Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.05.2019, Az. 5 StR 95/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2019, 7519

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Gegenstand

Strafrechtliche Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 25. September 2018 dahin geändert, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 450 Euro angeordnet wird.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft entstandenen Kosten aufzuerlegen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen, Diebstahls in drei Fällen, Unterschlagung in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und wegen Sachbeschädigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte und wirksam auf die unterlassene Anordnung der Einziehung von [X.] beschränkte, vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Höhe des tenorierten Betrages Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s zu den Taten, bei denen der Angeklagte Beute erlangte, entwendete er bei einem Diebstahl eine Spielekonsole im Wert von 100 Euro (Fall 6 der Urteilsgründe) und brachte er durch Unterschlagungen zwei Musikboxen im Wert von 150 Euro (Fall 8 der Urteilsgründe) und von 200 Euro (Fall 9 der Urteilsgründe) an sich.

3

2. Die [X.] hat von einer Anordnung der Einziehung des [X.]es der [X.] gegen den nicht mehr bereicherten Angeklagten abgesehen. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, dass die Verhängung der in §§ 73 ff. [X.] vorgesehenen Maßnahmen im Jugendstrafrecht jedenfalls nach der Neuregelung dieser Vorschriften nicht zwingend sei. Sie könnten unter Berücksichtigung des in § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] zum Ausdruck kommenden Grundsatzes, wonach sich die Rechtsfolgen im Jugendstrafrecht vorrangig an dem Erziehungsgedanken zu orientieren hätten, keine uneingeschränkte Anwendung finden. Die entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung, die maßgeblich darauf abgestellt habe, dass zur Vermeidung von Härtefällen die Regelung des § 73c [X.] aF als Korrektiv zur Verfügung stehe, sei insbesondere nach derem ersatzlosen Wegfall neu zu bewerten. Bei der Gesetzesneufassung habe diese Frage offensichtlich keine Berücksichtigung gefunden. Dem Jugendstrafrecht sei die Vorrangigkeit des [X.] auch bei nicht unmittelbar sanktionsbezogenen Entscheidungen nicht fremd, wie sich etwa auch bei der Frage der Kostenauferlegung nach § 74 [X.] zeige.

II.

4

Die Staatsanwaltschaft wendet sich zu Recht gegen die Ablehnung einer Einziehungsentscheidung durch das [X.].

5

1. Es hat bereits der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Bezug auf die früheren Vorschriften zum Recht der Vermögensabschöpfung gemäß §§ 73 ff. [X.] aF entsprochen, dass die Verhängung der dort vorgesehenen Maßnahmen über die Verweisung in § 2 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 8 Abs. 3 [X.] auch im Jugendstrafrecht zulässig war, und zwar unabhängig davon, ob der Wert des [X.] noch im Vermögen des [X.] vorhanden war. Diese gesetzgeberische Entscheidung, wonach der Vermeidung von Härten allein die Vorschrift des § 73c [X.] aF diente, durfte nicht unter Berufung auf erzieherische Interessen unterlaufen werden (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 2010 - 4 [X.], [X.]St 55, 174, 177 f., mit zust. [X.]. [X.], [X.], 272).

6

Entgegen der Auffassung der [X.] gibt die umfassende Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit dem Wegfall der Härtefallklausel des § 73c [X.] aF keinen Anlass zu einer Neubewertung (vgl. [X.], Urteile vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623/17 und 624/17; vom 21. November 2018 - 2 [X.], [X.], 221, 222 mit [X.]. [X.]. [X.]; Beschluss vom 24. Januar 2019 - 5 [X.]; [X.], Beschluss vom 21. März 2019 - 2 Ss 379/18; MüKo-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 6 [X.] Rn. 8). Die gesetzliche Neuregelung hat den [X.] der Maßnahme nicht verändert (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Februar 2018 - 5 [X.], [X.], 366, 367 mwN). Anstelle einer Berücksichtigung der finanziellen Situation des [X.] oder Teilnehmers bereits im Erkenntnisverfahren ist zur Vermeidung unbilliger Härte nunmehr im Rahmen des [X.] nach § 459g Abs. 5 Satz 1 [X.] die Möglichkeit getreten, von einer Vollstreckung der Einziehungsentscheidung abzusehen. Die vollstreckungsrechtliche [X.] schützt den Betroffenen ebenso wirkungsvoll vor übermäßigen Eingriffen wie § 73c [X.] aF (vgl. [X.], Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 [X.], NStZ-RR 2018, 241, 242 f.; Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17, [X.], 427 f.; [X.], [X.], 731, 732). Bei einer Entreicherung oder sonstigen Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung stellt sich die Neuregelung für den Angeklagten sogar günstiger dar, weil nach § 459g Abs. 5 Satz 1 [X.] eine Vollstreckung der [X.] zwingend zu unterbleiben hat (vgl. [X.], Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23; Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17 aaO).

7

Im Rahmen der Neuregelung der Vermögensabschöpfung hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, Sonderregelungen für das Jugendstrafverfahren zu treffen (vgl. [X.], [X.] 2018, 231, 232 f.) und Maßnahmen der Einziehung etwa den nach der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 [X.] unzulässigen Nebenfolgen zuzuordnen. Vielmehr hat er die Anwendbarkeit des [X.] bzw. der [X.]einziehung auch weiterhin für das gesamte Strafrecht angeordnet, was sich für das Jugendstrafrecht mittelbar daraus ergibt, dass er an der Regelung des § 76 Satz 1 [X.] über die Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens festgehalten und sie lediglich redaktionell (vgl. BT-Drucks. 18/9525 [X.]) angepasst hat. Im Rahmen der nunmehr im Vollstreckungsverfahren vorzunehmenden Härtefallprüfung, die bei [X.] in der Zuständigkeit des [X.] liegt (§ 82 Abs. 1 [X.]), sind sowohl der Umstand der Entreicherung als auch sonstige für die Verhältnismäßigkeit maßgeblichen Aspekte und damit im Jugendstrafrecht insbesondere auch erzieherische Erwägungen zu berücksichtigen, wobei ohnehin die Abschöpfung der Erträge aus Straftaten dem Erziehungsgedanken regelmäßig entsprechen wird (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 2010 - 4 [X.], aaO, [X.] Rn. 13; [X.], aaO, S. 233).

8

2. Da die Regelungen der §§ 73 Abs. 1, 73c [X.] mithin auch im Jugendstrafrecht die Anordnung der Einziehung des Wertes von [X.]n als zwingende Rechtsfolge vorsehen, kann der Senat auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.] selbst in der Sache entscheiden (vgl. [X.], Urteile vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, aaO; vom 21. November 2018 - 2 [X.], aaO; LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 354 Rn. 12) und die Einziehung des Wertes der in den [X.], 8 und 9 erlangten Beute in Höhe von insgesamt 450 Euro anordnen. Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden könnten, die zu einem höheren Einziehungsbetrag führen würden.

[X.]     

        

König     

        

Berger

        

Mosbacher      

        

Köhler      

        

Meta

5 StR 95/19

08.05.2019

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Neuruppin, 25. September 2018, Az: 12 KLs 7/18

§ 73 StGB, § 73c StGB, § 459g Abs 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.05.2019, Az. 5 StR 95/19 (REWIS RS 2019, 7519)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7519

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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