Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 21.04.2010, Az. 2 BvR 504/08, 2 BvR 1193/08

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2010, 7457

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zu Umfang und Grenzen des Auskunftsverweigerungsrechts eines Zeugen im Strafprozess (§ 55 StPO) im Hinblick auf die Reichweite seiner Selbstbelastungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG


Gründe

A.

1

Die [X.] betreffen die verfassungsrechtliche [X.] und die Reichweite des Auskunftsverweigerungsrechts aus § 55 Abs. 1 [X.].

I.

2

1. Der Beschwerdeführer - ein Immobiliensachverständiger - war vor dem [X.] angeklagt, sich in den Jahren 1998 und 1999 an [X.] seines Mitangeklagten [X.] beteiligt zu haben. Nach dem Anklagevorwurf hatte [X.] die [X.] unter anderem durch die Vorlage unzutreffender, vom Beschwerdeführer erstellter Wertgutachten über Immobilien in [X.] und Umgebung zur Auskehrung überhöhter [X.] veranlasst. Das [X.] hatte das Hauptverfahren eröffnet.

3

2. Der vor dem [X.] mitangeklagte [X.] war auch vor dem [X.] [X.] angeklagt. Ihm lag dort ein weiterer Betrug zum Nachteil der [X.] zur Last, in diesem Falle im Zusammenhang mit einer Immobilienfinanzierung in [X.] im Jahre 1998. Auch gegen den Beschwerdeführer war in diesem Komplex ermittelt worden, ohne dass es indes zu einer Anklageerhebung gekommen war.

4

3. Das [X.] [X.] lud den Beschwerdeführer in dem dortigen [X.]trafverfahren gegen den Angeklagten [X.] als Zeugen. In der Hauptverhandlung vom 7. Januar 2008 wurde dem Beschwerdeführer einleitend erläutert, seine Vernehmung solle Fragen zur Begutachtung einer Immobilie des Angeklagten [X.] und der [X.] in [X.] zum Gegenstand haben. Daraufhin machte der Beschwerdeführer lediglich Angaben zur Person, verweigerte jedoch unter Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 Abs. 1 [X.] alle Angaben zur [X.]ache. Die [X.]taatsanwaltschaft vertrat die Auffassung, dass dem Beschwerdeführer ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zustehe. Die Vernehmung wurde abgebrochen und der Beschwerdeführer erneut zur Hauptverhandlung am 29. Januar 2008 als Zeuge geladen.

5

4. Auch in der Hauptverhandlung vom 29. Januar 2008 verweigerte der Beschwerdeführer alle Angaben zur [X.]ache, nachdem ihn der Vorsitzende gefragt hatte, ob er eine Immobilienbegutachtung in [X.] vorgenommen habe. Die Kammer verhängte daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro, ersatzweise drei Tage Ordnungshaft gegen den Beschwerdeführer. Außerdem wurden dem Beschwerdeführer die durch seine Auskunftsverweigerung verursachten Kosten auferlegt.

6

5. Der hiergegen erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers half das [X.] mit Beschluss vom 1. Februar 2008 nicht ab. Dem Beschwerdeführer stehe ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 [X.] nicht zu, da hierfür Voraussetzung sei, dass der Zeuge "bei [X.] Aussage bestimmte Angaben machen müsste, die einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht i.[X.]. des § 152 Abs. 2 [X.] begründen würden". Im Hinblick auf den Komplex [X.], der in [X.] allein Gegenstand des Verfahrens sei, habe bereits die [X.]taatsanwaltschaft in ihrem Abschlussvermerk einen Anfangsverdacht verneint und auch nach dem bisherigen Ergebnis der Hauptverhandlung bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer sich in dem Komplex [X.] strafbar gemacht haben könnte. Auch im Hinblick auf die Immobilienfinanzierungen, wegen derer in [X.] gegen den Beschwerdeführer verhandelt werde, komme jedenfalls ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nicht in Betracht. Zwar könne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 [X.] auch im Hinblick auf solche Fragen bestehen, deren Beantwortung geeignet sei, mittelbar einen Tatverdacht gegen den Zeugen zu begründen, sei es auch nur "als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude". Indes bestünden nach der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Beurteilung der Kammer keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer sich mit Aussagen zum Komplex [X.] der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung wegen der Immobilienbewertung in [X.] aussetzen könnte.

7

6. Mit Beschluss vom 26. Februar 2008 verwarf das [X.] die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers im Wesentlichen aus den Gründen der landgerichtlichen Nichtabhilfeentscheidung als unbegründet.

8

7. Gegen die Beschlüsse des [X.]s [X.] vom 29. Januar und 1. Februar 2008 und den Beschwerdebeschluss des [X.] vom 26. Februar 2008 hat der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 504/08 Verfassungsbeschwerde erhoben. Darüber hinaus hat er beantragt, die Vollziehung des Beschlusses des [X.]s [X.] vom 29. Januar 2008 im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen. [X.]päter hat er darum gebeten, die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bis auf weiteres zurückzustellen.

II.

9

1. Nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde wurde der Beschwerdeführer in dem [X.]trafverfahren vor dem [X.] [X.] erneut zeugenschaftlich vernommen. Wiederum verweigerte der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 55 Abs. 1 [X.] alle Angaben zur [X.]ache. Daraufhin wurden ihm mit Beschluss vom 3. April 2008 auch die durch diese Aussageverweigerung verursachten Kosten auferlegt.

2. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Beschwerdeführers half das [X.] [X.] mit Beschluss vom 8. April 2008 nicht ab. Von der Anordnung einer Beugehaft sah das Gericht indes aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ab.

3. Das [X.] verwarf die Beschwerde des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 6. Mai 2008 als unbegründet.

4. Gegen die Beschlüsse des [X.]s [X.] vom 3. und 8. April 2008 und den Beschwerdebeschluss des [X.] vom 6. Mai 2008 hat der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 1193/08 Verfassungsbeschwerde erhoben.

III.

1. Der Beschwerdeführer rügt Verstöße gegen die verfassungsrechtliche [X.] aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Er sei gemäß § 55 Abs. 1 [X.] zur umfassenden Verweigerung des Zeugnisses zu seinem Verhältnis zu dem Angeklagten [X.] und namentlich zu seiner Tätigkeit als Gutachter im Komplex [X.] berechtigt gewesen. Denn durch jede Angabe zu dieser [X.]ache setze er sich der Gefahr aus, ein "Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude" zu seiner eigenen Verurteilung in dem [X.]trafverfahren vor dem [X.] zu liefern. In dem Verfahren vor dem [X.] müsse gerade noch aufgeklärt werden, ob er - der Beschwerdeführer - den in [X.] angeklagten [X.] kenne und von ihm beauftragt worden sei, Immobilien zu bewerten. Daher sei es ihm unzumutbar, in einem [X.]trafverfahren Angaben zur [X.]ache zu machen, in dem ein in vielerlei Hinsicht paralleler Tatvorwurf in Rede stehe.

2. Die Kammer hat dem [X.] des [X.], dem Präsidenten des [X.] und dem Angeklagten [X.] in dem Verfahren 2 BvR 504/08 Gelegenheit zur [X.]tellungnahme gegeben.


B.

I.

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen [X.] werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

1. Die [X.] haben keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, weil die maßgeblichen Fragen in der Rechtsprechung des [X.] bereits geklärt sind (vgl. etwa [X.] 38, 105 <113>; 55, 144 <150>; 56, 37 <43>; [X.] [X.], [X.]. 779; [X.], [X.] f.; NJW 2002, [X.]. 1411).

2. Die Annahme der [X.] ist auch zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte nicht angezeigt. Die [X.] haben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; sie sind unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen die verfassungsrechtliche [X.] aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit [ref=632935b0-31e2-4283-8f7d-616d38dfdb0c]Art. 1 Abs. 1 [X.]].

a) Der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare), gehört zu den anerkannten Prinzipien des [X.] [X.]trafverfahrens (vgl. [X.] 38, 105 <113>; 55, 144 <150>; 56, 37 <43>; [X.][X.]t 14, 358 <364 f.>; 38, 214 <220> mit weiteren Nachweisen). Als Folge dieses rechtsstaatlichen Grundsatzes gewährt § 55 Abs. 1 [X.] dem Zeugen das Recht, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer [X.]traftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (vgl. [X.] 38, 105 <113>; [X.] [X.], 257 <258>; NJW 2002, [X.]. 1411 <1412>).

Eine Verfolgungsgefahr im [X.]inne des § 55 Abs. 1 [X.] ist anzunehmen, wenn eine Ermittlungsbehörde aus einer wahrheitsgemäßen Aussage des Zeugen Tatsachen entnehmen könnte, die sie zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 152 [X.]) oder auch zur Aufrechterhaltung oder Verstärkung eines Tatverdachts veranlassen könnte (vgl. [X.]/[X.], in: [X.], [X.], Band 2, 26. Aufl. 2008, § 55 Rn. 10; [X.], [X.], 52. Aufl. 2009, § 55 Rn. 7). Hierfür genügt es bereits, wenn der Zeuge bestimmte Tatsachen angeben müsste, die mittelbar den Verdacht einer [X.]traftat oder Ordnungswidrigkeit begründen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die wahrheitsgemäße Beantwortung einer Frage zwar allein eine [X.]trafverfolgung nicht auslösen könnte, jedoch "als Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude" zu einer Belastung des Zeugen beitragen könnte (vgl. [X.], NJW 2002, [X.]. 1411 <1412>; [X.], [X.], [X.]. 1413). Für die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung muss es konkrete tatsächliche Anhaltspunkte geben; bloße Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen nicht aus ([X.] NJW 1994, [X.]. 2839 <2840>; [X.] N[X.]tZ 1999, [X.]. 415 <416>). Ob eine Verfolgungsgefahr besteht, unterliegt der tatsächlichen Beurteilung durch den Tatrichter, dem insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. [X.], [X.], [X.]. 779; [X.], Beschluss vom 6. August 2002 - 5 [X.]). Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls (vgl. [X.][X.]t 1, 39 <40>; 10, 104 <105>; [X.], [X.], 52. Aufl. 2009, § 55 Rn. 10).

Ist danach von einer Verfolgungsgefahr auszugehen, so ist der Zeuge gemäß § 55 Abs. 1 [X.] grundsätzlich nur berechtigt, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern. Nur ausnahmsweise ist er zu einer umfassenden Verweigerung der Auskunft befugt, wenn seine gesamte in Betracht kommende Aussage mit einem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten in so engem Zusammenhang steht, dass im Umfang der vorgesehenen Vernehmungsgegenstände nichts übrig bleibt, wozu er ohne die Gefahr der Verfolgung wegen einer [X.]traftat oder Ordnungswidrigkeit wahrheitsgemäß aussagen könnte (vgl. [X.], [X.], [X.]. 607; [X.], [X.]).

b) Hiervon ausgehend begegnen die angegriffenen Entscheidungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Auffassung der Gerichte, dem Beschwerdeführer stehe im Verfahren vor dem [X.] [X.] kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 Abs. 1 [X.] zu, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Die Gerichte haben die dargelegten Maßstäbe zu § 55 Abs. 1 [X.] zutreffend erkannt. Das [X.] [X.] hat in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 1. Februar 2008 zutreffend festgestellt, dass es nach § 55 [X.] für das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts darauf ankomme, ob der Beschwerdeführer bei [X.] Aussage bestimmte Angaben machen müsste, die einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht im [X.]inne des § 152 Abs. 2 [X.] begründen würden. Des Weiteren hat das [X.] [X.] unter Verweis auf die Rechtsprechung des [X.] und des [X.] ausgeführt, dass zur Begründung eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 [X.] zwar auch eine mittelbare [X.]elbstbelastungsgefahr ausreiche, es für die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung indes konkrete tatsächliche Anhaltspunkte geben müsse, was der tatsächlichen Beurteilung durch das Tatgericht unterliege. Hiervon ausgehend hat das [X.] [X.] angenommen, dass die Verweigerung der Aussage durch den Beschwerdeführer kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht begründe, sondern der Kammer nur verbiete, weitere Fragen zu stellen, bei deren Beantwortung die Verfolgungsgefahr nicht ausgeschlossen sei. Hiermit hat das Gericht deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es die verfassungsrechtliche [X.] des Beschwerdeführers den Vorgaben des § 55 Abs. 1 [X.] entsprechend respektiert.

bb) Auch die tatsächliche Würdigung der Verfolgungsgefahr durch die Fachgerichte begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Das [X.] [X.] ist in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 1. Februar 2008 davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den Komplex [X.], zu dem der Beschwerdeführer vor dem [X.] [X.] befragt werden sollte, keine [X.]elbstbelastungsgefahr bestehe, da die [X.]taatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer im Hinblick auf diesen Komplex schon in der Abschlussverfügung verneint habe und auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung keinerlei Anhaltspunkte für eine [X.]traftatbegehung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Immobilienfinanzierung [X.] bestünden.

Der Beschwerdeführer ist dieser tatsächlichen Würdigung nicht entgegengetreten. Er befürchtet vielmehr, dass er sich mit wahrheitsgemäßen Aussagen zu dem vor dem [X.] [X.] anhängigen Komplex [X.] - mittelbar - im Hinblick auf diejenigen Taten, die vor dem [X.] verhandelt werden, (weiter) belasten könnte.

Auch insoweit hat das [X.] [X.] in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 1. Februar 2008 eine [X.]elbstbelastungsgefahr indes in vertretbarer Weise verneint. Zwar macht der Beschwerdeführer zu Recht geltend, zwischen dem Komplex [X.] und den vor dem [X.] verhandelten Taten bestehe ein sachlicher, persönlicher und zeitlicher Zusammenhang. Dennoch mussten die Gerichte nicht davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem [X.] [X.] ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 Abs. 1 [X.] zusteht. Denn es sind durchaus Fragen zum Komplex [X.] denkbar, deren wahrheitsgemäße Beantwortung durch den Beschwerdeführer nicht notwendigerweise zu einer Verstärkung des gegen ihn bestehenden Tatverdachts wegen der Immobilienbewertungen in [X.] und Umgebung führen muss.

[X.]o ist zum Beispiel nicht ersichtlich, dass eine wahrheitsgemäße Beantwortung der vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vom 29. Januar 2008 gestellten Frage, ob der Beschwerdeführer eine Immobilienbegutachtung in [X.] vorgenommen habe, den wegen der Immobilienbewertungen in [X.] bestehenden Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer hätte verstärken können. Dem [X.] [X.] lag ein vom Beschwerdeführer erstelltes, schriftliches Wertgutachten über die Immobilien in [X.] bereits vor. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer eine Immobilienbegutachtung in [X.] vorgenommen hatte, dürfte daher wohl auch ohne eine Aussage des Beschwerdeführers hierzu klar auf der Hand gelegen haben. Vor diesem Hintergrund durfte es den Gerichten als rein denktheoretische Möglichkeit erscheinen, dass der Beschwerdeführer sich durch eine wahrheitsgemäße Beantwortung der Frage des Vorsitzenden zur Vornahme einer Begutachtung in [X.] im Hinblick auf die Immobilienbewertungen in [X.] weiter belasten könnte. Auch der Beschwerdeführer selbst hat nicht substantiiert aufgezeigt, inwieweit die Beantwortung der Frage des Vorsitzenden den gegen ihn bestehenden Tatverdacht wegen der Immobilienbewertungen in [X.] hätte verstärken können.

Auch im Übrigen erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer Fragen zum Komplex [X.] wahrheitsgemäß beantworten kann, ohne sich hierdurch wegen der Immobilienbewertungen in [X.] zu belasten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwieweit etwa Angaben des Beschwerdeführers zum Zustand der Immobilien in [X.] oder auch zum Ablauf der Begutachtung notwendigerweise zu einer Verstärkung des Tatverdachts wegen der Immobilienbewertungen in [X.] führen müssten.

Insgesamt ist der Zusammenhang zwischen dem Komplex [X.] und den Immobilienbewertungen in [X.] nicht derart eng, dass die Fachgerichte ausnahmsweise von einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 Abs. 1 [X.] hätten ausgehen müssen. Vielmehr ist es mit Blick auf die verfassungsrechtliche [X.] nicht zu beanstanden, dass die Gerichte den Beschwerdeführer - der Regelungskonzeption des § 55 Abs. 1 [X.] entsprechend - auf die Geltendmachung des Auskunftsverweigerungsrechts gegenüber einzelnen Fragen verwiesen und ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht abgelehnt haben.

II.

Durch die Nichtannahmeentscheidung wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (vgl. [ref=ec6afd46-174b-4398-88db-104b6143ce2c]§ 40 Abs. 3 [X.]]).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 504/08, 2 BvR 1193/08

21.04.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Hamm, 26. Februar 2008, Az: 3 Ws 77/08, Beschluss

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 152 Abs 2 StPO, § 55 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 21.04.2010, Az. 2 BvR 504/08, 2 BvR 1193/08 (REWIS RS 2010, 7457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7457

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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