Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.05.2021, Az. VII ZR 14/20

7. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 5683

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Gegenstand

Teilurteil über eine Widerklage betreffend den werkvertraglichen Anspruch eines Architekten/Ingenieurs auf Sicherheitsleistung: Hinnahme eines etwaigen Widerspruchs zwischen Teilurteil und Endurteil


Leitsatz

1. Ein Teilurteil über eine Widerklage, mit der ein Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB a.F. geltend gemacht wird, ist nicht deshalb unzulässig, weil die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen in Bezug auf den Gegenstand der Klage besteht.

2. Zur Erreichung des Gesetzeszwecks ist wegen der Eilbedürftigkeit des Sicherungsanspruchs ein Ausnahmefall von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen, der es rechtfertigt, einen etwaigen Widerspruch zwischen Teilurteil und Endurteil hinzunehmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 8. Januar 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten nach Kündigung eines Architektenvertrags auf Rückzahlung von geleistetem Honorar in Anspruch. Der Beklagte verlangt widerklagend eine Sicherheitsleistung für weitere Honorarforderungen.

2

Die Klägerin beauftragte den Beklagten zunächst mündlich mit Architekten- und Ingenieurleistungen für die Sanierung von insgesamt 13 Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. In dem etwa ein Jahr später, im Februar 2016, geschlossenen schriftlichen Architektenvertrag wurde der Beklagte mit den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 in der Objekt- und in der Freianlagenplanung sowie mit der Planung der technischen Ausrüstung beauftragt. Für die Architektenleistungen vereinbarten die Parteien ein - die Mindestsätze der [X.] unterschreitendes - Pauschalhonorar in Höhe von 190.000 € netto.

3

Die Klägerin leistete Abschlagszahlungen in streitigem Umfang.

4

Nachdem die Klägerin Ausführungsmängel der von einem Generalunternehmer durchgeführten Arbeiten festgestellt hatte, kündigte sie den Vertrag mit dem Beklagten außerordentlich, weil dieser die Mängelbeseitigung nicht genügend betrieben habe.

5

Der Beklagte erstellte zunächst auf der Grundlage des vereinbarten Pauschalhonorars die Schlussrechnung vom 20. Januar 2017. Mit der Schlussrechnung vom 23. März 2018 rechnete er sodann ein darüberhinausgehendes Honorar nach den Mindestsätzen ab.

6

Die Klägerin macht mit der Klage Rückzahlung ihres Erachtens überzahlter Vergütung in Höhe von 56.242,43 € geltend. Der Beklagte verlangt mit der Widerklage die Stellung einer Sicherheit gemäß § 648a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. in Höhe von insgesamt 302.192 €, aufgeteilt in zwei Teilbeträge von 45.375 € für ein Honorar aus der vereinbarten Pauschalsumme und von weiteren 256.817 € auf der Grundlage der Mindestsätze.

7

Das [X.] hat durch Teilurteil der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Teilurteil aufgehoben und die Sache zur einheitlichen Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

8

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat Erfolg.

Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB. Ferner ist die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ([X.]) in der Neufassung vom 10. Juli 2013 anzuwenden.

I.

Das Berufungsgericht hat das Teilurteil für unzulässig erachtet. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] dürfe ein Teilurteil nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen sei. Dies gelte auch, soweit es um die unterschiedliche Beurteilung von bloßen [X.] gehe, die weder in Rechtskraft [X.] noch für das weitere Verfahren bindend seien. Es genüge, wenn der durch Teilurteil beschiedene und der noch rechtshängige Anspruch von gemeinsamen präjudiziellen Vorfragen abhingen.

Nach diesen Maßstäben bestehe die Gefahr, dass es im Teil- und im Schlussurteil zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen könne. Als präjudizielle Vorfrage stelle sich bei der Widerklage die vom [X.] im Teilurteil behandelte Frage der Schlüssigkeit der Vergütungsforderung für die beanspruchte Sicherheit gemäß § 648a BGB a.F. Diese Vorschrift setze einen Vertrag und die schlüssige Darlegung der vereinbarten Vergütung voraus. Gerade in Bezug auf die vereinbarte Vergütung bestehe im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 4. Juli 2019 - [X.]/17 - die Möglichkeit abweichender Entscheidungen, die auch Auswirkungen auf die beim [X.] verbliebene Klage haben könne. Die Höhe des mit der Klage geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs hänge maßgeblich von der Entscheidung über die Höhe des Vergütungsanspruchs des Beklagten, mithin der Entscheidung über die Widerklage ab.

Der Beklagte habe indes eine zu sichernde Vergütungsforderung gemäß § 648a BGB a.F. weder hinsichtlich des Betrages von 45.375 € noch desjenigen von 256.817 € schlüssig dargelegt. Er leite die seinem [X.] zugrundeliegende Honorarberechnung aus der Verbindlichkeit des [X.]s der [X.] her. Seiner Auffassung, das vereinbarte Pauschalhonorar sei wegen Unterschreitung der [X.] nach § 7 Abs. 1 [X.] unwirksam, sei jedoch nicht zu folgen. Die [X.] gemäß § 7 Abs. 5 [X.] verstoße gegen Art. 15 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) und sei daher von den nationalen Gerichten nicht mehr anzuwenden. Im Gegensatz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen sei das Berufungsgericht der Auffassung, dass die Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie unmittelbare Wirkung entfalteten. Nachdem der Gerichtshof der [X.] in seinem vorgenannten Urteil festgestellt habe, dass die Mindest- und Höchstsätze der [X.] der Dienstleistungsrichtlinie widersprächen, müssten diese auch im Rechtsstreit zwischen [X.] bleiben. Da somit § 7 Abs. 1 [X.] nicht mehr angewendet werden dürfe, sei auch der Verweis hierauf in § 7 Abs. 5 [X.] gegenstandslos.

Dem Beklagten stehe auch kein zu sichernder Vergütungsanspruch aufgrund der Pauschalhonorarvereinbarung der Parteien zu. Diese sei zwar wirksam, weil die beiden in § 7 Abs. 1 [X.] genannten formalen Kriterien, wonach das Honorar sich nach der bei der Auftragserteilung getroffenen schriftlichen Vereinbarung richte, nach der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 4. Juli 2019 - [X.]/17 - nicht mehr heranzuziehen seien und auch keine weiteren Unwirksamkeitsgründe bestünden. Der Beklagte habe seine daraus folgende Vergütungsforderung aber nicht schlüssig dargelegt. Er habe keine den Vorgaben der Rechtsprechung des [X.] genügende Berechnung nach dem Verhältnis der erbrachten und der nicht erbrachten Leistungen vorgenommen. Eine übliche Vergütung habe er ebenfalls nicht konkret beziehungsweise nicht ausreichend vorgetragen.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Unzulässigkeit des [X.] und daher die Zurückverweisung der Sache an das [X.] gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO nicht gerechtfertigt werden.

1. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO kommt als Ausnahme von der in § 538 Abs. 1 ZPO statuierten Verpflichtung des Berufungsgerichts, die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden, nur in Betracht, wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen von § 301 ZPO erlassenes Teilurteil ist. Dies ist hier nicht der Fall. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, war das [X.] nicht aus prozessualen Gründen gehindert, über die Widerklage durch Teilurteil zu entscheiden.

a) Ein Teilurteil kann über eine Widerklage ergehen, wenn diese selbstständig zur Endentscheidung reif und von der Entscheidung über die Klage unabhängig ist. Allerdings darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch bei subjektiver oder objektiver Klagehäufung oder grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen [X.] geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2012 - [X.] Rn. 11, [X.], 1391 = [X.] 2012, 550; Urteil vom 29. März 2011 - [X.]/10 Rn. 15, [X.]Z 189, 79).

Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen ihnen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind ([X.], Urteil vom 29. März 2011 - [X.]/10 Rn. 16, [X.]Z 189, 79 mwN). Das ist hier der Fall, weil sich die Frage nach der Höhe des Vergütungsanspruchs sowohl bei dem mit der Klage geltend gemachten Rückzahlungsanspruch als auch bei dem mit der Widerklage verfolgten Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 648a BGB a.F. stellt und für Klage und Widerklage nur einheitlich beantwortet werden kann.

b) Allerdings ist für den werkvertraglichen [X.] nach § 648a BGB a.F. (jetzt: § 650f BGB) im Hinblick auf dessen gesetzlichen Zweck, dem Unternehmer möglichst schnell und effektiv, das heißt insbesondere unabhängig von der gegebenenfalls langwierigen Aufklärung der tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs, eine Sicherheit für den Fall ausbleibender Zahlung des Bestellers zu verschaffen (vgl. BT-Drucks. 16/511 S. 1, 11 f., 17; [X.], Urteil vom 6. März 2014- [X.] Rn. 27 ff., [X.]Z 200, 274), eine Ausnahme von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen.

aa) Das Verbot eines [X.] bei der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen gilt nicht uneingeschränkt. In der Rechtsprechung des [X.] wird im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Insolvenz oder Tod eines einfachen Streitgenossen die Zulässigkeit eines [X.] ungeachtet der Gefahr eines Widerspruchs zum späteren Schlussurteil anerkannt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2011 - [X.] Rn. 17 mwN, [X.]Z 189, 356). Das Ziel der Vermeidung eines Widerspruchs zwischen Teil- und Schlussurteil muss ferner hinter dem in § 528 ZPO verankerten Verschlechterungsverbot zurücktreten ([X.], Urteil vom 30. November 2012 - [X.] Rn. 16 ff., NJW 2013, 1009). Bei einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO ist es ebenfalls nicht ausgeschlossen, dass die maßgeblichen Vorfragen im weiteren Verfahren über den Zahlungsanspruch rechtlich anders als im Teilurteil beurteilt werden ([X.], Urteil vom 29. März 2011 - [X.]/10 Rn. 17, [X.]Z 189, 79; Beschluss vom 10. Juni 1999 - [X.], NJW 1999, 3049, juris Rn. 4). Die Gefahr einander widersprechender Teilurteile über die auf den einzelnen Stufen einer Stufenklage geltend gemachten Ansprüche wird hingenommen. Dasselbe gilt, wenn der Stufenklage ein im Wege der Widerklage erhobener Anspruch oder der im Wege der vor der [X.] erhobenen Klage ein Anspruch gegenübersteht, der mit den durch die Stufenklage verfolgten Ansprüchen materiell-rechtlich verknüpft ist. In einem solchen Fall gilt das [X.]verbot bei Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht. Anderenfalls könnte in solchen Fällen im Ergebnis weder über die Klage noch über die Widerklage entschieden werden (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juni 2010 - [X.]/09 Rn. 22 ff., NJW-RR 2011, 189). Bei einer objektiven Klagehäufung ist ein Teilurteil über einen Auskunftsanspruch nach § 84 [X.] zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels für zulässig erachtet worden, obwohl die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht ([X.], Urteil vom 29. März 2011 - [X.]/10 Rn. 16 ff., [X.]Z 189, 79).

bb) Im Ergebnis nichts Anderes kann hier gelten.

(a) § 648a BGB a.F. in der im Streitfall maßgeblichen Fassung durch Art. 1 Nr. 5 des [X.] von [X.] und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz - [X.]) vom 23. Oktober 2008 ([X.] I S. 2022) gewährt dem Unternehmer unter den dort geregelten Voraussetzungen einen Anspruch auf Sicherheitsleistung in Höhe der vereinbarten Vergütung. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift kann der Unternehmer vom Besteller Sicherheit für die auch in [X.] vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 vom Hundert des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen; dasselbe gilt für Ansprüche, die an die Stelle der Vergütung treten (Satz 2). Der Anspruch des Unternehmers auf Sicherheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Besteller Erfüllung verlangen kann oder das Werk abgenommen hat (Satz 3). Ansprüche, mit denen der Besteller gegen den Vergütungsanspruch des Unternehmers aufrechnen kann, werden bei der Berechnung der Vergütung nur berücksichtigt, wenn sie unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (Satz 4). Unternehmer im Sinne des Gesetzes kann auch ein Architekt sein, wenn er dem Besteller kraft werkvertraglicher Verpflichtung eine für die Errichtung des Bauwerks notwendige geistige Leistung schuldet (BT-Drucks. 12/1836, S. 8).

(b) Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift des § 648a BGB a.F. dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für den Fall zu erlangen, dass der Besteller ihn nicht bezahlt (BT-Drucks. 16/511 [X.], 11 f., 17). Diesem Interesse des Unternehmers hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass ein Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs im Prozess auf Stellung einer Sicherheit nicht zugelassen wird, wenn er die Durchsetzung des [X.] verzögert. Denn in dem Zeitraum der Aufklärung der streitigen Tatsachen kann der Besteller zahlungsunfähig werden, wovor der Unternehmer durch die Vorschrift gerade geschützt werden soll ([X.], Urteil vom 6. März 2014 - [X.] Rn. 27, [X.]Z 200, 274). Mit Rücksicht auf dieses Schutzbedürfnis hat der Gesetzgeber gleichzeitig in Kauf genommen, dass unter Umständen - rückblickend betrachtet - eine Übersicherung des Unternehmers besteht, weil die sich nach abschließender Klärung aller insoweit streitigen Umstände ergebende Vergütung womöglich geringer ausfällt als der in § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. umschriebene [X.]. So hängt das Sicherungsverlangen des Unternehmers grundsätzlich nicht davon ab, dass der Besteller noch Erfüllung verlangen kann. Bereits hier ist das Risiko angelegt, dass eine Übersicherung eintritt, weil der Vertrag nicht endgültig erfüllt wird. Außerdem kann der Unternehmer eine Sicherheit trotz möglicherweise berechtigter Mängelrügen des Bestellers verlangen. Auch dadurch kann sich eine Übersicherung ergeben, wenn die Mängelrügen des Bestellers berechtigt waren. Schließlich bleiben bei der Berechnung der dem Sicherungsverlangen zugrundeliegenden Vergütung aufrechenbare Ansprüche des Bestellers unberücksichtigt, sofern sie nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind ([X.], Urteil vom 6. März 2014 - [X.] Rn. 28, [X.]Z 200, 274).

Diesen Regelungen ist in ihrer Gesamtheit der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, das Verlangen nach Sicherheit nicht mit einem Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch zu belasten, wenn hierdurch die Durchsetzung des [X.] verzögert würde. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der im Rahmen des Anspruchs nach § 648a BGB a.F. schlüssig dargelegten Vergütung streitig und würde deren Klärung zu einer Verzögerung bei der Durchsetzung des [X.]s führen, so ist dem Sicherungsverlangen des Unternehmers stattzugeben, wenn nicht der Streit bereits anderweitig rechtskräftig geklärt ist ([X.], Urteil vom 6. März 2014 - [X.] Rn. 29, [X.]Z 200, 274).

(c) Dieser Zweck des Gesetzes und die ihm zugrundeliegende ausdrückliche Wertentscheidung des Gesetzgebers, insoweit dem (Sicherungs-)Interesse des Unternehmers Vorrang vor den Rechten des Bestellers einzuräumen, um den Unternehmer gegen das Risiko einer Insolvenz des Bestellers zu schützen ([X.], Urteil vom 6. März 2014 - [X.] Rn. 30, [X.]Z 200, 274), würden unterlaufen, wenn über den - hier mit der Widerklage geltend gemachten - Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 648a BGB a.F. wegen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen im Prozess über den Vergütungsanspruch nicht vorab durch Teilurteil befunden werden dürfte, sondern erst mit der - gerade in Bausachen die oftmals langwierige Klärung zahlreicher Einzelpunkte voraussetzenden - Entscheidung über die dem Unternehmer letztlich zustehende Vergütung.

Vielmehr ist zur Erreichung des gesetzgeberischen ([X.] ein etwaiger Unterschied bei der Bezifferung des - wesensmäßig eilbedürftigen - [X.]s aus § 648a BGB a.F. einerseits und des zu besichernden Vergütungsanspruchs andererseits hinzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juli 2019 - 21 U 3/19 Rn. 19, [X.], 1653; [X.], Urteil vom 19. Juni 2012 - 14 U 1/12 Rn. 18, [X.], 48). Die Zulässigkeit eines [X.] über den (entscheidungsreifen) [X.] nach § 648a BGB a.F. lässt sich daher nicht mit einem möglichen Widerspruch zur noch ausstehenden Klärung der Höhe des Vergütungsanspruchs verneinen. Das gilt umso mehr, als bei der getrennten Geltendmachung beider Ansprüche in jeweils eigenständigen Prozessen kein Zweifel bestünde, dass über den schlüssig dargelegten Anspruch nach § 648a BGB a.F. vorab entschieden werden dürfte. Weshalb anderes dann gelten sollte, wenn beide Ansprüche - wie hier im Rahmen von Klage und Widerklage - im selben Prozess verfolgt werden, ist nicht ersichtlich. Soweit in der Rechtsprechung vereinzelt erwogen worden ist, ob sich im Wege des [X.] der einem Sicherungsverlangen zugängliche widerspruchsfreie (Mindest-)Anteil einer Vergütung festsetzen lasse (vgl. [X.], Urteil vom 25. Februar 2011 - 23 U 150/10 Rn. 19, [X.], 1693), wäre für eine darin liegende Beschränkung des [X.]s schon deshalb kein Raum, weil der Gesetzgeber - wie dargestellt - die Möglichkeit, dass die dem Unternehmer nach § 648a BGB a.F. zustehende Sicherheit die Höhe der abschließend ermittelten berechtigten Vergütung übersteigt, bewusst in Kauf genommen hat.

Die vorstehenden Erwägungen gelten unabhängig davon, ob der Streit über die Vergütungsberechnung zum Beispiel auf der Frage der Berechtigung einzelner Mängelpositionen beruht oder etwa - wie hier - die Frage betrifft, ob sich die Höhe der Vergütung, bezüglich derer der Unternehmer Sicherung begehrt, nach dem [X.] der [X.] oder einer Honorarvereinbarung richtet. Auch in diesem Fall gebührt dem Gesetzeszweck, dem vorleistungspflichtigen und daher schutzbedürftigen Unternehmer zu der vorgesehenen Sicherung zu verhelfen, der Vorrang vor der womöglich zeitaufwändigen abschließenden Klärung der rechtlichen Grundlagen zur Höhe.

2. Das angefochtene Urteil war daher nach § 562 ZPO aufzuheben und die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Senat kann in der Sache nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung tragend allein auf prozessuale Erwägungen zur (Un-)Zulässigkeit des [X.] gestützt und demgemäß nicht in der Sache entschieden (vgl. [X.], Urteil vom 29. März 2011 - [X.]/10 Rn. 19, [X.]Z 189, 79). Da es an einer Sachentscheidung fehlt, kann der Senat nur überprüfen, ob die ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung gegen das Gesetz verstößt, dieses also in Bezug auf das Verfahren verletzt ist. Zur Nachprüfung sachlich-rechtlicher Ausführungen des Berufungsgerichts ist das Revisionsgericht hingegen nur berechtigt, wenn sie die Grundlage für die Zurückverweisung bilden ([X.], Urteil vom 15. Dezember 1959 - [X.], [X.]Z 31, 358, juris Rn. 13 f.). Das ist hier nicht der Fall.

Soweit das Berufungsgericht über die prozessualen Erwägungen zur - von ihm verneinten - Zulässigkeit des [X.] hinaus Ausführungen zum Bestehen des [X.]s gemacht hat, sind sie lediglich als obiter dictum einzuordnen und können in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden. Denn die vom Berufungsgericht als Grund für die Zulassung der Revision angegebene Rechtsfrage der "unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschriften der [X.]" im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 4. Juli 2019 - [X.]/17, [X.], 1624 = [X.] 2019, 713, insbesondere der weiteren Anwendbarkeit der § 7 Abs. 1, Abs. 5 [X.], ist für das Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Für die Frage, ob vorliegend ein Teilurteil über den Anspruch des Beklagten gemäß § 648a BGB a.F. wegen der Gefahr eines Widerspruchs zur künftigen Entscheidung über die Vergütungshöhe unzulässig ist oder nicht, ist es ohne Belang, welcher konkrete rechtliche Maßstab für den Honoraranspruch des Beklagten gilt, ob also das [X.] der [X.] 2013 weiterhin Anwendung findet oder nicht.

III.

Das Berufungsgericht wird nunmehr - unter Beachtung des Umstands, dass die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen insoweit keine Rolle spielen kann - erneut über die Zulässigkeit des [X.] zu befinden haben. Hierbei hat es zudem Gelegenheit, sich mit den von der Revision gegen die Schlüssigkeit des [X.]s aus § 648a BGB a.F. erhobenen Einwänden zu befassen.

[X.]     

      

Ri[X.] Dr. Kartzke ist
krankheitsbedingt verhindert,
seine Unterschrift beizufügen

      

Graßnack

      

        

[X.]   

        

      

        

Sacher     

        

     Brenneisen     

        

Meta

VII ZR 14/20

20.05.2021

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 8. Januar 2020, Az: 14 U 96/19, Urteil

§ 648a BGB vom 23.10.2008, § 650f BGB, § 301 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.05.2021, Az. VII ZR 14/20 (REWIS RS 2021, 5683)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 1049-1050 WM 2022, 889 REWIS RS 2021, 5683

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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