Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2017, Az. B 12 R 7/15 R

12. Senat | REWIS RS 2017, 13022

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Tätigkeit als Erziehungsbeistand nach § 30 SGB 8 - Möglichkeit der Eigenvorsorge infolge der Höhe des vereinbarten Honorars - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit - Abgrenzung)


Leitsatz

Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies ein gewichtiges Indiz für selbstständige Tätigkeit.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. April 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1. in einer Tätigkeit als Erziehungsbeistand der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

2

Der klagende Landkreis ist Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Zur Erfüllung seiner Aufgaben schließt er Verträge mit freien Trägern sowie Einzelpersonen ab, die Leistungen der Jugendhilfe vor Ort in den Familien erbringen. Der Beigeladene zu 1. ist Heilpädagoge und im Hauptberuf in Vollzeit bei einem freien Träger beschäftigt. Daneben ist er seit August 2007 auch für den Kläger als Erziehungsbeistand tätig. Diese Tätigkeit umfasst etwa vier bis sieben Stunden wöchentlich, in denen der Beigeladene zu 1. im Monat durchschnittlich ein bis zwei Familien betreut. Die Erziehungsbeistandschaft wird hilfesuchenden Familien mit Bescheiden des [X.] bewilligt, in denen der Beigeladene zu 1. als [X.] genannt ist. Zusätzlich werden zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. für jeden Einzelfall [X.] und eine "Vereinbarung zur Sicherstellung des [X.] nach § 8a [X.]" abgeschlossen. Darüber hinaus wird ein Hilfeplan erstellt, der regelmäßig gemeinschaftlich von der Familie, dem Beigeladenen zu 1. und einem Mitarbeiter des [X.] erarbeitet wird.

3

Der Beigeladene zu 1. beantragte am 4.4.2007 die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in seiner Tätigkeit für den Kläger, nach dessen Anhörung die beklagte [X.] feststellte, dass die Tätigkeit seit dem [X.] im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde (Bescheid vom [X.]). Auf den Widerspruch des [X.] stellte die Beklagte zusätzlich die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest und wies den Widerspruch sodann zurück (Änderungsbescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 2.12.2010).

4

Das [X.] hat diese Bescheide aufgehoben, weil der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für den Kläger nicht sozialversicherungspflichtig sei (Urteil vom 11.9.2013). Das L[X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen: Abhängige Beschäftigung werde beim Kläger weder durch die [X.] noch durch die Bescheide über die Bewilligung ambulanter [X.] noch durch andere Vereinbarungen oder die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit begründet. Der Beigeladene zu 1. sei weitgehend weisungsfrei und nicht in die Arbeitsorganisation des [X.] eingegliedert. Er trage ein Unternehmerrisiko im Sinne eines Verdienstausfallrisikos. Dem entspreche die schriftliche Vereinbarung einer selbstständigen Tätigkeit ohne Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Demgegenüber träten das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte, wie auch die den Besonderheiten des [X.] geschuldete Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung und die Gesamtverantwortung des [X.] zurück.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte Verstöße des L[X.] gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 [X.]G) sowie eine Verletzung von § 7 Abs 1 S 1 [X.]B IV. In materiell-rechtlicher Hinsicht hält sie "eine gewisse Typisierung der Berufsgruppen" bei der [X.] nach § 7 Abs 1 S 1 [X.]B IV für notwendig. Bei der Statusprüfung müsse eine Gewichtung aller für oder gegen Beschäftigung sprechenden Anhaltspunkte erfolgen und geprüft werden, ob ein Umstand für Beschäftigung oder Selbstständigkeit typisch sei. Sei ein Umstand für beide Tätigkeitsformen gleichermaßen typisch, sei er für die Statusabgrenzung irrelevant. Hiervon ausgehend unternimmt sie eine ausführliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für den Kläger als Beschäftigung zu werten sei.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 29. April 2015 und des [X.] vom 11. September 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der [X.] zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Zwar sei der Beigeladene zu 1. nicht nur als Erziehungsbeistand (16 Fälle), sondern in zwei Fällen auch in der sozialpädagogischen Familienhilfe eingesetzt worden. Für die Statusfeststellung sei dies - wie auch die Qualifikation des Beigeladenen zu 1. - jedoch nicht relevant, da die Tätigkeitsinhalte sehr ähnlich seien.

9

Die zu 2. beigeladene [X.] stellt keinen eigenen Antrag. Sie schließt sich der Revisionsbegründung der [X.] an und vertritt die Auffassung, aufgrund der Gesamtverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach § 79 [X.] und seines Schutzauftrags gemäß § 8a [X.] sei jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 [X.] (= Familienhilfe) zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der einzelnen Mitarbeiter erforderlich, dass diese in die betrieblichen Abläufe des [X.] eingegliedert sein müssten und Tätigkeiten der Familienhilfe somit nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden könnten.

Auch die weiteren Beigeladenen stellen keine Anträge.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Die von der beklagten [X.] mehrerer Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz sind teils unzulässig, teils unbegründet (hierzu A.). Soweit die Revision die Rüge der Verletzung materiellen Rechts betrifft, ist sie zulässig aber unbegründet (hierzu B.). Das [X.] hat im Ergebnis zutreffend die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen. Die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. im Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Bescheids vom [X.] und des Widerspruchsbescheids vom 2.12.2010 war rechtswidrig.

A. Die von der Beklagten erhobenen [X.] mehrerer Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 [X.]G) sind teils unzulässig, teils unbegründet.

1. [X.] ist nur zulässig, wenn in der Revisionsbegründung neben der verletzten Rechtsnorm auch alle Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 [X.]G). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das [X.] von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem [X.] hätte aufdrängen müssen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 12a mwN). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten und dass hieraus die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachten Verfahrensfehler anders entschieden hätte (zum Ganzen vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] AL 1/12 R - [X.] 4-4300 § 28a [X.] RdNr 18). Diesen Anforderungen genügen die Aufklärungsrügen der Beklagten nicht.

2. [X.] der Beklagten, das [X.] habe die tatsächliche Tätigkeit und Qualifikation des Beigeladenen zu 1. weiter aufklären müssen, ist unzulässig, weil die Beklagte nicht darlegt, dass der vereinzelte Einsatz des Beigeladenen zu 1. als sozialpädagogischer Familienhelfer aufgrund des dadurch erweiterten Einsatzspektrums zu einer anderen Statusbeurteilung hätte führen müssen. Die Beklagte zeigt keine Anhaltspunkte dafür auf, dass sich die statusrelevanten Umstände bei einem Einsatz als Familienhelfer wesentlich von denen beim Einsatz als Erziehungsbeistand unterscheiden.

3. [X.] der Beklagten, das [X.] sei seiner Aufklärungspflicht bezüglich einer möglichen Kostenübernahmezusage des [X.] für den Fall der Teilnahme des Beigeladenen zu 1. an einer Supervision nicht ausreichend nachgekommen, ist unbegründet, denn das [X.] hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Beigeladenen zu 1. und den Kläger zum Thema Supervisionen befragt, ohne dass sich Anhaltspunkte dafür ergaben, dass noch weitere Erkenntnisse zur Supervision und deren Honorierung gewonnen werden könnten.

4. [X.] eines Verstoßes des [X.] gegen den Amtsermittlungsgrundsatz wegen ungenügender Sachaufklärung zu einer Erstattung von Fahrtkosten ist wegen ungenügender Begründung unzulässig. Nach Auffassung der Beklagten bestand Anlass zu weiteren Ermittlungen, weil entgegen den Angaben des Beigeladenen zu 1. in der mündlichen Verhandlung zwei der vorgelegten [X.] eine pauschale Abgeltung von 10 Euro bei einer Entfernung von mehr als 18 km zwischen Büro und Klient vorsahen. Es sei nicht auszuschließen, dass das [X.] in Kenntnis dieser und möglicher weiterer solcher Fälle das Unternehmerrisiko anders bewertet hätte und in seiner Gesamtabwägung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Die Beklagte hätte insoweit näher begründen müssen, wieso das geringe Gewicht, welches das [X.] dem unternehmerischen Risiko des Beigeladenen zu 1. im Rahmen seiner Gesamtabwägung beigemessen hat, durch eine pauschale Abgeltung längerer Fahrten in weiteren Fällen soweit hätte verringert werden können, dass es das [X.] entscheidend beeinflusst. Hieran fehlt es.

5. [X.], das [X.] habe die Frage, ob die Vergütung in Abhängigkeit von der Schwierigkeit des jeweiligen Hilfefalles ausgehandelt wurde, nicht ausreichend aufgeklärt, ist unbegründet. Denn selbst wenn die Klägerin die Stundensätze einseitig angeboten und nicht weiter verhandelt hätte, änderte dies in Fällen wie dem vorliegenden nichts an der statusrechtlichen Bewertung (dazu unter B.).

B. Die Revision der Beklagten ist zulässig, soweit sie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts betrifft. Insbesondere erfüllt die Revisionsbegründung die hierfür geltenden Anforderungen (vgl hierzu Urteil des Senats vom [X.] KR 16/14 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen). Sie ist jedoch unbegründet. Der Beigeladene zu 1. war in der [X.] vom [X.] bis [X.] (zum insoweit maßgebenden Endzeitpunkt - letzte mündliche Verhandlung beim [X.] - vgl allgemein zB B[X.] Urteil vom 21.12.2011 - [X.] KR 22/09 R - B[X.]E 110, 62 = [X.] 4-2500 § 240 [X.], RdNr 19; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 55 Rd[X.]) nicht versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung, denn er war in seiner Tätigkeit als Erziehungsbeistand nicht beim klagenden Landkreis (abhängig) beschäftigt.

Das [X.] ist mit § 7 Abs 1 [X.]B IV und den durch die Rechtsprechung des B[X.] hierzu aufgestellten Grundsätzen vom richtigen Maßstab zur Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung ausgegangen (hierzu nachfolgend 1.). Aufgrund der von ihm festgestellten, nicht mit erfolgreichen Revisionsrügen angegriffenen (hierzu oben A.) Tatsachen ist es bezogen auf die jeweiligen [X.] (hierzu nachfolgend 2.) nach einer im Wesentlichen zutreffenden Gesamtschau aller Umstände zu dem Schluss gelangt, dass der Beigeladene zu 1. bei dem Kläger nicht versicherungspflichtig beschäftigt war. Schon nach dem Inhalt der [X.] und der Vereinbarungen zu § 8a [X.]B VIII unterlag der Beigeladene zu 1. weder Weisungen des [X.] von erheblichem Gewicht noch war er in dessen [X.] eingegliedert (hierzu 3.). Die von der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. ([X.]) hieran geübte Kritik ist unbegründet (hierzu 4.). Ebenso ist es im Ergebnis unschädlich, dass das [X.] nicht alle in die Gesamtabwägung eingestellten Kriterien so gewertet hat, wie dies der Rechtsprechung des Senates entspricht (hierzu 5.).

1. In den Jahren 2007 bis 2015, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 [X.]B V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 [X.]B XI, § 1 S 1 Nr 1 [X.]B VI und § 25 Abs 1 S 1 [X.]B III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 [X.]B IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 [X.]B IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem [X.], Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild prägen (stRspr; vgl zum Ganzen zB B[X.] Urteil vom 30.4.2013 - [X.] KR 19/11 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] RdNr 13 mwN; B[X.] Urteil vom 29.8.2012 - [X.] KR 25/10 R - B[X.]E 111, 257 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.] mwN ; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl [X.] Kammerbeschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - [X.] 3-2400 § 7 [X.]). Das kann bei manchen Tätigkeiten dazu führen, dass sie in Abhängigkeit von den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zB B[X.] Urteil vom 28.9.2011 - [X.] R 17/09 R - USK 2011-125, Juris Rd[X.] ; B[X.] Urteil vom 25.5.2011 - [X.] R 13/09 R - [X.] 4-2600 § 2 [X.] Rd[X.] mwN ; vgl auch B[X.] Urteil vom 31.3.2015 - [X.] KR 17/13 R - Die Beiträge Beilage 2016, 445 einerseits und anderseits B[X.] Urteil vom 18.11.2015 - [X.] KR 16/13 R - B[X.]E 120, 99 = [X.] 4-2400 § 7 [X.] ).

2. Das [X.] hat die maßgeblichen Umstände zutreffend ermittelt. Es ist dabei zu Recht vom Inhalt der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen schriftlichen [X.] ausgegangen und hat nach Prüfung festgestellt, dass die dort getroffenen Vereinbarungen den tatsächlichen Verhältnissen bei der Durchführung der vom Beigeladenen zu 1. verrichteten Tätigkeit entsprachen, die Verträge also tatsächlich "gelebt" wurden (vgl zu diesem Vorgehen zB B[X.] Urteil vom 29.7.2015 - [X.] KR 23/13 R - B[X.]E 119, 216 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], Rd[X.] ff ). Dies gilt für den gesamten streitigen [X.]raum, denn das [X.] hat festgestellt, dass [X.] mit im Wesentlichen gleichem Inhalt während des gesamten streitigen [X.]raums geschlossen wurden, also auch im [X.]raum vor der ersten schriftlichen Fixierung des [X.]. Daher musste das [X.] nicht zwischen den einzelnen Beistandschaften differenzieren, obwohl es im Übrigen zutreffend berücksichtigt hat, dass bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art - keine Rahmenvereinbarung mit einer Pflicht zur Übernahme einzelner [X.] - für die Frage der Versicherungspflicht jeweils auf die Verhältnisse abzustellen ist, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen (vgl B[X.] Urteil vom 18.11.2015 - [X.] KR 16/13 R - B[X.]E 120, 99 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 19 mwN ).

3. Das Ergebnis der vom [X.] vorgenommenen Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der Beigeladene zu 1. während der einzelnen Einsätze als Erziehungsbeistand für den Kläger nicht wegen abhängiger Beschäftigung versicherungspflichtig war. Denn nach dem vom [X.] festgestellten Inhalt der [X.] sowie der Vereinbarungen zu § 8a [X.]B VIII unterlag der Beigeladene zu 1. weder Weisungen des [X.] von erheblichem Gewicht noch war er in dessen [X.] eingegliedert.

a) In den zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen Honorarverträgen für selbstständige Fachkräfte in der Jugendhilfe ist im Wesentlichen folgendes vereinbart:

        

- Vertragsgegenstand ist die Gewährung ambulanter [X.] in Form einer Erziehungsbeistandschaft (§ 30 [X.]B VIII) die der Beigeladene zu 1. als Auftragnehmer für den Kläger im Rahmen eines selbstständigen freien Mitarbeiterverhältnisses erbringt.
- Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wird nicht begründet und ist nicht gewollt.
- Der Auftragnehmer hat die übernommenen Aufgaben selbstständig, eigenverantwortlich, mit unbedingter Sorgfalt und fachlich korrekt auszuführen.
- Er ist nicht in die [X.] des Auftraggebers eingebunden.
- Er unterliegt keinem Weisungsrecht und ist in der Auftragsausführung, der Einteilung seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsortes grundsätzlich frei, soweit sich nicht aus der Natur der Sache etwas anderes ergibt.
- Dem Auftragnehmer sind die zivilrechtlichen Konsequenzen (kein Anspruch auf Urlaub, Fortbildung, Kündigungs-, Mutter- und Schwerbehindertenschutz, keine Vergütung bei Urlaub oder Krankheit) sowie die öffentlich-rechtlichen Folgen (eigenverantwortliche Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, selbstständige Vornahme eventuell notwendiger behördlicher Anmeldungen bzw Einholung von Genehmigungen) bekannt.
- Der Auftragnehmer hat die Aufgabe, die im Hilfeplan (§ 36 [X.]B VIII) genannten Ziele zu realisieren.
- Je Fall wird eine Betreuungszeit zwischen 18 und 20 Stunden monatlich vereinbart.
- Eine gegebenenfalls erforderliche Änderung der Stundenzahl ist abzustimmen und schriftlich zu vereinbaren.
- Die [X.] können flexibel erbracht werden.
- Das Honorar beträgt 40 Euro (in späteren Verträgen bis 41,50 Euro) je vereinbarter und geleisteter Betreuungsstunde. Zur Abrechnung kommt nur die [X.], die direkt mit dem Hilfeempfänger und dessen sozialem Umfeld gearbeitet wird.
- Die übrige fallbezogene Tätigkeit, Fahrzeiten sowie sonstige Sach- und Nebenkosten sind mit dem Fachleistungsstundensatz abgegolten.
- Ein Wettbewerbsverbot besteht nicht.
- Zur Zielerreichung und Qualität der Aufgabenerledigung wird vereinbart, dass sich verändernde Aufgaben durch die Fortschreibung des [X.] festgelegt werden.
- Der für den Einzelfall zuständige Sozialarbeiter erhält das Recht, sich nach dem Grad der Zielerreichung zu erkundigen.
- Die Auftragsausführung beinhaltet ein Auswertungsgespräch über die Erreichung der vereinbarten Ziele und den Verlauf des [X.]. Grundlage des Auswertungsgespräches ist ein im Abstand von sechs Monaten zu [X.] schriftlicher Bericht.
- Über die Teilnahme des Auftragnehmers an der hauseigenen Supervision des Auftraggebers können im Einzelfall Absprachen getroffen werden. Eine Verpflichtung zur Teilnahme besteht nicht.
- Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die Leistungen nach den gesetzlichen Bestimmungen des [X.]B VIII zu erbringen; der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung ist entsprechend den Bestimmungen des § 8a [X.]B VIII wahrzunehmen.
- Das Auftragsverhältnis ist mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende ohne Angabe von Gründen oder aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar.

Zudem verpflichtete sich der Beigeladene zu 1. in einer jeweils gesondert getroffenen "Vereinbarung zur Sicherstellung des [X.] nach § 8a [X.]B VIII":

        

- Bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung ist die Abschätzung des Gefährdungsrisikos unter Einbeziehung einer erfahrenen Fachkraft vorzunehmen.
- Der Auftragnehmer unterrichtet das Jugendamt, wenn die erforderlichen [X.] zur Abwendung des Gefährdungsrisikos von ihm selbst nicht angeboten werden, die Maßnahmen nicht ausreichen oder die Personensorgeberechtigten nicht in der Lage oder nicht bereit sind, sie in Anspruch zu nehmen.

Das [X.] hat festgestellt, dass der Vertrag so auch praktiziert wurde.

b) Das [X.] hat aus dem Gesamtbild dieser Umstände zu Recht den Schluss gezogen, dass der Beigeladene zu 1. beim Kläger nicht abhängig beschäftigt war.

Ein Weisungsrecht des [X.] gegenüber dem Beigeladenen zu 1. hinsichtlich [X.], Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit war in den [X.]n ausdrücklich ausgeschlossen. Weisungen sind nach der zwischen den Vertragsparteien geübten Praxis während der einzelnen Beistandschaften auch tatsächlich nicht erteilt worden. Umstände, die eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in die [X.] des [X.] nahelegen könnten, hat das [X.] nicht festgestellt. Nach allem liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 [X.]B IV nicht vor.

4. Die von der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. gegen die Bewertung einzelner Indizien durch das [X.] erhobenen Einwände greifen nicht durch.

a) Die rechtliche Struktur des Leistungserbringerrechts der Kinder- und Jugendhilfe weist die Gesamtverantwortung für die Erbringung ua von Hilfen zur Erziehung nach dem [X.]B VIII und den besonderen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a [X.]B VIII dem Träger der Jugendhilfe zu. Hieraus folgt - entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 2. - jedoch nicht, dass die zur Erfüllung dieser Aufgaben und Pflichten nötigen Tätigkeiten - und damit auch die für den Kläger erbrachten Leistungen des Beigeladenen zu 1. als Erziehungsbeistand - (rechtmäßig) nur in Beschäftigung ausgeübt werden können. Dies hat der Senat bereits in mehreren Urteilen deutlich gemacht (B[X.] Urteile vom 25.4.2012 - [X.] KR 24/10 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] RdNr 18 ff und - [X.] KR 14/10 R - Rd[X.] ff des [X.]; vgl zur allenfalls indiziellen Bedeutung leistungsrechtlicher Vorgaben des [X.]B V für den Status im Bereich der Heilmittelversorgung B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] KR 20/14 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] RdNr 26 ff ) und wird selbst von der Beklagten nicht (mehr) bezweifelt.

b) Soweit der Beigeladene zu 1. in den an die Leistungsberechtigten gerichteten Bewilligungsbescheiden als Leistungserbringer benannt wird, kann hieraus nicht auf dessen abhängige Beschäftigung geschlossen werden.

Nach der Struktur des Leistungserbringerrechts des [X.]B VIII sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 4 Abs 2 [X.]B VIII gehalten, von eigenen Maßnahmen abzusehen, wenn ua geeignete Dienste durch anerkannte Träger der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können (vgl hierzu allg [X.] in JurisPK-[X.]B VIII § 4 RdNr 35 ff). Dies verdeutlicht, dass anstelle des Beigeladenen zu 1. grundsätzlich auch ein freier Träger mit der Wahrnahme von [X.] beauftragt und im Leistungsbescheid als Leistungserbringer benannt werden könnte. Dass hieraus nicht auf einen Beschäftigtenstatus einer solchen Organisation im Verhältnis zum öffentlichen Träger geschlossen werden kann, liegt auf der Hand und gilt gleichermaßen für eine mit der Leistungserbringung beauftragte Einzelperson.

c) Am Fehlen eines Weisungsrechts des [X.] gegenüber dem Beigeladenen zu 1. ändert auch dessen Verpflichtung auf die im Hilfeplan genannten Ziele nichts.

Aus den Hilfeplänen bzw aus deren Fortschreibung ergibt sich die aktuelle Situation in den Familien, ferner werden erreichte Ziele sowie neue, zusätzliche Ziele dargestellt und ergänzende Vereinbarungen dokumentiert. Konkrete Anweisungen zur Zielerreichung enthalten die Hilfepläne nicht. Die Arbeit an der Realisierung der im Hilfeplan vereinbarten Ziele war gerade die vom Beigeladenen zu 1. geschuldete Hauptleistungspflicht. Insofern erfolgte über den Hilfeplan lediglich eine Konkretisierung seiner vertraglichen Verpflichtungen, nicht jedoch eine Weisung hinsichtlich der Art und Weise ihrer Erfüllung. Dies gilt beispielsweise auch für das von der Beklagten angeführte Beispiel der "Anbindung" eines Jugendlichen an einen bestimmten Tischtennisverein. Zwar liegt hierin die Festlegung einer konkreten Maßnahme zur Verwirklichung des übergeordneten Ziels, den Betroffenen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen zu unterstützen und seine Verselbstständigung zu fördern (vgl § 30 [X.]B VIII). Dennoch blieb es dem Beigeladenen zu 1. überlassen, wie er den Betroffenen anspricht und motiviert, damit diese Maßnahme tatsächlich umgesetzt wird.

d) Entgegen der Auffassung der Beklagten führt auch die Kündigungsfrist von (ordentlich) 14 Tagen zum Monatsende weder zu einer rechtlichen noch zu einer faktischen Weisungsunterworfenheit. Das subjektive Empfinden bzw die möglicherweise wirtschaftliche Abhängigkeit von Folgeaufträgen steht unter den vorliegenden Umständen einem objektiven Weisungsrecht des [X.] gegenüber dem Beigeladenen zu 1. nicht gleich. Die Möglichkeit der Unterschreitung der Kündigungsfristen des § 622 BGB ist gerade eine Folge der Vereinbarung eines freien Dienstvertrags anstelle eines Arbeitsvertrags. Es wäre daher ein Zirkelschluss, jeden kurzfristig kündbaren freien Dienstvertrag als Arbeitsvertrag auszulegen.

e) Ein für die Statusfeststellung bedeutsames Weisungsrecht kann vorliegend auch nicht den - neben den [X.]n jeweils geschlossenen - "Vereinbarungen zur Sicherstellung des [X.] nach § 8a [X.]B VIII" entnommen werden.

Gegenstand dieser Vereinbarungen, die mit allen "Einrichtungen und Diensten", insbesondere auch der Träger der freien Jugendhilfe zu schließen sind (vgl [X.] in JurisPK-[X.]B VIII § 8a RdNr 59), waren die Pflichten des Beigeladenen zu 1. für den Fall gewichtiger, in einer Anlage näher bezeichneter Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung. Lagen solche Anhaltspunkte vor, hatte er unter Einbeziehung einer konkret benannten, erfahrenen und über bestimmte Qualifikationen verfügende Fachkraft eine Abschätzung des Gefährdungsrisikos vorzunehmen und auf die Inanspruchnahme der - grundsätzlich von ihm selbst zu erbringenden - erforderlichen Maßnahmen bei den Personensorgeberechtigten hinzuwirken. Nur wenn er die erforderlichen Leistungen nicht selbst anbot, die Maßnahmen nicht ausreichten oder die Personensorgeberechtigten nicht in der Lage oder nicht bereit waren, sie in Anspruch zu nehmen, hatte er das Jugendamt zu unterrichten. Somit oblagen die Auswahl, Ausgestaltung und Durchführung von Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung entgegen der Auffassung der Beklagten in erster Linie dem Beigeladenen zu 1. Lediglich bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos hatte er eine "erfahrene Fachkraft" zu beteiligen. Hierbei muss es sich aber keineswegs um einen Mitarbeiter des [X.] oder einer anderen Stelle des [X.] handeln, wie sich aus § 8a Abs 2 [X.]B VIII (idF vom 14.12.2006, [X.]) bzw für die [X.] ab 1.1.2012 aus § 8a Abs 4 [X.]B VIII (idF vom 11.9.2012, [X.]) ergibt (vgl auch [X.] in jurisPK-[X.]B VIII § 8a RdNr 57 f).

f) Auch für eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb bzw in die [X.] des [X.] finden sich ausgehend von den [X.]n und den [X.] keine gewichtigen Anhaltspunkte. Der Kläger bediente sich ua des Beigeladenen zu 1. zur Erfüllung seiner Leistungsverpflichtung bezüglich Hilfen zur Erziehung (§ 2 Abs 2 [X.] iVm § 3 Abs 2 S 2 [X.]B VIII; vgl hierzu auch Stähr in [X.]/[X.], [X.]B VIII, Stand 10/06, K 27 [X.]B VIII RdNr 51). Er verzichtete insoweit auf die Einrichtung eines eigenen Betriebes bzw einer eigenen operativen Verwaltungseinheit. Und auch sonst fehlt es an Tatsachenfeststellungen, aus denen sich eine unmittelbare Einbindung in die übrigen betrieblichen Abläufe des [X.] ergeben könnten.

Bereits der Kontakt zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. beschränkte sich nach der Auftragserteilung - sofern nicht ausnahmsweise die Informationspflichten nach der [X.] griffen - regelmäßig allein auf ein Auswertungsgespräch über die Erreichung der vereinbarten Ziele und den Verlauf des [X.] anhand von im Abstand von sechs Monaten zu [X.] schriftlicher Berichte. Diese zeitlich geringen Berichtspflichten, dienten der Umsetzung der allein den Kläger treffenden gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung des Hilfeplanverfahrens, das der Jugendhilfeträger nicht (vollständig) auf freie Träger oder eine Honorarkraft delegieren kann (vgl hierzu Stähr in [X.]/[X.], [X.]B VIII, Stand 10/06, K 27 [X.]B VIII RdNr 50 ff). Im Übrigen sind die Ergebnisberichte kein Spezifikum abhängiger Beschäftigung, sondern verbreitet auch eine Selbstverständlichkeit im Rahmen selbstständiger Dienstleistungen.

g) Gleiches gilt für die Klausel der [X.], wonach über die Teilnahme des Beigeladenen zu 1. an der hauseigenen Supervision des [X.] im Einzelfall Absprachen getroffen werden konnten. Bereits nach dem Wortlaut der [X.] bestand keine Verpflichtung zur Teilnahme. Zudem hat das [X.] festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. tatsächlich "weder an Supervisionen noch an kollegialen Beratungen" - also auch nicht etwa an Teambesprechungen (vgl zu deren möglicher Bedeutung B[X.] Urteil vom 25.4.2012 - [X.] KR 14/10 R - Juris RdNr 27) - teilgenommen hat.

5. An der Richtigkeit des vom [X.] gefundenen Ergebnisses, wonach der Beigeladene zu 1. aufgrund seiner Tätigkeit für den Kläger nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, ändert es auch nichts, dass das [X.] nicht alle in die Gesamtabwägung eingestellten Kriterien so gewertet hat, wie dies der Rechtsprechung des Senates entspricht.

a) Dies gilt zunächst für die Frage eines - hier allenfalls sehr geringen - Unternehmerrisikos des Beigeladenen zu 1. Bei reinen Dienstleistungen, die - wie vorliegend - im Wesentlichen nur Know-how sowie Arbeitszeit- und Arbeitsaufwand voraussetzen, ist unternehmerisches Tätigwerden nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen ist damit bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden.

Daher ist es unerheblich, dass der Beigeladene zu 1. sein Auto, seinen [X.] sowie sein Mobiltelefon, die er auch für seine Tätigkeit als Erziehungsbeistand einsetzte, nicht speziell und gerade im Hinblick auf diese Tätigkeit angeschafft hat. Deren Anschaffung speziell für die Tätigkeit als Erziehungsbeistand wäre nach der Rechtsprechung des B[X.] aber erforderlich, um diese Investitionen gegen Beschäftigung (und für selbstständige Tätigkeit) werten zu können; denn nur dann könnte das hierfür aufgewandte Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder Ausbleiben weiterer Aufträge als verloren und damit als Realisierung eines unternehmerischen [X.] angesehen werden (vgl B[X.] Urteil vom 18.11.2015 - [X.] KR 16/13 R - B[X.]E 120, 99 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 37 ).

b) Unerheblich für das Gesamtergebnis ist auch das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte. Dem Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte kommt für Beschäftigung und gegen selbstständige Tätigkeit indizielle Bedeutung in der Regel dann zu, wenn eine solche Betriebsstätte bei Tätigkeiten der fraglichen Art zu erwarten oder notwendig ist. Bei Tätigkeiten wie der vorliegenden, die - mit Ausnahme des Verfassens der Berichte und der Terminabstimmung - ausschließlich vor Ort in den Familien zu erbringen sind, ist zwar eine Arbeitsmöglichkeit im privaten Bereich, aber keine Betriebsstätte im engeren Sinne zu erwarten.

c) Ebenso ist die hier vereinbarte Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung nur dann als gewichtiges Indiz für abhängige Beschäftigung und gegen eine Selbstständigkeit zu sehen, wenn diese nicht den Eigenheiten und besonderen Erfordernissen der Erziehungsbeistandschaft geschuldet ist. Gerade bei Tätigkeiten, deren Erfolg ein besonderes Vertrauen über einen ggf längeren [X.]raum oder aber eine besondere Expertise voraussetzt, ist die Leistungserbringung durch eine bestimmte Person häufig als Vertragsinhalt anzusehen.

d) Gleichfalls spräche es nicht notwendig gegen die Selbstständigkeit (und für Beschäftigung) des Beigeladenen zu 1., sollte dieser - wie von der Beklagten behauptet und nach den vorliegenden [X.]n naheliegend - tatsächlich in einzelnen Fällen Fahrtkostenerstattungen für längere Anfahrtswege erhalten haben. Denn solche Anfahrt- oder Wegepauschalen sind zB auch bei selbstständigen Handwerkern durchaus verbreitet.

e) Zwar hat das [X.] entgegen der Rechtsprechung des B[X.] (hierzu B[X.] Urteil vom 18.11.2015 - [X.] KR 16/13 R - B[X.]E 120, 99 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 27 mwN ) die Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie von Urlaubsgeld als Indiz für die selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. gewertet. Ist wie vorliegend selbstständige Tätigkeit vereinbart, entspräche die Gewährung von Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelt/Urlaubsgeld nicht dem gewollten Vertragstyp.

f) Schließlich spricht auch die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars nicht zwingend für abhängige Beschäftigung. Geht es wie vorliegend um reine Dienstleistungen, ist anders als bei der Erstellung zB eines materiellen Produkts - ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten (trotz regelmäßig zeitabhängigen Entgelts Selbstständigkeit für nicht ausgeschlossen erachtet: B[X.] Urteil vom 25.5.2011 - [X.] R 13/09 R - [X.] 4-2600 § 2 [X.] Rd[X.] mwN ; B[X.] Urteil vom 28.9.2011 - [X.] R 17/09 R - Juris Rd[X.], 30 ; vgl aber auch B[X.] Urteil vom 18.11.2015 - [X.] KR 16/13 R - B[X.]E 120, 99 = [X.] 4-2400 § 7 [X.], RdNr 31 ). Dies würde selbst dann gelten, wenn die Honorare für die jeweiligen [X.] nicht frei ausgehandelt, sondern entsprechend beim Kläger gebräuchlicher Sätze festgelegt worden wären. Denn bei entsprechender Markt- und Verhandlungsmacht eines Auftraggebers ist die Vergabe von Dienstleistungen zu von ihm einseitig festgelegten Konditionen nicht unüblich. Andererseits kann ein freies Aushandeln der Vergütungshöhe auch bei der Anbahnung von Arbeitsverhältnissen außerhalb des Geltungsbereichs von [X.] oder anderen rechtlichen Vorgaben stattfinden.

g) Das Fehlen eines Wettbewerbsverbots ist kein Indiz für die Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1., weil auch (teilzeitbeschäftigte) Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse bei verschiedenen Arbeitgebern in derselben Branche nebeneinander haben können. Allerdings könnte umgekehrt ein bestehendes Wettbewerbsverbot für einen höheren Grad an Abhängigkeit des vermeintlichen Auftragnehmers und deswegen uU auch für Beschäftigung sprechen.

h) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es nicht erforderlich, exakt zu ermitteln, was ein von freien Trägern ähnlich oder vergleichbar eingesetzter beschäftigter Erziehungsbeistand verdienen würde, um dieses Einkommen mit dem Einkommen des Beigeladenen zu 1. zu vergleichen und zu prüfen, ob daraus hinreichende Eigenvorsorge (Alter, Krankheit etc) finanziert werden kann. Die Vereinbarung von Entgelten ist - von gesetzlichen Vergütungsordnungen abgesehen - Sache der Vertragspartner und Teil der Privatautonomie. Liegt das vereinbarte Honorar wie hier deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies jedoch ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Allerdings handelt es sich auch bei der [X.] nur um eines von uU vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien, weshalb weder an die Vergleichbarkeit der betrachteten Tätigkeiten noch an den Vergleich der hieraus jeweils erzielten Entgelte bzw Honorare überspannte Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl etwa B[X.] Urteil vom 25.4.2012 - [X.] KR 24/10 R - [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.] f). Daher war ein solcher Vergleich entgegen der Auffassung des [X.] vorliegend nicht deshalb ausgeschlossen, weil nach dessen Feststellungen beim Kläger selbst keine Erziehungsbeistände beschäftigt sind und der Beigeladene zu 1. nach eigener Auskunft wegen seiner Qualifikation auch nicht bei einem freien Träger als Erziehungsbeistand beschäftigt sein könnte.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

D. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der [X.] festzusetzen.

Meta

B 12 R 7/15 R

31.03.2017

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Nürnberg, 11. September 2013, Az: S 16 R 5/11, Urteil

§ 7 Abs 1 SGB 4, § 8a SGB 8, § 30 SGB 8

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2017, Az. B 12 R 7/15 R (REWIS RS 2017, 13022)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13022

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