Bundesarbeitsgericht, EuGH-Vorlage vom 05.11.2015, Az. 10 AZB 25/15 (A)

10. Senat | REWIS RS 2015, 2817

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grenzüberschreitende Streitsache - Prozesskostenhilfe - Übersetzungskosten


Leitsatz

Der Senat ersucht den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV um die Beantwortung der folgenden Frage:

Gebietet der Anspruch einer natürlichen Person auf wirksamen Zugang zu den Gerichten bei einer Streitsache mit grenzüberschreitendem Bezug iSd. RL 2003/8/EG (juris: EGRL 8/2003), dass die von der Bundesrepublik Deutschland gewährte Prozesskostenhilfe die vom Antragsteller verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe umfasst, wenn der Antragsteller zugleich mit der Klageerhebung bei dem auch als Empfangsbehörde iSv. Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie zuständigen Prozessgericht Prozesskostenhilfe beantragt und die Übersetzung selbst hat anfertigen lassen?

Tenor

I. Der Senat ersucht den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) um die Beantwortung der folgenden Frage:

Gebietet der Anspruch einer natürlichen Person auf wirksamen Zugang zu den Gerichten bei einer Streitsache mit grenzüberschreitendem Bezug iSv. Art. 1 und Art. 2 der Richtlinie 2003/8/[X.] vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, dass die von der [X.] gewährte Prozesskostenhilfe die vom Antragsteller verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum Antrag auf Prozesskostenhilfe umfasst, wenn der Antragsteller zugleich mit der Klageerhebung bei dem auch als Empfangsbehörde iSv. Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie zuständigen Prozessgericht Prozesskostenhilfe beantragt und die Übersetzung selbst hat anfertigen lassen?

[X.] Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Gründe

1

A. Gegenstand des Ausgangsverfahrens

2

Der anwaltlich vertretene Kläger des Ausgangsverfahrens hat seinen Wohnsitz in der [X.]. Er hat beim [X.] mit [X.] vom 24. September 2013 durch seine Prozessbevollmächtigte eine auf Zahlung rückständigen Arbeitslohns gerichtete Klage gegen die in [X.] ansässige Firma [X.] erheben und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug beantragen lassen. Mit [X.] vom 27. November 2013 beantragte die Prozessbevollmächtigte des [X.] die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf die Kosten für die Übersetzung der Unterlagen zum Nachweis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des [X.]. Am 8. April 2014 gelangte die vom Kläger am 23. September 2013 unterschriebene, in [X.] ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts. Das Erklärungsformular war einschließlich der Erläuterungen und Anlagen von einem in [X.] ansässigen gewerblichen Übersetzungsbüro in die [X.] übersetzt worden. Der Kläger hat zwei an ihn adressierte Rechnungen des Übersetzungsbüros zur Gerichtsakte reichen lassen.

3

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten bewilligt. Die Erstattung der Kosten für die Übersetzung hat es abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].

4

B. Das einschlägige nationale Recht

5

I. Gesetzliche Vorschriften

6

1. Zivilprozessordnung

7

Die §§ 114, 117 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 118 Abs. 1 Satz 4, § 122 Abs. 1 Nr. 3 und §§ 1076, 1078 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) haben in der im Streitfall anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 ([X.]I S. 3202) folgenden Wortlaut:

        

„§ 114 Voraussetzungen

        

(1)     

[X.], die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

        

…       

        
        

§ 117 Antrag

        

(1)     

Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. …

        

(2)     

Dem Antrag sind eine Erklärung der [X.] über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. …

        

§ 1076 Anwendbare Vorschriften

        

Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union nach der Richtlinie 2003/8/[X.] vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen (ABl. [X.] Nr. L 26 S. 41, ABl. [X.] Nr. L 32 S. 15) gelten die §§ 114 bis 127a, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

        

…       

        

§ 1078 Eingehende Ersuchen

        

(1)     

Für eingehende Ersuchen um grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe ist das Prozessgericht oder das Vollstreckungsgericht zuständig. Die Anträge müssen in [X.] ausgefüllt und die Anlagen von einer Übersetzung in die [X.] begleitet sein. Eine Legalisation oder gleichwertige Förmlichkeiten dürfen nicht verlangt werden.

        

…“    

        

8

2. Gerichtsverfassungsgesetz

9

Satz 1 des zuletzt durch das Gesetz vom 19. April 2006 geänderten § 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes ([X.]) in der Fassung vom 9. Mai 1975 lautet:

        

„§ 184 [[X.]]

        

Die [X.] ist deutsch. …“

II. Die nationale Rechtsprechung zur Erstattung von Übersetzungskosten im Prozesskostenhilfeverfahren

Dem bei einem [X.] Prozessgericht gestellten Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe sind die Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO und die entsprechenden Belege gemäß § 184 Satz 1 [X.] grundsätzlich in [X.] beizufügen ([X.] 12. November 2014 - IV ZR 161/14 -). Für das Prozesskostenhilfeverfahren nach §§ 114 ff. ZPO sieht das Gesetz die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor ([X.] 29. Juni 2010 - [X.] 3/09 - Rn. 3). Dieses Verfahren stellt keine „Prozessführung“ im Sinne des § 114 ZPO dar, so dass hierfür keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kosten, die für die Übersetzung der dem [X.] beizufügenden Erklärung und Belege in die [X.] entstehen, ist daher ausgeschlossen ([X.] 12. November 2014 - IV ZR 161/14 - Rn. 2). Erhebt ein Antragsteller mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar bei dem sachlich und örtlich zuständigen [X.] Prozessgericht Klage und stellt er dort zugleich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, finden die §§ 114 bis 127a ZPO unmittelbar Anwendung (vgl. [X.] 12. November 2014 - IV ZR 161/14 - Rn. 1). Er ist damit grundsätzlich so zu stellen wie eine in [X.] lebende Person.

C. Einschlägige Vorschriften des Unionsrechts

In der Richtlinie 2003/8/[X.] vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen ([X.] 2003/8/[X.]; ABl. [X.] L 26 vom 31. Januar 2003 S. 41, ABl. [X.] L 32 vom 7. Februar 2003 S. 15) ist auszugsweise bestimmt:

        

„Artikel 2

        

Grenzüberschreitende Streitsachen

        

(1)     

Eine grenzüberschreitende Streitigkeit im Sinne dieser Richtlinie liegt vor, wenn die im Rahmen dieser Richtlinie Prozesskostenhilfe beantragende [X.] ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des Gerichtsstands oder dem [X.] hat.

        

…       

        

Artikel 7

        

Durch den grenzüberschreitenden Charakter der

        

Streitsache bedingte Kosten

        

Die im Mitgliedstaat des Gerichtsstands gewährte Prozesskostenhilfe umfasst folgende unmittelbar mit dem grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache verbundenen Kosten:

        

…       

        

b)    

Übersetzung der vom Gericht oder von der zuständigen Behörde verlangten und vom Empfänger vorgelegten Schriftstücke, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind; und

        

…       

        
        

Artikel 8

        

Vom Mitgliedstaat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts zu übernehmende Kosten

        

Der Mitgliedstaat, in dem die Person, die Prozesskostenhilfe beantragt hat, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährt die erforderliche Prozesskostenhilfe gemäß Artikel 3 Absatz 2 zur Deckung:

        

a)    

der Kosten für die Unterstützung durch einen örtlichen Rechtsanwalt oder eine andere gesetzlich zur Rechtsberatung ermächtigte Person in diesem Mitgliedstaat, bis der Antrag auf Prozesskostenhilfe gemäß dieser Richtlinie im Mitgliedstaat des Gerichtsstands eingegangen ist;

        

b)    

der Kosten für die Übersetzung des Antrags und der erforderlichen Anlagen, wenn der Antrag auf Prozesskostenhilfe bei den Behörden dieses Mitgliedstaats eingereicht wird.

        

…       

        

Artikel 13

        

Einreichung und Übermittlung der Anträge auf Prozesskostenhilfe

        

(1)     

Anträge auf Prozesskostenhilfe können eingereicht werden: entweder

                 

a)    

bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Antragsteller seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Übermittlungsbehörde), oder

                 

b)    

bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats des Gerichtsstands oder des [X.]s (Empfangsbehörde).

        

(2)     

Anträge auf Prozesskostenhilfe sind auszufüllen und die beigefügten Anlagen zu übersetzen

                 

a)    

in der bzw. die Amtssprache oder einer bzw. eine der Amtssprachen des Mitgliedstaats der zuständigen Empfangsbehörde, die zugleich einer der Amtssprachen der Europäischen Gemeinschaft entspricht; oder

                 

b)    

in einer anderen bzw. eine andere Sprache, mit deren Verwendung sich dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 14 Absatz 3 einverstanden erklärt hat.

        

…       

        
        

(4)     

Die zuständige Übermittlungsbehörde unterstützt den Antragsteller, indem sie dafür Sorge trägt, dass dem Antrag alle Anlagen beigefügt werden, die ihres Wissens zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind. Ferner unterstützt sie den Antragsteller gemäß Artikel 8 Buchstabe b bei der Beschaffung der erforderlichen Übersetzung der Anlagen.

                 

Die zuständige Übermittlungsbehörde leitet der zuständigen Empfangsbehörde in dem anderen Mitgliedstaat den Antrag innerhalb von 15 Tagen nach Erhalt des in einer der Amtssprachen gemäß Absatz 2 ordnungsgemäß ausgefüllten Antrags und der beigefügten, erforderlichenfalls in eine dieser Amtssprachen übersetzten Anlagen zu.

        

…       

        
        

(6)     

Für die nach Absatz 4 erbrachten Leistungen dürfen die Mitgliedstaaten kein Entgelt verlangen. …“

D. Entscheidungserheblichkeit und Erläuterung der Vorlagefrage

I. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde des in der [X.] wohnhaften [X.] hängt von der Beantwortung der Vorlagefrage ab. Der Rechtsbeschwerde wäre nur dann stattzugeben, wenn die §§ 114 ff. ZPO unionsrechtskonform dahingehend auszulegen sind, dass die vom Antragsteller verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum [X.] von der in der Bundesrepublik [X.] gewährten Prozesskostenhilfe umfasst sind. Anderenfalls wäre die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Der Senat vermag nicht mit der für ein letztinstanzliches Gericht gebotenen Sicherheit zu beurteilen, ob er im vorliegenden Fall aufgrund der im nationalen Recht geltenden Grundsätze die Erstreckung der Prozesskostenhilfebewilligung auf die vom Antragsteller verauslagten Übersetzungskosten ablehnen kann.

1. Die §§ 1076 ff. ZPO, die durch das [X.]-Prozesskostenhilfegesetz vom 15. Dezember 2004 ([X.]I S. 3392) zur Umsetzung der [X.] 2003/8/[X.] in die Zivilprozessordnung eingefügt wurden und die vor den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 13a Arbeitsgerichtsgesetz Anwendung finden, sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig; insoweit gelten vielmehr grundsätzlich keine Besonderheiten gegenüber den §§ 114 ff. ZPO (vgl. MüKoZPO/[X.] 4. Aufl. § 1078 Rn. 2). Abgesehen davon sieht § 1078 ZPO die Übernahme der Kosten für die Übersetzung des Antrags und der Anlagen in die [X.] durch die Bundesrepublik [X.] nicht vor. § 1078 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auf die Behandlung von aus dem [X.]-Ausland in [X.] eingehenden Ersuchen zugeschnitten und bestimmt - in Übereinstimmung mit § 117 ZPO - das ([X.]) Prozess- oder Vollstreckungsgericht als zuständige Empfangsbehörde iSd. Art. 14 Abs. 1 [X.] 2003/8/[X.]. Bei dieser Empfangsbehörde muss der Antrag in [X.] ausgefüllt eingehen und es müssen die Anlagen von einer Übersetzung in die [X.] begleitet sein (§ 1078 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das Gericht entscheidet sodann über den Antrag unter Anwendung [X.] Rechts (§ 1078 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und unterrichtet die ausländische Übermittlungsstelle durch Übersendung einer Abschrift seiner Entscheidung (§ 1078 Abs. 2 Satz 2 ZPO), deren Übersetzung nicht vorgeschrieben ist.

2. Unter Anwendung des [X.] Rechts ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Kosten, die dem Kläger für die Übersetzung der dem [X.] beizufügenden Erklärung und Anlagen in die [X.] entstanden sind, ausgeschlossen. Da die Übersetzung dieser Unterlagen nicht zur anwaltlichen Beratung und Vertretung im Klageverfahren, sondern zur Ermittlung des Sachverhalts im davon getrennten Prozesskostenhilfeverfahren dient und für den Kläger die Möglichkeit bestanden hat, den [X.] in seiner Muttersprache in der [X.], dem Mitgliedstaat seines Wohnsitzes, zu stellen, bestehen gegen die Ablehnung der Kostenerstattung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Zugang zu den Gerichten wird hierdurch nicht in rechtsstaatswidriger Weise (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) beschränkt. Der Kläger wäre gemäß Art. 8 Buchst. b [X.] 2003/8/[X.] von den Übersetzungskosten für den [X.] und die Anlagen entlastet worden, wenn er den Antrag bei der in seinem Heimatland zuständigen Behörde gestellt hätte. Der Umstand, dass dem Kläger - wie er behauptet - keine Auskunft über die Möglichkeit der Beantragung von grenzüberschreitender Prozesskostenhilfe in der [X.] erteilt wurde, ändert daran nichts. Auch die unionsrechtlichen Gewährleistungen entbinden einen Rechtsuchenden nicht von der Einhaltung der ihn treffenden Sorgfaltspflicht, sich vor einem von ihm selbst in Gang gesetzten Verfahren umfassend über die Möglichkeiten einer öffentlichen Förderung zu informieren. Dies war dem Kläger schon deshalb zuzumuten, weil er bereits anwaltlich vertreten war.

3. Es ist jedoch nicht hinreichend klar, ob das Unionsrecht der Heranziehung der im nationalen Recht geltenden Grundsätze entgegensteht.

a) Der Anwendungsbereich der [X.] 2003/8/[X.] ist eröffnet. Der [X.] betrifft eine zivilrechtliche Streitsache mit grenzüberschreitendem Bezug iSv. Art. 2 Abs. 1 [X.] 2003/8/[X.], weil der Kläger mit Wohnsitz in der [X.] vor einem [X.] Gericht eine Zahlungsklage erhoben hat.

b) Nach Art. 8 Buchst. b [X.] 2003/8/[X.] gewährt der Mitgliedstaat, in dem die Person, die Prozesskostenhilfe beantragt hat, die erforderliche Prozesskostenhilfe zur Deckung der Kosten für die Übersetzung des Antrags und der erforderlichen Anlagen, wenn der Antrag auf Prozesskostenhilfe bei den Behörden dieses Mitgliedstaats eingereicht wird. Art. 13 Abs. 1 [X.] 2003/8/[X.] eröffnet allerdings die Möglichkeit, den Antrag entweder dort einzureichen oder bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats des Gerichtsstands. Der [X.] 2003/8/[X.] ist nach Auffassung des Senats nicht mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen, ob und ggf. inwieweit der Mitgliedstaat des Gerichtsstands die Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum [X.] zu übernehmen hat, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Antrag gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. b [X.] 2003/8/[X.] unmittelbar bei dem auch als Empfangsbehörde zuständigen Prozessgericht zugleich mit der Klageerhebung gestellt wird und der Antragsteller die Übersetzungen hat anfertigen lassen. Die Frage ist auch nicht bereits geklärt.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (22. Dezember 2010 - [X.]/09 - Rn. 60, Slg. 2010, [X.]) hat [X.] zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe eine Beschränkung des Rechts auf Zugang zu den Gerichten darstellen, die dieses Recht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigen, ob sie einem legitimen Zweck dienen und ob die angewandten Mittel in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen.

(1) Der Kläger hatte objektiv die Möglichkeit, in der [X.], dem Mitgliedstaat seines Wohnsitzes, in seiner Muttersprache Prozesskostenhilfe für den in [X.] geführten Rechtsstreit zu beantragen. Der Einwand, bei einer Antragstellung in der [X.] wäre er infolge des zu erwartenden Zeitverzugs um „mehrere Wochen bis Monate“ Gefahr gelaufen, dass seine Ansprüche verjähren oder aufgrund der in seinem Arbeitsvertrag vereinbarten Ausschlussfrist verfallen, ist unzutreffend. Der Kläger hat bei dem zuständigen Prozessgericht, dem [X.], mit [X.] vom 24. September 2013 nicht nur Prozesskostenhilfe beantragt, sondern zugleich eine unbedingte Klage auf Zahlung des rückständigen Arbeitslohns erhoben. Hiermit hatte er zur Fristwahrung bereits alles Erforderliche getan. Durch die Anbringung des [X.]s in der [X.] hätten sich für ihn keine Rechtsnachteile ergeben. Überdies gilt für die Übermittlungsbehörde die in Art. 13 Abs. 4 Unterabs. 2 [X.] 2003/8/[X.] genannte Frist zur Zuleitung des ordnungsgemäß ausgefüllten Antrags und der beigefügten, übersetzten Anlagen an die zuständige Empfangsbehörde in dem anderen Mitgliedstaat.

(2) Die Nichterstreckung der dem Kläger bewilligten Prozesskostenhilfe auf die von ihm verauslagten Kosten für die Übersetzung der Erklärung und der Anlagen zum [X.], den er zugleich mit der Klageerhebung gestellt hat, dient dem legitimen Ziel der Entlastung der Staatskasse des Mitgliedstaats des Gerichtsstands von Kosten, die bei Inanspruchnahme einer nach unionsrechtlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Antragstellung von einem anderen Mitgliedstaat zu tragen sind. In Art. 8 [X.] 2003/8/[X.] kommt zum Ausdruck, dass der Mitgliedstaat des Wohnsitzes für diese Leistung zugunsten seiner Staatsbürger aufzukommen hat.

(3) Ein solches Verständnis der Richtlinie steht auch in einem angemessenen Verhältnis zu deren Hauptziel, die Anwendung der Prozesskostenhilfe in Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug für Personen zu fördern, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten (vgl. Abs. 5 der Erwägungsgründe der Richtlinie). Dem Grenzgänger wird es häufig sogar leichter fallen, in seinem Heimatland den Antrag zu stellen, weil insoweit auch keine Sprachbarrieren bestehen. Der Antragsteller wird gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 [X.] 2003/8/[X.] durch die in seinem Wohnsitzstaat zuständige Übermittlungsbehörde auch bei der Beschaffung der erforderlichen Übersetzung der Anlagen unterstützt. Ein Entgelt für diese Leistungen dürfen die Mitgliedstaaten nicht verlangen (Art. 13 Abs. 6 Satz 1 [X.] 2003/8/[X.]).

bb) Ob dieses Verständnis zutrifft, betrifft die Auslegung des Unionsrechts, die nach Art. 267 A[X.]V dem Gerichtshof obliegt.

        

    Linck    

        

    Schlünder    

        

    Brune    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

10 AZB 25/15 (A)

05.11.2015

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Zwickau, 8. April 2014, Az: 6 Ca 1711/13, Beschluss

Art 267 AEUV, Art 2 EGRL 8/2003, Art 7 EGRL 8/2003, Art 8 EGRL 8/2003, Art 13 EGRL 8/2003, § 114 ZPO, § 117 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, EuGH-Vorlage vom 05.11.2015, Az. 10 AZB 25/15 (A) (REWIS RS 2015, 2817)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2817

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 AZB 25/15 (Bundesarbeitsgericht)

Prozesskostenhilfe - Streitsache mit grenzüberschreitendem Bezug


10 AZB 24/15 (Bundesarbeitsgericht)


10 AZB 22/15 (Bundesarbeitsgericht)


VIII ZR 229/17 (Bundesgerichtshof)

Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union: Stellung des Antrags auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe beim deutschen Prozessgericht; …


VIII ZR 229/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZA 3/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.