Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.05.2012, Az. 29 W (pat) 89/10

29. Senat | REWIS RS 2012, 6593

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "mondland" – keine bösgläubige Markenanmeldung - geschäftliche Verbundenheit der Verfahrensbeteiligten


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 52 749

(Löschungsverfahren [X.])

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterin [X.] und der Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

1. [X.] vom 8. Juni 2009 wird aufgehoben.

2. Der Kostenantrag des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

[X.]

3

wurde am 6. September 2005 für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet und am 25. November 2005 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen:

4

Klasse 16: Druckereierzeugnisse;

5

Klasse 35: Werbung.

6

Der Antragsgegner, Markeninhaber und Beschwerdeführer, der zunächst den Nachnamen [X.], dann [X.] trug und jetzt [X.] heißt, war auch Inhaber der I… "m…". Diese wurde erstmals im Januar 1999 für seine Firma "N… in [X.]… bei der zuständigen Vergabestelle [X.] registriert. Im Mai 1999 übertrug er die Domain auf sei ne Einzelfirma "L…". In der Folgezeit gründete er in [X.]…… mehrere [X.]cafes u. a. unter dem Namen "[X.]". Wegen großer Verluste musste er schließlich Insolvenz anmelden. Am 4. März 2002 unterzeichneten er - damals noch [X.] heißend - als Inhaber der Firma "[X.]" und die Antragstellerin, Beschwerdegegnerin und Ehefrau seines Cousins [X.], einen sog. "Übernahme – Kaufvertrag" ([X.]) über diese [X.]-Domain sowie die [X.] mit sämtlichen Rechten zu einem Kaufpreis von "pauschal … Euro". Im [X.] sollte die Antragstellerin sämtliche offenen Kundenbestellungen und Regressansprüche übernehmen. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Anlage 3 zum [X.]riftsatz vom 18. Oktober 2007 ([X.]) Bezug genommen. Einen Tag später, am 5. März 2002, unterzeichneten der Antragsgegner sowie die Antragstellerin und ihr Ehemann eine sogenannte "Übernahmeerklärung", in der weitere Einzelheiten im Zusammenhang mit der Übertragung der beiden Domains festgelegt wurden (Anlage 4 zum [X.]riftsatz vom 18. Oktober 2007, [X.] S. 11 VA). Am 25. April 2002 wurde die Domain für die Einzelfirma des Antragsgegners, die [X.], konnektiert und die Antragstellerin unter der Kennung [X.] als administrativer Ansprechpartner (a…) eingetragen. Seit dem 23. Mai 2002 ([X.] 11 d. [X.]) betreibt die Antragstellerin ihr Gewerbe "Vermittlung und Handel mit erlaubnisfreien Waren im [X.]", nämlich ein Versandgeschäft mit Geschenkideen, [X.] die Vermittlung sog. Mondgrundstücke, u. a. unter der Domain "m…". Am 31. August 2005 gründete der Antragsgegner die [X.]. Für diese Firma wurde die streitgegenständliche Wortmarke am 6. September 2005 angemeldet und am 25. November 2005 eingetragen, bis sie Ende Juli 2008 auf den Antragsgegner umgeschrieben wurde. Die Anmeldegebühr wurde von der Antragstellerin am 5. Oktober 2005 überwiesen ([X.] 2, 15 d. [X.]). Am 2. April 2006 erfolgte die Eintragung der [X.]. für die Domain "m…" bei der [X.]. Am 14. August 2006 wurde die Antragstellerin als Inhaberin der Domain "m…" eingetragen. Nachdem die Verfahrensbeteiligten vertrauensvoll zusammengearbeitet hatten, kündigte der Antragsgegner mit anwaltlichem [X.]reiben vom 1. September 2006 (Anlage A[X.] 4, [X.] 122 [X.]) die zwischen ihm und der Antragstellerin "bestehende mündliche Lizenzvereinbarung fristlos" wegen der seiner Ansicht nach sein Markenrecht verletzenden Übertragung der Domain auf die Antragstellerin. Weitere [X.]reitigkeiten folgten. Mit anwaltlichem [X.]reiben vom 11. Oktober 2006 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, bis zum 31. Oktober 2006 die angegriffene Marke löschen zu lassen (Anlage 7 zum [X.]riftsatz der Antragstellerin vom 18. Oktober 2007, [X.] S. 15 f. VA). Am 14. November 2006 erstattete der Antragsgegner [X.]rafanzeige gegen die Antragstellerin wegen Nichtabführung von Sozialabgaben für ihn in der Zeit von [X.]e 2002 bis [X.]e 2006 (Anlage 8 zum [X.]riftsatz der Antragstellerin vom 14. Mai 2009, [X.] S. 73 VA), und versuchte bisher erfolglos, die Freigabe der Domain "m…" im Klagewege zu erreichen. Mit Urteil vom 11. Mai 2010 wies das [X.]… – … – die Klage ab (Anlage A[X.] 1, [X.] 103 ff. [X.]).

7

Mit dem am 19. Oktober 2007 beim [X.] eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin die Löschung der angegriffenen Marke wegen Bösgläubigkeit beantragt. Sie ist der Ansicht, sie habe die [X.]domain "[X.]" aufgrund des Übernahme – Kaufvertrages vom 4. März 2002 und der Übernahmeerklärung vom 5. März 2002 wirksam erworben. Sie behauptet, seit dem Frühjahr 2002 sei der Antragsgegner als freier Mitarbeiter für sie beratend tätig gewesen, weshalb er gewusst habe, dass sie ihre Produkte und Dienstleistungen unter der Bezeichnung "[X.]" anbiete. Die Anmeldung der angegriffenen Marke habe er daher zur Behinderung ihrer Geschäftstätigkeit vorgenommen. Als sie von der Anmeldung erfahren habe, sei sie zunächst davon ausgegangen, dass die Marke vom Antragsgegner für sie eingetragen worden sei. Erst später habe sie realisiert, dass die Marke für die [X.] angemeldet worden sei. Die Lizenzvereinbarung  vom 15. März 2006 ([X.] [X.]) zwischen ihr und der [X.]. sei nur ein Entwurf gewesen, der nie zustande gekommen und weder von ihr noch von ihrem Ehemann, Herrn [X.], unterschrieben worden sei.

8

Dem mit dem [X.] vom 3. Juli 2008 versehenen und an den Antragsgegner als Inhaber der [X.] gerichteten Löschungsantrag hat der Antragsgegner mit am 29. Juli 2008 beim [X.] eingegangenem [X.]riftsatz widersprochen und behauptet, dass Herr [X.], der kaufmännische Leiter der Antragstellerin, von der Anmeldung der Marke für die [X.] gewusst und in Kenntnis dieser Umstände die Gebühr für die Markenanmeldung bezahlt habe. Später habe dieser seine Abwesenheit dazu benutzt, die Domain für die Antragstellerin registrieren zu lassen. Der Kaufvertrag habe nur dazu dienen sollen, die Domain aus der Insolvenzmasse seiner Firma [X.] zu retten. Er sei ein [X.]eingeschäft und wegen des zu geringen Kaufpreises nichtig gewesen. Zwischen der Antragstellerin und der [X.] habe es zudem bezüglich der angegriffenen Marke eine Lizenzvereinbarung vom 15. März 2006 ([X.] [X.]) gegeben.

9

[X.] hat mit Beschluss vom 8. Juni 2009 die Löschung der Marke angeordnet und dem Antragsgegner die Kosten des [X.] auferlegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Antragsgegner ohne rechtfertigenden Grund in den ihm bekannten schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin eingegriffen habe. Der Antragsgegner sei aufgrund seiner Zusammenarbeit mit der Antragstellerin gut darüber unterrichtet gewesen, dass die Antragstellerin die Bezeichnung "[X.]" verwende. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Kaufvertrag über die entsprechende Domain vom 4. März 2002 nicht rechtsgültig sein solle. Aus der Historie der Domain ergebe sich, dass die Antragstellerin seit dem 25. April 2002 als administrativer Ansprechpartner eingetragen gewesen sei. Die Lizenzvereinbarung habe der Antragsgegner nicht unterschrieben, und Belege über die Zahlung von Lizenzgebühren seien nicht vorgelegt worden. Die Markenanmeldung sei ein bewusst eingesetztes wirtschaftliches [X.]örpotential, zumal der Antragsgegner auch die Löschung der für die Antragstellerin registrierten Domain im Klagewege anstrebe. Dass er die Marke benutze oder eine eigene Benutzung plane, sei auch nach einer [X.]recherche nicht ersichtlich, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Behinderungsabsicht das einzige Motiv sei. Die Kostenauferlegung aufgrund festgestellter Bösgläubigkeit entspreche ständiger Spruchpraxis.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er beantragt,

1. den Beschluss des [X.] vom 8. Juni 2009 aufzuheben und

2. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Er vertritt die Ansicht, dass die Übernahmevereinbarung vom 4. März 2002 entweder schon als [X.]eingeschäft nach § 117 BGB oder wegen zu geringer Gegenleistung wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig sei. Er behauptet, die Antragstellerin habe von der Markenanmeldung des Antragsgegners gewusst, weil sie die Kosten dafür bezahlt habe und ihr Ehemann Ende April 2006 die Urkunde über die Markeneintragung und die Gründungsunterlagen zur [X.] an ihn - damals in [X.] lebend - weitergeleitet habe (Anlage [X.], [X.] 53 f. [X.]).

Er, der Antragsgegner, sei der eigentliche Betreiber des [X.]geschäfts unter der Domain "[X.]" und der tatsächliche Inhaber dieser Domain gewesen, während die Antragstellerin und ihr Ehemann nur als "[X.]" fungiert hätten (Anlage [X.], [X.] 55 ff., 58 [X.]). Er sei daher der allein berechtigte Nutzer der Bezeichnung "[X.]". Der Ehemann der Antragstellerin habe am 10. Mai 2006 eine wöchentliche Lizenzzahlung an den Antragsgegner von ca. … bis [X.] eingeräumt (Anlage [X.], [X.] 55 [X.]). Die vorgenannte E-Mail-Korrespondenz zeige auch, dass er, der Antragsgegner, Verfügungsgewalt über verschiedene Geschäftskonten zum [X.]geschäft gehabt habe. Es sei zwar nicht zu einer schriftlichen Lizenzvereinbarung gekommen, aber im Rahmen der weiteren Vertragsverhandlungen sei eine mündlichen Vereinbarung getroffen worden über ein zeitlich unbefristetes, widerrufliches Nutzungsrecht an der angegriffenen Marke gegen Zahlung einer Lizenzgebühr von [X.]. Diese Lizenzgebühren seien als  solche gekennzeichnet vom 19. Juni 2006 bis zum 3. August 2006 gezahlt bzw. mit Gegenforderungen verrechnet worden (Anlagen AG 3 – [X.], [X.] 60 –72 [X.]). Wegen der Einzelheiten der Verrechnung wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen. Danach habe die Antragstellerin die Zahlung eingestellt, weil sie die Domain am 14. August 2006 bei der [X.] auf ihren Namen habe übertragen lassen. Die Antragstellerin habe ihm auch Rechnungen für Druckleistungen und andere Leistungen für das [X.]geschäft gestellt. Daraus ergebe sich, dass er das Geschäft inoffiziell geleitet und nicht nur beratende Funktion gehabt habe. Die Antragstellerin sei lediglich mit der Herstellung der Druckereierzeugnisse und dem Versand betraut gewesen. Auch nach Abschluss der [X.]einverträge im März 2002 habe er nach außen und innen, teilweise mit seiner geschiedenen Ehefrau, vollständig die [X.] unter [X.] geführt.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt vor, der Antragsgegner habe sich sowohl im Amtsverfahren ([X.] S. 66 [X.]) als auch im Rechtsstreit vor dem [X.]… noch dahingehend eingelassen, dass die schriftliche Lizenzvereinbarung vom 15. März 2006 echt sei (A[X.] 2, [X.] 109 ff., 112 [X.]), während er in der Beschwerdebegründung im vorliegenden Verfahren vortrage, dass nur eine mündliche Vereinbarung getroffen worden sei. Dass die Urkunde vom 15. März 2006 unecht sei, ergebe sich auch ohne das jetzige "Geständnis" des Antragsgegners aus deutlichen Indizien: Der Antragsgegner habe mit anwaltlichem [X.]reiben vom 1. September 2009 (Anlage A[X.] 4, [X.] 122 [X.]) eine "mündliche Lizenzvereinbarung" mit der Antragstellerin fristlos kündigen wollen und nicht auf eine schriftliche hingewiesen. Im Rechtsstreit vor dem [X.]… habe er die angebliche Lizenzvereinbarung vom 15. März 2006 mit zwei Unterschriften, nämlich seiner und der angeblichen Unterschrift "[X.]" vorgelegt (Anlage A[X.] 5). Im hiesigen Verfahren habe er die Vereinbarung nur mit der angeblichen Unterschrift der Antragstellerin eingereicht. Die Tatsache, dass der Antragsgegner ein und dieselbe Urkunde in zwei Verfahren in zwei unterschiedlichen Varianten vorlege, lasse nur den [X.]luss zu, dass er diese Urkunde "bearbeitet" habe. Im [X.]reiben vom 20. August 2006 (Anlage A[X.] 6) habe der Antragsgegner noch an sie geschrieben, dass die "rechtswidrige Übernahme" der Domain durch sie nur stattgefunden habe, weil die [X.] einer von ihr gewünschten schriftlichen Übertragung der Lizenzrechte an der angegriffenen Marke nicht stattgegeben habe. Auch im anwaltlichen [X.]reiben von Seiten der Antragstellerin an den Antragsgegner vom 11. Oktober 2006 mit der Löschungsaufforderung sei eine Lizenzvereinbarung nicht erwähnt worden. Nachdem es im [X.] 2006 nicht zu einer Einigung zwischen den Parteien gekommen sei, habe der Antragsgegner zahlreiche [X.]rafanzeigen gegen sie und ihren Ehemann gestellt, die von der Polizei als Versuch gewertet worden seien, sich dafür zu "rächen", "da er nicht mehr an den Einnahmen aus den [X.]geschäften beteiligt ist" (Anlage A[X.] 8, [X.] 127 [X.]). Der Antragsgegner habe mit allen [X.]eln versucht, [X.] nach einem Zerwürfnis Anfang 2006 geschäftlich zu schaden, nämlich mit [X.]rafanzeigen, eigenen kriminellen [X.]eln, zivilrechtlichen Klagen und Klagen von mit ihm verbundener Geschäftspartner. Die im [X.] unstreitig geleisteten Lizenzzahlungen mit dem Betreff "Lizenzzahlungen [X.]" stünden nicht im Zusammenhang mit der angeblichen Vereinbarung vom 15. März 2006. Dabei habe es sich um Lizenzgebühren an die vom Antragsgegner zum gemeinsamen [X.]vertrieb von [X.] (Anlage A[X.] 8, [X.] 128 – 133 [X.]) gegründete Firma [X.], kurz [X.], gehandelt. Wegen der Fragwürdigkeit der rechtlichen Zulässigkeit dieses Vertriebs und Hausdurchsuchungen aufgrund von [X.]rafanzeigen von Kunden habe sie, die Antragstellerin, dafür nicht allein verantwortlich sein wollen, weshalb sie Lizenzgebühren an die [X.] gezahlt habe, die zunächst bei der [X.] verbucht und später auf die [X.] umgeschrieben worden seien. Die Markenanmeldung und auch die Gründung der [X.] seien nur im gemeinsamen Interesse des Verlages gedacht gewesen, dann aber vom Antragsgegner gegen sie, die Antragstellerin, instrumentalisiert worden. Der Antragsgegner sei im Jahre 2005 und bis [X.]e 2006 als Teamleiter PR Mitarbeiter in ihrem Verlagsunternehmen gewesen. In dieser Funktion habe er mit E-Mail vom 30. April 2005 (Anlage A[X.] 9, [X.] 134 [X.]) erstmals darüber nachgedacht, eine [X.] im Interesse des Verlages zu gründen. Die [X.] und die angegriffene Marke hätten also Teil des Unternehmens der Antragstellerin werden sollen, um dieses besser gegen Dritte verteidigen zu können. Auch die streitgegenständliche Marke habe immer nur im Interesse des [X.] angemeldet werden sollen. De facto habe der Antragsgegner die Marke entgegen den Absprachen in seine alleinige Verfügungsgewalt gebracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 [X.] zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Ein Löschungsgrund nach §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] liegt entgegen der Ansicht der Markenabteilung nicht vor.

a) Der Antragsgegner hat dem mit dem [X.] vom 3. Juli 2008 versehenen und an ihn als Inhaber der [X.] gerichteten Löschungsantrag fristgerecht mit am 29. Juli 2008 beim [X.] eingegangenen [X.]riftsatz widersprochen.

b) Nach § 50 Abs. 1 [X.] ist eine Markeneintragung zu löschen, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 [X.] eingetragen worden ist. Gemäß § 50 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] ist ein Löschungsgrund gegeben, wenn die Marke [X.] angemeldet worden ist.

Zur Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit knüpft die Rechtsprechung an ihre zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach § 1 UWG und § 826 BGB entwickelten Grundsätze an. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Markenanmeldung [X.] im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.], wenn der Anmelder das angemeldete Zeichen nicht als Marke, d. h. als Herkunftshinweis, benutzen, sondern die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Kennzeichenrechts lediglich zum Zwecke der rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einsetzen will ([X.], 278 Rdnr. 41 - [X.]; [X.], 581, 582 = [X.], 881 - [X.], jeweils [X.]; [X.], 313 - [X.]). Die Bösgläubigkeit muss, wie bereits aus dem Gesetzeswortlaut folgt, im Zeitpunkt der Anmeldung gegeben sein. Bei der Auslegung des Begriffs der Bösgläubigkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines Zeichens vorliegen, insbesondere

– die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder mit dem angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnliche Ware verwendet,

– die Absicht des Anmelders, diesen [X.] an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie

– den Grad des rechtlichen [X.]utzes, den das Zeichen des [X.] und das angemeldete Zeichen genießen ([X.] GRUR 2009, 763, 765 Rdnr. 38 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth).

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind mehrere Fallgruppen der [X.]en Anmeldung herausgearbeitet worden, nämlich u. a. (1) die Anmeldung sogenannter Sperrmarken, um Dritte mit Unterlassungs- oder Geldforderungen zu überziehen, ohne dass ein genereller Benutzungswille des [X.] vorliegt, (2) die Anmeldung von Marken mit dem Ziel, den erkannten im Inland bestehenden schutzwürdigen Besitzstand eines Vorbenutzers einer gleichen oder verwechselbar ähnlichen Bezeichnung für gleiche oder ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen ohne rechtfertigenden Grund zu stören oder den weiteren Gebrauch der vorbenutzten Bezeichnung durch den Vorbenutzer zu sperren (vgl. [X.], 312, 313 - [X.]), (3) die Anmeldung der Marke mit der Absicht einer zweckfremden Nutzung des Zeichens, um Dritte in wettbewerbswidriger Weise zu behindern, und (4) der Fall der Markenerschleichung, d. h. wenn der Anmelder falsche Angaben macht oder Umstände verschweigt, um die Eintragung der Marke zu erreichen ([X.]röbele/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 8 Rdnr. 668 [X.]; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 8 Rdnr. 667 - 678; [X.], [X.] 2008, 532, 537).

Bei Anwendung sämtlicher vorgenannter Grundsätze kann die Markenanmeldung des Antragsgegners nicht als [X.] eingestuft werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner einen schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin ohne sachlichen Grund mit [X.]örungs- oder Behinderungsabsicht verletzt hat.

aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegner in einen im Inland bestehenden schutzwürdigen (alleinigen) Besitzstand der Antragstellerin eingegriffen hat, weil er nur beratender Mitarbeiter in ihrem Unternehmen gewesen ist, wie die Antragstellerin behauptet, oder ob es an einem solchen Besitzstand der Antragstellerin gefehlt hat, weil, wie der Antragsgegner behauptet, er der tatsächliche Betreiber des [X.]versandgeschäftes unter der Domain "[X.]" gewesen ist.

bb) Denn selbst wenn ein schutzwürdiger inländischer Besitzstand der Antragstellerin bestanden hätte, kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner ohne rechtfertigenden Grund mit [X.]örungs- oder Behinderungsabsicht in diesen eingegriffen hat.

aaa) Die Anmeldung einer Marke ohne sachlichen Grund liegt vor, wenn der [X.] kein eigenes berechtigtes Interesse an der Eintragung der fraglichen Marke hat. Ein solches Interesse besteht jedoch, wenn der Anmelder die Kennzeichnung in beachtlichem Umfang selbst benutzt hat und deren markenrechtliche Absicherung gegenüber [X.] für erforderlich hält ([X.], 581, 582 - [X.]).

bbb) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Verfahrensbeteiligten hat die Antragstellerin seit Aufnahme ihres Gewerbes am 23. Mai 2002 unter der Domain "m……", die bis zum 13. August 2006 nacheinander für verschiedene Firmen des Antragsgegners bei der [X.] registriert war, ein Versandgeschäft mit Geschenkideen, wie [X.] die Vermittlung sog. Mondgrundstücke, betrieben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ihr aufgrund des Kaufvertrages vom 4. März 2002 und der Übernahmeerklärung vom 5. März 2002 auch sämtliche schuldrechtlichen Ansprüche gegenüber der Vergabestelle [X.] in Bezug auf die [X.] wirksam abgetreten worden sind. Denn der Antragsgegner war mehrere Jahre vor der Markenanmeldung am 6. September 2005 und bis zum 13. August 2006 zumindest mit der Nutzung der für seine Firmen registrierten Domain durch die Antragstellerin einverstanden und sowohl am Betrieb als auch am Ertrag des [X.]geschäftes zumindest beteiligt.

Dies haben sowohl eine Recherche des Senats im [X.]archiv ([X.]) zur [X.]-Domain "[X.]" als auch die überreichte E-Mail-Korrespondenz ergeben.

Im Impressum der unter www.[X.] aufrufbaren Website vom 11. Oktober 2004 ([X.] 142 [X.]), 4. Februar 2005 ([X.] 143 [X.]) und 3. April 2005 ([X.] 144 [X.]) wird ausschließlich die Antragstellerin angegeben. Am 4. Februar und 3. April 2005 ist zusätzlich der Antragsgegner als 24 [X.]unden Support aufgeführt. Am 24. und 31. Oktober 2005 ([X.] 145 f. [X.]), 18. Dezember 2005 ([X.] 147 [X.]), 29. Januar 2006 ([X.] 148 [X.]) und 6. Mai 2006 ([X.] 149 [X.]) wird die Antragstellerin ebenfalls als Verantwortliche angegeben, nun aber noch "I…". Am 18. Dezember 2005 und 29. Januar 2006 wird darüber hinaus der Antragsgegner persönlich als Ansprechpartner für "[X.]" angeführt.

Für eine Zusammenarbeit und gemeinsame finanzielle Beteiligung der Verfahrensbeteiligten an dem unter der Domain "[X.]" geführten Versandhandel spricht auch die E-Mail des Antragsgegners an den Ehemann der Antragstellerin, der laut [X.] vom 24. November 2006 (Anlage A[X.] 8, [X.] 127 [X.]) sämtliche Geschäfte für die Antragstellerin führt, vom 30. April 2005 (Anlage A[X.] 9, [X.] 134 [X.]) mit folgendem Text: "sobald wir eine ltd. sind müßte der name [X.] ja eigentlich geschützt sein, immerhin haben wir dann gmbh rechte und ausserdem nutzen wir den namen seit 1999!!! die kriegen alle ne abmahnung!!!!!!!". Dies ergibt sich auch aus der E-Mail des Ehemanns der Antragstellerin vom 10. Mai 2006 (Anlage [X.], [X.] 58 [X.]): "... Mit Dir weiter Geschäfte zu machen, da sehe ich keine Hoffnung mehr drinn. ich muß [X.] nicht ständig sagen lassen, das ist alles dein Geschäft und ich reiße [X.] den Hintern für gar nichts auf. Ich hatte mal für eine gemeinsame Zukunft gekämpft, aber Du hast Dir immer wieder ungeniert Deinen Anteil genommen. ... Du hast einen wöchentlichen Anteil aus [X.] und mach mit Allem das, was Du möchtest. ...auch Geld hast Du in den letzten 3 Jahren aus dem [X.]1… Geschäft zu genüge bekommen. Ich möchte keine gemeinsame Zukunft mehr. ...". Für eine finanzielle Beteiligung des Antragsgegners an dem [X.]geschäft der Antragstellerin spricht auch der nach dem Zerwürfnis der [X.] verfasste polizeiliche Vermerk vom 24. November 2006, dass sich der Verdacht aufwerfe, dass der Antragsgegner sich "in irgendeiner Form rächen" wolle, "da er nicht mehr an den Einnahmen aus den [X.]geschäften beteiligt ist" (Anlage A[X.] 8, [X.] 127 [X.]).

Die Markenanmeldung am 6. September 2005 hat daher zumindest auch im berechtigten Interesse des Antragsgegners gelegen, die Benutzung der Bezeichnung "[X.]" unter der [X.]-Domain "[X.]" für die gemeinsame Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin zur Förderung der gemeinsamen Wettbewerbssituation markenmäßig abzusichern.

Dass die Markenanmeldung auf die am 31. August 2005 gegründete [X.], deren Inhaber der Antragsgegner war, sogar im Einvernehmen mit der Antragstellerin erfolgt sein muss, ergibt sich noch aus folgenden Umständen:

Die Antragstellerin hat die Anmeldegebühr am 5. Oktober 2005 ([X.] 2 der [X.]) an das [X.] überwiesen. Laut E-Mail-Korrespondenz vom 26. April 2006 (Anlage [X.], [X.] 53 [X.]) hat der Ehemann der Antragstellerin dem Antragsgegner zugesagt, die "patentamturkunde" einzuscannen und ihm per E-Mail zu übersenden. Auf der Website der Antragstellerin vom 6. Mai 2006 ([X.] 149 [X.]) ist im Impressum unterhalb der Angabe des Kooperationspartners "[X.]…" im Fettdruck vermerkt: "Die Marke "[X.]" ist rechtlich geschützt mit dem Aktenzeichen … beim [X.] Patentamt. Der [X.] ist der einzig autorisierte Nutzniesser zur Benutzung der Marke. Die Nutzung der Marke durch Dritte wird zivilrechtlich verfolgt." Damit hat die Antragstellerin noch am 6. Mai 2006 eindeutig erklärt, nur Lizenznehmerin der angegriffenen Marke zu sein, und kein eigenes Markenrecht geltend gemacht. [X.]ließlich hat die Antragstellerin in der Beschwerdeerwiderung selbst vorgetragen, dass die Markenanmeldung und die Gründung der [X.]… im gemeinsamen Interesse des [X.] seien (Seite 7, [X.] 100 [X.]).

ccc) Aus den straf- und zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Verfahrensbeteiligten ab [X.] 2006 können angesichts der geschäftlichen Verbundenheit noch bis zum 3. August 2006, der letzten Lizenzzahlung, - unabhängig davon, ob an die [X.] oder an die [X.] (Anlage [X.]4, [X.] 71 [X.]) - keine Rückschlüsse auf ein [X.]es Verhalten des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Markenanmeldung gezogen werden.

ddd) Auch die Umstände um die angebliche schriftliche Lizenzvereinbarung sind nicht geeignet, auf eine missbräuchliche Behinderungsabsicht des Antragsgegners im Zeitpunkt der Markenanmeldung am 6. September 2005 hinzuweisen.

Es kann dahinstehen, dass der Antragsgegner die schriftliche Lizenzvereinbarung vom 15. März 2006 erst nur mit der Unterschrift "[X.]" und später zusätzlich mit der eigenen Unterschrift vorgelegt hat, weil die Vereinbarung auch ohne seine Unterschrift, nämlich konkludent durch Gewährung der Lizenz und Entgegennahme der entsprechenden Gebühren, hätte zustande kommen können. Ferner hat er sowohl im anwaltlichen [X.]reiben vom 1. September 2006 (Anlage A[X.] 4, [X.] 122 [X.]) als auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren nur noch von einer mündlichen Lizenzvereinbarung gesprochen. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin auf ihrer [X.]website am 6. Mai 2006 selbst von der Existenz einer Lizenzvereinbarung ausgegangen ist.

2. Dem Kostenantrag des Antragsgegners war nicht zu entsprechen, weil kein Anlass besteht, von dem in § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] festgeschriebenen Grundsatz abzuweichen, dass im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren die Beteiligten ihre Kosten jeweils selbst tragen. Besondere Umstände, die eine andere Entscheidung aus Gründen der Billigkeit rechtfertigen könnten (vgl. [X.], 600 - [X.]), sind weder vorgetragen noch erkennbar. Es war das  selbstverständliche Recht der Antragstellerin, die eingetragene Marke mit der vom Gesetz dafür vorgegebenen Möglichkeit des [X.] anzugreifen und sich im Beschwerdeverfahren zu verteidigen.

Meta

29 W (pat) 89/10

09.05.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.05.2012, Az. 29 W (pat) 89/10 (REWIS RS 2012, 6593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6593

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