Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2017, Az. 5 StR 335/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 1564

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Serienbetrugs: Konkurrenzen bei Beteiligung an der Vermittlung des darlehensfinanzierten Kaufs überteuerter Eigentumswohnungen; strafschärfende Berücksichtigung der Auswirkungen der Tat; Ermittlung des jeweiligen Vermögensschadens bei der Bemessung von Einzelstrafen


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. März 2017,

a) soweit es den Angeklagten M.    betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte wegen Betrugs in acht Fällen schuldig ist,

b) bezüglich beider Angeklagten in den gesamten [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Betrugs in 26 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts und beanstanden das Verfahren. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen hatten die Vermögensberater [X.]und [X.]    zahlreichen Kunden einen darlehensfinanzierten Kauf von Eigentumswohnungen zur Vermögensbildung vermittelt. Hierbei hatten sie bei einigen der Käufer unrealistische Erwartungen in den Wert der Wohnungen sowie die damit zu erzielenden Renditen geweckt. Die Wohnungen waren regelmäßig für eine Vermögensbildung ungeeignet; bisweilen handelte es sich um „Schrottimmobilien“. Als die Erwerber dies erkannten, suchten sie nach einer Möglichkeit, ihre Immobilie und die damit verbundene Darlehensbelastung wieder loszuwerden. Den beiden [X.] stellte der Angeklagte [X.] im November 2009 für deren frühere Kunden und für weitere Interessenten eines [X.] ein „Geschäftsmodell“ vor. Danach sollte die [X.] [X.] (im Folgenden: [X.]), deren Geschäftsführer [X.] war, die Wohnungen aufkaufen und die [X.] übernehmen, wofür eine angebliche rechtliche Möglichkeit genutzt würde, die sich aus § 416 BGB ergäbe. Hierzu sollte den Wohnungseigentümern erklärt werden, dass die finanzierende Bank nach § 416 BGB die Übernahme der Darlehensverbindlichkeit durch die [X.] stillschweigend genehmigen würde, wenn sie sechs Monate lang die Darlehensraten von ihr erhalte, ohne dem zu widersprechen. Daher dürften die Kunden die Banken auch nicht über die getroffene Vereinbarung informieren. Für die Abwicklung des von den [X.] zu vermittelnden Geschäfts sollten die Kunden eine Barzahlung von 10 bis 12 Prozent der aktuellen Darlehensrestverbindlichkeit vorleisten. Die anschließende notarielle Beurkundung der [X.] sollte durch den Angeklagten [X.]erfolgen, der bereits seit Jahren als Rechtsanwalt und Notar für [X.] tätig war.

3

In der Folgezeit boten die Vermögensberater [X.]    und [X.] sowie dessen Mitarbeiter ihren Kunden den Verkauf ihrer unrentablen Immobilien an die [X.] mit entsprechender Schuldübernahme an. Die geplante Verwendung ihrer Barzahlung wurde den Kunden nicht näher aufgeschlüsselt; jedenfalls sollten hiervon die Notar- und Gerichtskosten sowie die Grunderwerbsteuer durch die [X.] beglichen werden. Zudem wurde eine Reihe von Wohnungseigentümern aufgefordert, die Darlehensraten sechs Monate lang nicht mehr an die finanzierende Bank, sondern an die [X.] zu zahlen, die diese dann an die Gläubigerbanken weiterleiten würde. Tatsächlich waren sich die Angeklagten darüber einig, dass von der [X.] die [X.] nicht übernommen würden und keiner der mit den Wohnungseigentümern abgeschlossenen Verträge erfüllt werden sollte. Von den Zahlungen der Geschädigten, aus denen die Provisionen der Berater zu tragen waren und an denen [X.]jedenfalls durch die entstehenden Notargebühren zu profitieren beabsichtigte, wollte [X.] einen Teil für sich behalten.

4

[X.]entwarf nach [X.] s Vorgaben Muster für die notariellen [X.] sowie für eine privatschriftliche Zusatzvereinbarung. Außerdem eröffnete er im Dezember 2009 ein Girokonto für die [X.], dessen wirtschaftlich Berechtigter [X.]war. Dieser erteilte im Dezember 2009 den [X.] Ankaufsvollmachten und richtete Anfang 2010 im [X.] ein Büro der [X.] ein, in dem die ehemals Mitangeklagte [X.].    für ihn tätig war. Auf seine Veranlassung übernahm [X.].    am 1. März 2010 formell das Amt der Geschäftsführerin der [X.], während faktisch [X.] die Geschäfte der Gesellschaft weiter führte.

5

Im Tatzeitraum vom 19. November 2009 bis zum 15. November 2010 kamen aufgrund der unzutreffenden Erklärungen der Vermögensberater und der Angeklagten plangemäß [X.]geschäfte mit insgesamt 26 Geschädigten zustande. Diese leisteten hierzu im Voraus Barzahlungen in Höhe von 7.000 bis 20.000 Euro. Die nachfolgende Beurkundung der von ihm vorbereiteten [X.] und Zusatzvereinbarungen nahm der Angeklagte [X.]in 24 Fällen selbst vor, in zwei Fällen bediente er sich hierfür eines Notarvertreters. Auf Käuferseite vertrat bei den Kaufvertragsabschlüssen mit sieben Geschädigten der Angeklagte [X.] auch selbst die [X.] Gesellschaft, in 14 Fällen traten bei den Beurkundungen zuvor schon vermittelnd tätige Vermögensberater auf, die bevollmächtigt waren oder deren Stellvertretung nachträglich genehmigt wurde. Ab März 2010 vertrat die formelle Geschäftsführerin [X.].    die [X.] bei den [X.] mit fünf Geschädigten. [X.] stellte nach den Beurkundungsterminen jeweils beim Grundbuchamt einen Antrag auf Eigentumsumschreibung, den er wieder zurücknahm, sobald das Finanzamt die von der [X.]n Gesellschaft nicht entrichtete Grunderwerbsteuer einforderte. Er dokumentierte das Scheitern der [X.] in einer Vielzahl der Fälle durch Aufhebungsverträge und leistete an einige Geschädigte Rückzahlungen für nicht angefallene Gerichtskosten. Darüber hinaus erstatteten die Angeklagten mehreren Geschädigten Teilbeträge ihrer Barzahlungen.

6

2. Soweit das [X.] hinsichtlich des Angeklagten [X.] (auch) in den Einzelfällen einen jeweils rechtlich selbständigen Betrug gemäß § 53 Abs. 1 StGB angenommen hat, in denen er nicht selbst, sondern neben dem Mitangeklagten [X.]  (allein) seine Vermittler bzw. ab März 2010 auch die formelle Geschäftsführerin [X.].    gehandelt haben (Fälle 6 bis 8, 10 bis 24 und 26 der Urteilsgründe), hält die Konkurrenzbewertung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7

Bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter grundsätzlich nach der Anzahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten selbst nicht unmittelbar mit einem individuellen Tatbeitrag mit, sondern erschöpft sich seine Mitwirkung daran im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebs“, sind diese Tathandlungen als - uneigentliches - [X.] zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 177, 183 f.; Beschlüsse vom 29. Juli 2009 - 2 [X.], [X.], 103, 104; vom 23. Mai 2013 - 2 [X.], [X.], 389; vom 14. Oktober 2014 - 3 [X.], [X.], 334, und vom 3. März 2016 - 4 [X.], [X.], 309, 310 mwN). Danach sind hier in Bezug auf den Angeklagten [X.] alle festgestellten Einzelfälle des Betrugs, in denen allein seine Vermittler bzw. die Geschäftsführerin [X.].    seitens der von ihm beherrschten [X.]n Gesellschaft die Geschädigten getäuscht und hierdurch zu [X.] veranlasst haben und die Urteilsgründe keine eigenen, die einzelnen Taten fördernden Tatbeiträge belegen, als unselbständige Teile eines derartigen [X.]s zu bewerten. Daraus folgt, dass sich der Angeklagte lediglich in insgesamt acht rechtlich selbständigen Fällen (zusätzlich zum [X.] in den Fällen 1 bis 5, 9 und 25 der Urteilsgründe) des Betrugs schuldig gemacht hat.

8

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Dem steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte [X.] sich bei zutreffender rechtlicher Bewertung des [X.] nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

9

3. Die gesamten [X.] haben keinen Bestand.

a) Durchgreifend bedenklich ist die vom [X.] bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen angeführte strafschärfende Erwägung, dass die [X.] bereits beim ursprünglichen Kauf ihrer Wohnungen übervorteilt worden und dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten seien.

Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB können zwar verschuldete Auswirkungen der Tat bei der Strafzumessung straferschwerend berücksichtigt werden, wenn die [X.] für den Täter nach Art und Gewicht im Wesentlichen voraussehbar waren und ihm vorzuwerfen sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. September 1990 - 4 [X.], [X.]St 37, 179, 180; vom 29. August 2006 - 1 [X.], [X.], 372; vom 24. März 2011 - 4 StR 623/10, [X.], 262, und vom 18. März 2015 - 3 StR 7/15). Insofern mag es zu den Auswirkungen einer Betrugstat auch gehören, wenn ein Betrugsopfer aufgrund früherer betrügerischer Schädigung in besonderer Weise mit dem erneuten Vermögensverlust belastet wurde.

Hier belegen die Feststellungen zur Mehrzahl der einzelnen Taten jedoch schon nicht, dass die Geschädigten bereits beim ursprünglichen Kauf ihrer Wohnungen aufgrund eines bestehenden Missverhältnisses von Erträgen und Belastungen oder sonst falscher Versprechungen übervorteilt worden waren (vgl. Fälle 1, 2, 4, 7, 9, 10, 12 bis 16, 20, 22 und 23). Darüber hinaus hat das [X.] für keinen der übrigen Fälle festgestellt, dass die Angeklagten um die Ursachen ihnen bekannter wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Verkaufsinteressenten wussten oder deren etwaige vorausgegangene Übervorteilung beim finanzierten Immobilienerwerb voraussehbar war. Dies lag auch deshalb nicht auf der Hand, weil in einer Reihe dieser übrigen Fälle (Fälle 5, 6, 8, 17 und 24) der ursprüngliche Eigentumserwerb in keinem erkennbaren Zusammenhang mit einer Tätigkeit der bei den abgeurteilten Taten aufgetretenen Vermittler stand und das [X.] diese für „möglicherweise gutgläubig“ gehalten hat.

Entsprechendes gilt für die vom [X.] bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen angeführte strafschärfende Erwägung, die meisten Geschädigten hätten sich noch weiter verschulden müssen, um die geforderte Bargeldsumme aufbringen zu können. Es ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass den Angeklagten eine für die Geschädigten nötige Aufnahme weiterer Darlehen, die das [X.] ohnehin nur bei zwölf der 26 Betrugstaten festgestellt hat (Fälle 4, 7 bis 12, 14 bis 17 und 23), bekannt oder voraussehbar gewesen wäre.

b) Darüber hinaus hat das [X.] den für die Strafzumessung bestimmenden Gesichtspunkt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10, [X.], 335 mwN, und vom 2. Juli 2014 - 5 [X.], [X.], 517, 520) außer [X.] gelassen hat, in welcher Höhe den [X.] tatsächlich ein Schaden verblieben ist. Insofern wäre etwa in den Blick zu nehmen gewesen, dass im Fall 1 nach einer Rückzahlung durch den Angeklagten [X.]in Höhe von 2.576 Euro nur noch ein Schaden von 5.524 Euro verblieb, die Geschädigten im Fall 6 von dem Angeklagten [X.] von ihrer Barzahlung in Höhe von 7.000 Euro später 3.000 Euro zurückerhielten, sich der Schaden im Fall 11 durch eine Rückzahlung [X.] s um 1.400 Euro reduzierte und [X.] im Fall 14 den Geschädigten einen Teil ihrer Barzahlung und der von ihnen überwiesenen Darlehensraten über eine von mehreren Betrugsopfern beauftragte Rechtsanwältin erstatten ließ ([X.], 38 f.).

c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das [X.] ohne die aufgezeigten Rechtsfehler zu geringeren Einzelstrafen gekommen wäre. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch den Aussprüchen über die Gesamtstrafen die Grundlage. Mit der Aufhebung der die Strafzumessung betreffenden Feststellungen sollen dem neuen Tatgericht insoweit insgesamt widerspruchsfreie Urteilsfeststellungen insbesondere zur Schadenshöhe ermöglicht werden.

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Das angefochtene Urteil hat bei der Bemessung der Einzelstrafen namentlich unberücksichtigt gelassen, dass durch die Taten jeweils Schäden in unterschiedlicher Höhe entstanden sind. Das neue Tatgericht wird deshalb den bei den einzelnen Taten verursachten Gesamtschaden jeweils zu ermitteln und die Einzelstrafen gegebenenfalls nach den festgestellten Schadenssummen differenzierend festzusetzen haben (vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 2. Februar 1999 - 4 [X.], [X.], 244, 245; vom 6. November 2002 - 5 [X.], [X.], 72 f.; vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, [X.], 457, und vom 15. April 2014 - 2 StR 566/13, [X.], 172).

Schneider     

       

Dölp     

       

König 

       

Berger     

       

[X.]     

       

Meta

5 StR 335/17

29.11.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lübeck, 2. März 2017, Az: 6 KLs 15/15

§ 46 Abs 2 S 2 StGB, § 52 Abs 1 StGB, § 53 Abs 1 StGB, § 263 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2017, Az. 5 StR 335/17 (REWIS RS 2017, 1564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1564

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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