Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.06.2009, Az. IX ZB 196/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2834

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[X.][X.]/08 vom 25. Juni 2009 In dem [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja[X.] § 295 Abs. 1 Nr. 2 Der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs in der Wohlverhal-tensphase stellt keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners dar. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2009 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] am 25. Juni 2009 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 18. Juli 2008 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] In dem im August 2000 eröffneten Insolvenzverfahren hat das Insolvenz-gericht der Schuldnerin am 13. Juni 2001 die Restschuldbefreiung angekündigt. Während der Wohlverhaltensphase verstarb am 5. Dezember 2004 der Vater der Schuldnerin. Er hinterließ ein gemeinschaftliches Testament mit deren Mut-ter. Danach setzten sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben ein. Der Ü-berlebende sollte von den drei Kindern beerbt werden. Bei Verlangen des Pflichtteils nach dem Tod des [X.] sollte der Abkömmling von der Erbfolge ausgeschlossen sein. Die Schuldnerin machte ihren Pflichtteilsan-spruch nicht geltend. 1 - 3 - Am 30. November 2005 stellte die Gläubigerin Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verstoßes gegen die Obliegenheit, die Hälfte des Wertes des von Todes wegen erworbenen Vermögens an den Treuhänder ab-zuführen. Dieser Antrag hatte im ersten Rechtszug Erfolg. Das [X.] hat die Entscheidung des Insolvenzgerichts abgeändert und den [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubi-gerin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung weiter. 2 I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 296 Abs. 3 Satz 1 [X.] statthafte und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist unbegründet. 3 1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in [X.] 2008, 450 (dort fälschlich als rechtskräftig bezeichnet) veröffentlicht ist, meint, aus § 83 Abs. 1 [X.] sei die eindeutige Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass allein der Schuldner über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder ei-nes Vermächtnisses oder die Geltendmachung eines Pflichtteils zu entscheiden habe. Hieraus sei der Schluss zu ziehen, dass dies auch in der Wohlverhal-tensphase so sei. Zwar gehöre der Pflichtteilsanspruch des Schuldners auf-schiebend bedingt durch seine vertragliche Anerkennung oder Rechtshängigkeit zur Insolvenzmasse. An der Zuständigkeit des Pflichtteilsberechtigten für die Frage der Geltendmachung ändere sich hierdurch jedoch nichts. Es stelle [X.] auch keine Obliegenheitsverletzung dar, wenn der Schuldner die [X.] ablaufen lasse und damit stillschweigend auf den Anspruch verzichte. 4 - 4 - 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand. 5 a) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag ei-nes Gläubigers, wenn der Schuldner während der Laufzeit der [X.] eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der [X.] beeinträchtigt (§ 296 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]). Nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.] obliegt es dem Schuldner, während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen, das er von Todes wegen erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben. 6 b) Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht erfüllt. Eine Obliegenheit, den Pflichtteilsanspruch nach dem Tod ihres [X.] in der Wohlverhaltensphase geltend zu machen und die Hälfte des dadurch erworbenen Betrags an den Treuhänder abzuführen, traf die [X.] nicht. 7 [X.]) Der Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 BGB) entsteht mit dem Erb-fall (§ 2317 Abs. 1, § 1922 Abs. 1 BGB). Von diesem [X.]punkt an gehört er zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten ([X.] 123, 183, 187; [X.], Urt. v. 6. Mai 1997 - [X.] ZR 147/96, [X.], 1302; Beschl. v. 18. Dezember 2008 - [X.] ZB 249/07, Z[X.] 2009, 299, 300 Rn. 14). Nach § 852 Abs. 1 ZPO ist er allerdings der Pfändung nur unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Diese Vorschrift steht einer Pfändung jedoch nicht entgegen. Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] kann der Pflichtteilsanspruch bereits vor der vertraglichen Anerkennung oder Rechtshän-gigkeit als in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter An-spruch gepfändet werden ([X.] 123, 183, 185 ff; [X.], Urt. v. 6. Mai 1997 8 - 5 - - [X.] ZR 147/96, [X.]O). Alles pfändbare Vermögen, das dem Schuldner zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens [X.], wird vom Insolvenzverfahren erfasst und gehört zur Insolvenzmasse (HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 83 Rn. 3). Dass nicht der Verwalter, sondern nur der pflichtteilsberechtigte Schuldner über die Geltendmachung des [X.] zu entscheiden hat, ändert nichts an der Zugehörigkeit des Anspruchs zur Masse. Für die Wohlverhaltensphase gilt, dass der Pflichtteilsanspruch als "Er-werb von Todes wegen" im Sinne des § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.] anzusehen ist und Neuerwerb in diesem Abschnitt des Verfahrens darstellt, wenn der Erbfall nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eintritt. Diesen muss der Schuldner zur Hälfte an den Treuhänder abführen, wenn er den Anspruch rechtshängig macht oder ein Anerkenntnis vorliegt. Dies entspricht der Begründung des [X.] zu § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.] (BT-Drucks. 12/2443 [X.]). Dort wird ausdrücklich auf § 1374 Abs. 2 BGB hingewiesen. Nach dieser Vorschrift fällt auch ein Pflichtteilsanspruch in das Vermögen, das von Todes wegen erworben wird ([X.]/Brudermüller, [X.]. § 1374 Rn. 10; für die Wohlverhal-tensphase MünchKomm-[X.]/Ehricke, 2. Aufl. § 295 Rn. 57, entgegen [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 295 Rn. 24). 9 bb) Die Frage, ob es zu den Obliegenheiten des Schuldners gehört, eine in der Wohlverhaltensphase anfallende Erbschaft nicht auszuschlagen und ei-nen Pflichtteilsanspruch, der in diesem [X.]raum anfällt, zu verfolgen, ist um-stritten. Der [X.] hat sie bislang nicht entschieden. 10 - 6 - (1) Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung wird die Frage ver-neint, weil es in der alleinigen persönlichen Entscheidungsmacht des [X.] liege, ob er eine Erbschaft annehme oder ausschlage. Die entsprechende Befugnis werde ihm im eröffneten Verfahren durch § 83 Abs. 1 [X.] verliehen. In der Wohlverhaltensphase könnten ihn deshalb auch keine weitergehenden Pflichten treffen. Der Verzicht auf einen Pflichtteil bedeute ebenso wenig eine Obliegenheitsverletzung wie die Ausschlagung einer Erbschaft ([X.]/ [X.], [X.] § 295 Rn. 5; FK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 295 Rn. 42; Graf-Schlicker/[X.], [X.] § 295 Rn. 10; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 295 Rn. 14; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 295 Rn. 10; MünchKomm-[X.]/ [X.], [X.]O § 83 Rn. 4; MünchKomm-[X.]/Ehricke, [X.]O § 295 Rn. 64; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O § 295 Rn. 26 f; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 295 Rn. 34 f; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.] § 295 Rn. 19b; Messner [X.] 2004, 433, 434, 439; Döbereiner, [X.] nach der Insolvenzordnung, 1997 S. 166; [X.] in [X.] zur Insol-venzordnung, 2. Aufl. S. 1742 Rn. 183; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, [X.] der Insolvenzverwaltung, § 17 Rn. 142; vgl. LG Mainz [X.] 2003, 362 für die entsprechend gelagerte Problematik der Ausschlagung im eröffneten [X.]). Nach einer Mindermeinung sollen die Ausschlagung einer Erbschaft und der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs dagegen Obliegenheitspflichtverletzungen gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sein, weil es zu den Pflichten des Schuldners gehöre, zumindest einen Teil der Erbschaft seinen Gläubigern zugänglich zu machen ([X.] in [X.], [X.] im Umbruch, 1991 S. 127, 131 f; [X.] KTS 2003, 41, 64 ff; [X.] Z[X.] 2002, 176, 178 f). 11 (2) Der Senat hat die Frage bisher offen gelassen. In seinem Beschluss vom 18. Dezember 2008 ([X.]O) ist das Problem nicht entscheidungserheblich 12 - 7 - gewesen. Dort war - im Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt - der Erbfall während des eröffneten Verfahrens eingetreten. Der Gläubiger hatte seinen Versagungsantrag zwar auch auf § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gestützt. Der Senat musste die Streitfrage aber nicht entscheiden, weil der Pflichtteilsanspruch nicht gleichzeitig zur Insolvenzmasse und zum Neuerwerb in der [X.] gehören konnte. Ein Versagungsantrag im Schlusstermin war nicht gestellt worden, so dass die Frage eines Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten im er-öffneten Verfahren (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.]) offen bleiben konnte. ([X.]) Im vorliegenden Fall gehört der Pflichtteilsanspruch der Schuldnerin zum Neuerwerb in der Wohlverhaltensphase. Damit stellt sich die Frage nach der Obliegenheitsverletzung. Nach Ansicht des Senats ist sie zu verneinen. Der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs in der Wohlverhal-tensphase stellt - ebenso wie die Ausschlagung der Erbschaft oder der Verzicht auf ein Vermächtnis - keine Obliegenheitsverletzung dar. Der Halbteilungs-grundsatz des § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.] greift erst ein, wenn der Schuldner die Erbschaft angenommen oder den Pflichtteilsanspruch rechtshängig gemacht hat oder dieser anerkannt ist. 13 Zwar kann dem Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig entnommen wer-den, ob den Schuldner in der Wohlverhaltensphase die Obliegenheit trifft, eine Erbschaft nicht auszuschlagen oder einen Pflichtteilsanspruch gelten zu ma-chen. Sinn und Zweck der Vorschrift verbieten es aber, dem Schuldner eine entsprechende Pflicht aufzuerlegen. Die Regelung soll den Schuldner davon abhalten, durch Ausschlagung der Erbschaft oder in anderer Weise dafür zu sorgen, dass ihm das betroffene Vermögen während der Wohlverhaltensphase gar nicht zufällt (BT-Drucks. [X.]O). Gehörte es nach den Vorstellungen des [X.] zu den Obliegenheiten des Schuldners, in der Wohlverhaltensphase 14 - 8 - eine Erbschaft nicht auszuschlagen und Pflichtteilsansprüche geltend zu ma-chen, hätte es einer entsprechenden Regelung nicht bedurft. Die Halbteilung und der mit ihr bezweckte Anreiz, die Erbschaft nicht auszuschlagen und keine Maßnahmen zu treffen, um Erwerb von Todes wegen in der Wohlverhaltens-phase nicht anfallen zu lassen, hätten dann keinen Sinn. Der Gesetzgeber ist somit auch für die Wohlverhaltensphase von der vollen Dispositionsbefugnis des Schuldners ausgegangen, wie sie im eröffneten Verfahren im [X.] an die frühere Bestimmung des § 9 KO in § 83 [X.] gesetzlich geregelt ist. Die Entscheidung über die Erbausschlagung und die Geltendmachung eines Pflicht-teils ist auch in der Wohlverhaltensphase höchstpersönlicher Natur und fällt nicht unter die Obliegenheiten des Schuldners aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. bb) Der persönliche Charakter des Ausschlagungsrechts ([X.]/ [X.], BGB [Neubearb. 2000] § 1942 Rn. 14 f; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O § 83 Rn. 4), der auf den besonderen Beziehungen des Erben zum Erblas-ser beruht, ist auch in der Wohlverhaltensphase zu beachten. Er darf nicht durch einen mittelbaren Zwang zur Annahme der Erbschaft oder Geltendma-chung des Pflichtteils unterlaufen werden, der sich ergeben würde, wenn man 15 - 9 - schon die Erbausschlagung selbst oder den Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteils als Obliegenheitspflichtverletzung im Sinne des § 295 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ansähe. [X.] [X.] Pape [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.11.2007 - II 1 IK 1/00 - [X.], Entscheidung vom 18.07.2008 - 5 T 20/08 -

Meta

IX ZB 196/08

25.06.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.06.2009, Az. IX ZB 196/08 (REWIS RS 2009, 2834)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2834

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