Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.02.2020, Az. 3 C 11/18

3. Senat | REWIS RS 2020, 3852

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Aufwendungsersatz für die Unterbringung eines Hundes


Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das [X.] vom 13. September 2017 wird geändert.

Die Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 16. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein Tierschutzverein und begehrt mit seiner Revision von dem beklagten [X.] den Ersatz von Aufwendungen für die Unterbringung eines Hundes, soweit diese länger als vier Wochen gedauert hat.

2

Die Unterbringung des Hundes beruhte auf folgendem Geschehen: Am Abend des 28. Oktober 2011 zeigte der Leiter eines [X.] an, eine volltrunkene Frau habe einen Hund auf dem Parkplatz angebunden und sich anschließend entfernt. Die Polizei stellte am Hals des Hundes ältere und frische, blutende Verletzungen in der Art von Strangulationsmerkmalen fest und brachte ihn zu einem Tierarzt, wo er behandelt wurde. Sie informierte zudem das Ordnungsamt der Stadt [X.], das eine Zuständigkeit für den Hund verneinte. Das Ordnungsamt informierte jedoch den Kläger, der den Hund bei dem Tierarzt abholte und bei einer seiner Pflegestellen unterbrachte.

3

Am 3. November 2011 ermittelte die Polizei die Hundehalterin. Sie sei noch am Abend des 28. Oktober 2011 zu dem Parkplatz zurückgekehrt und habe nach dem Hund gesucht. Ebenfalls am 3. November 2011 wandte sich das Ordnungsamt an das [X.] des Beklagten und teilte mit, es handele sich um eine Tierschutzangelegenheit, weshalb der Beklagte zuständig sei. Die Polizei habe den Hund zum Tierarzt gebracht; dessen Rechnung werde nachgereicht. Der Hund befinde sich derzeit bei dem klagenden Tierschutzverein. In einer internen E-Mail äußerte das [X.] hierzu, es handele sich um ein Fundtier, das verwahrt werden müsse, bis der Besitzer ermittelt sei. Könne der Halter ermittelt werden, werde das [X.] Maßnahmen einleiten.

4

Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 wandte sich der Kläger an die [X.] und bat um Mitteilung, was mit dem Hund geschehen solle. Diese ersuchte das [X.] des Beklagten um tierschutzrechtliche Prüfung und fügte eine Kopie ihrer Akten bei. Nach Rücksprache mit dem [X.] teilte die [X.] dem Kläger in einem Schreiben vom 2. Februar 2012 mit, sie habe ihn nicht beauftragt, sei daher nicht zuständig und könne keine Auskunft zum weiteren Verbleib des Hundes erteilen. Das Ordnungsamt erhalte eine Durchschrift.

5

Der Kläger übersandt hierauf mit Schreiben vom 7. Februar 2012 eine Zwischenrechnung und kündigte Klage an, sollten die Kosten nicht übernommen oder mitgeteilt werden, welche andere Behörde sich für zuständig halte. Im Juni 2012 erhob der Kläger Klage gegen das [X.] als Träger der Polizei. Auf Anregung des [X.] nahm der Kläger die Klage gegen das Land zurück und erhob im September 2014 Klage gegen den nun beklagten [X.]. Mit dieser Klage macht er seine Aufwendungen für die Unterbringung des Hundes bis zu dessen Tod im April 2013 geltend.

6

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 330 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Der Kläger habe in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die Abholung des Hundes und die Unterbringung für vier Wochen. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Hund unterzubringen, weil er erheblich vernachlässigt worden sei und damit die tierschutzrechtlichen Voraussetzungen seiner Fortnahme und anderweitigen Unterbringung gegeben gewesen seien. Der Kläger sei nicht tätig geworden, um eine eigene Verpflichtung zu erfüllen, sondern habe mit dem Willen gehandelt, ein fremdes Geschäft zu führen. Insbesondere sei er nicht vom Ordnungsamt der Stadt [X.] beauftragt worden. Die Unterbringung sei zudem nicht Aufgabe des Ordnungsamts gewesen. Nach den Umständen, unter denen der Hund angetroffen worden sei, und nach dem Verhalten der Hundehalterin sei er nur vorübergehend verlassen und daher nicht besitzlos gewesen. Er sei daher kein Fundtier gewesen. Das für die berechtigte Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn erforderliche öffentliche Interesse habe zunächst bestanden. Der Hund habe untergebracht werden müssen, da die Halterin unbekannt gewesen sei und der Hund nicht sich selbst habe überlassen werden können. Das öffentliche Interesse sei jedoch zeitlich begrenzt. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, den Hund länger für den Beklagten unterzubringen, als dieser den Hund hätte unterbringen müssen und nicht anstelle der Unterbringung ermessensfehlerfrei andere Maßnahmen hätte ergreifen können. Daraus folge, dass der Ersatzanspruch des [X.] auf die Unterbringung für vier Wochen begrenzt sei. In dieser [X.] wäre es dem Beklagten möglich gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen sich die Notwendigkeit seiner Unterbringung erübrigt hätte. Dem danach verbleibenden Ersatzanspruch könne der Beklagte nicht entgegenhalten, dass der Kläger ihm die Übernahme der Geschäftsführung nicht angezeigt habe. Soweit ein Schaden in Betracht komme, scheide ein Schadensersatzanspruch deshalb aus, weil der Beklagte anderweitig informiert gewesen sei und es daher an dem erforderlichen [X.] zwischen der fehlenden Anzeige und dem Schaden fehle.

7

Mit der durch den Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Eine hypothetische Aufgabenwahrnehmung durch den Beklagten, mit der sich die Notwendigkeit der Unterbringung des Hundes erledigt hätte, könne dem geltend gemachten Ersatzanspruch nicht entgegengehalten werden. Der Beklagte sei aufgrund der E-Mail des Ordnungsamts darüber unterrichtet gewesen, dass der Hund sich nach tierärztlicher Behandlung in seiner Obhut befinde. Dem hätte er nachgehen müssen, weshalb er sich auf eine fehlende Anzeige des [X.] nicht berufen könne.

8

Der Beklagte macht geltend, der mit der Revision weiterverfolgte Anspruch sei nicht begründet. Bis zur Ermittlung der Hundehalterin sehe sie auch eine Zuständigkeit der Fundbehörde, weil den Beteiligten beim Antreffen des Hundes die Umstände nicht bekannt gewesen seien, derentwegen eine Fundtiereigenschaft zu verneinen sei. Zu Recht habe das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag für die Unterbringung des Hundes nach der [X.] ende, die üblicherweise benötigt werde, um Maßnahmen nach dem Tierschutzgesetz durchzuführen. Ein weitergehender Erstattungsanspruch sei auch deshalb nicht gegeben, weil der Kläger gegen seine Anzeigepflicht als Geschäftsführer verstoßen habe. Daraus folge ein Schadensersatzanspruch in nämlicher Höhe. Die E-Mail des Ordnungsamts an den Beklagten habe wesentliche Informationen nicht enthalten.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), indem es die berechtigte Geschäftsführung und damit den Aufwendungsersatzanspruch des [X.] auf der Grundlage hypothetischer Maßnahmen des [X.]n begrenzt. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig, weshalb die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des [X.] in vollem Umfang zurückzuweisen ist.

1. Das Oberverwaltungsgericht ist für die ersten vier Wochen zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben waren.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff. [X.]) im Öffentlichen Recht vorbehaltlich abschließender Sonderregelungen grundsätzlich entsprechend anwendbar sind. Hieraus kann sich entsprechend §§ 683, 670 [X.] ein Aufwendungsersatzanspruch ergeben, etwa wenn ein privater Geschäftsführer eine Maßnahme trifft, die zu den Aufgaben eines Trägers öffentlicher Verwaltung gehört ([X.], Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:260418U3C24.16.0] - [X.]E 162, 71 Rn. 26 ff. m.w.[X.]). Allerdings stellt die Wahrnehmung einer Aufgabe eines Trägers öffentlicher Verwaltung durch einen [X.] die gesetzliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung in Frage, was der Anerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs entgegenstehen kann. Das ist besonders dort zu bedenken, wo es nicht um Maßnahmen der Leistungsverwaltung, sondern um solche der [X.] geht, wozu Maßnahmen auf der Grundlage des Tierschutzgesetzes prinzipiell gehören. Die Unterbringung des [X.] durch den Kläger als solche begegnet gleichwohl keinen Bedenken. Hat ein Träger öffentlicher Verwaltung ein Tier unterzubringen, so steht ihm grundsätzlich frei, sich selbst des Tieres anzunehmen oder es bei einem privaten [X.] in Obhut zu geben. Hier ist es der private Kläger, der sich des [X.] angenommen hat. Eingriffsbefugnisse hat er sich nicht angemaßt.

a) Mit der Unterbringung des [X.] hat der Kläger eine Aufgabe des [X.]n als zuständige Tierschutzbehörde wahrgenommen.

Das Tierschutzgesetz hat den Zweck, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf, dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG). Den [X.] obliegt, die Einhaltung des Tierschutzgesetzes, namentlich der Grundsätze der Tierhaltung (§ 2 TierSchG) zu überwachen. Sie treffen die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Vermeidung zukünftiger Verstöße notwendigen Anordnungen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG). Natürliche und juristische Personen sowie nicht rechtsfähige Personenvereinigungen sind verpflichtet, der zuständigen Behörde auf Verlangen Auskunft zu erteilen und sie bei ihren Ermittlungen zu unterstützen (§ 16 Abs. 2 und 3 TierSchG), um tierschutzwidrige Zustände rasch und wirksam abstellen zu können (vgl. [X.]. 10/3158 S. 37).

Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die Unterbringung des [X.] sei deshalb Aufgabe des [X.]n gewesen, weil er wegen einer erheblichen Vernachlässigung befugt gewesen sei, den Hund der Halterin fortzunehmen und solange anderweitig unterzubringen, bis eine den Grundsätzen der art- und bedürfnisgerechten Tierhaltung entsprechende Haltung sichergestellt gewesen wäre (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 2 Nr. 1 TierSchG). Sofortige Abhilfe sei geboten und allein die anderweitige Unterbringung geeignet gewesen, die Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen abzuwenden; nichts Konkretes habe dafür gesprochen, dass die Halterin Belehrungen umsetzen und behördlichen Anordnungen Folge leisten würde. Im Zuge seiner weiteren, weitgehend tatrichterlichen Würdigung hat das Oberverwaltungsgericht allerdings nur angenommen, es habe Anlass bestanden, die Fortnahme und anderweitige Unterbringung jedenfalls ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Angesichts dessen lässt sich die Aufgabe des [X.]n, den Hund anstelle der dafür grundsätzlich verantwortlichen Halterin unterzubringen, nicht schon daraus ableiten, dass der [X.] im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet gewesen wäre, den Hund fortzunehmen und unterzubringen.

Allerdings war es Aufgabe des [X.]n, auf der Grundlage der polizeilichen Wegnahme des [X.] eine Entscheidung über dessen weiteren Verbleib und damit die Sicherstellung dessen künftiger art- und bedürfnisgerechter Haltung zu treffen sowie den Hund bis dahin unterzubringen.

Nach den Feststellungen des [X.] verbrachte die Polizei den mit teils älteren, teils frischen und blutenden Verletzungen am Hals angetroffenen Hund zu einem Tierarzt, um ihn dort versorgen zu lassen. Der damit verbundene Eingriff, insbesondere die Besitzentziehung gegenüber der Hundehalterin, beruhte auf der Verpflichtung der Polizei, in eigener Zuständigkeit zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit tätig zu werden, soweit ein Handeln der zuständigen Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint (§ 1 Abs. 1 Satz 3 PolG [X.]). Die Berechtigung des polizeilichen Einschreitens wird von keinem der Beteiligten in Frage gestellt. [X.] des ersten Zugriffs der subsidiär zuständigen Polizei war es dann aber Sache des in erster Linie für den Tierschutz zuständigen [X.]n, die mit dem Vorgang verbundene Aufgabe zu übernehmen. Nachdem die Polizei den Hund bei dem Tierarzt zurückgelassen hatte, war es seine Aufgabe, über die im Lichte der Pflichtverletzungen der Halterin gebotenen tierschutzrechtlichen Maßnahmen - gegebenenfalls auch über die Rückgabe des [X.] - zu entscheiden und bis dahin den Hund unterzubringen. Dabei ist unerheblich, dass die Polizei nur das Ordnungsamt der Stadt [X.] unterrichtet hat. Zwar war sie gehalten, den [X.]n als zuständige Tierschutzbehörde unverzüglich von dem sein Eingreifen erfordernden Vorgang zu unterrichten (§ 1 Abs. 1 Satz 4 PolG [X.]). Die Säumnis ändert jedoch nichts an der objektiv bestehenden Aufgabe des [X.]n. Im Übrigen hat jedenfalls das Ordnungsamt der Stadt [X.] den [X.]n am 3. November 2011 von dem Vorgang in Kenntnis gesetzt. Dessen Zuständigkeit steht auch nicht entgegen, dass das Ordnungsamt trotz seiner von ihm verneinten Zuständigkeit die Kosten des Tierarztes verauslagt, diese von der Hundehalterin zurückgefordert und ihr erklärt hat, sie bekomme den Hund nicht zurück.

b) Die Unterbringung war weder ein eigenes Geschäft des [X.] noch ein Geschäft der Stadt [X.]

aa) Ist ein Geschäftsführer aufgrund eines Vertrags verpflichtet, das Geschäft zu führen, so kann er einen [X.], dem das Geschäft auch zu [X.] kommt, jedenfalls grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 21. Juni 2012 - [X.]/11 - NVwZ-RR 2012, 707 Rn. 16). Das Oberverwaltungsgericht hat indes eine Beauftragung des [X.] durch das Ordnungsamt der Stadt [X.] und damit ein eigenes Geschäft des [X.] verneint. Diese im Wesentlichen tatrichterliche Würdigung ist nicht zu beanstanden und wird von den Beteiligten auch nicht angegriffen. Des Weiteren trifft es zu, dass das satzungsgemäße Eigeninteresse des [X.] an einer tierschutzgerechten Betreuung und Versorgung des [X.] der Geschäftsführung für den [X.]n nicht entgegensteht. Es handelt sich lediglich um ein selbst gesetztes, ideelles Interesse, wie es für eine altruistische Geschäftsführung kennzeichnend ist. Im Übrigen verweist das Oberverwaltungsgericht zu Recht darauf, dass ein auch fremdes Geschäft genügt ([X.], Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - [X.]E 162, 71 Rn. 29).

bb) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der tatsächlichen Gegebenheiten die Fundtiereigenschaft des [X.] und damit ein Geschäft des [X.] für die Stadt [X.] als Fundbehörde verneint hat.

Das Fundrecht gilt für Tiere entsprechend (§ 90a [X.]). Die [X.] sind verpflichtet, Fundsachen entgegenzunehmen und zu verwahren, was im Falle von Tieren deren Unterbringung und Versorgung bedeutet (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - [X.]E 162, 71 Rn. 10, 20 f.). Die Anwendung des Fundrechts setzt einen Fund voraus und damit ein verlorenes, also besitz-, aber nicht herrenloses Tier. Besitz besteht in der tatsächlichen Gewalt über die Sache (§ 854 Abs. 1 [X.]). Sie endet, wenn der Besitzer die Sachherrschaft aufgibt oder in anderer Weise verliert; eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt beendet den Besitz allerdings nicht (§ 856 Abs. 1 und 2 [X.]). Wer die tatsächliche Sachherrschaft ausübt und damit Besitzer ist, beurteilt sich maßgeblich nach der Verkehrsanschauung, mit anderen Worten einer zusammenfassenden Wertung aller Umstände nach der Anschauung des täglichen Lebens ([X.], Urteil vom 24. Juni 1987 - [X.] - juris Rn. 13 f. m.w.[X.]).

Davon ist das Oberverwaltungsgericht der Sache nach zutreffend ausgegangen. Es hat die Antreffsituation und die sonstigen Umstände des Falles mit dem Ergebnis gewürdigt, dass der Besitz der Hundehalterin durch das Anbinden und Verlassen des [X.] nicht beendet war, bevor er ihr - etwa eine Stunde später - von der Polizei entzogen und der Hund zum Tierarzt verbracht wurde. Diese weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegende Würdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Der Einwand des [X.]n, den Beteiligten sei nicht bekannt gewesen, dass es sich lediglich um einen zurückgelassenen Hund gehandelt habe, ist allerdings insoweit berechtigt, als das Fundrecht darauf zielt, der Gefahr eines dauerhaften Verlustes zu begegnen. Das gebietet den [X.], bereits bei einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Fundsache diese in Verwahrung zu nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - [X.]E 162, 71 Rn. 18). Der Einwand führt gleichwohl nicht weiter. Dabei kann dahinstehen, ob aus dieser Perspektive hier von einem Fundtier hätte ausgegangen werden können. Auch bedarf keiner Vertiefung, dass gegebenenfalls eine Zuständigkeit der Fundbehörde nicht über den Zeitpunkt hinaus angenommen werden könnte, zu dem die Halterin bekannt geworden ist; davon geht auch der [X.] aus. Selbst wenn zunächst von einem Fundtier hätte ausgegangen werden können, war es bei objektiver Betrachtung im Verhältnis der Behörden zueinander allein Sache des [X.]n, für die Unterbringung des [X.] einzustehen. Er hat entsprechend allein den Aufwendungsersatz zu leisten (vgl. zum Verhältnis mehrfacher Zuständigkeiten [X.], Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - [X.]E 162, 71 Rn. 31).

c) Das Oberverwaltungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass subjektiv der für eine Fremdgeschäftsführung erforderliche Wille gegeben war. Er wird bei einem - wie hier - objektiv fremden Geschäft vermutet (vgl. [X.], Urteil vom 4. Dezember 1975 - [X.] - [X.]Z 65, 354 ) und ist - wie vom Oberverwaltungsgericht ausgeführt - aufgrund des Verhaltens des [X.] nicht zweifelhaft. Sein Irrtum über den tatsächlichen [X.]n ist unerheblich (§ 686 [X.]).

d) Die Geschäftsführung des [X.] für den [X.]n war berechtigt, denn sie lag im öffentlichen Interesse.

Ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des [X.]n kommt nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des [X.]n, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden würde (§ 679 [X.]). Da einer privaten Unterbringung als solcher nichts entgegensteht, hätte die Geschäftsführung von einem entsprechenden Willen des [X.]n getragen werden können, der jedoch nicht ersichtlich ist. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr einen entgegenstehenden Willen zugrunde gelegt (zum Willen der Behörde vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - [X.]E 162, 71 Rn. 26).

Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das danach erforderliche öffentliche Interesse über das allgemeine, bereits in der gesetzlichen Aufgabenzuweisung zum Ausdruck kommende Interesse hinausgehen muss. Erforderlich ist ein öffentliches Interesse daran, dass gerade in der gegebenen konkreten Situation die Aufgabe von einem [X.] wahrgenommen wird. Dies bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Es gilt, dass die Aufgabenzuweisung grundsätzlich zu beachten und auf die Möglichkeit zu verweisen ist, den Aufgabenträger im Beschwerde- oder Rechtsweg zur Aufgabenerfüllung anzuhalten. Ebenso geht es grundsätzlich nicht an, den Aufgabenträger dort, wo die Aufgabenwahrnehmung in seinem Ermessen steht, im Hinblick auf das "ob" und "wie" einer Maßnahme vor vollendete Tatsachen zu stellen und mit Kosten zu belasten. Diese Hürden sind aber nicht unüberwindlich. Als gegenläufige Interessen sind die sachliche und zeitliche Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter ebenso zu berücksichtigen, wie das Verhalten des [X.]. Hieraus kann sich eine (Not-)Lage ergeben, die die Maßnahme als unaufschiebbar erscheinen lässt und es rechtfertigt, einen Aufwendungsersatzanspruch anzuerkennen ([X.], Urteil vom 26. April 2018 - 3 C 24.16 - [X.]E 162, 71 Rn. 27 m.w.[X.]).

Daran gemessen hat das Oberverwaltungsgericht ein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung für die ersten vier Wochen zu Recht bejaht. Es hat darauf verwiesen, dass die Unterbringung des [X.] durch den Kläger zeitlich und sachlich unaufschiebbar gewesen sei, nachdem das Ordnungsamt der Stadt [X.], die [X.] und nachfolgend auch das Veterinäramt des [X.]n sich nicht für zuständig gehalten hätten. Ohne die Inobhutnahme durch den Kläger oder einen anderen [X.] wäre der Hund absehbar schutzlos gestellt gewesen und damit die nach dem Tierschutzgesetz gebotene Unterbringung unterblieben. Diese Würdigung ist im Lichte des Zieles des Tierschutzgesetzes und des Verbotes, ein in menschlicher Obhut gehaltenes Tier auszusetzen, rechtlich nicht zu beanstanden (§ 1 Satz 1, § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG). Es bestand eine Notlage, die es angemessen erscheinen lässt, einen Aufwendungsersatzanspruch anzuerkennen.

2. Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist hingegen, dass das Oberverwaltungsgericht eine berechtigte Geschäftsführung des [X.] verneint, soweit er den Hund länger als vier Wochen untergebracht hat.

a) Richtig ist, dass sich das öffentliche Interesse an einer Geschäftsführung auf die Wahrnehmung der jeweils bestehenden Aufgabe beschränkt und es zur Risikosphäre des Geschäftsführers gehört, diese zutreffend zu erfassen. Das Oberverwaltungsgericht verkennt jedoch, dass es Aufgabe des [X.]n war, den Hund bis zu einer Entscheidung über die gebotenen tierschutzrechtlichen Maßnahmen unterzubringen. Ermessen bestand - mit den Ausführungen des [X.] - zwar hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung, nicht aber hinsichtlich der bis dahin notwendigen Unterbringung. Die von dem Oberverwaltungsgericht vorgenommene hypothetische Betrachtung könnte der Geschäftsführung des [X.] daher allenfalls dann entgegengehalten werden, hätte der Kläger seinerseits die Unterbringungsnotwendigkeit im Rahmen seiner Geschäftsführung beenden können. Das lag jedoch außerhalb seiner Möglichkeiten. Die hierzu entsprechend den Ausführungen des [X.] in Betracht zu ziehenden tierschutzrechtlichen Maßnahmen und Anordnungen konnte nur der [X.] als Hoheitsträger treffen.

b) Auch im Übrigen ist das öffentliche Interesse an der Unterbringung des [X.] insoweit nicht zu verneinen.

Unzweifelhaft bestand die Notwendigkeit einer Unterbringung des [X.] am ersten Tag nicht anders als nach vier Wochen. In diesem Sinne perpetuierte sich die Aufgabe des [X.]n ebenso wie - die Geschäftsführung des [X.] weggedacht - die Notlage des [X.]. Darüber hinaus war der Kläger, nachdem er die Aufgabe der Unterbringung übernommen hatte, zumindest als Betreuer für den Hund verantwortlich; es war ihm verboten, den Hund sich selbst zu überlassen (§ 2 und § 3 Satz 1 Nr. 3 TierSchG).

Der Senat hat erwogen, die berechtigte Geschäftsführung des [X.] deshalb zu begrenzen, weil er jenseits seiner Schreiben an die [X.] und seiner Klage gegen das [X.] zu Lebzeiten des [X.] keine weiteren Schritte unternommen hat, um den bekannten negativen [X.] aufzulösen und Abhilfe zu schaffen. Der Kläger hätte sich etwa unmittelbar an den Landrat des [X.]n wenden können, der sowohl Leiter der Kreisordnungsbehörden (Tierschutzbehörde/Veterinäramt, § 3 [X.] [X.]) als auch [X.] (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 POG [X.]) ist und die Aufsicht über die Ordnungsbehörde der Stadt [X.] führt (§ 7 Abs. 1 [X.] [X.]). Es war aber vor allem Sache der beteiligten Behörden, den negativen [X.] aufzulösen und diesen nicht zulasten des [X.] beziehungsweise auf Kosten des [X.] auszutragen, dem im Übrigen tierschutzrechtlich kein subjektives Recht auf Tätigwerden des [X.]n zur Seite stand. Die beteiligten Behörden, die [X.] in Rücksprache mit dem [X.]n, haben sich jedoch in Kenntnis der Sachlage auf das Schreiben des [X.] vom 23. Januar 2012 einer Lösung verweigert. Unter den hier obwaltenden Umständen hieße es die Anforderungen an eine berechtigte Geschäftsführung im öffentlichen Interesse zu überspannen, würde dem Kläger aus dem genannten Grunde der Aufwendungsersatzanspruch begrenzt.

3. Das Urteil erweist sich auch nicht wegen des von dem [X.]n geltend gemachten Schadensersatzanspruchs im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Er kann dem Aufwendungsersatzanspruch einen Schadensersatzanspruch nicht entgegenhalten.

Der [X.] macht geltend, der Kläger habe seine Nebenpflicht verletzt, ihm die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, anzuzeigen (§ 681 Satz 1 [X.]). Es sei nicht ausreichend, dass er sich am Abend des 28. Oktober 2011 mit der Polizei in Verbindung gesetzt und sich im Januar 2012 schriftlich an die [X.] gewandt habe. Das Oberverwaltungsgericht hat das auf sich beruhen lassen und einen entsprechenden Schadensersatzanspruch mit der Begründung verneint, dass kein Ursachenzusammenhang zwischen der unterlassenen Anzeige und dem Schaden bestehe. Dem [X.]n sei bereits aufgrund der E-Mail des Ordnungsamts der Stadt [X.] vom 3. November 2011 bekannt gewesen, dass der Kläger den Hund untergebracht habe. Gleichwohl habe er sich nicht gekümmert.

Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Anzeigepflicht des § 681 Satz 1 [X.] soll der [X.] in die Lage versetzt werden, Weisungen zu erteilen beziehungsweise die Geschäftsführung zu übernehmen. Dieser Zweck war durch die Unterrichtung des Ordnungsamts erfüllt. Die Geschäftsführung als solche war dem [X.]n bekannt und es oblag ihm, über das weitere Vorgehen zu befinden. Nichts spricht dafür, dass der [X.] anders gehandelt hätte, hätte der Kläger den [X.]n selbst über die Unterbringung unterrichtet. Soweit der [X.] dem entgegnet, die E-Mail habe nicht alle wesentlichen Informationen enthalten, etwa die Verletzungen des [X.] und die Kenntnis der Halterin, gebietet das keine andere Beurteilung. Die E-Mail benennt den angebundenen Hund, dessen tierärztliche Behandlung und verweist ausdrücklich darauf, es handele sich um eine Tierschutzangelegenheit. Die Halterin wurde von der Polizei ermittelt. Deren Kenntnis von der Identität der Halterin kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Darüber hinaus findet die Annahme des [X.] ihre Bestätigung darin, dass der [X.] im Zuge seiner Beteiligung im Januar 2012 die Akten der [X.] erhalten hat, aber gleichwohl weiter untätig blieb.

Soweit der [X.] im Übrigen in Bezug auf ein Verschulden des [X.] darauf verweist, dieser habe die Zuständigkeit des [X.]n als Tierschutzbehörde in Betracht ziehen müssen, trifft das wohl zu. Das würde die Frage einer verschuldeten Säumnis der Anzeigepflicht jedoch noch nicht beantworten. Im Lichte des negativen [X.]es, der Verpflichtung der Polizei, die zuständigen Behörden zu unterrichten (§ 1 Abs. 1 Satz 4 PolG [X.]) und der gebotenen Amtsermittlung (§ 24 VwVfG [X.]), spricht alles dafür, dass den Kläger insoweit kein oder nur ein zu vernachlässigendes Mitverschulden trifft (§ 280 Abs. 1, § 276 Abs. 1 und 2, § 254 Abs. 1 [X.]).

4. Nicht zu beanstanden ist schließlich der durch das Oberverwaltungsgericht anerkannte, von dem Kläger für seine Aufwendungen pauschal geltend gemachte Tagessatz. Der [X.] konzediert selbst, dass es sich um den örtlich üblichen Tagessatz handelt. Der Kläger als Tierschutzverein ist aber berechtigt, mit dem Aufwendungsersatzanspruch die übliche Vergütung geltend zu machen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Januar 2005 - [X.] - juris Rn. 25).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

3 C 11/18

27.02.2020

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. September 2017, Az: 20 A 1789/15, Urteil

§ 90a BGB, § 677 BGB, § 854 Abs 1 BGB, § 856 BGB, § 1 S 1 TierSchG, § 2 TierSchG, § 3 S 1 Nr 3 TierSchG, § 16 Abs 2 TierSchG, § 16 Abs 3 TierSchG, § 16a Abs 1 S 1 TierSchG, § 16a Abs 1 S 2 Nr 2 TierSchG, § 1 Abs 1 S 3 PolG NW 2003, § 1 Abs 1 S 4 PolG NW 2003

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.02.2020, Az. 3 C 11/18 (REWIS RS 2020, 3852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3852

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 C 24/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Aufwendungsersatzanspruch der Gemeinde gegen einen anderen Verwaltungsträger (hier Landkreis) aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) für …


M 10 K 14.5098 (VG München)

Aufwendungsersatz für Fundkatze ohne Ablieferung


W 8 K 17.1038 (VG Würzburg)

Anordnung des Übergangs der Befugnis zur Eigentumsübertragung von Hunden auf Behörde


AN 10 K 16.00930 (VG Ansbach)

Rechtmäßigkeit eines Tierhaltungsverbotes


3 C 7/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Kosten für die Unterbringung und tierärztliche Versorgung; Aufwendungsersatz für Fundtier


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

III ZR 275/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.