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PDF anzeigen[X.]:[X.]:[X.]:2017:081117U2STR125.17.0
BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
2 StR 125/17
vom
8. November 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verdachts des Totschlags u.a.
-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 8.
November 2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Krehl
als Vorsitzender,
die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
[X.],
[X.] am [X.]
Schmidt,
Staatsanwalt beim [X.]
als Vertreter der [X.],
Rechtsanwalt
, in der Verhandlung,
als Verteidiger des Angeklagten [X.].
,
Rechtsanwalt
, in der Verhandlung,
als Verteidiger des
Angeklagten M.
,
Rechtsanwältin
, in der Verhandlung,
als Vertreterin des [X.] R.
S.
,
-
3
-
Rechtsanwältin
, in der Verhandlung und
bei
der Verkündung,
als Vertreterin des [X.] K.
S.
,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft und des Nebenklä-gers K.
S.
wird das Urteil des [X.]
vom 16.
Juni 2016 mit den Feststellungen aufgehoben, so-weit der Angeklagte [X.].
freigesprochen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der genannten Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Die Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen, soweit sie die Freisprechung des Angeklagten M.
betrifft. Die
hierdurch entstandenen Kosten des Verfahrens und die not-wendigen Auslagen des Angeklagten M.
fallen der
Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten vom Vorwurf des [X.] Totschlags, der gefährlichen Körperverletzung sowie eines [X.] freigesprochen. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.] K.
S.
. Das
Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in dem aus der Urteilsformel ersicht-lichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet. Die Revision des [X.] K.
S.
, die sich nur gegen den Freispruch des Angeklagten
[X.].
richtet, ist begründet.
I.
1.
Nach den Feststellungen des [X.] hatte der Angeklagte
M.
die
-
men mit dem Angeklagten [X.].
als [X.] für Kokain und Ma-
rihuana genutzt. Der Hintereingang wurde mit Kameras überwacht, die Bilder auf einen Monitor im Gastraum übertragen.
Der Angeklagte [X.].
hatte aufgrund von Drogeneinkäufen bei I.
K.
Schulden
in Höhe von 15.000 bis 18.000
Euro. I.
K.
drängte
zunehmend auf deren Bezahlung und verbreitete die Drohung, er werde den Angeklagten [X.].
Dieser nahm die Drohung ernst. Der Neffe
des Gläubigers, S.
K.
-
.
und versuchte zu vermitteln, was aber erfolglos blieb. Der
Angeklagte [X.].
erfuhr, dass I.
K.
gesagt habe, er, der Angeklagte,
.
K.
dem Angeklagten [X.].
klar, dass I.
K.
ihn mithilfe seiner Anhänger
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3
-
5
-
angreifen könnte. Ihm war auch bekannt, dass I.
K.
eine scharfe Pis-
eine Selbstladepistole im Kaliber 9
mm beschafft, obwohl er dafür keine [X.] Erlaubnis hatte. Der Angeklagte M.
, der ebenfalls von den
Drohungen erfahren hatte, lieh sich zum Selbstschutz eine geladene [X.].
Am Abend des 31.
Mai 2015 hielten sich die Angeklagten und der Zeuge
St.
in der [X.] auf. I.
K.
versammelte sie-
ben bis zehn hilfswillige
T.
.
K.
und H.
S.
. I.
K.
plante, mit Gewalt gegen den Ange-
klagten [X.].
vorzugehen, um ihn zur Tilgung seiner Schulden zu zwingen.
Die Männer fuhren mit drei Fahrzeugen zu der [X.] der Ange-klagten. I.
K.
war mit einer Pistole bewaffnet. S.
K.
hatte
einen Schlagring bei sich, H.
S.
verfügte über Handschuhe mit Sandein-
lagen.
Die Angeklagten erkannten am Monitor der Überwachungsanlage, dass am Hintereingang des [X.] vorfuhren und mehrere Personen aus-stiegen. Dem Angeklagten [X.].
war sofort klar, dass es sich um Mitglieder
.
im Begriff waren, die Drohungen des
I.
K.
wahr zu machen. Er sah, wie sich H.
S.
und S.
K.
dem Hintereingang näherten, holte seine Pistole unter der Theke des
Gastraums hervor und ging in den Hausflur, wobei er die Pistole möglicher-weise vorne in den Hosenbund schob.
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5
-
6
-
Der Angeklagte M.
ergriff die Schreckschusspistole und folgte
[X.].
. Worte wurden nicht gewechselt. Ob der Angeklagte [X.].
überhaupt
bemerkte, dass M.
ihm folgte, war nicht festzustellen.
Der Angeklagte [X.].
war der Überzeugung, dass er einer Auseinan-
.
nicht gewachsen sei. Er hoffte, dass sich
diese von seiner Pistole abschrecken lassen würden, zumal S.
K.
ihm
bisher wohlgesonnen war. Der Angeklagte [X.].
entschloss sich deshalb da-
zu, die Tür zu öffnen. Kaum hatte er die Hintertür zur Gaststätte einen Spalt weit geöffnet, als diese von den Angreifern mit Wucht aufgestoßen wurde.
H.
S.
preschte, dicht gefolgt von S.
K.
,
in den Flur. Der Ange-
klagte [X.].
wurde geschlagen, wobei H.
S.
die Handschuhe mit den
Sandeinlagen und S.
K.
seinen Schlagring verwendete. Bei diesem
Geschehen, möglicherweise schon durch das Aufstoßen der Tür, erlitt der An-geklagte [X.].
einen Nasenbeinbruch. Es gelang ihm, im Zuge der tumultarti-
gen Auseinandersetzung seine Pistole zu ziehen und vier Schüsse abzugeben. Er wollte sich dadurch gegen die Angreifer verteidigen. Deren Tod durch Schussverletzungen nahm er billigend
in Kauf.
H.
S.
wurde von drei Schüssen getroffen, S.
K.
von
einem aufgesetzten Schuss. Die Reihenfolge der Treffer und die konkrete Kampflage zur Zeit der einzelnen Schüsse konnte nicht festgestellt werden.
Ein Schuss traf H.
S.
an der linken [X.]; das Projektil durch-
drang den Körper nahezu senkrecht von oben nach unten und durchbohrte da-n-.
S.
in den Oberschenkel und in die rechte [X.]
trafen. Der vom Kopf bis durch das Herz nach unten verlaufende [X.] 6
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-
7
-
war nach Ansicht des [X.] dadurch bedingt, dass der Oberkörper des Geschädigten H.
S.
vorgebeugt war.
S.
K.
erlitt einen Durchschuss des linken [X.], der aber
nicht die Bauchhöhle eröffnete und nicht konkret lebensgefährlich war. H.
S.
wurde dagegen tödlich getroffen. Er konnte sich noch nach draußen
schleppen, brach aber vor dem Haus zusammen und starb dort.
Der Angeklagte M.
griff nicht in das Geschehen ein, sondern zog
sich zurück, nachdem die ersten Schüsse gefallen waren.
2.
Das [X.] hat angenommen, die Handlungen des Angeklagten
[X.].
seien durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Es habe ein gegenwärtiger
rechtswidriger Angriff auf dessen körperliche Unversehrtheit vorgelegen. Die Schussabgabe sei geeignet gewesen, den Angriff sofort zu beenden. Sie sei auch erforderlich gewesen, weil die bewaffneten Angreifer als gefährlich einzu-schätzen gewesen seien. Von dem Angeklagten M.
habe der Angeklag-
te [X.].
keine große Hilfe erwarten können; er habe zur Zeit der Schussabga-
be nicht einmal gewusst, dass dieser anwesend gewesen sei. Für eine [X.] vor der Abgabe der Schüsse sei kein Raum [X.]. In dem Kampfgeschehen habe für den Angeklagten [X.].
auch keine
Möglichkeit bestanden, zunächst weniger gefährliche Körperteile zu treffen.
[X.] Nähe abgefeuert worden. Der Angeklagte [X.].
habe mit Verteidi-
gungswillen gehandelt. Sein Notwehrrecht sei auch nicht durch eigenes [X.] eingeschränkt gewesen. Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr erstre-cke sich im Umfang der Anklage zugleich auf das Führen der halbautomati-10
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-
8
-
schen Kurzwaffe. Der vorherige länger andauernde Besitz der Waffe sei nicht Gegenstand der Anklage gewesen.
Der Angeklagte M.
habe keinen kausalen Tatbeitrag geleistet und
für strafbare Beihilfe fehle es zudem an einer rechtswidrigen Haupttat.
II.
1.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.] K.
S.
sind begründet, soweit der Angeklagte [X.].
freigesprochen wurde. Die
Beweiswürdigung zur Rechtfertigung der Schüsse ist rechtlich zu beanstanden.
a)
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§
261 StPO), weshalb es ihm obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdi-gen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Das Urteil muss aber erkennen lassen, dass der Tatrich-ter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu [X.] des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfas-sende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. Senat, Urteil vom 1.
Februar 2017 -
2
StR
78/16, [X.], 183, 184; [X.], Urteil vom 14.
September 2017 -
4
StR
45/17).
b)
Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung des [X.] rechtsfehlerhaft. Sie weist Lücken und Unklarheiten auf. Zudem fehlt es an
einer erschöpfenden Gesamtwürdigung aller Umstände.
13
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15
16
-
9
-
aa)
-festzustellen gewesen sei. Dabei hat es sich nicht mit der Einlassung des
Angeklagten [X.].
auseinandergesetzt, wonach dieser zunächst nur zwei
Schüsse abgegeben habe, worauf H.
S.
von ihm abgelassen und den
Hausflur verlassen habe. Eine Auseinandersetzung mit diesen Angaben wäre aber erforderlich gewesen, weil sich hieraus Anhaltspunkte für eine bestimmte [X.] ergeben und dies Einfluss auf die Annahme einer für das ge-samte Tatgeschehen fortdauernden Notwehrsituation haben könnte. H.
S.
wurde von drei Schüssen getroffen, die ihn an unterschiedlichen Körper-
einer Entfernung zwischen fünf und fünfzig Zentimetern in die linke [X.] ein-n-ter einer, der H.
S.
am Gesäß getroffen hat. Mit Blick auf die Einlassung
des Angeklagten, die auf eine gewisse Zäsur des Geschehens hindeutet, und angesichts der Einschussstellen, aus denen sich jedenfalls ergibt, dass die Schüsse H.
S.
nicht unmittelbar aufeinanderfolgend in der gleichen Kör-
perposition getroffen haben, hätte das [X.] erörtern müssen, ob etwa der Schuss auf das Gesäß abgegeben worden ist, als H.
S.
sich nach
den ersten beiden Schüssen -
entsprechend der Einlassung des Angeklagten
-
bereits entfernte und jedenfalls von ihm kein gegenwärtiger, rechtswidriger [X.] mehr ausging. Eine unterschiedliche Bewertung der verschiedenen Schüs-se scheint angesichts der Möglichkeit, dass sie verschiedenen Phasen des [X.] zugeordnet werden können, möglich.
bb)
Zur Entstehung des auffälligen [X.]s des tödlichen Treffers durch ein Projektil, das den Körper nahezu senkrecht von oben nach unten durchschlug, hat das [X.] zwei Hypothesen erörtert, nämlich das Ste-17
18
-
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-
hen des Angeklagten [X.].
in überhöhter Position oder die Schussabgabe auf
den ihm mit vorgebeugtem Oberkörper begegnenden Geschädigten. Die erste Hypothese hat es verworfen, die zweite hingenommen, obwohl ein Vorbeugen um annähernd 90
Grad alleine durch den Angriff nicht ohne weiteres erklärbar erscheint. Die Bildung weiterer Hypothesen hat das [X.] unterlassen, obwohl dies angesichts des ungewöhnlichen [X.]s angezeigt gewesen wäre. So hätte etwa das Einknicken des Angreifers nach einem anfänglichen Schuss in den Oberschenkel mit anschließendem Schuss in den Kopf jedenfalls auch einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden müssen.
cc)
Unklar bleibt die Wertung des [X.], dass der Angeklagte
[X.].
keine gezielten Schüsse habe abgeben können. Dabei wären die unter-
schiedlichen Entfernungen zu berücksichtigen gewesen. Der tödliche Treffer wurde aus einer geringen Entfernung von fünf bis fünfzig Zentimetern auf den Kopf des vorgebeugten H.
S.
abgegeben. Der Schuss auf S.
K.
war sogar ein aufgesetzter Schuss, der ihn zwingend dort treffen musste, wo die Pistole auf
dem
-.
S.
getroffen haben, hat das [X.] keine
Feststellungen zu
Schusskanälen und [X.] getroffen. Auch hat es nicht erklärt, was es unter Primär-
und Sekundäreinschüssen ver-steht (vgl. dazu [X.]/[X.] in: [X.]/Schlothauer, [X.] Anwalts-handbuch Strafverteidigung, 2.
Aufl., §
69 Rn.
20
f.).
Daher ist seine Überle-gung nicht nachvollziehbar, dass der Angeklagte [X.].
durch die Nähe zu den
Angreifern an einer gezielten Schussabgabe auf nicht vitale Körperpartien ge-hindert gewesen sei.
2.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet,
soweit sie den Freispruch des Angeklagten M.
betrifft.
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-
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-
Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte M.
entgegen dem [X.] nicht aufgrund eines ge-
meinsam mit [X.].
gefassten Tatentschlusses gehandelt. Auch für die An-
nahme von Beihilfe ist mangels eines die Haupttat fördernden Tatbeitrags kein Raum, weil das [X.] rechtlich unbedenklich angenommen hat, der An-geklagte [X.].
habe dessen Anwesenheit bei dem eigentlichen Tatgeschehen
nicht einmal bemerkt.
Krehl
[X.]
[X.]
Bartel
Schmidt
21
Meta
08.11.2017
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2017, Az. 2 StR 125/17 (REWIS RS 2017, 2781)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 2781
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 StR 245/15 (Bundesgerichtshof)
2 StR 263/21 (Bundesgerichtshof)
Notwehr: Gegenwärtigkeit des Angriffs; Schusswaffengebrauch im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung
2 StR 188/17 (Bundesgerichtshof)
Notwehr: Erforderlichkeit des lebensgefährlichen Einsatzes einer Schusswaffe; Aussetzung durch Zurücklassen des tödlich getroffenen Angreifers
2 StR 245/15 (Bundesgerichtshof)
Tötungsvorsatz bei Querschlägern
4 StR 561/14 (Bundesgerichtshof)
Revision in Strafsachen: Inbegriffsrüge wegen nicht erfolgter Einbeziehung von in Augenschein genommenen Lichtbildern in die …
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