinsichtlich einer auf denkonkreten Fall bezogenen [X.] verstoßen hätte. Die hierzu aufge-stellten Grundsätze (etwa zum Vertrauen auf die Ausführung durch eine bisherzuverlässige Büroangestellte - vgl. [X.], Beschluß vom 18. Februar 1998- VIII ZB 1/98 - NJW-RR 1998, 932) betrafen die Übermittlung eines Schriftsat-zes an das Rechtsmittelgericht oder eine eigenmächtige Berechnung der- 8 -Rechtsmittelfrist trotz anderweitigem Vermerk auf einem Handzettel (vgl. [X.],Beschluß vom 23. November 2000 - [X.]/00 - [X.], 211 f.). [X.] geht es um die unterlassene Ausführung einer lediglich mündlich er-teilten Anweisung über die Eintragung einer Rechtsmittelfrist, die schon auf-grund allgemeiner Anweisung hätte sichergestellt werden müssen.3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Müller[X.]DiederichsenPaugeZoll

Meta

VI ZB 50/03

04.11.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.11.2003, Az. VI ZB 50/03 (REWIS RS 2003, 887)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 887

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Berufungsverfahren: Anwaltliches Organisationsverschulden bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist; Rechtsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung im Berufungsverwerfungsbeschluss


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