Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2012, Az. VI ZR 287/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2923

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 287/11
Verkündet am:

25. September 2012

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. September
2012 durch den Vorsitzenden [X.], die Richter Zoll und Wellner
und
die Richterinnen
Diederichsen
und von Pentz
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 18.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 22.
September
2011 wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der
Kläger verlangt
von der
in der [X.] ansässigen Beklagten
zu 1 (künftig: Beklagte) gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 2 und 3, gegen die der Rechtsstreit inzwischen rechtskräftig beendet ist, Schadensersatz we-gen des Erwerbs von Beteiligungen an der [X.] S.A.
1929.
Nach Eingang der Klage am 28. August
2009
hat der Vorsitzende der mit der Sache befassten Zivilkammer des [X.]s
durch
Verfügung vom 30. September
2009
in Zusammenhang mit der Zustellung nach § 183 ZPO ange-ordnet, dass der Beklagten im Hinblick auf das angeordnete schriftliche Vorver-fahren eine Notfrist von zwei Wochen zur Anzeige der [X.] gesetzt werde und dass sie innerhalb von zwei Wochen
gemäß §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO einen im Inland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten zu benen-nen habe. Auf die anderenfalls eintretenden rechtlichen Folgen
der Zustellung von Schriftstücken durch Aufgabe zur Post unter der Anschrift der Beklagten
1
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-

hat der Vorsitzende hingewiesen.
Diese Verfügung
und
die Klageschrift
sind der Beklagten am 18.
Februar 2010
nach Maßgabe des [X.] über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im [X.] in Zivil-
und Handelssachen vom 15.
November 1965 ([X.] 1977 II S.
1452, 1453; im Folgenden [X.]) zugestellt worden. Nachdem der Kläger auf rechtlichen Hinweis des Gerichts seinen Antrag auf Zahlung Zug um Zug gegen Rückgabe der näher
bezeichneten Aktien geändert hat, hat das [X.] durch Urteil vom 22. Juli 2010 die Klage insgesamt abgewiesen. Das Urteil ist der Beklagten durch Aufgabe zur Post zugestellt worden. Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift ist
am 20. Ok-tober 2010 zum Zwecke der Zustellung an die Beklagte zur Post im Inland [X.] worden.
Die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 10. März 2011 ist am 18. Januar 2011 unter der Anschrift der Beklagten zur Post aufgegeben worden. Die Beklagte war im Termin nicht vertreten. Auf Antrag des [X.] hat das Berufungsgericht am 17.
März 2011 Versäumnisurteil erlassen, durch das die Beklagte unter Abänderung des Urteils des [X.]s gesamtschuldne-risch haftend mit dem Beklagten zu 2 zur antragsgemäßen Zahlung an den Kläger Zug um Zug gegen Übergabe im Einzelnen genannter
Aktien
verurteilt worden ist. Das Versäumnisurteil ist am 17. März 2011
im Inland unter der [X.] zur Post aufgegeben worden. Am 17. Juni
2011
erfolgte die
erneute Zustellung an die
Beklagte
im förmlichen [X.]. Die Be-klagte
hat am 28. Juni 2011 Einspruch eingelegt.
Mit
Urteil vom 22.
September
2011
hat das Berufungsgericht
den Einspruch verworfen
und die Revision [X.].
Die Beklagte
begehrt mit ihrem Rechtsmittel
die
Aufhebung der
Urteile des Berufungsgerichts vom 22. September 2011 und die
Wiederherstellung des klagabweisenden Urteils des [X.]s, hilfsweise, die Zurückverweisung des Rechtsstreits
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs-gericht.
-

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-

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der
Einspruch am 28. Juni 2011 gegen das Versäumnisurteil vom 17. März 2011 sei, weil nicht fristgemäß,
ge-mäß §
341 Abs.
1 Satz
2 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die zweiwöchige Einspruchsfrist sei am 14. April 2011 abgelaufen, weil das Versäumnisurteil zwei Wochen nach der Aufgabe zur Post am 17. März 2011, also am 31.
März
2011
als zugestellt
gelte. Gegen die Bestimmung des § 184 ZPO bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch verletze ihre Anwendung nicht das [X.].
Sowohl die Klageschrift als auch die vom Vorsitzenden getroffene Anordnung zur Benennung
eines Zustellungsbevollmächtigten nach §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO seien ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Beklagte habe danach mit Zustellungen durch Aufgabe zur Post im weiteren Verfahren rech-nen müssen. Sie hätte eine rechtzeitige Kenntnisnahme von [X.] Entscheidungen und Rechtsbehelfsmöglichkeiten sicherstellen können.
Die Anordnung nach §
184 ZPO
erfordere
nicht zwingend die Form eines
Gerichtsbeschlusses. Es
genüge die Anordnung des Vorsitzenden. Das Zustel-lungsreformgesetz vom 25.
Juni 2001 ([X.]
I S.
1206), durch das §
184 ZPO an die Stelle des §
174 Abs.
1 ZPO a.F. getreten ist, habe lediglich die in §
20 Nr.
7 RPflG vorgesehene Zuständigkeitsübertragung auf den Rechtspfleger aufgehoben; ein Wille des Gesetzgebers, den gesamten Spruchkörper mit der Entscheidung zu befassen, lasse die Gesetzesbegründung hingegen nicht er-kennen. Da der Vorsitzende auch sonst Zustellungen alleine anordne, sei nicht ersichtlich, warum gerade in Fällen des §
184 Abs.
1 Satz
1 ZPO der Spruch-körper entscheiden müsse.
Auch wenn die Anordnung fehlerhaft wäre, weil sie 3
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5

-

mangels einer Begründung nicht erkennen lasse, weshalb das Gericht sein Er-messen durch die
Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen, ausgeübt
habe, wiege der Fehler nicht so schwer, dass dies zur Nichtigkeit der Anordnung führe. Die Ausführung der Zustellung durch Aufgabe zur Post sei ordnungsgemäß in die Wege geleitet und aktenmäßig dokumentiert worden. Die nochmalige Zustellung des Versäumnisurteils am 17. Juni 2011 habe die bereits verstrichene Einspruchsfrist nicht erneut in Lauf setzen kön-nen.
Ein formell rechtskräftiges Urteil könne durch eine erneute Zustellung sei-ne formelle Rechtskraft nicht verlieren.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
lägen nicht vor. Die Beklagte habe
infolge der Zustellung der Klageschrift und der Anordnung des Vorsitzenden, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen, von zukünftig bevorstehenden Zustellungen Kenntnis gehabt. Dies sei bei der Frage des Verschuldens an der Fristversäumnis zu berücksich-tigen.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hatte
auf den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil gemäß
§
539 Abs. 3, §
341 Abs.
1 Satz
1 ZPO zunächst nur zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und in der ordnungsgemäßen Form und Frist eingelegt worden ist. Da die Beklagte die Einspruchsfrist nicht gewahrt hat, musste der Einspruch gemäß §
539 Abs. 3, §
341 Abs.
1 Satz
2 ZPO ohne Sachprüfung und ohne Rücksicht auf das ordnungsgemäße Zustan-dekommen des Versäumnisurteils verworfen werden ([X.], Beschluss vom 5
6
7
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6

-

5.
März 2007 -
II
ZB
4/06, NJW-RR 2007, 1363 Rn.
9
ff.; [X.]/Pukall, ZPO, 4.
Aufl., §
341 Rn.
1).

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Anordnung, einen Zustel-lungsbevollmächtigten zu benennen, durch den Vorsitzenden der zuständigen Zivilkammer des [X.]s für wirksam erachtet.
Die Regelung des §
184 Abs.
1 Satz 2 ZPO, die eine Zustellung durch Aufgabe zur Post unter der An-schrift des außerhalb des Bundesgebiets und außerhalb des [X.] der Verordnung ([X.]) Nr. 1393/2007 des [X.] und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und au-ßergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-
oder Handelssachen in den Mitgliedstaa-ten ("Zustellung von Schriftstücken") und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1348/2000 ([X.]. 2007 L 327, [X.]; im Folgenden: [X.]) ansässigen Zu-stellungsadressaten erlaubt, ist im Streitfall weder durch völkerrechtliche Ver-einbarungen ausgeschlossen noch verletzt sie Verfahrensgrundrechte der [X.] oder verstößt gegen Art.
6 Abs.
1 [X.]. Rechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zustellung des Versäumnisurteils im Inland durch Aufgabe zur Post für wirksam erachtet hat, obwohl der [X.] und nicht der Spruchkörper
der zuständigen Zivilkammer, die Anord-nung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, getroffen hat. Zur [X.], auf deren Klärungsbedürftigkeit die Zulassung der Revision gestützt worden ist, ob der Vorsitzende der zuständigen Kammer oder der Spruchkörper die An-ordnung nach §
184 Abs.
1 ZPO zu treffen habe, hat sich der erkennende [X.] zwischenzeitlich in mehreren Urteilen gegen die Beklagte umfassend geäu-ßert (vgl. Urteile vom 26. Juni 2012 -
VI
ZR 241/11, [X.], 1499; vom 3. Juli 2012 -
VI
ZR 227/11 und -
VI [X.] sowie vom 17. Juli 2012 -
VI
ZR 222/11, -
VI
ZR 226/11 und -
VI
ZR 288/11). Insoweit wird auf die entsprechen-den Ausführungen in den Urteilsgründen (so -
VI
ZR 226/11, juris Rn.
14 bis 27 8
-

7

-

und -
VI
ZR 288/11, juris Rn.
18 bis 27, vom 18.
September 2012 -
VI
ZR 223/11) zur Vermeidung gleichlautender Wiederholungen Bezug genommen.
3. Die erneute förmliche Zustellung vermag die bereits eingetretene Rechtskraft des Versäumnisurteils nicht zu durchbrechen. Die Anordnung der erneuten
Zustellung lässt die Wirkung der zuvor erfolgten Zustellung gemäß §
184 Abs.
2 ZPO unberührt; sie setzt eine
bereits abgelaufene
Frist nicht nochmals in Lauf (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20.
Oktober 2005 -
IX
ZB 147/01, NJW-RR 2006, 563, 564; vom 20.
November 2006 -
NotZ
35/06, juris Rn.
7; Urteil vom 15.
Dezember 2010 -
XII
ZR 27/09, [X.], 522 Rn.
20; [X.], Beschluss vom 11.
Mai 2011 -
5
W 8/11, NJW-RR 2011, 1631, 1632; [X.], Urteile vom 10.
August 2011 -
I-8
U 3/11, juris Rn.
40 und -
8
U 31/11, NJW-RR 2012, 62, 64).
4. Der Beklagten ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §
233 ZPO zu gewähren. Sie hat keine die Wiedereinsetzung begrün-denden
Tatsachen vorgetragen. Solche sind auch nicht in der [X.], dass von Amts wegen Wiedereinsetzung gemäß §
236 Abs.
2 Satz
2 Halb-satz
2 ZPO gewährt werden müsste (vgl. [X.], Beschluss vom 8.
Dezember 2010 -
XII
ZB 334/10, NJW-RR 2011, 568 Rn.
6
f.). Die Regelung in §
236 Abs.
2 Satz
1 ZPO erfordert, dass
alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung erforderlich sind, innerhalb der [X.] vorge-tragen werden
(Senatsbeschlüsse vom 29.
Januar 2002 -
VI
ZB 28/01, juris Rn.
4; vom 13.
November 2007 -
VI
ZB 19/07, juris Rn.
6; [X.], Beschluss vom

9
10
-

8

-

19.
April 2011 -
XI
ZB 4/10, NJW-RR 2011, 1284 Rn.
7). Fristgerechten
Vortrag zeigt auch die Revision nicht auf.
Galke
Zoll
Wellner

Diederichsen
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.07.2010 -
22 O 470/09 -

O[X.], Entscheidung vom 22.09.2011 -
18 [X.] -

Meta

VI ZR 287/11

25.09.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2012, Az. VI ZR 287/11 (REWIS RS 2012, 2923)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2923

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