Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.01.2019, Az. 25 W (pat) 55/17

25. Senat | REWIS RS 2019, 11436

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "BANK FININVEST (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)/FININVEST (Unionswortmarke)" – zur Vorlage einer Vollmacht für einen Inlandsvertreter - Dienstleistungsidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – unmittelbar klangliche Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die [X.] 1 113 370

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 16. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 Internationale Markenregistrierung des [X.] vom 22. Januar 2015 und vom 14. Februar 2017 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 008 151 664 in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 36 der angegriffenen Marke zurückgewiesen worden ist. Wegen dieses Widerspruchs wird der Schutz suchenden [X.] 1 113 370 der Schutz in der [X.] auch im Übrigen, nämlich in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 36, verweigert.

Gründe

I.

1

Das am 21. Februar 2012 unter der Nummer 1 113 370 international registrierte Wort-/Bildzeichen

Abbildung

2

begehrt Schutz für die [X.] für die folgenden Dienstleistungen:

3

[X.]:

4

Commercial information agencies; cost price analysis; auditing; computerized file management; accounting; invoicing; marketing studies; business information; [X.] [consumer advice shop]; [X.]; marketing research; business management and organization consultancy; personnel management consultancy; business organization consultancy; business management consultancy; professional business consultancy; organization of exhibitions for commercial or advertising purposes; business appraisals; payroll preparation; data search in computer files for others; sponsorship search; business management assistance; commercial or industrial management assistance; economic forecasting; document reproduction; compilation of statistics; compilation of information into computer databases; business inquiries; systemization of information into computer databases; tax preparation; drawing up of statements of accounts; commercial administration of the licensing of the goods and services of others; administrative processing of purchase orders; price comparison services; outsourcing services [business assistance]; efficiency experts;

5

[X.]:

6

Credit bureaux; debt collection agencies; real estate agencies; financial analysis; hire-purchase financing; [X.]; [X.]; issuing of travellers' checks [cheques]; issuance of credit cards; issue of tokens of value; capital investments; insurance information; financial information; clearing, financial; insurance consultancy; financial consultancy; stock exchange quotations; financial management; exchanging money; debit card services; credit card services; home banking; factoring; organization of collections; antique appraisal; [X.]; [X.]; real estate appraisal; numismatic appraisal; [X.]; financial evaluation [insurance, banking, real estate]; repair costs evaluation [financial appraisal]; electronic funds transfer; bail-bonding; stocks and bonds brokerage; real estate brokers; [X.]; loans [financing]; [X.]; check [cheque] verification; charitable fund raising; financial sponsorship; mortgage banking; instalment loans; accident [X.]; [X.]; [X.]; [X.]; life [X.]; marine [X.]; [X.]; banking; retirement payment services; fiduciary; mutual funds; financing services; safe deposit services; deposits of valuables; fiscal assessments.

7

Gegen die Schutzgewährung für die international registrierte Marke in [X.] hat die Widersprechende aus ihrer seit dem 24. September 2009 für die Waren und Dienstleistungen

8

Klasse 9:

9

Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, [X.], Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte;

Klasse 16:

Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; [X.]; Pinsel; Schreibmaschinen- und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Drucklettern; Druckstöcke;

[X.]:

Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;

[X.]:

Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen;

Klasse 38:

Telekommunikation;

Klasse 41:

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten

eingetragenen Unionsmarke 008 151 664

[X.]

Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für [X.] Internationale Markenregistrierung des [X.] hat mit Beschluss vom 22. Januar 2015 zunächst die Gefahr der Verwechslung im Sinne der §§ 124, 119 Abs. 1, 116 Abs. 1, 125b, 114, 43 Abs. 2 Satz 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zwischen den sich gegenüberstehenden Marken insgesamt verneint. Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle dann mit Beschluss vom 14. Februar 2017 die Verwechslungsgefahr im Umfang aller Dienstleistungen der [X.] der angegriffenen [X.] bejaht und den Schutz der angegriffenen [X.] in diesem Umfang verweigert und den Widerspruch in Bezug auf die Dienstleistungen der [X.] der angegriffenen Marke im Übrigen zurückgewiesen.

Dabei geht die Markenstelle IR für [X.] davon aus, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die Dienstleistungen der [X.], anders als für die Dienstleistungen der [X.], als unterdurchschnittlich anzusehen sei. Denn der Widerspruchsbegriff „Fininvest“ beinhalte mit dem Wortbestandteil „Invest“ die Abkürzung für „Investment“ bzw. das [X.] Verb „to invest“ im Sinn von „investieren“ und damit einen Fachbegriff aus dem Bankwesen. Der Wortbestandteil „Fin“ wiederum sei im Zusammenhang mit den einschlägigen Dienstleistungen eine Abkürzung für „final, Finale“, „[X.]“ oder „finanziell“. In der Zusammenstellung könne die Widerspruchsbezeichnung [X.] daher als „finanzielles Investment; finales Investment, schlaues Investment“ oder „Investment für [X.]“ verstanden werden. Somit sei die Bezeichnung im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der [X.] Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen der Widerspruchsmarke beschreibend, da es bei diesen Dienstleistungen jedenfalls auch um „Kapitalanlagen“ gehe. Die sich in der [X.] gegenüberstehenden Dienstleistungen seien identisch. In der Gesamtheit würden sich die [X.] bereits angesichts des in der angegriffenen Marke vorhandenen Wortes „Bank“ sowie deren grafischen Ausgestaltung in jeder Hinsicht hinreichend deutlich unterscheiden. Auch werde der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebliche Gesamteindruck der mehrgliedrigen jüngeren Marke nicht durch den Markenbestandteil „[X.]“ allein geprägt. Zwar sei der Wortbestandteil „Bank“ für die Dienstleistungen des Finanzsektors, des [X.] und solche im Zusammenhang mit Immobilienkäufen als weitere Geschäftszweige einer Bank glatt beschreibend. Dies würde vorliegend aber nicht zu einer Prägung der jüngeren angegriffenen Marke durch den weiteren Wortbestandteil „[X.]“ führen, weil es sich bei diesem für die maßgeblichen Dienstleistungen der [X.] ebenso um eine beschreibende Angabe handele. Die [X.] und [X.] stünden gleichwertig nebeneinander und die angesprochenen Verbraucher hätten keinerlei Veranlassung, die jüngere Marke bei der klanglichen Wiedergabe auf nur einen der Bestandteile zu verkürzen. Insoweit würden sich die Zeichen „[X.] [X.]“ und „[X.]“ gegenüberstehen, die klanglich nicht zu verwechseln seien. Unter Berücksichtigung einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und mangelnder Ähnlichkeit der Zeichen sei selbst für die im Identitätsbereich der [X.] liegenden Dienstleistungen der [X.] der angegriffenen Marke keine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu befürchten. Nach Auffassung der Markenstelle bestehe auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation. Denn die Widerspruchsmarke [X.] werde zwar identisch in die jüngere Marke aufgenommen, sie stehe dort aber nicht neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen der Inhaberin der jüngeren Marke und habe angesichts der festgestellten Kennzeichnungsschwäche in Bezug auf die Dienstleistungen der [X.] auch keine selbstständig kennzeichnende Stellung inne.

Hiergegen richtet sich die mit Schreiben vom 13. März 2017 erhobene Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, dass auch hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der [X.] die Gefahr von Verwechslungen bestehe. Unstreitig sei von einer Identität der sich in der [X.] gegenüberstehenden Dienstleistungen der [X.] auszugehen. Auch könne der Markenstelle dahingehend gefolgt werden, dass das Wort [X.] als glatt beschreibende Angabe bei der Wahrnehmung der angegriffenen Marke durch die Verbraucher in den Hintergrund trete. Anders als die Markenstelle meine, sei aber das weitere Markenwort [X.] in der visuellen Wahrnehmung der Marke nicht zu vernachlässigen. Dieser Wortbestandteil der Marke sei vielmehr das kennzeichnende und prägende Element des Zeichens, nachdem auch das Bildelement der jüngeren Marke keinerlei Originalität aufweise. In diesem die jüngere Marke dominierendem Bestandteil würden die [X.] identisch übereinstimmen. Die Zeichen seien insoweit klanglich identisch und visuell hochgradig ähnlich. Sofern [X.] als Wortneuschöpfung der Abkürzungen [X.] für Finanz- oder finanziell und [X.] für Investment oder investieren verstanden werde, seien die [X.] auch begrifflich identisch.

Eine Verwechslungsgefahr sei aber auch dann gegeben, wenn mit der Markenstelle von einer schwachen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werde. Denn der Widerspruchsmarke dürfe der Schutz nicht insgesamt verweigert werden, es bestehe eine Bindung an die Eintragung. Soweit bei der Bezeichnung [X.] von einer beschreibenden Angabe ausgegangen werde, würde sich die angegriffene jüngere Marke dieser beschreibenden Angabe auf die gleiche Art und Weise annähern. Ein angemessen aufmerksamer Verbraucher werde sich die angegriffene Marke mit dem Wort [X.] merken. Werde er dann zu einem späteren Zeitpunkt auf die Widerspruchsmarke treffen, so werde er diese ohne weiteres mit der angegriffenen Marke verwechseln, weil der Unterschied auch im Schriftbild nur so geringfügig sei, dass ihn das angesprochene Publikum auch bei erhöhter Aufmerksamkeit nicht wahrnehmen würde. Wenn vorliegend von einer fehlenden Verwechslungsgefahr ausgegangen werde, würde das dazu führen, dass der Widerspruchsmarke nahezu jeglicher Schutzbereich abgesprochen werde, was angesichts der bestehenden Eintragung unzulässig sei.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für [X.] Internationale Markenregistrierung des [X.] vom 22. Januar 2015 und vom 14. Februar 2017 aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Unionsmarke 008 151 664 zurückgewiesen worden ist und wegen dieses Widerspruchs den Schutz der angegriffenen [X.] auch hinsichtlich der Dienstleistungen der [X.] zu verweigern.

Die Widersprechende hat hilfsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Markeninhaberin, der die Beschwerde und die Beschwerdebegründung durch Zustellung an ihre bisherige im [X.] beauftragte [X.] am 12. Juni 2017 zugegangen war, hat im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen und keinen Antrag gestellt.

Die bisherigen [X.]n der Markeninhaberin haben mit Schreiben vom 13. Juni 2017 mitgeteilt, dass sie die anwaltliche Vertretung der in [X.] ansässigen Anmelderin im Beschwerdeverfahren nicht übernehmen und einen in [X.] ansässigen Vertreter benannt. Mit Schreiben vom 30. August 2017 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Markeninhaberin am Verfahren vor dem [X.] nur teilnehmen kann, wenn sie einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Vertreter bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentgericht befugt und bevollmächtigt ist. Gleichzeitig hat der Senat mitgeteilt, dass auch ohne Beauftragung eines zur Vertretung befugten Anwalts und ohne Mitwirkung oder Beteiligung der Inhaberin der angegriffenen Marke das [X.] durchgeführt werden kann.

Die Markeninhaberin hat im bisherigen Beschwerdeverfahren keinen in [X.] oder im [X.] Wirtschaftsraum ansässigen Rechts- oder Patentanwalt mit ihrer Vertretung im [X.] beauftragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für [X.], das Schreiben des Senats vom 30. August 2018 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der [X.] eine Verwechslungsgefahr nach §§ 125b Nr. 1 [X.], 119, 124, 114, 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.], so dass der international registrierten jüngeren Marke der Schutz auch insoweit und damit insgesamt zu verweigern war, §§ 114 Abs. 3 i. V. m. 43 Abs. 2 Satz 1 [X.].

1. Eine Entscheidung in der Sache konnte ergehen, auch wenn die Beschwerdegegnerin und Markeninhaberin keinen Inlandsvertreter gemäß § 96 Abs. 1 [X.] für das Beschwerdeverfahren bestellt hat. Nach § 96 Abs. 1 [X.] benötigt jeder, der an einem im [X.] geregelten Verfahren vor dem [X.] teilnimmt, einen Inlandsvertreter, sofern er im Inland weder einen Wohnsitz, Sitz noch eine Niederlassung hat. Das trifft für die in [X.]/ [X.] ansässige Markeninhaberin zwar zu, nachdem ihre bisher im Widerspruchsverfahren vor dem [X.] zur Vertretung bestellten [X.]n mit Schriftsatz vom 13. Juni 2017 mitgeteilt hatten, dass sie die Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren nicht vertreten. Auch die in [X.] ansässigen Vertreter der Markeninhaberin, auf die die bisherige [X.] hingewiesen hat, erfüllen mit dem Sitz in [X.] nicht die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 [X.]. Allerdings führt die Nichtbestellung eines Inlandsvertreters durch die Markeninhaberin vorliegend nicht zu einem Verfahrenshindernis. Denn nach gefestigter Rechtsprechung kann und muss im mehrseitigen Widerspruchsverfahren (anders als im einseitigen Verfahren) eine Sachentscheidung auch dann ergehen, wenn der Markeninhaber keinen Inlandsvertreter benennt (vgl. [X.], 895, 896 – [X.]; [X.], 59 – [X.]; [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 96 Rn. 32; [X.]/[X.], [X.], 3. Auflage 2010, § 96 Rn. 21).

2. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. [X.] [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.], 1098Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 64Rn. 9 – Maalox/[X.]; [X.], 1040Rn. 25 – [X.]/pure; [X.], 833Rn. 30 – Culinaria/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 – [X.]; Entscheidung vom 12. Juli 2018, [X.], Rn. 17 – [X.], der [X.] ist über die Entscheidungsdatenbank des [X.] zugänglich). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu [X.], 343 Rn. 48 – [X.]/[X.]; [X.], 64Rn. 9 – Maalox/[X.]; [X.], 1040Rn. 25 – [X.]/pure; siehe auch [X.]/ Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Ware oder der Dienstleistungen, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

Bei der Widerspruchsunionsmarke [X.] ist entgegen der Auffassung der Markenstelle in Bezug auf die Dienstleistungen der [X.] und zwar auch in Bezug auf die Finanzdienstleistungen von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen. In Wechselwirkung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mit der Identität bzw. hochgradigen Ähnlichkeit der zu vergleichenden Dienstleistungen der [X.] hält die angegriffene Marke den zu fordernden [X.] nicht mehr ein, auch wenn im Zusammenhang mit den Finanzdienstleistungen regelmäßig von einer erhöhten Aufmerksamkeit der angesprochenen allgemeinen Verbraucherkreise und des [X.] auszugehen ist.

a. Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] [X.], 382 Rn. 31 – [X.]). Der Widerspruchsunionsmarke ist eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen, weil ein aus sich heraus beschreibender Sinngehalt der aus den Abkürzungen „Fin“ und „Invest“ gebildeten Bezeichnung [X.] nicht ohne weiteres erkennbar ist. Der Begriff „Fininvest“ ist weder in der [X.]n noch in der [X.] lexikalisch nachweisbar. Die angesprochenen Endverbraucher und Fachleute werden zwar in der Wortzusammensetzung möglicherweise die Einzelbestandteile „[X.]“ (final, finanziell bzw. Finale, Finanz, Finanzierung) und „[X.]“ (Investition, Investment) erkennen. Allerdings bedarf es dann doch noch erheblicher weiterer gedanklicher (Zwischen)Schritte und Überlegungen um die Zusammenstellung im von der Markenstelle ausgeführten Sinn von „finanzielles Investment; finales Investment; schlaues Investment“ oder „Investment in [X.]“ zu verstehen. Es mag zwar sein, dass sich bei den einschlägigen Fachkreisen des Finanzsektors bei der Buchstabenfolge „fin“ Assoziationen in Richtung „Finanz-“ bzw. „Finanzen“ einstellen, weil sie beispielsweise in den bekannten Begriffen „FinTech“ für Finanztechnologie oder „[X.]“ für die [X.] enthalten ist. Auch das Wort „Invest“ mag im Sinn des [X.]n Verbs „investieren“ oder als Kurzform für Investitionen wohl bekannt sein. Vorliegend handelt es sich bei der Widerspruchsbezeichnung [X.] aber gerade nicht um den Begriff „Finanzinvestition“ und damit um die aus sich heraus verständliche vollständige Wiedergabe der zu einem Wort zusammengefügten Bezeichnungen „Finanz“ und „Investment“ bzw. „Investition“, sondern um die Zusammenstellung deren möglicher Kurzformen bzw. Abkürzungen. Bei Abkürzungen ist aber zu berücksichtigen, dass sie ein sprachliches Hilfsmittel darstellen und der korrekten vollständigen Wiedergabe der dementsprechenden Sachbezeichnung nicht ohne weiteres gleichgestellt werden dürfen. Deshalb sind nur solche Abkürzungen als schutzunfähig anzusehen, die ebenso wie die betreffende vollständige Beschaffenheitsangabe beschreibend eingesetzt werden können, weil sie in diesem Sinn gebräuchlich oder zumindest aus sich heraus verständlich sind (vgl. [X.] [X.], 731 Rn. 16 – 21 – [X.]). Dies muss erst Recht in dem Fall gelten, wenn zwei Abkürzungen zu einem neuen eigenständigen Begriff zusammengefügt werden. Die Bezeichnung [X.] ist im Bereich der Finanzdienste der [X.] aber weder gebräuchlich noch ohne weiteres verständlich. Unter Zugrundelegung der oben aufgezeigten Wortbedeutungen der Bestandteile entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise der [X.] zwar möglicherweise beschreibende Anklänge etwa dergestalt, dass die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Investments oder Investitionen stehen könnten. Bei dem Anfangselement „Fin“ aber dürften zudem in mehrere Richtungen gehende Überlegungen angestellt werden ([X.], Finanzierung, final), um zu einer klaren Bedeutung der Abkürzung zu gelangen, sofern sie überhaupt als solche erkannt wird. Denn in der Regel nimmt der angesprochene Verkehr erfahrungsgemäß eine Marke so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen und einzelne [X.] nach einer eventuellen Bedeutung zu untersuchen (vgl. BPatG [X.], 441, 444 f. – printnet/PRINECT).

Insoweit ist der Widerspruchsmarke als [X.] und sprechende Marke, die einen gewissen Interpretationsspielraum eröffnet, noch eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auch für die Dienstleistungen der [X.] zuzubilligen.

b. Da [X.] nicht aufgeworfen sind, ist auch auf Seiten der Widerspruchsunionsmarke [X.] von der [X.] auszugehen. Die Vergleichsmarken können sich im beschwerdegegenständlichen Umfang der Dienstleistungen der [X.] auf identischen und hochgradig ähnlichen Dienstleistungen begegnen.

Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen besteht, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer, für die Frage der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit wesentlicher Gründe, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten regelmäßig aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. [X.]/Hacker/ Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rn. 59, vgl. z. B. [X.] GRUR 2004, 241, 243 – GeDIOS; GRUR 2015, 176 Rn. 16 – [X.]/[X.]).

Bei den angegriffenen Dienstleistungen der [X.] der jüngeren Marke handelt es sich um diverse Finanzdienstleistungen, die üblicherweise von Banken und anderen Kreditinstituten, Versicherungen und Immobilienunternehmen sowie den in diesen Bereichen tätigen Vermittlern und Maklern erbracht werden. Dem entsprechen die oberbegrifflich genannten Dienstleistungen „Finanzwesen, Geldgeschäfte“ der Widerspruchsmarke in nahezu identischer Weise. Denn zu den Geldgeschäften der [X.] gehören auch solche Dienstleistungen wie „organization of collections / Spendensammeln“, „[X.] / Übernahme von Kautionen zur Abwendung der Untersuchungshaft“ und sämtliche „Schätzungsdienste“ (antique appraisal; [X.]; [X.]; real estate appraisal; numismatic appraisal; [X.]) der angegriffenen jüngeren [X.]. Insoweit liegt zwischen den angefochtenen Finanzdienstleistungen der angegriffenen Marke und den [X.] weitgehend Identität bzw. im Übrigen hochgradige Ähnlichkeit vor.

c. Den bei dieser Ausgangslage der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit der Vergleichsdienstleistungen zu fordernden Abstand der Zeichen, wird die jüngere Marke angesichts des identischen [X.] [X.] jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht gerecht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung einer im Finanzsektor eher gesteigerten Aufmerksamkeit der auch angesprochenen allgemeinen Verbraucherkreise.

Die Ähnlichkeit von [X.] ist nach deren Ähnlichkeit im ([X.], im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.]. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (so z. B. [X.] in [X.], 283 Rn. 37 – [X.] m. w. N.).

Allerdings sind die Vergleichsmarken klanglich identisch bzw. hochgradig ähnlich, denn insoweit ist von einer klanglichen Prägung der angegriffenen Marke allein durch den Wortbestandteil [X.] auszugehen. Die angegriffene Marke ist eine grafisch ausgestaltete Wort-/Bildmarke, die neben der Wiedergabe der Wortelemente [X.] und [X.] in den Farben rot und blau auf der linken Seite eine Grafik aufweist. Dabei handelt es sich um eine in weiß gehaltene in einem blauen Kreis befindliche Linie oder Schlange, die zwei kreisartige Gebilde formt. Bei dieser Grafik handelt es sich um ein rein dekoratives Element, das jedenfalls bei der mündlichen Wiedergabe des Zeichens in [X.] Umfang nicht mitgesprochen werden wird. Denn bei dem Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen in einer Marke ist von dem allgemein anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr in der Regel dem Wort als der einfachsten und kürzesten Bezeichnungsform die prägende Bedeutung beimisst, weil dieses die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (st. Rspr. vgl. [X.] GRUR 2014, 378 Rn. 39 – [X.]; [X.], 1055, 1057 Nr. 28 – airdsl). Die angesprochenen Verkehrskreise werden sich daher in [X.] Umfang bei einer klanglichen Wiedergabe der Marke an den Wortbestandteilen „[X.] [X.]“ orientieren. Somit stehen sich nach dem klanglichen Gesamteindruck die Wörter „[X.] [X.]“ und „[X.]“ und damit nahezu identische Marken gegenüber. Denn das in der angegriffenen Marke befindliche Wort „[X.]“ wird lediglich als Bezeichnung für ein Kreditinstitut bzw. für den Tätigkeitsschwerpunkt der Anbieterin bzw. Erbringerin der Dienstleistungen aufgefasst und mithin als glatt dienstleistungsbeschreibende Sachangabe und damit als nicht kennzeichnend völlig in den Hintergrund treten, so dass es für den Gesamteindruck der Marke als Kennzeichen außer Betracht zu bleiben hat. Es eignet sich daher nicht dazu, die insoweit bestehende klangliche Verwechslungsgefahr der Zeichen zu verhindern.

Im Hinblick auf die festgestellte Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen der [X.], die durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und die klangliche Identität der [X.] in dem prägenden Bestandteil [X.] kann eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Daher ist der angegriffenen Wort-/Bildmarke auch im Umfang der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der [X.] der Schutz für [X.] zu verweigern, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben war.

3. Zur Auferlegung von Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.

4. Über die Beschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Eine solche war lediglich von der obsiegenden Widersprechenden hilfsweise beantragt worden, § 69 Nr. 1 [X.]. Eine mündliche Verhandlung war auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 3 [X.].

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

 

betreffend die [X.] 1 113 370

(hier: Berichtigung des mit 16. Januar 2018 datierten Beschlusses)

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.]s am 23. Januar 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Das Entscheidungsdatum des mit dem 16. Januar 2018 datierten Beschlusses wird wegen offensichtlicher Unrichtigkeit gemäß § 80 Abs. 1 [X.] dahingehend berichtigt, dass das Beschlussdatum zutreffend 16. Januar 2019 lautet.

Meta

25 W (pat) 55/17

16.01.2019

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.01.2019, Az. 25 W (pat) 55/17 (REWIS RS 2019, 11436)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11436

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