Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2007, Az. 3 StR 185/07

3. Strafsenat | REWIS RS 2007, 3177

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 185/07 vom 28. Juni 2007 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28. Juni 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], die [X.] am [X.] [X.], [X.], von [X.], [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwältin als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Februar 2007 im Schuldspruch dahin ge-ändert, dass der Angeklagte des versuchten Totschlags in [X.] mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei [X.] und neun Monaten verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision führt zur Änderung des Schuldspruchs und hat im Übrigen keinen Erfolg. 1 [X.] Schuldspruch: 2 Die Nachprüfung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten; dagegen ist die in [X.] begangene [X.] nicht als schwere Körperverletzung nach § 226 StGB, sondern nur als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB zu beurteilen. 3 1. Die Feststellungen zum Schuldspruch sind rechtsfehlerfrei getroffen. Auch die Beanstandungen der Revision zur Beweiswürdigung hinsichtlich des Geschehens vor der Eingangstüre zum Lokal sind unbegründet und zeigen [X.] - besondere keine Widersprüche auf, wie der [X.] in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2007 zutreffend dargelegt hat. 2. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags weist keinen Rechts-fehler auf. Dass die [X.] die Voraussetzungen des [X.] der Heimtücke nicht erkennbar geprüft hat, beschwert den Angeklagten nicht. Dies wäre nach den getroffenen Feststellungen allerdings geboten gewesen, da der Angeklagte von dem mit ihm befreundeten Geschädigten "freundlich" gebeten worden war, mit vor das Lokal zu kommen, vom Zeugen unbemerkt sein Mes-ser aus der Kleidung nahm, es aufklappte und unvermittelt mehrfach auf ihn einstach. Die Annahme von Heimtücke scheitert grundsätzlich auch nicht an dem Umstand, dass der Angriff zunächst nur mit [X.] er-folgte, da er unmittelbar darauf unter Ausnutzung des Überraschungseffekts mit Tötungsvorsatz fortgesetzt wurde (vgl. [X.], 502). 5 3. Soweit das [X.] den Angeklagten der schweren Körperverlet-zung nach § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig gesprochen hat, kann das Urteil keinen Bestand haben. Entgegen der Auffassung der [X.] kann die dem Opfer zugefügte Narbe im Gesicht nicht als eine dauernde erhebliche Ent-stellung im Sinne dieser Vorschrift gewertet werden. 6 a) Da das Merkmal der erheblichen Entstellung in § 226 Abs. 1 StGB in einer Reihe mit sehr schwerwiegenden Folgen wie Siechtum, Lähmung, geisti-ge Krankheit oder Behinderung, Verlust des Sehvermögens auf einem Auge, eines wichtigen Gliedes u. ä. steht, die für die Einstufung einer Körperverlet-zungstat als Verbrechen maßgeblich sind, ist eine Verunstaltung des [X.] erforderlich, die in ihrer Bedeutung für den Menschen etwa der Benachteiligung entspricht, die mit den anderen in § 226 StGB genannten Folgen verbunden sind ([X.][X.] in [X.] § 226 7 - 5 - Rdn. 12 f.; [X.], 115; [X.], 686). Grundsätzlich können auch verunstaltende Narben im Gesicht eines Opfers erheblich entstellend sein ([X.] NJW 1967, 297; [X.], 686). Aber auch dabei muss - etwa durch eine deutliche Verzerrung der Proportionen des Gesichts (vgl. [X.], [X.]. vom 2. Mai 2007 - 3 [X.]) - im Einzelfall ein Grad an Verunstaltung erreicht wer-den, der in Relation zu den anderen schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB steht. Ist eine Narbe nur in dem Sinne erheblich, dass sie deutlich sichtbar ist, reicht dies nicht ([X.], [X.]. vom 2. Mai 2007 - 3 [X.]). In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich ein Tatrichter die mitunter nicht einfache textliche Schilderung einer solchen verunstaltenden Wir-kung durch eine nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zulässige Bezugnahme auf Lichtbilder erleichtern kann. b) Die hier vom [X.] festgestellte 12 cm lange, maximal 4 mm breite, blassrötliche, leicht wulstförmige Narbe im linken Halsbereich vom [X.] nach vorne zum Unterkiefer verlaufend (so [X.], auf [X.] als "zum [X.]" verlaufend beschrieben) mag zwar je nach ihrem Verlauf unter dem Kinn mehr oder weniger sichtbar sein und das ästhetische Empfinden des Betrachters stören, erfüllt jedoch nach diesen Maßstäben die Voraussetzungen einer erheblichen Entstellung im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB nicht. Daher kann offen bleiben, ob der vom Opfer in der Hauptverhandlung nach einer erfolgten Einigung mit dem Angeklagten abgegebenen Erklärung, es emp-finde die Narbe "heute nicht mehr" als Beeinträchtigung seines ästhetischen oder körperlichen Wohlbefindens, in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden kann. 8 c) Der Senat kann nach Sachlage ausschließen, dass in einer neuerli-chen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, und hat den Schuldspruch selbst geändert 9 - 6 - (§ 354 Abs. 1 StPO). Das Vorgehen des Angeklagten erfüllt, wie der [X.] zutreffend dargelegt hat, die Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB. Der [X.] steht § 265 StPO nicht entgegen, da ausgeschlos-sen werden kann, dass sich der Angeklagte gegen diesen - milderen - Vorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können. I[X.] Strafausspruch: 10 Der Strafausspruch hat jedoch gleichwohl Bestand, da er sonstige Rechtsfehler nicht aufweist und die verhängte Strafe nicht auf dem fehlerhaften Schuldspruch beruht. 11 1. Die Einwendungen der Revision gegen den Strafausspruch sind un-begründet. 12 a) Wie der [X.] zutreffend dargelegt hat, war eine aus-sagekräftige Berechnung des [X.] aufgrund der sehr unge-nauen Angaben des Angeklagten nicht möglich. Dass die [X.] bei der Bewertung der psychodiagnostischen Beweisanzeichen im Ergebnis der Beur-teilung des dazu gehörten Sachverständigen und nicht der - erst in der [X.] nach [X.] - geäußerten Einschätzung des mit dem Angeklagten befreundeten Zeugen E.
gefolgt ist, zeigt ebenfalls kei-nen Rechtsfehler auf. 13 b) Die [X.] durfte auch ohne Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB berücksichtigen, dass der Angeklagte mit massiver Gewalt vorgegangen ist und dem Opfer mehrere Schnitt- und Stichverletzungen zugefügt hat. Denn ein den Tatbestand des versuchten Totschlags erfüllendes Handeln hat sie erst in dem 14 - 7 - vierten, gegen den Hals des Opfers gerichteten Messerstich gesehen. Damit liegt in den vorausgehenden drei mit [X.] geführten [X.] ein zusätzliches erhebliches Tatunrecht. Entsprechendes gilt für die [X.] gewerteten Tatfolgen wie Taubheitsgefühl und Juckreiz, da sie nicht notwendig mit einem Totschlagsversuch verbunden sind. 2. Es ist auszuschließen, dass das [X.] bei zutreffender rechtli-cher Subsumtion des festgestellten Sachverhalts auf eine noch mildere Frei-heitsstrafe als drei Jahre und neun Monate erkannt hätte. Dabei ist zu berück-sichtigen, dass die Strafe nach wie vor dem Strafrahmen für das Verbrechen des versuchten Totschlags zu entnehmen ist und das tateinheitlich begangene Vergehen der gefährlichen Körperverletzung in zwei Tatvarianten verwirklicht ist. Die zugefügte Narbe im Gesicht des Opfers muss - wenn auch nicht zur [X.] des § 226 StGB ausreichend - als verschuldete Auswirkung des versuchten Totschlags und der gefährlichen Kör-perverletzung erheblich strafschärfend herangezogen werden. 15 - 8 - 3. Da das Rechtsmittel nur zum Schuldspruch einen geringen Erfolg hat und die Strafe unverändert bleibt, erscheint es nicht unbillig, den Beschwerde-führer mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten, § 471 Abs. 3 StPO. 16 [X.] [X.]

[X.]

von [X.] [X.]

Meta

3 StR 185/07

28.06.2007

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2007, Az. 3 StR 185/07 (REWIS RS 2007, 3177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3177

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