Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2011, Az. 4 StR 583/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 9717

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 583/10 vom 8. Februar 2011 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u. a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 8. Februar 2011 be-schlossen: Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. Juni 2010 wird als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendi-gen Auslagen zu tragen. Gründe: Das [X.] hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr sowie mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat der Angeklagten ferner die Fahrerlaubnis [X.], ihren Führerschein eingezogen und eine Sperre von drei Jahren für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis verhängt. Dagegen richtet sich die Revision der Angeklagten mit der Sachrüge und einer Verfahrensrüge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 1 Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Ohne Erfolg bleibt auch die Beanstandung, das [X.] habe gegen § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen. 2 1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Am ersten Verhandlungstag verlas der Vorsitzende während der Vernehmung der [X.] - 3 - verständigen Zeugin Dr. [X.]im allseitigen Einverständnis den [X.] des Prof. Dr. W. K. vom 5. September 2008. Die Revision macht geltend, dass der Arztbrief der Kammer zum Nachweis der Folgen des versuch-ten Totschlags und der konkreten Lebensgefahr beim Geschädigten gedient habe, so dass er nicht nach § 256 StPO habe verlesen werden können. Ein Be-schluss der [X.] nach § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO sei daher unverzicht-bar gewesen. 2. Grundsätzlich begründet es allerdings die Revision, wenn der nach § 251 Abs. 4 StPO geforderte Gerichtsbeschluss nicht ergangen ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. Februar 1988 - 4 StR 51/88, [X.], 283; vom 29. Ok-tober 1992 - 4 StR 446/92, [X.], 144 und vom 10. Juni 2010 - 2 StR 78/10, [X.], 649). Der Beschluss dient der Unterrichtung der [X.] über den Grund der Verlesung und der eindeutigen Bestimmung des Umfangs der Verlesung. Bei [X.] wie hier [X.] soll er zudem unter Beachtung der Aufklärungspflicht die Meinungsbildung des gesamten Gerichts und nicht nur des Vorsitzenden über das einzuschlagende Verfahren sicherstel-len und insbesondere den Schöffen im Hinblick auf den Grundsatz der Unmit-telbarkeit den Ausnahmecharakter der Verlesung deutlich machen. [X.] ist insoweit, ob die persönliche Vernehmung des Zeugen zur weiteren Aufklärung erforderlich ist oder ob die Verlesung der Niederschrift genügt (vgl. [X.], Urteile vom 21. September 2000 - 1 [X.], [X.], 261 und vom 20. April 2006 - 4 [X.], [X.], 52). 4 Das Urteil kann auf dem nicht ergangenen Gerichtsbeschluss beruhen, wenn sich den Verfahrensbeteiligten der Grund der Verlesung nicht erschlossen hat und damit die der Anordnung der Verlesung zu Grunde liegenden Erwägun-gen rechtlich nicht überprüfbar sind bzw. das Gericht die [X.] - 4 - zungen (im Gegensatz zum Vorsitzenden) möglicherweise verneint hätte (vgl. [X.], Urteil vom 20. April 2006 [X.] 4 [X.], [X.], 52, 53). Soweit die [X.] und Überprüfungsfunktion des § 251 Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO betroffen ist, beruht das Urteil hier ersichtlich nicht auf dem fehlenden Beschluss; der Grund und der Umfang der Verlesung waren klar [X.] nämlich die Einführung des [X.] in die Hauptverhandlung während der Vernehmung der sachverständigen Zeugin mit allgemeinem Einverständnis (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO). 6 Ob es daneben geboten war, den Verfasser des [X.] als sachver-ständigen Zeugen zu hören, war eine Frage der gerichtlichen Aufklärungs-pflicht. Der [X.] kann hier ausschließen, dass die persönliche Vernehmung des Verfassers des mehrseitigen [X.] eine weitergehende Aufklärung des Falles ermöglicht hätte als die erfolgte Verlesung desselben. Anhaltspunkte dafür, dass der Verfasser als Zeuge weitere Gesichtspunkte oder Umstände hätte bekunden können, die über die Angaben in dem Arztbrief hinausgehen und zu einer anderen Beurteilung der Lebensgefahr für den Geschädigten [X.] führen können, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht vorgetragen. Deshalb kann auch ausgeschlossen werden, dass das [X.] unter Beachtung von Aufklärungsgesichtspunkten anders entschieden [X.] als der Vorsitzende allein (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 10. Juni 2010 - 2 StR 78/10, [X.], 649). 7 3. Der [X.] kann schließlich auch ausschließen, dass die Urteilsfest-stellungen zu den [X.] auf der Verlesung des [X.] beruhen. [X.] der Urteilsgründe ([X.]) beruhen sie vielmehr auf den eigenen An-gaben des Geschädigten und der Aussage der sachverständigen Zeugin [X.], die den Geschädigten wiederholt untersucht und dabei auch [X.] - 5 - sicht in seine Krankenakten genommen hat. In den Angaben im verlesenen Arztbrief hat die [X.] lediglich eine Bestätigung dieser übereinstim-menden Aussagen gefunden. Dies gilt auch hinsichtlich der konkreten Lebens-gefahr durch die erlittenen Verletzungen ([X.]). Auch hierzu haben die sachverständige Zeugin Dr. [X.]und der Zeuge Dr. F. , der die Erstversorgung des Geschädigten am Unfallort übernommen hatte, ausgesagt. [X.]Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

Meta

4 StR 583/10

08.02.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.02.2011, Az. 4 StR 583/10 (REWIS RS 2011, 9717)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9717

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