6. Kammer | REWIS RS 2023, 1009
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Der Antrag im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO,
unter Änderung der Beschlüsse
vom 06.11.2019 – 9 L 2251/19.A –,
vom 18.11.2019 – 9 L 2378/19.A –,
vom 04.04.2022 – 6 L 429/22.A –,
vom 02.12.2022 – 6 L 1559/22.A – und
vom 07.12.2022 – 6 L 1956/22.A –
die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 6313/19.A gegen die in Ziffer 3. des angefochtenen Bescheids vom 17.10.2019 verfügte Abschiebungsandrohung anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache jederzeit, d. h. ohne Bindung an Fristen, von Amts wegen oder – wie hier – auf Antrag eines Beteiligten, einen Beschluss über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ändern oder aufheben. Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dient nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene formell und materiell richtig ist. Es dient allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist. Soweit – wie hier – ein Beteiligter den Antrag stellt, kann der Antrag nur damit begründet werden, dass sich entscheidungserhebliche Umstände, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, geändert haben oder im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Prozessrechtliche Voraussetzung für die Ausübung der dem Gericht der Hauptsache eröffneten Änderungsbefugnis ist somit eine Änderung der maßgeblichen Umstände, auf die die frühere Entscheidung gestützt war. Liegt eine derartige Änderung nicht vor, ist dem Gericht eine Entscheidung in der Sache verwehrt, weil sie auf eine unzulässige Rechtsmittelentscheidung hinausliefe.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.08.2008 – 2 VR 1.08 –, juris, Rn. 4 ff.
Entscheidungserhebliche Umstände für eine Änderungsentscheidung sind nicht ersichtlich. Geänderte maßgebliche Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 Fall 1 VwGO sind bereits nicht vorgetragen. Insoweit maßgeblich ist eine Änderung der Sach- oder Rechtslage nach Abschluss des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO bzw. des letzten vorangegangenen Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO. Der Antragsteller beruft sich auf zwei undatierte Ladungen zu Musterungen am 27.09. sowie am 09.11.2022. Diese Termine lagen bei Erlass des Beschlusses vom 07.12.2022 – 6 L 1956/22.A – bereits in der Vergangenheit.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller ohne Verschulden gehindert war, diese Gründe im vorangegangenen Verfahren 6 L 1956/22.A geltend zu machen. Gründe, die das Unterlassen des Antragstellers entschuldigen könnten, sind von ihm nicht dargetan. Ausgehend von dem auch im Rahmen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO anwendbaren Verschuldensmaßstab des § 60 Abs. 1 VwGO,
vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.06.2009 – 4 ME 168/09 –, juris, Rn. 4,
sind seinem Vorbringen auch keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die ein Verschulden in Frage stellen könnten. Der Antragsteller muss deutlich machen, wie es zur Versäumung der früheren Geltendmachung gekommen ist. Es ist eine genaue Darstellung aller Umstände erforderlich, die zum Versäumnis geführt haben.
Vgl. Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60, Rn. 118.
Der Antragsteller hat nicht dargelegt, weshalb er die angeblichen Ladungen zu Musterungsterminen nicht bereits im Verfahren 6 L 1956/22.A (oder im Verfahren 6 L 1559/22.A) habe geltend machen können. Insoweit erschöpft sich sein Vortrag vom 28.02.2023 darin, dass er „nunmehr einberufen“ worden sei.
Dies lässt seinen Vortrag im sechsten Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO als gesteigertes Aussageverhalten wenig glaubhaft erscheinen. Doch selbst wenn man zugunsten des Antragstellers unterstellt, er habe auch im Verfahren 6 L 1956/22.A die Ladungsschreiben ohne Verschulden nicht geltend machen können, würde seine Rückkehr in die Russische Föderation für ihn nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Haftstrafe oder einem Einsatz im Strafbataillon und deshalb zu einer Verfolgung nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG, einem ernsthaften Schaden im Sinne von § 4 AsylG oder einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen. Denn massive Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Dokumente stehen einem Erfolg des Eilantrags durchgreifend entgegen.
In der Russischen Föderation ist es möglich, gefälschte Urkunden zu kaufen, wie zum Beispiel Vorladungen oder Haftbefehle. Häufig sind Fälschungen primitiv und leicht zu identifizieren. Die Anzahl der im Asylverfahren vorgelegten Urkunden, die sich als Fälschungen herausgestellt haben, hat in der letzten Zeit erheblich zugenommen.
Vgl. AA, Lagebericht vom 28.09.2022, S. 26.
Vorliegend widersprechen die Ladungsschreiben zu Musterungsterminen bereits dem Vortrag des Antragstellers im Verwaltungsverfahren. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 30.06.2019 hat er erklärt, er habe bereits von 2003 bis 2005 Wehrdienst als Soldat beim Grenzschutz „in der“ Mongolei geleistet. Vor diesem Hintergrund erscheint es völlig unplausibel, dass er „gemäß Föderalgesetz ‚Über die Wehrpflicht und den Militärdienst“ zu einer „Musterung“ erscheinen soll, obwohl er bereits seinen Wehrdienst geleistet hat. Gegen die Echtheit der Ladungen spricht zudem das Alter des laut seinen Angaben am 24.04.1984 geborenen Antragstellers. Denn in der Russischen Föderation besteht eine Wehrpflicht lediglich für Männer im Alter von 18 bis 27 Jahren gemäß § 22 Abs. 1a des Föderalen Gesetzes über militärische Pflichten und Militärdienst.
Vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 01.03.2023 – 6 L 300/22.A –, juris, Rn. 29; AA, Lagebericht vom 28.09.2022, S. 10.
Auch nehmen die vorgelegten Schreiben keinerlei Bezug auf einen Reservistenstatus. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller – wie die Stempelungen auf den Ladungsschreiben suggerieren – wegen Nichterscheinens gemäß Art. 328 des russischen Strafgesetzbuches,
vgl. https://wipolex-res.wipo.int/edocs/lexdocs/laws/en/ru/ru080en.html (engl. Übers.),
strafrechtlich verfolgt wird. Gegen die Echtheit der Musterungsladungen spricht auch, dass diese nicht datiert oder mit einem Aktenzeichen versehen sind und lediglich Name und Straße des Antragstellers handschriftlich eingetragen sind, nicht hingegen sein Wohnort.
Der Antragsteller trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Meta
16.03.2023
Verwaltungsgericht Köln 6. Kammer
Beschluss
Sachgebiet: L
Zitiervorschlag: Verwaltungsgericht Köln, Beschluss vom 16.03.2023, Az. 6 L 391/23.A (REWIS RS 2023, 1009)
Papierfundstellen: REWIS RS 2023, 1009
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 L 1059/22.A (Verwaltungsgericht Münster)
6 L 1862/21.A (Verwaltungsgericht Köln)
Russische Föderation, Inländische Fluchtalternative für Tschetschenen, Gefahr der Rekrutierung im Rahmen der (Teil-)Mobilmachung 2022
Unmenschliche Behandlung durch Einberufung zum Wehrdienst
RO 9 K 17.33769 (VG Regensburg)
Erfolglose Asylklage eines russischen Staatsangehörigen
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